Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
762/2022
GZ:
AKR (10-5)
Sitzungstermin: 26.01.2023
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht fr
Betreff: Flexibilisierung der Personalgewinnung

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 25.01.2023, öffentlich, Nr. 19
Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht vom 20.01.2023, GRDrs 762/2022, mit folgendem

Beschlussantrag:

Den folgenden Maßnahmen zur Personalgewinnung und -bindung wird zugestimmt.

1. Bei der Eingruppierung kann künftig auf die Anforderungen in der Person (einschließlich Ausbildungs- und Prüfungspflicht) im Sinne der Nr. 2 und/oder Nr. 7 der Grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) der Anlage 1 - Entgeltordnung zum TVöD verzichtet werden. § 12 Abs. 2 Satz 6 TVöD findet insoweit keine Anwendung.

2. Bisher kann eine Arbeitsmarktzulage in besonders zu begründenden Einzelfällen befristet und zur Personalgewinnung gewährt werden. Künftig ist dies auch unbefristet und auch zur Personalbindung möglich.

3. Bei Neueinstellungen werden im Fall eines Wechsels auf eine höher oder niedriger bewertete Stelle künftig "fiktive" stufengleiche Höher- oder Herabgruppierungen durchgeführt.

4. Bei Neueinstellungen können externe Bewerber*innen künftig in besonders zu begründenden Einzelfällen übertariflich einer höheren Stufe zugeordnet werden als dies aufgrund der beruflichen Erfahrungszeiten bisher möglich ist.

5. Die Finanzierung der Mehraufwendungen in Höhe von bis zu 800.000 ab dem Haushaltsjahr 2023 erfolgt innerhalb der Personalkostenbudgets. Die Verwaltung wird im Haushaltsjahr 2023 ermächtigt erforderlichenfalls den daraus entstehenden überplanmäßigen Mittelbedarf aus der Deckungsreserve (Teilplanansatz für Personalaufwand) im Teilhaushalt 900 - Allgemeine Finanzwirtschaft, Amtsbereich 9006120 - Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft, Kontengruppe 440 - Sonstige ordentliche Aufwendungen zu decken.

6. Die Anwendung der Maßnahmen wird zunächst bis zum 31.12.2025 befristet. Nicht befristet werden dagegen die auf Grundlage dieses Beschlusses getroffenen individuellen Entscheidungen, wie Höhergruppierungen, Stufenzuordnungen und Zulagengewährungen. Über eine eventuelle Verlängerung der Maßnahmen wird unter den Gesichtspunkten ihrer Wirksamkeit, tariflicher Weiterentwicklungen, der Arbeitsmarktlage sowie der Finanzierbarkeit entschieden.

Die Erläuterungen zu den einzelnen Maßnahmen finden sich in der Anlage.


StRin Tiarks (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) nimmt diese Vorlage zum Anlass, sich bei der Verwaltung und insbesondere beim Oberbürgermeister zu bedanken dafür, dass sie immer wieder im Verwaltungsausschuss und im Gemeinderat Beschlussvorlagen eingebracht haben mit dem Ziel, Personalerhaltung und Personalgewinnung zu verbessern. Das kostenfreie Deutschlandtickt sei eine davon, aber auch die jetzige Vorlage zur Flexibilisierung der Personalgewinnung oder solche Vorlagen, um einzelnen Gruppen von Mitarbeitenden Zulagen gewähren zu können. Auf diese Art verbessern sich scheibchenweise die Arbeitsbedingungen. Je mehr Gruppen man einbeziehe in eine Zulage, desto mehr Beschäftigte profitieren davon. Sie frage sich jedoch, weshalb man immer scheibchenweise vorgeht, anstatt nicht einmal den großen Wurf zu machen und eine Ballungsraumzulage für Stuttgart zu verabschieden. Mit Blick auf die vorhin erfolgte Übergabe von 11.423 Unterschriften von TVöD-Beschäftigten an OB Dr. Nopper und die ver.di-Forderung für die laufende Tarifrunde von 10,5 % mehr Geld, mindestens aber 500 €, sowie die Aussage des Oberbürgermeisters, "dass wir tatsächlich einen Fachkräftemangel hier in Stuttgart haben und dass wir aufgrund dessen auch die Forderungen der Tarifbeschäftigten unterstützen müssen", fordert die Stadträtin OB Dr. Nopper auf, sich persönlich mit Elan beim kommunalen Arbeitgeberverband für die Forderungen der Beschäftigten einzusetzen und die begonnene Serie auch in den nächsten Monaten in den Tarifverhandlungen weiterzuführen.

Zum aktuellen Stand bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst informiert OB Dr. Nopper, vor wenigen Tagen habe die erste Verhandlungsrunde in Potsdam stattgefunden. Verhandlungsführerin seitens der Arbeitgeber sei Frau Welge, Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen. Andere Kommunen als Stuttgart stünden vor einem noch schwierigeren Spagat, weil einerseits sehr viel Geld für die Zukunftsaufgaben Klimaneutralität, Digitalisierung der Verwaltung, Sanierung öffentlicher Infrastruktur benötigt wird, und andererseits die Kommunen für eine faire Bezahlung ihrer Beschäftigten sorgen müssen. Der Gemeinderat habe vorhin mit dem kostenfreien Deutschland-Ticket zugunsten aller Beschäftigten ja bereits so etwas wie eine Stuttgart-Zulage beschlossen. Es gibt aus seiner Sicht im aktuellen Tarifkonflikt keine Verweigerungshaltung der kommunalen Arbeitgeber, weshalb er die Eskalation in diesem sehr frühen Stadium der Tarifverhandlungen nicht verstehe. Beide Tarifparteien stehen in der Verantwortung, einen vernünftigen Kompromiss zu finden. Der Tarifkonflikt dürfe auf gar keinen Fall auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werden.

StR Lutz (SPD) begrüßt diese Vorlage ausdrücklich. Dennoch sei sie ein Stückwerk zu dem Thema "Wie können wir den großen Fachkräftemangel reduzieren?" Gleichzeitig sei sie ein Teil der Antwort auf die Frage "Wie können wir dazu beitragen, dass die städtischen Beschäftigten sich auch das Wohnen in Stuttgart leisten können?" Darüber hinaus sei für seine Fraktion wichtig, dass langfristig real eine tarifliche "Stuttgart-Zulage" kommt. Dies müsse endlich angegangen werden und er gehe davon aus, dass das Votum der Landeshauptstadt diesbezüglich eine gewichtige Rolle spielt. "Dazu gehört generell eine deutliche Erhöhung, die die Leute einfach brauchen, weil die Lebenshaltungskosten gestiegen sind, vor allem auch für die unteren Entgeltgruppen. Aber darüber hinaus brauchen wir dringend eine langfristig tarifliche Lösung, damit Stuttgart langfristig attraktiv ist für Fachkräfte. Denn das ist ja unser Problem: Der Fachkräftemangel ist ein Stückweit dadurch entstanden, dass wir über viele Jahre vom Verdienst her nicht besonders attraktiv waren. Und das muss jetzt angegangen werden und da bitten wir Sie als SPD-Fraktion, dass Sie diese Rolle im kommunalen Arbeitgeberverband auch wahrnehmen und spielen! Dankeschön."


Man werde schauen, was man diesbezüglich tun kann, so OB Dr. Nopper. Heute habe man jedenfalls schon einen Schritt in die richtige Richtung getan. Abschließend stellt er fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt.

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