Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 19.04.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Generaldebatte "Mobilität"

Das als Tischvorlage ausgeteilte Faktenpapier ist dem Originalprotokoll sowie dem
Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.



Eingangs begründet OB Kuhn die Grundsatzdebatte, mit der die vielen Einzelheiten der Themen Verkehr und Mobilität in eine Gesamtschau gebracht und ein Ausblick vorgenommen werden soll. Dabei ist die Redezeit in der ersten Runde gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat für die Fraktionen auf 15 Minuten, die Gruppierungen auf 10 Minuten und die Einzelstadträte auf 5 Minuten begrenzt. Die Redebeiträge sind nachfolgend im redigierten Wortlaut wiedergegeben.

OB Kuhn:
"Ich will wenige Punkte zur Ausgangslage vorneweg schicken und dann auch auf die Zukunft kommen. Die Stadt Stuttgart ist heute in sehr hohem Maße von der Automobilindustrie abhängig. Und es ist auch positiv, weil wir sonst die Arbeitsplätze nicht hätten. Verstehen Sie 'abhängig' nicht als 'am Gängelband', sondern wir haben viel Wohlstand und städtische Einnahmen, weil wir die Automobilindustrie haben. Deren Leittechnologie ist derzeit der Verbrennungsmotor, kann ja nicht anders sein, weil bei anderen Motoren eher Pilotphasen und Ankündigungen da sind, als in großer Zahl Produkte. Aber es ist wichtig, dieses nicht zu vergessen.

Der zweite Punkt, wie unsere Mobilität auf der Basis dieser Leittechnik heute in der engen Stadt Stuttgart mit einem Einzugsgebiet in einer Metropolregion von 5 Mio. Menschen organisiert ist, stößt an ihre Grenzen. Das ist offensichtlich, wir haben zu viel Stau in der Innenstadt, wir haben zu viel Stress in der Innenstadt, das Lärmthema, Verlärmung der Stadt, hat auch mit unserer Mobilität zu tun und natürlich haben wir die Probleme, was die Luftverschmutzung angeht. Daraus kann man schon ableiten, das Modell, das wir heute im Verkehr haben, ist nicht mehr zukunftsfähig, sondern muss durch etwas Anderes ersetzt werden, durch einen anderen Mix von Technologien und Bewegungsarten. Eine kurze Bemerkung zur Luftverschmutzung. Es sieht ja ganz gut aus beim Feinstaub, wir haben realistische Chancen, 2018 die Grenzwerte zum ersten Mal zu erreichen, aber beim Stickoxid sind wir noch weit davon entfernt. Wir sind auch dort besser geworden, haben München sozusagen überholt, aber wir sind an vielen Messstellen noch nicht besser. Ich glaube, eine Diskussion über die Station am Neckartor lohnt sich nicht, weil wir auch an anderen Stationen beim Stickoxid Überschreitungen haben und deswegen das als Problem der ganzen Stadt zu sehen ist.

Zwei Drittel der Stickoxide in der Stadt Stuttgart kommen vom Automobilverkehr und davon wieder dreiviertel von Dieseln in den unterschiedlichen Klassen. Wir müssen uns der Verbotsdiskussion stellen. Das Leipziger Verwaltungsgericht hat ja gesagt, wenn nicht kurzfristig andere Abhilfen möglich sind, dann müssen wir Verbote erlassen. Es hat ja dem Verwaltungsgerichtsurteil in Stuttgart Recht gegeben. Aber es hat es auch eingeschränkt insofern, als man dabei verhältnismäßig vorgehen müsse, und es hat Verhältnismäßigkeit auch definiert, dass man Ausnahmen machen müsse, z. B. für den Handwerksverkehr, und dass man bessere Fahrzeuge später verbieten müsse. Ich sage das deswegen noch einmal, weil das Urteil bisher in der öffentlichen Diskussion nicht präzise verstanden worden ist. Vielleicht legt sich das dann, wenn die schriftliche Begründung da ist.

Wichtig ist noch eines, das Verwaltungsgericht hat gesagt, Euro 5 Diesel, das ist ja die große Zahl der Fahrzeuge, sollen nicht vor dem 01.09.2019 verboten werden. In mündlicher Auslassung hat der Richter gesagt, wenn die Grenzwerte sich bis dahin signifikant verbessern, gegebenenfalls auch später. Daraus leite ich ab, dass jenseits aller Diskussionen jetzt für die nächsten eineinhalb oder zwei Jahre alles getan werden muss, dass wir weiter nach unten kommen mit den Stickoxid-Grenzwerten, jedes Mikrogramm zählt, und dass wir eine Chance haben, und nur dann eine Chance haben, wenn wir signifikant die Grenzwerte verbessern, um um Verbote herumzukommen. Die Verbote, das will ich nochmal sagen, sind für eine Stadt wie Stuttgart extrem schlecht, extrem schwierig, aber das höchste deutsche Gericht hat den Rahmen gesetzt, deswegen - es gibt nichts Gutes, außer man tut es - jetzt in den nächsten zwei Jahren die Grenzwerte massiv senken!

Ich will, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einen Punkt damit verbinden. Die Städte, wir hatten gerade am Montag bundesdeutschen Städtetag in Augsburg, fühlen sich von der Bundesregierung im Stich gelassen, sowohl was die Schnelligkeit und Klarheit der Programme angeht, als auch was die langfristigen Forderungen angeht. Übrigens kann da auch das Land mehr tun, weil im GVFG, also im Schienenausbau und in der Fahrzeugbeschaffung, auch das Land mit am Schalter sitzt. Wir fühlen uns im Stich gelassen, was das Thema Blaue Plakette angeht. Denn man muss ja wenigstens, wenn Verbote schon kommen müssen, sie auch kontrollieren können, sonst macht das Ganze doch keinen Sinn.

Und zweitens, wir fühlen uns auch im Stich gelassen von der Automobilindustrie. Wenn ein Bürger oder eine Bürgerin zu mir kommt und sagt, ich habe da jetzt einen Euro 5 gekauft von VW, und warum zahlt VW in den Vereinigten Staaten von Amerika 20 Mrd. Entschädigung und in Deutschland 0? Dann habe ich keine Antwort, es ist nicht in Ordnung, dass die Verursacher jetzt so tun, als hätten sie mit dem Problem nichts zu tun. Es ist mir wirklich wichtig, dass wir bei allem auf dieses auch achten. Die Probleme mit Euro 5, mit den Dieseln, entstehen ja nicht aufgrund der Technologie, sondern aufgrund der Manipulation über Software-Schummelei. Ich will dieses in eine einfache Botschaft kleiden. Die geht an uns, an die Landesregierung, an den Bund und an die Automobilindustrie. Wer jetzt die Hände in den Schoß legt, der kriegt Verbote, und wer jetzt massiv was tut, der kann einen Beitrag leisten, dass er die noch verhindern kann. Ich finde, das ist eine klare und einfache Formulierung für unser kommunales Aufgabenfeld.

Ich will zweitens zum Punkt ÖPNV kommen. Es gibt in dieser Stadt, und ich darf sagen, auch in der Region - und ich möchte mich bei allen bedanken, die dabei mitgewirkt haben und mitwirken - einen großen Konsens, dass wir den ÖPNV ausbauen und dafür einiges tun. Gestern war Verkehrsausschuss Verband Region Stuttgart, da kommt immer, was der Gemeinderat in Stuttgart beim Haushalt beschlossen hat, als Vorbild für die ganze Region, nämlich investieren in den ÖPNV. Und das ist ein Punkt, bei dem wir die Gemeinsamkeit, die wir haben, wirklich betonen und auch vertreten sollen. Wir tun also viel, wir haben den Regionalpakt, der die Zuständigkeiten klar regelt, und wir stehen jetzt vor einer Tarifzonen-Reform, oder einer Tarifreform, die es schafft, dass auch der Umstieg der Verkehre, der Lenkungseffekt, wesentliches Ziel der Tarifreform sein wird. Sodass die, die weit von außen kommen, auf den ÖPNV umsteigen können. Die Stadt Stuttgart legt dafür viel Geld auf den Tisch, 9 Mio. € stehen schon im Haushalt, wahrscheinlich müssen wir noch etwas drüber gehen, um die 40 Mio. €, die die Tarifreform insgesamt kostet, gemeinsam mit den Partnern in der Region und den Landkreisen stemmen zu können. Wichtig ist, dass wir dieses rasch zusammenkriegen, sodass es in 2019 noch beginnen kann, denn der Umstiegseffekt, den die Tarifreform bietet, der kann uns ja auch helfen in Bezug auf die Diskussion Stickoxid-Werte und Senkung derselben zur Vermeidung von Verboten. Deswegen ist es absolut der richtige Schritt und ich freue mich, dass wir den bisher so gut angepackt haben. Ein paar Sachen im Detail gibt es da noch, die sind nicht einfach zu regeln, aber ich gehe davon aus, mit dem Drive, den wir haben, kriegen wir das auch hin.

