Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
63
2
VerhandlungDrucksache:
7/2022
GZ:
AKR/SOS 1411-02
Sitzungstermin: 24.03.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Fortschreibung des Feuerwehrbedarfsplans 2021

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 23.03.2022, öffentlich, Nr. 96
Verweisung ohne Votum an den Gemeinderat

Beratungsunterlage ist die gemeinsame Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht und des Referats Sicherheit, Ordnung und Sport vom 11.03.2022, GRDrs 7/2022, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Dem vorliegenden risiko- und bedarfsorientierten Feuerwehrbedarfsplan wird gemäß § 2 Absatz 3 der Feuerwehrsatzung der Landeshauptstadt Stuttgart (FwS) in Ergänzung zum Grundsatzbeschluss mit der GRDrs 928/2021 zugestimmt (siehe Anlage).

2. Vom nachfolgend dargestellten zusätzlichen vordringlichen Personalbedarf in den genannten Besoldungs-/Entgeltgruppen wird Kenntnis genommen. Die Entscheidung über die Stellenschaffungen ist im Vorgriff auf den Stellenplan 2024 zu treffen.
3. Vom nachfolgend dargestellten weiteren Stellenbedarf in den genannten Besoldungs-/Entgeltgruppen wird Kenntnis genommen. Die notwendigen Stellen werden im Rahmen des Stellenplanverfahrens 2024/2025 von der Branddirektion beantragt.

4. Für die o. g. Stellen entstehen Personalaufwendungen i. H. v. rund 2,5 Mio. EUR pro Jahr ab dem Jahr 2024 und zusätzlich rund 2,2 Mio. EUR pro Jahr ab dem Jahr 2025.

5. Im Rahmen der Planaufstellung zum Doppelhaushaltsplan 2024/2025 wird eine mehrjährige Investitionsplanung für die Fahrzeugbeschaffungen der Branddirektion vorgelegt. Von dem gegebenenfalls sich daraus ergebenden Bedarf an weiteren Verpflichtungsermächtigungen wird Kenntnis genommen. Sofern diese nicht in Verwaltungszuständigkeit bereitgestellt werden können, wird dem Verwaltungsausschuss ein Beschlussantrag zur Zustimmung zum Eingehen der überplanmäßigen Verpflichtungen vorgelegt.


StR Pitschel (90/GRÜNE) richtet sich an die anwesenden Feuerwehrleute, über deren Anwesenheit er sich sehr freue. In der heutigen Sitzung des Gemeinderates gehe es vor allem um sie und um unsere Stadt, die sich fortlaufend verändere. Mit der Veränderung in der Stadt gehe auch eine Veränderung der Anforderungen an die Sicherheitsarchitektur in der Landeshauptstadt Stuttgart einher. Der neue Feuerwehrbedarfsplan sei wichtig, gelte er doch für die nächsten zehn Jahre und sehe enorme Investitionen vor in das Stuttgarter Feuerwehrwesen - ins Personal, in die Fahrzeuge, in die Ertüchtigung von Wachen und in den Neubau von Wachen.

Eingehend auf das Thema Tunnelprojekte betont der Stadtrat, wenn solche im Rat immer sehr kontrovers diskutierten Tunnelbauwerke beschlossen werden, so belaste dies nicht nur durch die gewaltigen Investitionsvolumina, sondern man sei auch damit konfrontiert, dass die Stuttgarter Feuerwehrleute diese Infrastruktur sichern müssen, was enorme Folgekosten nach sich ziehe. Im Vergleich zu den Baukosten solcher Tunnel seien zweieinhalb Millionen EUR im ersten Schritt fürs Personal zunächst nicht das Gros, doch seien es dauerhafte Folgekosten, die den Stadthaushalt belasten und die aufs Ergebnis durchschlagen. Er wünsche sich deswegen auch, dass der Gemeinderat die heutige Beschlussfassung zum Anlass nimmt für Ehrlichkeit und Transparenz in seinen politischen Debatten in der Zukunft.

