Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
1304/2017
GZ:
WFB
Sitzungstermin: 14.12.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Direktvergabe der Verkehrsleistungen an die
Stuttgarter Straßenbahnen AG
Öffentlicher Dienstleistungsauftrag

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 29.11.2017, öffentlich, Nr. 529
Ergebnis: Einbringung

Verwaltungsausschuss vom 13.12.2017, öffentlich, Nr. 572
Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 07.11.2017, GRDrs 1304/2017, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Betrauung der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) durch die Landeshauptstadt Stuttgart ab 01.01.2019 im Wege der Direktvergabe und dem dazugehörigen öffentlichen Dienstleistungsauftrag (ÖDLA) wird zugestimmt. 2. Der Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (SVV) wird ermächtigt, dem ÖDLA samt Anlagen in Form eines Gesellschafterbeschlusses zuzustimmen, durch den die SSB mit den Verkehrsleistungen in Stuttgart betraut wird. 3. Der Betrauung der SSB mit den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) hinsichtlich des Betriebs der Killesbergbahn sowie der Straßenbahnwelt mit historischem Fahrbetrieb wird zugestimmt.

4. Zur laufenden Bestandsbetrauung wird beschlossen, dass der SSB im Übergangszeitraum bis zum Laufzeitbeginn des ÖDLA die Ausgleichszahlungen für rabattierte Beförderung im Ausbildungsverkehr des Landes (sog. § 45a-Mittel) entsprechend der Änderung des ÖPNVG vom 24.10.2017 an die SSB weitergeleitet werden.

5. Die Verwaltung wird ermächtigt die notwendigen Schritte zur Umsetzung der Direktvergabe in die Wege zu leiten. Der Vertreter der LHS wird dabei ermächtigt, alle Erklärungen abzugeben und Handlungen vorzunehmen, die für die Direktvergabe und die DAWI-Betrauung erforderlich und zweckmäßig sind.


Die Vertreter der Fraktionen danken der Verwaltung für ihr Engagement.

StR Sauer (CDU) schildert die Vorgeschichte und weist darauf hin, dass mit diesem Beschluss der letzte Schritt zur Direktvergabe der ÖPNV-Leistungen an die SSB erfolge. Die Regelungstiefe sei angesichts der langen Laufzeit bewusst gering gehalten, und so bleibe in Kapitel 10 "Änderungsmanagement" genug Luft, um den aktuellen Leistungsumfang in den kommenden Jahren sukzessive ausbauen zu können. Nur so könnten die Ziele wie etwa die U19-Verlängerung zum Mercedes Museum und die neue Stadtbahnlinie von Hohenheim über Möhringen und Hauptbahnhof bis zum Killesberg, die Anfang 2018 im NVEP festgeschrieben werden sollten, auch umgesetzt werden. Hierzu gehörten ebenfalls die Beschlüsse des fraktionsübergreifenden Bündnisses für Mobilität und Luftreinhaltung, die Verbesserungen im Busangebot zum Ziel hätten.

Auch StR Stopper (90/GRÜNE) weist auf die grundlegende Bedeutung des Beschlusses für den ÖPNV in Stuttgart und die SSB hin. Möglicherweise vermeide man damit sogar eine Zerschlagung der SSB. Im Grunde genommen nehme man mit dem Beschluss eine Anpassung an das Wettbewerbs- und Vergaberecht vor. Der vorliegende öffentliche Dienstleistungsauftrag setze die Ziele, die sich Stadt und SSB gegeben hätten, nach Ansicht seiner Fraktion vorbildlich und rechtssicher um. Außerdem bleibe die Rolle der SSB als Mitglied im VVS-Mischverbund erhalten, sodass die Stadt hier weiterhin ihren Einfluss ausüben könne.

Da seine Fraktion den Nahverkehr als originäre kommunale Aufgabe der Daseinsvorsorge sehe, so StR Körner (SPD), müsse das Bus- und Bahnangebot einer demokratischen Kontrolle unterliegen, und die Arbeitsbedingungen müssten anständig sein. Seine Fraktion werde immer darauf achten, dass die Qualität der Dienstleistungen und die Arbeitsbedingungen auch bei einer Fremdvergabe gegeben seien. Wichtig sei, dass bei der Finanzierung die Balance zwischen öffentlicher Hand und Fahrgästen stimme. Diese habe sich in den letzten Jahren zuungunsten der Fahrgäste verschoben, die mittlerweile 60 % finanzierten.