So, ich möchte jetzt zu einem Punkt kommen, der sozusagen die Zukunft betrifft. Ich bin der Überzeugung, dass wir uns bald entscheiden müssen. Bisher, wenn man es grob betrachtet, geht es so, dass wir sagen, das Auto soll so weitergehen wie bisher, Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer, also tun wir zusätzlich etwas für den ÖPNV, kann ja nicht schaden, und auch für den Radverkehr und die Fußgänger. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir eine Entscheidung treffen müssen für die nächsten 20 Jahre, was ist denn das Hauptziel? Und ich finde, das Hauptziel muss sein, dass wir von einer aus der Nachkriegszeit entwickelten autogerechten Stadt zu einer nachhaltigen Mobilität, man kann auch sagen, menschengerechten Stadt kommen. Alle Menschen, die hier leben und die hier reinfahren wollen, sind das Ziel einer neuen Mobilitätspolitik und nicht nur diejenigen, die mit dem Auto kommen. Ich gehöre nicht zu denen, die das Auto verteufeln, überhaupt nicht. Ich habe extra eingangs auch betont, was das wirtschaftlich bedeutet, und für viele Menschen ist es auch die schiere Notwendigkeit, ein Auto zu haben, um ihre Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen. Aber eine ganze Stadt kann nicht darauf ausgerichtet sein, immer wieder Autogerechtigkeit herzustellen und den Rest sozusagen hintanzustellen. Deswegen sage ich, wir brauchen weniger Autos in unserer Region und ganz besonders auch im Stuttgarter Talkessel. Da führt kein Weg dran vorbei und die, die reinfahren, meine Damen und Herren, müssen anders angetrieben sein als heute, also emissionsfrei oder emissionsarm sein. Wir brauchen eine neue Mobilitätskultur. Dazu gehört auch Entschleunigung. Die Frage, wie schnell die Fahrzeuge unterwegs sind, hat etwas mit der Kultur der Stadt Stuttgart zu tun und deswegen erwähne ich das an dieser Stelle.

Und, wir brauchen mehr Effizienz. Ich sage mal ein Beispiel: In Deutschland sind 49 Mio. Kfz zugelassen. 90 % davon stehen 23 Stunden am Tag still, in Garagen, auf Parkplätzen und in Tiefgaragen. Effizient ist das nicht, sondern eine Verschleuderung von Ressourcen. Was wir haben müssen ist, dass Autos geteilt werden, in Carsharing oder in der Benutzung im Ridesharing gemeinschaftlich benutzt werden, sodass wir weniger Verkehr in den Städten haben. Die europäische Stadt, die wir auf Reisen bewundern, von Malaga bis Kopenhagen, ist eine Stadt, die in der Innenstadt verkehrsberuhigt ist und die diese Verkehrskultur berücksichtigt. Beispiel: In Malaga kommen Sie in die Innenstadt nur, um Parkhäuser und Parkanlagen anzufahren, und deswegen ist das Klima dort auch entspannter und ruhiger.

Jetzt was heißt das praktisch? Erstens, weiterhin Vorfahrt für den ÖPNV. Wenn wir Busse brauchen, müssen die Busse auch schnell sein, sie dürfen nicht im Stau stehen, sonst hat es keinen Sinn. Zweitens, Vorfahrt auch für den Radverkehr. Es geht nicht, dass wir Radwege beschließen, und wenn es dann einen Konflikt gibt mit Parkplätzen, sagen wir, nein, doch keine Radwege. Dieses Konfliktfeld müssen wir auflösen. Und dann ist die Aufgabenstellung, dass wir eine Transformation hinkriegen. Diejenige Stadt, die das Auto erfunden hat, Stuttgart, wollte ja diese Form der Mobilität erfinden. Sie muss jetzt auch in einem Gemeinschaftswerk der Innovation der Erfinder neuer Mobilitätssysteme sein, die vor allem die Kombination, die intermodale Mobilität regeln - Autofahrer, Carsharing, Ridesharing, vielleicht in einer Dimension nach oben mit Seilbahnen, was auch immer. Wir müssen Mobilität in der Stadt unter Beteiligung der Automobilindustrie, der Politik, auch der Wissenschaft und der Forschung neu erfinden. Und das ist die Aufgabenstellung der nächsten 20 Jahre.

Dabei wird es nicht so gehen mit 'immer weiter wie bisher'. Ich habe eine große Skepsis, wenn ich den neuen Verkehrsstaatssekretär richtig verstanden habe, Herrn Bilger, jetzt zu sagen, wir lösen jetzt die Probleme mit einer Ostumfahrung und Fildertunnel. Das sind Lösungen, die man machen kann, die kosten sehr viel Geld, aber sie kämen erst in 30 Jahren, denn der Fildertunnel ist ja nicht im Bundesverkehrswegeplan, in 30 Jahren ans Netz. Als Beitrag gegen Luftverschmutzung ist das fast zynisch. Wer das vorschlägt gegen Luftverschmutzung, der hat irgendwie nicht verstanden, was gerade die Rechtsprechung ist und wo die Probleme der Menschen gesundheitlich liegen. Aber auch als Zukunftskonzept zu sagen, jetzt machen wir noch einen weiteren Durchbruch im Sinne der autogerechten Stadt, halte ich für völlig absurd. Auch die Automobilindustrie in ihren Denkwerkstätten, ihren Think Tanks, denkt ja ganz anders über die Zukunft nach. Jedenfalls wenn das stimmt, was sie einem da präsentieren. Und deswegen glaube ich, dass wir mehr auf nachhaltige Mobilität uns konzentrieren müssen, übrigens auch auf die Frage, welchen Beitrag kann eigentlich autonomes Fahren da leisten? Ich appelliere dringend an die Automobilindustrie, jetzt nicht nur mit dem autonomen Fahren zu kommen und die aktuellen Umweltprobleme zu vergessen, sondern beide Fragen miteinander zu verbinden. Sonst sind das ja keine zukunftsfähigen Antworten.

Ich komme zum Schluss, weil ich auch nur 15 Minuten jetzt in der Eingangsrunde reden möchte. Lassen Sie uns den Konsens beim ÖPNV bewahren. Lassen Sie uns richtig politisch streiten, welche Zukunftsalternativen es eigentlich gibt, ich habe eine in Strichzeichnungen Ihnen dargestellt. Ich persönlich glaube, dass die Stadt Stuttgart das Potenzial hat, von den Menschen, von der Forschung, von dem, was die Automobilindustrie an Know-how hat, die Mobilität neu zu erfinden im Sinne nachhaltiger Mobilität, und dann werden wir viele Arbeitsplätze haben, bessere Luftverhältnisse, auch eine Entlärmung wird stattfinden und die Stadt wird lebenswerter. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Das kann auch strittig sein, aber diese Streitfälle tragen wir aus. Vielen Dank."

StR Kotz (CDU):
"Auch die CDU freut sich, dass unsere Initiative, die wir im Jahr 2015 gestartet haben unter der Überschrift 'Vision 2030' einen großen Prozess in Bewegung gesetzt hat, und dass diese erste Generaldebatte heute hier in der Vollversammlung ein Baustein in diesem Prozess ist. Es ist ja schon viel in diesem Prozess auf den Weg gebracht worden. Wir haben gemeinsam zwei Tagungen durchgeführt, eine zweitägige Klausurtagung als Gemeinderat, Tagung hier. Die Fraktionen haben viel gearbeitet. Wir haben uns gemeinsam auf diese Themenfelder verständigt, die ganz entscheidend für die Zukunft unserer Stadt sind, und an denen wir arbeiten wollen. Und wir beschäftigen uns heute mit dem, was wir unter der Überschrift 'Schaufenster Mobilität in und um Stuttgart im Jahr 2030' genannt haben. Wir haben gemeinsam in dieser Klausurtagung formuliert, was wir uns darunter vorstellen. Es gab einige Punkte, aber ein zentraler und auch der erste Satz war damals: Wir bewegen uns stressfrei und auf vielfältige Art und Weise durch die Stadt im Jahr 2030. Wie ich finde, ein sehr gutes Ziel, ein sehr wichtiges Ziel, das durchaus auch mit dem, was der Oberbürgermeister ausgeführt hat, parallel geht.