Der heutige Beschluss sei der Startschuss vom Bedarfsplan zu einer Umsetzungsplanung für eine leistungsfähige Feuerwehr in Stuttgart. Man habe diese heute schon, doch gebe es in der Umsetzung noch viele Detailfragen für mögliche neue Außenwachen zu klären - in Bezug auf Standorte, in Bezug auf die Bedarfe aufgrund neuer Stadtentwicklungsprojekte, in Bezug auf die Beschaffung klimaneutraler Fahrzeuge und vieles mehr. Er wiederholt, schon heute habe man eine sehr gut aufgestellte Feuerwehr in Stuttgart - Freiwillige Feuerwehr wie auch Berufsfeuerwehr. Heute stelle man die Weichen, dass dies in Zukunft auch so bleibt, denn die Sicherheit und der Schutz für Stuttgarterinnen und Stuttgarter sei elementarste Daseinsvorsorge. Er spricht Herrn Dr. Belge und Herrn Häfele stellvertretend für ihre Kolleginnen und Kollegen den Dank seiner Fraktion aus. Gerade in diesen Tagen wachse die Stuttgarter Feuerwehr wieder über sich hinaus und leiste Großartiges bei der Versorgung derjenigen Menschen, die aktuell aus der Ukraine fliehen und nach Stuttgart kommen. Auch die Stuttgarter Bevölkerung könne sich jederzeit auf ihre Feuerwehr in Stuttgart verlassen. Darauf sei er stolz und sage dafür herzlichen Dank.

StR Kotz (CDU) teilt die Einschätzung, wonach in den nächsten zehn Jahren mächtige Zuwächse, gewaltige Investitionen, enorme Stellenschaffungen anstehen. Und dies nach einem Doppelhaushalt, der durchaus schon sehr viele wichtige Elemente für die Stuttgarter Feuerwehr, egal, ob hauptberuflich oder ehrenamtlich, erbracht hat. Die CDU-Fraktion halte diese Investitionen für angemessen, für richtig und für notwendig. Es gehe bei der Feuerwehr nicht nur um das Thema Brand, sondern die Aufgabenvielfalt reiche von Hochwasser- und Starkniederschlagsereignissen über Sturmschäden, Bergung von Mensch und Tier bis zum Thema Notquartiere und vieles andere mehr im Verkehrs- und Umweltbereich.

Aus dem Wortbeitrag seines Vorredners habe er herausgehört, dass wenn keine Tunnelbauprojekte geplant und gebaut worden wären, dann auch nicht so viele Stellen bei der Feuerwehr geschaffen werden müssten, was gut wäre. Seine Fraktion sehe dies ganz anders. Man mache bei der Herleitung der einen oder anderen Investition und Stelle im Feuerwehrbedarfsplan durchaus auch ein Fragezeichen, ob die jeweilige Begründung wirklich schlüssig ist. Aber dass das Mehr an Frauen und Männern in der Berufsfeuerwehr und in der Freiwilligen Feuerwehr, das Mehr an moderner Ausstattung, an Unterkunft, an Arbeitsqualität richtig ist, stehe für sie außer Frage. Es gehe um den Schutz der Bevölkerung und da sei die Herleitung - gab es da ein Tunnelbauprojekt
oder nicht - völlig egal. Es werde eine gewaltige Herausforderung in den nächsten Haushalten sein, die Finanzmittel einzustellen. Aber es werde eine noch größere Herausforderung sein für Herrn Dr. Belge und sein Team, die Stellen auch zu besetzen, Räumlichkeiten zu finden und Grundstücke, Arrondierungen vorzunehmen was das Thema Außenwachen oder Garagenwachen angeht. Die Beschaffung von Fahrzeugen sei wahrscheinlich die leichteste Übung, sobald Mikrochips wieder lieferbar sind. "Ein herzliches Glückauf unserer Feuerwehr! Vielen, vielen Dank, was Sie täglich für uns hier im Saal, aber für die Stuttgarterinnen und Stuttgarter in Summe leisten, herzlichen Dank!"


StRin Dr. Hackl (SPD) schickt voraus, die SPD-Fraktion werde dieser wichtigen Beschlussvorlage zur Fortschreibung des Feuerwehrbedarfsplans 2021 zustimmen. Sie tue dies aus Überzeugung, weil die Einwohnerinnen und Einwohner Stuttgarts zu Recht vom Gemeinderat erwarten, dass er in seiner Verantwortung die Rahmenbedingungen dafür schafft, dass sie geschützt werden, dass Gefahren für ihr Leben abgewehrt werden und dass sie ganz rasch Hilfe erhalten, wenn es denn brennt oder es zu Überschwemmungen kommt. Ein Feuerwehrbedarfsplan bilde die Grundlage dafür, dass eine Kommune eine an den heutigen Stand und die zukünftigen Entwicklungen angepasste leistungsfähige Feuerwehr vorhält. Der Feuerwehrbedarfsplan beschreibe den Feuerwehrbedarf in den Bereichen abwehrender Brandschutz und technische Hilfe und formuliere die dafür erforderlichen Aufgaben und Maßnahmen. Er sei keine Wunschliste, sondern Verpflichtung. Sie empfehle allen die Lektüre des Feuerwehrbedarfsplans, denn da erfahre man interessante Dinge. Beispielhaft zitiert die Stadträtin daraus. All diese Notwendigkeiten entfalte der Feuerwehrbedarfsplan. Mit den Entscheidungen vom Dezember und der heutigen Entscheidung stimme man diesem nicht nur zu, sondern starte die ersten wichtigen Umsetzungsschritte, wie zum vordringlichen Personalbedarf. Völlig klar sei, dass zur weiteren Realisierung ein stringentes Umsetzungskonzept erarbeitet werden muss. Dazu gehöre auch die mehrjährige Investitionsplanung.