Mit der Direktvergabe bekenne sich die Stadt zu ihrem kommunalen Nahverkehrsunternehmen und seinen 3.000 Beschäftigten, erklärt StR Ozasek (SÖS-LINKE-PluS). Im Zusammenhang mit dem Nahverkehrsplan wiederholt er die Auffassung seiner Fraktionsgemeinschaft, dass das Grundangebot nicht ausreiche. Eine Landeshauptstadt sollte einen werktäglichen Nachttakt haben, zudem müsse die Transportkapazität erheblich erhöht und die Transformation des Verkehrssystems hin zu einem nachhaltigen Mobilitätsmix vollzogen werden. Dafür müsse die Stadt deutlich höhere Investitionszuschüsse an die SSB leisten. Der Abverkauf von Liegenschaften und das Herausbrechen insbesondere des Wohnungsbestands schwäche das Unternehmen in der Erfüllung seiner Kernaufgaben. Die beschlossenen Fremdvergabequoten seien, insbesondere in Bezug auf Kernaufgaben, deutlich zu hoch.

Im Namen ihrer Fraktion begrüßt StRin von Stein (FW) das Verfahren und auch, dass die SSB mit dem Dienstleistungsauftrag betraut werden könne.

Zustimmung seiner Fraktion zur Vorlage signalisiert auch StR Klingler (AfD). Die SSB sei sehr gut aufgestellt, und mit dem Vertrag sichere man ihre Zukunft. Nun müssten noch die Förderungen von Bund und Land für die Beschaffung von Fahrzeugen wieder aktiviert werden.

StR Dr. Oechsner (FDP) erklärt, seine Gruppierung werde ebenfalls zustimmen. Er halte die SSB hier für den allerbesten Partner. Denn ein privates Unternehmen würde sich die Rosinen herauspicken, während man jedoch auch Unlukratives und Uneffektives machen müsse, um möglichst viele Menschen in Stuttgart auf den ÖPNV zu bringen.

StR Dr. Schertlen (STd) beantragt die einzelne Abstimmung der Beschlussantragsziffern. Die Ziffern 1, 2 und 5 müsse er ablehnen, den Ziffern 3 und 4 könne er zustimmen. Seiner Ansicht nach hätte man mit einer streng und eng formulierten Ausschreibung für Mindestleistungen durchaus Angebote des Marktes erhalten können. Ein Wettbewerber hätte der SSB bessere Argumente für die Höhe der Tarife geliefert. Doch in erster Linie störe ihn die Vertragslaufzeit bis 2040, da sich die SSB angesichts erkennbarer neuer Transporttechnologien nicht offen für Neuerungen zeige und sich noch nicht einmal ein Wille erkennen lasse, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Doch sei absehbar, dass Unternehmen mit autonomen Fahrzeugen deutlich vor Ende des Vergabezeitraums auf die Straße kämen. Verschmelze man gedanklich die Bezahlmodelle im Internet mit den Angeboten solcher Fahrdienste, liege es auf der Hand, dass Unternehmen kostenlose werbefinanzierte Fahrten anböten, die trotz aller regulatorischen Hürden eine deutliche Konkurrenz zur SSB darstellen würden, die vertraglich gebunden und nicht handlungsfähig sei und die den technologischen Anschluss in den Jahren 2015 bis 2020 verschlafen habe. Wenn man aber rechtliche Hürden für solche Dienste errichte, führe dies dazu, dass Stuttgart im Jahr 2030 eine Art "rollendes Museum" habe. Ihm bleibe zu hoffen, dass die im Aufsichtsrat der SSB vertretenen Mitglieder des Gemeinderats entsprechende Veränderungen forderten.

Diese Einschätzung weist StR Stopper zurück. Die SSB habe gerade im Bereich Technik, Antriebstechnologie und bei den Bussen sehr viel Pionierarbeit in Pilot- und wissenschaftlichen Studien geleistet. Sie nehme nur nicht jeden Hype gleich auf, sondern untersuche neue Technologien sehr gründlich und teste diese in Pilotprojekten. Zur wettbewerblichen Vergabe merkt er an, in der vorgesehenen Frist hätten sich keine privaten Konkurrenten gemeldet, womit die Kritik der Grundlage entbehre.

Letzteres bestätigt EBM Föll und ergänzt, dass sich für die Nutzerinnen und Nutzer der SSB nichts Spürbares ändern werde. Ohne Direktvergabe jedoch würde sich sowohl für die Nutzerinnen und Nutzer als auch für die Beschäftigten der SSB alles ändern. Es zeige die Qualität der SSB, wenn sich in Deutschland und Europa kein anderes privates Unternehmen finde, das hier einen Antrag stelle. Er betont, dass für die Stadt die Rechtssicherheit Priorität habe, man jedoch auch auf Flexibilität - im Hinblick auf die künftige Leistungsentwicklung sowie Standards und Technologien - achte. Dies lasse sich in den öffentlichen Dienstleistungsauftrag sehr wohl integrieren.

OB Kuhn stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt die Beschlussantragsziffern 1, 2 und 5 jeweils mit 1 Gegenstimme mehrheitlich. Die Ziffern 3 und 4 werden vom Gemeinderat einstimmig beschlossen.
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