Wir wissen aber alle nicht, und auch das hat der Oberbürgermeister in seiner Rede dargestellt, wohin denn da wirklich die Reise geht, was die Mobilitätsfragen angeht. Welche Antriebsarten setzen sich durch? Wie stark kommt das Carsharing-Thema? Wie stark können wir das autonome Fahren entsprechend durchstellen? Was ist im ÖPNV im weiteren Ausbau sowohl finanziell, aber oft ja viel schwieriger, auch technisch und räumlich in unserer Stadt alles möglich? Und da das ganz viele Bereiche sind, die wir nicht selber beeinflussen können als Politik (vielleicht ist es ja gar nicht schlecht, dass wir das nicht alles beeinflussen können), hängt sehr viel davon ab: wohin geht Technik, wohin geht Forschung, wohin geht Entwicklung, was bieten die Unternehmen an? Sehr viel ist davon abhängig, was nehmen die Bürger an? Wir können ja auch immer nur Angebote machen als Politik. Und die Bürgerinnen und Bürger entscheiden dann, und natürlich auch die Wirtschaft, unsere Unternehmen, was von diesen Angeboten sie für sich für das Richtige halten und welche sie auch umsetzen wollen. Und es ist so, dass wir gerade im Bereich der Mobilität, viel stärker vielleicht als in anderen, nicht selbst die entscheidenden Rahmenbedingungen stellen können, weil eben die Technik nicht von uns erfunden wird. Umso mehr bin ich mir sicher, dass es auf dem Weg in Richtung 2030, 2035 mit dem Ziel, dass wir uns stressfrei und auf vielfältige Art und Weise besser als heute durch die Stadt bewegen können, sehr darauf ankommt, mit welcher Haltung die Politik diese Themen bearbeitet, mit welcher Herangehensweise wir diese Themen bearbeiten. Und deswegen lassen Sie mich auch meine Ausführungen entlang dieser Haltungsfragen ein Stück weit aufzeigen, aber natürlich dann auch immer mit Beispielen hinterlegt, was das für uns bedeutet.

Ich glaube, ganz wichtig ist das, was der Oberbürgermeister gesagt hat, was neue Dinge angeht: Wir müssen neugierig und wir müssen mutig sein. Gerade bei der Mobilität halte ich das für zwei ganz entscheidende Bereiche. Der Gemeinderat hat das in der Vergangenheit ja durchaus sehr stark gezeigt. Vielleicht ein Stück schon stärker und weiter, als der Oberbürgermeister es in seiner Rede hat vermuten lassen. Da klang das ja noch ein bisschen mit - 'da gibt es oldschool und new-school, und dazwischen ist eine harte Grenze.' Nein, wir haben gemeinsam, z. B. mit dem Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung, viele Dinge auf den Weg gebracht, z. B. die P-Buslinie, die wir gemeinsam ausprobieren wollen mit Neugierde und mit Mut.

Wir diskutieren die Tarifreform mit großem finanziellen Invest und einer gewissen Unsicherheit, wie wirkt es sich dann wirklich aus am Ende des Tages? Wie viele Menschen können wir motivieren, umzusteigen vom Automobil in den ÖPNV? Auch wenn ich die große Hoffnung habe und auch den Mut sehe, dass das, was unsere Fachleute beim VVS und bei der SSB ausrechnen, dass das wirklich auch nachher erfolgt, wie z. B. das Thema SSB Flex, das in der Erprobungsphase zum Start ist. Wie komme ich die letzte Meile von meiner Stadtbahnhaltestelle dann auch nach Hause? Und nicht zuletzt, und das ist für die CDU-Fraktion natürlich unter dem Stichwort Neugierde ganz entscheidend: Das große Projekt 'Masterplan Mobilität', den wir im Haushalt gemeinsam beschlossen haben, und den der Oberbürgermeister, wie ich finde, mit großer Verve, großem Engagement und mit großem Zeiteinsatz vorantreibt. Auch das ist etwas, bei dem wir mit großer Neugierde neue Dinge sehen wollen, lernen wollen, zusammenbringen wollen, damit wir die Mobilität voranbringen.

Eine zweite Haltungsthematik, die wir sehen, ist das Thema 'realistisch und objektiv sein'. Mobilität ist vielleicht mehr als vieles andere gerade eben kein 'Wünsch Dir was'. Es ist ein reales, ein Hardwarethema in weiten Dingen. Und die Menschen, die Mitbürgerinnen und Mitbürger und die Ein- und Auspendler, spielen eine wichtige Rolle dabei. Man kann auch da nicht 'Wünsch Dir was' spielen. Dieses Bild soll das Ziel darstellen, das der Oberbürgermeister ausgegeben hat: '20 % weniger Verkehr'. Auch wir als CDU-Fraktion sagen: Ja, es gibt Teilnehmer am Verkehr, die momentan mit dem Auto fahren, die wir mit einem guten Angebot im ÖPNV, mit einem guten Angebot an Fahrradverkehr, mit attraktiven Fußwegen und vielleicht auch noch mit Dingen, die wir heute noch gar nicht kennen, dazu bewegen können, dass sie in ein anderes Verkehrsmittel umsteigen, weil das für ihr Bedürfnis auch möglich ist. Aber wenn wir da 20 % wegnehmen, dann sind eben 80 % immer noch da. Und dann ist das immer noch nicht wirklich eine autogerechte Stadt. Herr Oberbürgermeister, wer morgens um 8 Uhr oder um 9 Uhr in die Friedrichswahl stadteinwärts steht, wer zur gleichen Zeit die Heilbronner Straße runterfährt, und dann behauptet, diese Stadt sei autogerecht, der hat eine falsche Vorstellung von dem, was Mobilität bedeutet. Diese Stadt war vielleicht einmal autogerecht, als es viel, viel weniger Autos gab, und der Verkehrsraum ungefähr die heutigen Ausmaße hatte. Aber es hat sich eben viel verändert. Wir haben viel mehr Automobile auf der Straße, viel mehr Lkws. Das hat auch mit der starken Wirtschaftskraft zu tun. Und wir haben nur marginal Verkehrsraum für den Individualverkehr zugebaut in den letzten Jahren. Der Rosensteintunnel ist eine Maßnahme. Jetzt können Sie noch den Heslacher Tunnel dazunehmen, wenn Sie relativ lange zurückblicken. Aber sprechen Sie einmal mit den Menschen, die an der Hauptstätter Straße schon sehr lange wohnen, die dort gewohnt haben, bevor es den Heslacher Tunnel gab und seit es den Heslacher Tunnel gibt. Das sind Welten an Wohn- und Lebensqualität, die man verbessert hat durch diese Tangentiale.

Herr Oberbürgermeister, Sie haben das Thema Filderauffahrt angesprochen. Wir sind immer noch der festen Überzeugung, und da gibt es ja auch überhaupt keinen einzigen vernünftigen Grund, das anders zu sehen, dass Verkehr, der nicht nach Stuttgart rein muss, weil er nur durchfahren will, besser um Stuttgart herum fährt, als durch Stuttgart durch. Wer meint, das wäre die bessere Lösung, dass der Verkehr auf den bisherigen Verkehrsachsen durchfährt, der hat kein Interesse an einer besseren Luft oder an weniger Lärm in dieser Stadt. Nein, wir müssen schauen, dass der, der mit dem Auto an Stuttgart eigentlich vorbeifahren will, auch eine Möglichkeit hat, vorbeizufahren. Da kann man nicht mehr alles nachholen, was es in der Vergangenheit gab, weil das Thema 'große Ringautobahn' eben nicht mehr möglich ist. Was spricht gegen einen langen Tunnel für die Filderauffahrt, der am Neckar unten beginnt und oben an der B 27 rauskommt, und dazwischen keinen einzigen Menschen beeinträchtigt, weil es eine Langtunnelvariante ist, außer zugegebenermaßen Kosten, das muss man immer abwägen. Da sind wir selbstverständlich bereit, das im Vergleich zu anderen Projekten zu sehen. Aber sonst gibt es eben keinen einzigen Grund, der gegen dieses Bauprojekt spricht. Und hätten unsere Vorgänger, über die Fraktionen hinweg und durchaus auch selbstkritisch gesehen, vor 30 Jahren eine andere Haltung gehabt und ihn gebaut, dann hätten wir heute die Probleme nicht. Bloß, wenn wir heute hier stehen und sagen, ja, es hilft uns aber 2019 nichts, dann haben wir uns versündigt an denen, die in 20 Jahren hier Verantwortung tragen, und deswegen müssen wir vorausschauende Verkehrsmobilität planen, und da gehören eben auch solche Umgehungen mit dazu.