Mit der Beschlussantragsziffer 5 der Gemeinderatsdrucksache setze man ein wichtiges Zeichen für die dringend erforderlichen Fahrzeugbeschaffungen. Diesbezüglich empfiehlt die Stadträtin den Blick auf die Seiten 120 und 121 zum Alter der Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehren mit besonderem Blick auf das Klima. Die Beschlussantragsziffer 5 öffne auch die Tür für gegebenenfalls erforderliche Verpflichtungsermächtigungen. Sie könne für ihre Fraktion zusagen, dass man gewillt sei, auch unterjährig Verpflichtungsermächtigungen zu beschließen, falls diese zur Sicherung des Schutzes der Einwohnerinnen und Einwohner Stuttgarts notwendig sind. Abschließend betont sie: "Alle hauptamtlichen und ehrenamtlichen Einsatzkräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Feuerwehr verdienen unsere höchste Wertschätzung! Vielen Dank Ihnen, Herr Dr. Belge, mit Ihrer Frauschaft und Mannschaft. Geben Sie diesen Dank bitte auch an Ihre Kolleginnen und Kollegen weiter!"

StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) dankt der Feuerwehr für ihren enormen Einsatz. Was die Tunnel angeht, so gebe es in Stuttgart unverhältnismäßig viele davon und dies sei durchaus ein Thema für die Personal- und Fahrzeugbemessung. Ein weiterer, noch nicht erwähnter Punkt sei, dass bisher die Stellenschlüssel für die Funktionsstellen zu niedrig angesetzt waren. Bisher habe man 4,6 Hauptzeitkräfte für 1 Funktionsstelle im Einsatz gerechnet. Jetzt habe man aus dem Bedarfsplan gelernt, dass 5 Hauptzeitkräfte gebraucht werden, sodass allein dieser Aspekt deutlich mehr Personal notwendig mache. Dem Personalbedarf, der sich schon klar abzeichne, werde man in einem schrittweisen Prozess entsprechen.

Der Klimawandel und seine Folgen, wie Überschwemmungen und die wachsende Waldbrandgefahr, erfordern ebenfalls immer größere Einsatzbereitschaft der Feuerwehr und immer mehr Mittel und Einsatzkräfte. Dies gelte natürlich auch für Katastrophen und wie jetzt bei einem extremen Zustrom an Geflüchteten. Wichtig sei nun, diesen Feuerwehrbedarfsplan wirklich umzusetzen. Natürlich unterstütze man vollumfänglich die gesamten Maßnahmen, die darin vorgeschlagen werden und den Aufbau der nötigen Infrastruktur einschließlich der Fahrzeugbeschaffungen. Den Etat dafür werde man noch erhöhen müssen, sobald es die Möglichkeit gibt, das Geld auch auszugeben. Denn die Lieferzeiten seien unabhängig von Corona, fehlenden Kabelbäumen oder Chips sehr, sehr lang bei Feuerwehrfahrzeugen. Er sei dennoch zuversichtlich, diesen Plan zusammen mit den anderen Fraktionen, die alle geschlossen dahinterstehen, umsetzen zu können. Insofern sehe man sich für die Zukunft bald gut aufgestellt. "Wir müssen rechtzeitig fertig werden: Falls Stuttgart 21 einmal in Betrieb geht, muss die Feuerwehr bereit sein, zu beschützen, wenn es dann nötig ist."