Eine weitere Haltung: Wir müssen verantwortlich und verhältnismäßig mit der Thematik umgehen. Der Oberbürgermeister hat das Urteil angesprochen. Ich finde es sehr interessant, Herr Oberbürgermeister, wie viel Sie in ein noch nicht begründetes Urteil hineininterpretieren. Ich bin kein Jurist, aber ich habe mir sagen lassen, das Entscheidende an einem Urteil ist die Begründung. Warum brauchen die denn so lange seit der Urteilsverkündung bis zur Begründung? Nicht, weil der Kopierer in Leipzig kaputt ist, sondern weil sie sehr großen Wert darauf legen zu schauen, wie sie es genau begründen, wie die Ausformulierungen sind. Ist die Verhältnismäßigkeit in ihrem Urteilspruch schon beinhaltet, oder kommt die additiv dazu? Und haben die Kommunen einen Spielraum an Verhältnismäßigkeit? Ich sage, da sollte man durchaus die Urteilsbegründung abwarten. Ich möchte es nur mit diesen zwei Diagrammen darstellen, weil ich glaube, sie sind eindrucksvoll. Wenn es so umgesetzt werden würde, wie es Leipzig als Möglichkeit gegeben hat, dann würde es ab 1. Januar bedeuten, dass 44 % aller privat zugelassenen Dieselfahrzeuge in dieser Stadt stillgelegt werden, enteignet werden. Und es ist doch eine Mär, den Menschen Hoffnungen zu machen und zu sagen, wenn die Grenzwerte eingehalten werden, dann können wir es auch relativ bald wieder aufheben und dann ist doch wieder alles gut. Dann hat er das Auto schon unter Wert verkauft oder womöglich in die Schrottpresse gegeben. Wir sprechen ja nicht über wenige Tage im Jahr, wo man dann nicht fahren kann, und es hat doch niemand ein Auto, auf das er ein Jahr verzichten kann oder vielleicht auch zwei, und es so lange in der Garage stehen lässt. Nein, er braucht sein Fahrzeug, also bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als es aus dem Verkehr zu ziehen. Ab 1. Januar 2020 wäre es noch gravierender, 81 % aller heute privat zugelassenen Dieselfahrzeuge dürften in dieser Stadt nicht mehr fahren. Wer mir erklärt, dass vor dem Hintergrund der jährlich sinkenden Stickoxidbelastungen, und zwar mit steigender Dynamik sinkend, weil wir ja diese ganzen Maßnahmen, für die ich sehr dankbar und stolz bin, was der Gemeinderat mit dem Oberbürgermeister auch in den Haushaltsplanberatungen mit ganz viel Geld gemeinsam hinbekommen hat - und mit gemeinsamen Beschlüssen in den entsprechenden Ausschüssen - mit einer steigenden Dynamik zum Ziel hin, vielleicht zwei Jahre, bevor man das Ziel erreichen würde, dass 81 % aller privaten Dieselfahrzeuge in Stuttgart stillzulegen sind, ist verhältnismäßig weltfremd und hat kein Verständnis, was in Stuttgarter Familien entsprechend funktioniert.

Was wichtig wäre, und das habe ich immer wieder gesagt, wäre eine klare politische Zusage. Wer sich heute dann einen Euro 6 Diesel kauft, kann den auch 10 Jahre fahren. Dann würden wir eine Dynamik in der Erneuerung bekommen, dann würden wir eine Dynamik im Austausch der Flotte und damit eine noch stärkere Reduzierung der Stickoxidwerte erhalten. Aber mit dieser Unsicherheit weiß niemand, ob 2020/2021 Herr Kotz nicht ein Diagramm auflegt, wo dann auch die Euro 6 verboten sind, weil es immer noch nicht gereicht hat. Damit werden Sie niemanden hinter dem Ofen hervorlocken, der sagt, ich kaufe mir ein neues Auto und lasse meinen alten Euro 4 anderswo fahren, und fahre in Zukunft einen Euro 6. Solange die Sicherheit nicht da ist, ist das durchaus verständlich.

Die nächste und letzte Haltungsfrage: das Themenverbindende in der Verkehrspolitik. Der Oberbürgermeister hat einerseits ja angesprochen, dass das ganz wichtig ist, er hat aber andererseits auch gesagt, man müsse Entscheidungen treffen, welchen Weg man jetzt gehe, man könne nicht alles gleichzeitig machen. Das halte ich für falsch. Keine unserer Verkehrsarten hat ein wirklich ausreichendes Infrastrukturnetz in dieser Stadt, keine. Weder die Fußgänger, noch die Radfahrer, nicht der ÖPNV, nicht der Individualverkehr, jetzt lassen wir mal den Hafen und den Flughafen außen vor, aber selbst beim Hafen brauchen wir längere Schleusenkammern. Also selbst da stehen wir vor der Herausforderung. Und ich bin ganz klar der Meinung, ein Schwerpunkt muss auf dem Bereich Ausbau des ÖPNV und auf dem Bereich Ausbau des Fahrradverkehrs liegen. Dies macht die Politik hier in diesem Rat seit etlichen Jahren und auch mit allen Stimmen der CDU gemeinsam. Aber das kann nicht heißen, dass wir an wenigen entscheidenden Schwachstellen, an denen wir für den Individualverkehr Verbesserungen erzielen müssen, diese nicht angehen. Wir brauchen das Miteinander gerade auch für die Menschen - die Menschen werden es mit den Füßen abstimmen im Zweifelsfall.

Es ist uns doch überhaupt nicht damit geholfen, wenn wir bei der ganzen Diskussion um Fahrverbote und um die Luftreinhaltung alle dazu animieren, dass sie sich neue Autos kaufen. Wir müssen schauen, dass wir sie mitnehmen, damit sie sagen: 'Ja ich sehe ein, da gibt es Angebote, die sind gut und dann steig ich da auch freiwillig um.' Ich fahre mittlerweile sehr viel mit dem Fahrrad, zugegebenermaßen mit kleinem Elektroantrieb, ins Rathaus, aber doch nicht deswegen, weil sie mir meinen Parkplatz weggenommen haben, den habe ich ja immer noch in der Tiefgarage, sondern weil ich überzeugt bin, dass es gut ist für die Mobilität, und weil ich es kann. An manchen Tagen kann ich es nicht, weil ich zwischendurch auf eine Baustelle muss, oder weil ich etwas Großes transportieren muss, an manchen Tagen geht’s. Bei furchtbarem Wetter will ich es manchmal auch nicht, das gebe ich offen zu, aber da, wo ich überzeugt bin, mache ich es. Das Entscheidende ist doch, dass wir die Menschen von dem, was wir hier weitestgehend in den Köpfen haben, auch überzeugen und dass wir sie mitnehmen.

Und, Herr Oberbürgermeister, zum Thema ruhender Verkehr, weil Sie das ja auch angesprochen haben: Sie können nicht eine Rede beginnen mit einem Loblied auf die Automobilindustrie, auf die tollen Erträge, auf die Gewerbesteuer und darauf, wie gut es Stuttgart geht, auch nicht zuletzt wegen der Arbeitsplätze, und dann sagen, die ruhenden Autos müssen wir aber deutlich abbauen, weil die sind auch noch schlimm. Da müssen wir den Parkraum schaffen, den müssen wir unterirdisch schaffen, den müssen wir schön gestaltet schaffen. Ein Auto, das steht, zumal wenn es in Stuttgart gebaut worden ist, bringt uns eigentlich nur Vorteile und ganz, ganz wenig Nachteile. Davon kann es gar nicht genügend geben in dieser Stadt. Wenn wir gemeinsam in diesem Geist, den ich skizziert habe, mit diesen Haltungsfragen unterwegs sind und daran arbeiten, dann bin ich mir sicher, dass wir uns 2030 stressfrei und auf vielfältige Art und Weise durch diese Stadt bewegen. Ich freue mich darauf. Ganz herzlichen Dank."


StR Peterhoff (90/GRÜNE):
"Heute diskutieren wir einmal nicht über die Probleme des Verkehrs und die Symptome, die Symptombekämpfung, wie wir sie meistens im Gemeinderat diskutieren, sondern wir diskutieren über die Mobilität der Zukunft. Es ist unbestritten, in Stuttgarts DNA steckt die Mobilität und deswegen ist es auch insbesondere eine Herausforderung, dass wir jetzt die Verkehrswende richtig angehen hin zu einer nachhaltigen Mobilität. Und warum stecken wir gerade in einer Verkehrswende hin zu einer nachhaltigen Mobilität? Zum einen wegen des Klimaschutzes. Wir haben nämlich Ziele. Eigentlich wollen wir schon in zwei Jahren die CO2-Emissionen um 40 % senken. Gerade beim Verkehr erreichen wir das bisher noch überhaupt nicht. Die Werte liegen höher als 1990, und wenn wir auf Baden-Württemberg schauen, dann ist der Verkehrssektor für ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich. Das heißt, allein für den Klimaschutz müssen wir die Verkehrswende anpacken.

Und auch die Luftreinhaltung ist ein wichtiges Thema, und da erzähle ich Ihnen allen natürlich nichts Neues, denn die Luftreinhaltungsdebatte schiebt natürlich auch die Verkehrswende an. Wir machen hier viele Maßnahmen, einige wurden ja auch schon angesprochen. OB Fritz Kuhn hat auch das Notwendige zur Debatte Luftreinhaltung gesagt. Aber ich habe beim besten Willen beim Vortrag der CDU nichts dazu gehört, wie man es denn schafft, die Fahrverbote abzuwenden. Wie packen wir es denn in den nächsten 2 - 3 Jahren, die Emissionswerte massiv zu senken?

Wenn Sie nach Europa schauen, in andere Großstädte, nach Paris oder Amsterdam, wo Sie vielleicht auch im Urlaub waren in letzter Zeit, dann sehen Sie, alle Städte kämpfen gegen die autogerechte Stadt, gegen die Fehlplanung der Vergangenheit und machen hier einiges. Auch in Stuttgart ist schon einiges passiert, ich will Sie da auf die Bilder hinweisen. Es ist heute kaum noch vorstellbar, dass wir Autos haben, die über die Königstraße fahren, dass wir Autos hier auf dem Marktplatz stehen haben. Wir sind hier schon einmal den Schritt gegangen. Wenn wir da zurückdenken, das war damals auch ein sehr mutiger Schritt wahrscheinlich. Und wir müssen diesen mutigen Schritt auch noch einmal gehen, denn wir haben immer noch Probleme mit der autogerechten Stadt, beispielsweise mit der Stadtautobahn.

Bevor ich jetzt einsteige mit unserer Vision, es gibt auch andere, die uns Visionen zeigen. Schauen Sie sich diese Vision der Firma Daimler für Stuttgart an. Das ist eine Verkehrsvision, die wir eben nicht teilen. Denn was sieht man hier? Immer noch das Dominanteste in diesem Bild bleibt die Straße. Und es ist vielleicht nach dem Motto 'Die Technik wird's schon richten, es wird leiser, und dann hat es sich erledigt.' Aber man sieht, in den Tunneln, die darunter gebaut sind, ist immer noch sehr viel Verkehr, es ist immer noch Stau. Und wir sehen auch, der Mensch ordnet sich nach wie vor dem Auto unter. Neben einem Café ist eine Straße, in der Fußgängerzone ist ein Parkhaus, und die Schneisen sind überall da. Der Stress bleibt. Wir finden, eine Stadt sollte sich eher am Menschen orientieren.

Das ist ein ganz gutes Beispiel: Der Broadway, ich denke, jeder kennt den Times Square mit den vielen gelben Fahrzeugen, die da früher entlanggefahren sind. Man ist hier konsequent über Jahre vorangegangen, man hat Straßen zurückgenommen, man hat einen Platz geschaffen, man hat Lebensqualität hier an dieser Stelle geschaffen. Aus unserer Sicht fehlt hier natürlich Grün, aber ich finde, so einen mutigen Schritt kann man durchaus gehen.

Und ich denke, zu den einzelnen Unterpunkten muss ich nicht so viel sagen. Europäische grüne Stadt von morgen, eine Mobilitätsstadt Stuttgart ist für uns natürlich stressfrei, lebenswert und effizient. Aber sie ist eben auch eine europäische grüne Stadt. Also wir finden nicht, dass unsere Ideen das Nonplusultra sind, sondern wir sollten schauen, die anderen Städte, die die Verkehrswende anpacken, was machen die denn gut? Wo können wir etwas lernen und wo können wir etwas übernehmen? Da will ich z. B. darauf hinweisen, wir sollten eine Fahrradpolitik machen z. B. wie Kopenhagen, wir sollten die Elektromobilität fördern, wie es Oslo tut. Wir sollten den Nahverkehr auf solide Beine stellen und ihn günstiger machen wie z. B. in Wien. Und wir sollten die Innenstadt lebenswert machen, indem wir die Innenstadt auch umbauen und mehr Platz den Menschen geben wie in Toulouse. Deswegen ist eine europäische grüne Stadt für uns die Vision, wie es in Zukunft aussehen könnte.

Wie geht das? Wir brauchen natürlich deutlich mehr Geld für den Umweltverbund, für Nahverkehr, Fahrrad- und Fußverkehr. Und wir müssen vor allem den Umstieg in diese drei Verkehrsarten schaffen. Und da auch noch mal der Dank an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn wir haben hier in den letzten zwei Jahren wirklich viel geschafft. Da ist der Pakt für Mobilität, der wurde schon angesprochen, und da war aber auch der Beschluss zur Flanierzone City - das war ein großer Schritt in die richtige Richtung. Aber: Wir sind uns in den Überschriften einig - das ist wie in der großen Koalition im Bund beim Thema Klimaschutz mit den Paris-Zielen: Wenn es dann um die Umsetzung geht, da sind wir nicht mehr beieinander. Wenn eine Busspur kommt und dafür Parkplätze wegfallen, dann gibt es dafür erst einmal keine Mehrheiten mehr, und dann tut sich da erst einmal nichts. Und der Prozess ist langsam. Ich will noch kurz auf die Flanierzone eingehen, da war es ja nur eine knappe Mehrheit. Wenn die Vision stimmt, dann sind wir uns einig. Denn wir sind uns z. B. alle einig, dass auf den Ehrenhof vor dem Schloss keine Autos mehr hingehören. Ich hätte da auch noch einmal die Bitte an Sie alle: Lassen Sie uns einfach von den Zielen her denken. Eine lebenswerte Stadt ohne Einschnitte wird es nicht geben. Wir werden aber später alle von ihr profitieren. Und ja, auch die Markthalle wird profitieren, wenn die Dorotheenstraße aufgewertet ist.

Jetzt gehen wir zurück zur Realität. Wie sieht es denn jetzt gerade aus? Die Pendler nehmen immer mehr zu hier in Stuttgart. Das liegt vor allem daran, dass gerade aus der Region sehr viele auch einfahren. Ich habe in die neueste Bürgerumfrage geschaut: Der erste Punkt, den die Bürgerinnen und Bürger beklagen, ist jetzt 'zu viel Straßenverkehr'. Wir tun zwar hier viel in Stuttgart, ich habe den neuesten Modal Split von der Bürgerumfrage hier. Man sieht, der Nahverkehr hat richtig zugenommen. Und es werden auch weniger Autos in Stuttgart pro 1.000 Einwohner seit dem Jahr 2000. Und am Kesselrand haben wir auch mehr Nahverkehr als einfahrende Autos. Aber wir müssen deutlich mehr tun. Und wir müssen da einen Schritt zulegen.

Wie schaffen wir das? Wir brauchen mehr Platz für Leben in der Innenstadt. Wir sind beim Individualverkehr gut aufgestellt, was unsere Sharing-Angebote angeht. Wir haben als einzige Stadt in allen Bereichen elektrische Sharing-Angebote. Und wir haben Carsharing-Angebote im Vergleich zu anderen Städten in deutlich mehr Fahrzeugen. Aber wie wir uns das vorstellen, ist, dass die Zentren der Bezirke und auch das Stadtzentrum, dass die weitestgehend auch autofrei werden, lebenswert werden. Und dass die Quartiere, die wir neu schaffen, auch autoarm sind und dass Parken künftig in Tiefgaragen und in Quartiersgaragen stattfindet. Und dann eben auch Spielstraßen zurückerobert werden können - dies sage ich in Richtung SPD. Das schaffen wir dann, indem wir einfach weniger Platzbedarf haben für Parkplätze, indem wir sie bewirtschaften, indem wir weniger neu bauen natürlich von diesen. Indem wir effizienter sind. Fritz Kuhn hat detaillierter ausgeführt, natürlich Teilen der Autos, höhere Besetzung der Autos, die, die genutzt werden, dass die häufiger genutzt werden. Wir brauchen kluge Konzepte. Wir brauchen kluge Citylogistik, z. B. elektrisch oder auf Lastenrädern. Und wir brauchen auch Konzepte, wie sie von Moovel jetzt auch kommen. Solche Pflänzchen müssen wir einfach weiter vorantreiben.