Die ersten Sätze aus dem Haushaltsantrag seiner Fraktion zum Thema Feuerwehr lauten: "Die Feuerwehren in Stuttgart - Freiwillige und Berufsfeuerwehren - sind ein zentraler Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in unserer Stadt. Daher ist es nicht nur wünschenswert, sondern zwingend, dass die Feuerwehren räumlich, personell und finanziell so aufgestellt werden, dass sie ihren Aufgaben auch vorbehaltslos nachgehen können", zitiert StR Dr. Oechsner (FDP). Damit sei eigentlich schon alles gesagt. Zu den vorausgegangenen Wortbeiträgen merkt er an, man habe in Stuttgart nicht nur Straßentunnel und umstrittene S21-Tunnel, sondern auch ÖPNV-Tunnel und andere. Zum Thema Ehrlichmachen weist er darauf hin, dass jede Entscheidung, die getroffen wird - zum Ausbau des ÖPNV, bei der weiteren Ansiedlung von Personen, beim Bau von Wohngebäuden, bei allem - auch eine Auslösung hin zur Sicherheitsarchitektur in dieser Stadt habe und damit Auswirkungen auf die Feuerwehr. Mit Blick auf die Beschlussantragsziffer 2.10 bittet er darum, "dass wir alle gemeinsam nicht vergessen, dass es zur Ausbildung auch eines Ausbildungszentrums bedarf, und dass wir uns hier auf die Suche machen müssen. Ich wüsste schon, wo wir das hinmachen können. Ich hoffe, Sie wissen das auch bald. Und dann können wir da mal in die richtige Richtung gehen." Seine Fraktion stimme dem Feuerwehrbedarfsplan selbstverständlich zu.

StR Puttenat (PULS) richtet das Wort an die Feuerwehrleute: "Wir wissen, wie wichtig und elementar eure Arbeit ist. Ich erinnere mich gut daran, wie sehr ich mich geärgert habe, als die Pläne der Stadtlücken durch den beschlossenen Interimsstandort der Feuerwache 1 unter der Paulinenbrücke durchkreuzt wurden. Und doch war auch uns bei PULS schnell klar, wo die Prioritäten liegen - auch wenn wir uns gewünscht hätten, es hätte einen anderen geeigneten Ort für die Wache gegeben. Herzlichen Dank, geschätzte Feuerwehr. PULS steht hinter euch und ist super dankbar für die Arbeit, die Ihr leistet. Wir stimmen dieser Fortschreibung sehr, sehr gerne zu. Wohlan!"

Auch StRin von Stein (FW) verweist auf die Veränderungen in der Stadt seit dem letzten Feuerwehrbedarfsplan und die Notwendigkeit, in der Fortschreibung auf diese Veränderungen zu reagieren. Mit der vorliegenden Fortschreibung des Feuerwehrbedarfsplans werde diesen Veränderungen Rechnung getragen. Diese stelle sicher, dass die Stuttgarter Feuerwehr ihrem Auftrag der Daseinsvorsorge und Daseinsfürsorge gut nachkommen kann. Die zahlreichen Ereignisse der letzten Monate hätten eindrucksvoll aufgezeigt, wie wichtig eine gut funktionierende Feuerwehr ist. Sie spricht den Feuerwehrleuten einen herzlichen Dank für das Engagement und den Einsatz bei all diesen Aktivitäten, insbesondere in den letzten Tagen für die Ukraine-Flüchtlinge, aus.

Mit Blick auf die Sanierungsnotwendigkeiten der Feuerwehrhäuser sei es den Freien Wählern wichtig, deutlich zu machen, dass die Sanierung bzw. der Neubau von Feuerwehrhäusern mit der gleichen Priorität und Dringlichkeit verfolgt und umgesetzt werden muss wie die Maßnahmen, die der Rat heute beschließt. In den kommenden Haushalten müssten für diese Vorhaben die entsprechenden Mittel selbstverständlich eingestellt werden. Der heutigen Vorlage stimme man gerne und aus Überzeugung zu.

Die Feuerwehr sei "einer der Grundpfeiler für ein funktionierendes resilientes Stadtleben, für Schutz und Sicherheit von Leib und Leben unserer Bürger, und wir danken Ihnen für Ihren Dienst vollumfänglich und uneingeschränkt", so StR Goller (AfD). "Der Umfang und die Wichtigkeit Ihrer Aufgaben, die Sie beruflich und auch freiwillig für uns alle erfüllen, und die Mühen und Entbehrungen, die das für Sie persönlich bedeutet, verbieten es aus unserer Sicht, Beschlüsse wie diesen heute an tagespolitische Absichten oder Narrative zu knüpfen. Es würde nämlich bedeuten, sie womöglich davon abhängig zu machen. Die nachhaltige Schwierigkeit, den Feuerwehrnachwuchs in einer veränderten Gesellschaft mit anderen Wertevorstellungen und Interessen - gerade der jungen Leute - zu gewinnen, macht eine vorausschauende langfristige Stärkung des Personalstamms unverzichtbar. Sie haben dafür unsere uneingeschränkte Unterstützung. Herzlichen Dank."


Abschließend stellt OB Dr. Nopper fest:

Der Gemeinderat beschließt die GRDrs 7/2022 einstimmig wie beantragt.

zum Seitenanfang