Beim Nahverkehr sind wir ziemlich gut aufgestellt. Der Nahverkehr wächst in unserem Verbund, die Nutzer nehmen deutschlandweit doppelt so viel zu wie in den anderen Verbünden im Schnitt. Und auch die Abo-Quote ist deutlich gestiegen. Das liegt einfach daran, dass wir deutlich mehr für den Nahverkehr ausgeben. Wir haben 10 Mio. € zusätzlich für Ticketanreize ausgegeben. Wir haben letztes Jahr 70 Mio. € zusätzlich beschlossen. Und wir haben ja jetzt auch das Paket aufgelegt für die Zusammenlegung der Stuttgarter Zonen 10/20. Und da sehen wir, da tut sich was. Unsere Vision für den Nahverkehr ist, dass wir künftig mit dem Nahverkehr unsere Standardmobilität in der Region haben, dass jeder den Nahverkehr nutzt, wir eine Abo-Quote von nahezu 100 % haben. Und die verschiedenen Angebote, die es gibt, am Tag von allen genutzt werden. Und auch der Umstieg hier leichter ist. Aber das schaffen wir nur, indem wir die Grundlage hierfür schaffen. Und wir haben den Vorschlag gemacht, den Mobilitätspass für 365 €. Und wir finden, das ist ein super Angebot, indem das Jahresticket für alle, die es heute schon haben, halb so teuer wird. Und für alle anderen ein super Angebot geschaffen wird. Und im Übrigen, das Geld, das eingenommen wird, das benutzen wir doch dafür, dass wir mehr Geld verwenden können für eine ÖPNV-Offensive, damit wir ein richtig, richtig gutes Angebot hier schaffen können.

Und so schaffen wir es vielleicht auch, dass wir in Zukunft eine App für alles haben, alle Angebote nutzen können, dass wir intermodale Schnittstellen haben, wo man wirklich in die verschiedenen Verkehrsträger einsteigen kann. Wir brauchen natürlich auch Vorrang für Bus und Bahn überall hier in der Stadt. Und wir brauchen ein flächendeckendes Angebot, vielleicht auch irgendwann einmal eine Mobilitätsgarantie. Das geht eben mit Angeboten wie dem Flexbus, mit dem wir jetzt starten. Und Seilbahnen und Expressbusse gehören natürlich auch dazu.

Wir haben eine schwierige Ausgangslage beim Radverkehr. Da mache ich uns nix vor. Wir haben ihn in Stuttgart viel zu lange vernachlässigt, sind aber in den letzten Jahren jetzt dran, ihn kontinuierlich auszubauen. Und wir haben eine sehr gute Fahrradszene, ich weise da mal auf das Bild von der Critical Mass hin, also es sind wirklich sehr viele aktiv hier auch dabei. Und wir haben eines der besten Verleihsysteme, auf das, das jetzt im Mai hier an den Start geht, regionweit, kann man stolz sein. Was wir uns vorstellen, ist, dass das Fahrrad zukünftig das Verkehrsmittel der kurzen Wege wird, das im Alltag genutzt wird. Warum sollten nicht Familien ihre Kinder mit einem Lastenrad in die Kita bringen? Was brauchen wir dafür? Wir brauchen Radschnellwege entlang der Haupttrassen. Wir brauchen Hauptradrouten durchgängig durch die gesamte Stadt. Fahrradstraßen sollten Normalität werden. Jeder sollte ein Lastenrad nutzen können, und das geht eben auch nur, wenn wir sichere Abstellanlagen haben in den Wohngebieten. Das haben wir heute noch nicht. Und wenn wir große Fahrradparkhäuser an den Bahnstationen haben.

Beim Fußverkehr, auch da sind wir gut aufgestellt hier in Stuttgart. Der Fußverkehr ist von je her hier sehr gut. Das liegt auch an der Topografie, natürlich, über die Stäffele war man immer schon schneller zu Fuß. Und wir haben kurze Wege hier in der Innenstadt. Wir haben jetzt eine solide Grundlage, um für den Fußverkehr etwas richtig Gutes zu tun, denn wir haben ein sehr gutes Fußgängerkonzept. Und für uns sieht die Vision so aus, dass wir in Stuttgart künftig überall mehr Plätze und Räume für die Menschen haben und die unüberwindbaren Autoschluchten - eine ist hier am Hauptbahnhof gewesen, das war ein großer Streit hier im Rat - auch nach und nach überwunden werden und dann eben auch zu Fuß zugänglich sind. Wir können es schaffen, indem wir lebenswerte Bereiche schaffen, indem wir Zentren ausweisen, autofreie Quartiere planen und durchgängige Haupt- und Fußwege haben.

Und jetzt möchte ich einfach nur noch mal den Blick darauf lenken, was haben wir denn heute gemacht? Oder was machen wir gerade? Wir sind doch mitten in diesem Wandel, mitten in dieser Verkehrswende hier in Stuttgart. Und wir fangen doch in der Innenstadt genau damit an. Wir haben in der Tübinger Straße begonnen. Hier war der erste Shared Space. Dann die Fortsetzung in der größten Fahrradstraße hier in Stuttgart, die am besten angenommen wird. Und was hat sich hier getan? Die Straße ist heute belebt, sie ist eine der beliebtesten Straßen überhaupt. Der Einzelhandel floriert und man sieht, dieser Schritt hat sich doch wirklich gelohnt. Und dasselbe gilt natürlich auch für die Lautenschlagerstraße, der Palast der Republik ist dort, das war früher ein Klohäuschen. Es war ein nicht sehr angenehmer Ort, wir hatten rechts und links Parkplätze und wir haben heute überall dort Außengastronomie. Es hat einen Grund, dass dieser Bereich auch im Lonely Planet genannt wird als der Ort, den man in Stuttgart gesehen haben muss. Und wir finden, diese Straße, und das ist jetzt eine Frage der Zeit, könnte auch autofrei werden, denn hier ist einer der zentralen Plätze in Stuttgart, an dem sich die Leute treffen.

Und jetzt komme ich zu einem Punkt, um Sie nochmals alle abzuholen. Wenn die Stuttgarterinnen und Stuttgarter kommen und sagen, sie wollen die Stadt zurückerobern, sie wollen Lebensraum haben, den sie nutzen können, dann sind wir uns doch alle einig, wir haben hier alle gemeinsam beschlossen, dass wir die Parkplätze unter der Paulinenbrücke wegnehmen, und da auch ein Dank an den gesamten Rat, um hier Lebensqualität zu schaffen. Und hier wird etwas Gutes geschehen, hier wird ein Platz entstehen, der zwei Bezirke miteinander verbindet und ich denke, die Stuttgarterinnen und Stuttgarter wollen den Wandel und sie fordern ihn auch ein. Wir werden sie darin unterstützen und ich bin zuversichtlich, dass wir, wenn wir so weitermachen, auch unseren eigenen Broadway hier in Stuttgart bekommen können, sei es an der Kulturmeile, da ist wirklich enormes Potenzial, oder auch - und da appelliere ich auch an Sie alle - die Eisenbahnbrücke in Bad Cannstatt über den Neckar. Das ist wirklich ein Potenzial, diese Trasse, wenn sie nach Fertigstellung von Stuttgart 21 nicht mehr gebraucht wird. Dann können wir hier auch diese Trasse den Menschen zurückgeben als lebenswerten Ort über dem Neckar, zum Flanieren. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, ich bin gespannt auf die künftigen Entwicklungen und auf Ihre Ideen, und ich hoffe, wir gehen den Weg zu einer lebenswerten Stadt alle gemeinsam, vielen Dank."

StR Körner (SPD):
"Was sind die Herausforderungen, vor denen unsere Stadt in den nächsten 10, 20 Jahren steht? Ich glaube, dass viele Menschen in unserer Region, in unserer Stadt sich Gedanken darüber machen, wie es mit unserem Wohlstandsmodell, und das ist Stand heute eben nun mal zu einem großen Teil geprägt von der Automobilindustrie, weitergeht. Sie haben ja nicht ohne Grund mit diesem Punkt begonnen, Herr Oberbürgermeister. Heute stammt jeder zweite Euro, den wir in unserem Geldbeutel haben, aus dieser Industrie. Das ist die Basis des Wohlstands dieser Stadt und dieser Region. Und diese Basis steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Technologisch, und diese Technologie hat etwas mit Wertschöpfung zu tun, die auch hier in Stuttgart stattfindet, und zwar was den Antrieb anbelangt, aber z. B. auch, was das Thema Digitalisierung anbelangt. Ich möchte bei dem Thema Digitalisierung eine Zahl nennen, zwei Zahlen sind das, Frau BMin Fezer und ich glaube, auch die Frau Kollegin Fischer, waren zusammen in der kaufmännischen Schule Nord, als dort die Fabrik 4.0 eingerichtet wurde. Da sind diese Zahlen gefallen. Heute gibt es 4 Mrd. IP-Adressen weltweit. Das ist der Standard, der dort heute gesetzt wird. In Zukunft werden es 6 Billiarden IP-Adressen pro Quadratmillimeter sein. Das heißt also, das Internet der Dinge wird überall Platz greifen und das hat gravierende Auswirkungen, auch auf den Verkehr.

Wer kann sich das Leben in unserer Stadt noch leisten in den nächsten 10 oder 20 Jahren? Das immer teurer wird, weil man sich die Wohnung kaum noch leisten kann. Und im Übrigen, auch das Mobilsein wird tendenziell immer teurer. Das ist eine zweite Herausforderung vor der wir stehen und die dritte Herausforderung, die ich nennen will, ist der Zusammenhalt in einer Stadtgesellschaft, die immer mehr in Milieus zerfällt, die sich in den Echokammern ihrer Milieus bewegen und sich gegenseitig bestätigen, aber wo es uns allen bei unserer Arbeit immer schwerer fällt, zu werben für das Gemeinsame, dass wir eine Stadtgesellschaft sind, dass wir zusammenhalten wollen.

Was hat das mit Verkehrspolitik, Mobilität zu tun? Erstens, die Verkehrswende ist überfällig. Ich schließe mich voll und ganz dem an, was Kollege Peterhoff zu Beginn auch als Ziele beschrieben hat. Ich möchte eine Stadt nennen, Zürich, ähnlich auch im Übrigen von der Topografie wie Stuttgart. Motorisierter Individualverkehr heute noch 25 %, das waren im Jahr 2000 noch 40 %, da sind wir ungefähr heute. Der ÖPNV macht in Zürich heute 40 % und bei uns nur 25 % aus. Da müssen wir hin. Also das ist ganz klar, das Ziel ist klar, weniger Auto, mehr Nahverkehr, mehr Fahrradfahren und mehr Fußverkehr.

Jetzt komme ich zu den Antworten auf die Herausforderungen. Die erste Antwort lautet, wir Sozialdemokraten schlagen die Vision vor, dass Stuttgart zur 5-Minuten-Stadt wird. Was heißt das? Das knüpft erst mal daran an, dass wir das Leben in den Stadtquartieren attraktiv machen wollen und dass man in 5 Minuten einkaufen kann für den täglichen Bedarf, in 5 Minuten zu Fuß, wohlgemerkt, in 5 Minuten zum Kindergarten kommt, zur Grundschule, mit dem Fahrrad vielleicht auch in 5 Minuten. Und dass Familien mit Kindern hier leben können. Die 5-Minuten-Stadt für Stuttgart bedeutet, dass Familien mit pflegebedürftigen Eltern in 5 Minuten ihre Eltern in einem Pflegeheim, in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer altersgerechten Wohnung auch besuchen können. Zur 5-Minuten-Stadt gehören diese attraktiven Stadtquartiere, die Kollege Peterhoff beschrieben hat. Ich füge hinzu, da braucht es auch Räume, in denen man Freizeit verbringen kann, wo man sich gerne aufhalten möchte und da sind manchmal Straßentunnel hilfreich. Ich nenne den Tunnel in Feuerbach, B 295, schauen Sie sich doch mal die Steiermärker Straße dort an, was dort für ein Leben in einer 5-Minuten-Stadt stattfinden kann. Um Freizeit und um auch Grünflächen zu erreichen und z. B. auch um den Neckar zu erreichen, wenn dort 5 Minuten ausreichen wollen, ist es gut, dass wir den Rosensteintunnel bekommen. Denn wir werden ja am Dienstag den Neckarknie-Wettbewerb uns anschauen. Was für eine Lebensqualität für die 5-Minuten-Stadt in Bad Cannstatt, dass dort nicht mehr der Verkehr stattfindet, wie gut, dass wir das auf den Weg gebracht haben! Die 5-Minuten-Stadt heißt, auch 5 Minuten zur nächsten Haltestelle, wo die Stadtbahn oder der Bus fährt. Das sind ungefähr 400 m. Wir haben heute als Ziel formuliert 600 m. Das ist zu wenig. Wenn wir die 5-Minuten-Stadt erreichen wollen, müssen wir kräftig in den Nahverkehr investieren. Und wir dürfen auch nicht nur nachfrageorientiert denken, wo gibt es heute Kapazitätsengpässe, sondern wir müssen auch so angebotsorientiert denken, was wollen wir denn für die Menschen in unserer Stadt? Wir wollen, dass sie in 5 Minuten eine Haltestelle erreichen können. Und das hat Konsequenzen für den Ausbau des Nahverkehrs. Auch deshalb setzen wir uns für die Stadtbahn bis nach Hausen ein. Auch deshalb setzen wir uns für die Stadtbahnverlängerung bis Fellbach-Schmiden ein. Auch deshalb muss mehr dort stattfinden als bisher, was Infrastruktur anbelangt. Herr Oberbürgermeister, die Verlängerung zum Daimler-Museum wird zu wenig sein. Das ist das einzige Projekt, was Sie in Ihrer Amtszeit dann, was die Infrastruktur anbelangt, entscheidend vorangebracht haben, das ist noch zu wenig.

Und der zweite Punkt, das Leben in Stuttgart muss noch bezahlbar sein. Was heißt das? Wenn ich bei der Haltestelle bin, muss ich auch zur Arbeit kommen, mobil sein. Deswegen sind wir unheimlich froh, dass wir diesen Schritt Richtung Tarifreform jetzt fast vor uns haben, das Ziel ist fast erreicht. Wir haben seit zwei Jahren kritisiert als SPD-Fraktion, dass die Fahrgäste immer mehr bezahlen müssen für den Nahverkehr, mittlerweile über 60 %, und das waren eben vor über 10, 20 Jahren noch unter 50 %. Dass das nicht mehr gut ist, weil sich das Leben und das Mobilsein in Stuttgart die Menschen auch noch leisten können müssen. Deswegen ist die Tarifreform wichtig. Wir sind bereit, dafür 15 Mio. € aus dem städtischen Haushalt zu investieren, weil das der faire Beitrag der Stuttgarterinnen und Stuttgarter für diese Tarifsenkung ist.

Wir setzen uns perspektivisch für ein verpflichtendes Jobticket ein, weil wir der Meinung sind, die Unternehmen müssen auch einen stärkeren Beitrag leisten. Wenn das Leben in Stuttgart bezahlbar sein muss - und das ist eine Herausforderung - und die Leute aber trotzdem mobil sein müssen, weil sie zur Arbeit fahren müssen, müssen wir das urbane Wohnen stärken. Und das heißt auch auf der Gemarkung Stuttgart viele neue Wohnungen. Weil das Verkehr vermeidet, und weil wir damit den Verkehr viel eher auf umweltfreundliche Verkehrsmittel bringen, als wenn Sie überall draußen, weit in der Region, weit entfernt von Stuttgart Wohnungen bauen.

Deswegen ist es so wichtig, dass wir auf dem Rosensteinquartier die erste Fünf-Minuten-Stadt etablieren können. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir dort Wohnen und Arbeiten zusammenbringen. Wir schlagen vor, im Erdgeschoss in diesem Bereich in jedem Fall auch Gewerbe anzusiedeln, um Wohnen und Arbeiten zusammenzubringen.

Herr Oberbürgermeister, bezahlbares Leben in Stuttgart hängt an den Preisen, es hängt aber auch an den Einkommen. Deswegen ist die Transformation der Autoindustrie verdammt wichtig. Und da ist sehr, sehr viel Fahrt drin und sehr viel Druck auch - durch die Globalisierung, aber auch durch die technologischen Sprünge. Ich halte es für falsch - aus Stuttgarter Sicht insbesondere - zu sagen, bis 2030 kein Verbrennungsmotor. Das halte ich für eine gefährliche Ansage. Weil wir nicht wissen, was mit synthetischen Kraftstoffen und mehr noch möglich sein wird in der Zukunft. Und weil das Wohlstandsmodell dieser Stadt auch mit diesem Verbrennungsmotor zusammenhängt. Ich sage nicht, dass das die ultimative Zukunft ist. Aber wir müssen den Wandel menschlich gestalten.

Wir brauchen neue Jobs, auch im Rosensteinquartier. Und dafür brauchen wir auch, weil bei neuen Jobs das Arbeiten mit Daten immer wichtiger wird, eine leistungsfähige digitale Infrastruktur. Wir brauchen dringend den Glasfaserausbau auch hier in unserer Stadt.

Letzter Punkt, zur politischen Kultur, wenn das die Herausforderungen sind, gerade in der Verkehrspolitik: Wir müssen in der Tat offen sein für Neues. Das hat auch Kollege Kotz angesprochen. Ich denke, die Digitalisierung bringt z. B. enorme Chancen, das Thema Parken in Zukunft viel besser zu organisieren, als wir es heute tun, wo der Parksuchverkehr ja furchtbare Auswirkungen hat. Im Übrigen freue ich mich, Herr Kollege Peterhoff, dass Sie auch das Thema Quartiersgaragen angesprochen haben; finde ich, gehört auch dazu. Und zwar überall, nicht nur im Rossbollengässle, sondern auch in der Nähe der Wagenburgstraße. Wäre gut, wenn wir das hinbekommen.

Und die Digitalisierung bietet auch enorme Chancen, was Sharing und autonomes Fahren anbelangt. Beim Thema Sharing ist es so: Der Nahverkehr ist ja heute ein Sharing-Angebot, wenn man so will. Wir haben das bei Car2go erfahren, da halte ich es für unerlässlich, dass wir als öffentliche Hand auch Vorstellungen davon haben und auch aktiv sind und sagen, wo wollen wir denn auch Angebote haben, und wo ist es uns wichtig. Es kann nicht sein, dass das nur vom Markt entschieden wird, weil das heißt, dass dann viele Außenbezirke z. B. aus den Sharing-Angeboten rausfallen. Das sollten wir nicht nur dem Markt überlassen. Also Offenheit für Neues.

Zweitens, ich warne vor hysterischen Blasendebatten. Also sorry, aber die Diskussion um die Fahrradstraße am Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik, wo es um die Sommerferien und den Baustellenverkehr ging, das hatte Züge davon, sage ich jetzt mal. Wenn wir die Stadt zusammenhalten wollen in der Verkehrswende, die dringend erforderlich ist, dann müssen wir auch die Menschen mitnehmen. Und da müssen wir auch Kompromisse machen. Und ob die Hauptradroute 2 in der Wangener Straße oder direkt daneben läuft - seien wir einmal ehrlich, das wird doch wohl nicht die Glaubensfrage sein, Herr Oberbürgermeister? Auf die Sie sich da bezogen haben. Also letzter Punkt: Die Verkehrswende ist dringend erforderlich. Aber wir müssen, was die Kultur der verkehrspolitischen Debatte anbelangt, auch bereit sein, nach Kompromissen zu suchen, um Stuttgart bei dieser Transformation zusammenzuhalten. Vielen Dank."

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS):
"Ich weiß, es klingt ein bisschen wie ein Traum, wenn ich sage, ich sehe eine Stadt, durch die ein frischer Wind weht. Eine Stadt, in der sich Kinder, Fußgänger, Radfahrer endlich wieder die Straßen zurückerobern. Nicht nur, weil dort weniger Kfz fahren, sondern vor allem auch dadurch, dass jetzt die Einwohnerinnen und Einwohner zur bestimmenden, zur gestaltenden Kraft ihrer Stadt geworden sind. Eine Stadt, in der man seit der Einführung einer Luftreinhalteabgabe die Luft wieder ohne Bedenken atmen kann und nachts ohne permanenten Lärm schlafen. Eine Stadt, in der die Geschäfte des Alltags direkt vor der Haustüre liegen und fußläufig erreichbar sind. Zu Kultur, Politik und Arbeit kommt man billig und schnell mit dem öffentlichen Nahverkehr. Tags erfreut man sich auf den Straßen an spielenden Kindern, nachts kann man dort tolle Feste feiern. Die Stadtautobahnen sind dank großzügiger städtebaulicher Reparaturmaßnahmen zu belebten Boulevards geworden, und das ganz ohne Tunnels. Diese zurückgewonnene Lebensqualität der Kernstadt führt dazu, dass immer mehr Menschen wieder in ihr wohnen wollen. Wir als Stadt sorgen dafür, dass sich das auch alle leisten können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zumindest von Grünen und SPD, ich glaube, auf fast alles in diesem Traum können wir uns heute einigen. Das war nicht immer so. Als ich genau diese Worte 2007 hier im Gemeinderat vorgetragen habe, kann das nicht so gewesen sein, sonst sähe es heute nicht noch so an vielen Orten in Stuttgart aus. Und eben nicht gerade wie in den großartigen Visualisierungen des Projektes 'Stuttgart laufd nai!' gezeigt. Es sieht aber auch so aus. Und für mich sind die Stadtautobahnen nach wie vor der Beweis dafür, wie dominant das Auto in Stuttgart ist, wie viel Platz es verbraucht und welche wichtigen Räume es auch zerreißt. Hier z. B. die Kulturmeile und wichtige Institutionen für die Stadt. Wenn man mal die Fläche, die der Verkehr braucht - natürlich auch mit Radverkehr -, mit der für Wohnen vergleicht, ist da nicht mehr viel Unterschied. Und das muss man sich schon mal auf der Zunge zergehen lassen. Weil man denkt ja, in der Stadt wohnt man, und es ist nicht nur alles Verkehr. Aber die Verhältnisse sind ja fast pari pari.

Und nicht zuletzt deswegen haben wir heute - 11 Jahre später - immer noch diese Vision. Herr Kotz, ich kann nicht verstehen, wie man stolz auf das sein kann, was Sie hier sehen. Seit 2010 gelten die Grenzwerte für Stickoxid und seit 2005 für Feinstaub. Seitdem haben die Bürgerinnen und Bürger das Recht, dass ihre Gesundheit geschützt wird, und wir kriegen es politisch nicht hin. Das ist ein politisches Armutszeugnis, dass dieser Rat die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger nicht gewährleisten kann. Man muss sich nur mal diese Lärmkarte anschauen, gemittelt über den Tag, hier die Hauptverkehrsadern. Dieses Bild, das schmerzt schon alleine, was der Autoverkehr uns an Lärm zumutet.

Es gibt aber auch Themen, die ein bisschen aus dem Fokus geraten sind und die gar nichts mit Antriebstechnologie zu tun haben. 120.000 Tonnen Mikroplastik durch Reifenabrieb im Jahr in Deutschland. In Flüssen, in Meeren, in Fischen und am Ende in Menschen landet dieses Mikroplastik durch unsere Kultur, die wir heute mit dem Auto haben. Ein Thema, das bis heute noch keine Rolle gespielt hat, aber das wir bei Mobilität unbedingt diskutieren müssen. Es ist eben nun mal so, dass die mit dem großen Geldbeutel die Umwelt richtig versauen. Und es liegt daran, wie der Verkehrsclub in Österreich auch nachgewiesen hat, dass bei den unteren 25 % im Einkommen, 24 % gar kein Auto besitzen. Die oberen 25 % besitzen zu 43 % zwei oder mehr Autos. Und auf der anderen Seite ist es natürlich umgekehrt (auch hier wieder Zahlen aus Österreich): Die unteren, und das können wir alle am Neckartor nachvollziehen, die unteren Einkommensschichten sind diejenigen, die die Misere ausbaden müssen. Und hier sieht man: 26 % der Menschen mit niedrigem Einkommen leiden unter Lärm, während es nur 15 % bei den oberen Einkommen sind.

Es ist aber auch noch ein Thema, das wir volkswirtschaftlich näher betrachten müssen. Hier eine Studie aus Kassel. Man muss sich nur einmal die absoluten Zahlen unten anschauen. Und wenn man schaut, wer da der Hauptverursacher der externen Kosten - also der Kosten durch Klimafolgen, Luftschadstoffe, Lärmbelästigung und Unfallkosten - ist, dann sind es eben 80 %, die vom Autoverkehr stammen. Viel, viel weniger vom ÖPNV und fast gar nichts mehr, wenn wir an den Fußverkehr kommen. Weil dieser im Unfallbereich und was Luftschadstoffe angeht, gar keine Kosten erzeugt, und wenn man Gesundheit dazunimmt, sogar noch Kosten spart.

Das Verkehrsproblem ist also ein komplexes Problem mit ganz vielen unterschiedlichen Geschichten. Dafür gibt es nicht Einzellösungen. Und da helfen keine Trippelschritte. Wir müssen das systematisch angehen und grundsätzlich angehen. Und wenn hier heute von Mobilität geredet wird, dann wundere ich mich immer, dass wir ganz wenig darüber reden, was wir eigentlich unter Mobilität verstehen. Ich glaube, das sollten wir tun. Für die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS ist es ziemlich einfach, was Mobilität ist. Es ist die Bewegung im Raum, die der Mensch zur Aufrechterhaltung seines physischen und psychischen Lebens benötigt. Um leben zu können sind wir als Menschen darauf angewiesen, uns im Raum zu bewegen. Vor vier Millionen Jahren war das noch ziemlich einfach, da war es der Weg zum Lagerfeuer, vielleicht noch zum Jagen und Sammeln. Heute ist das komplexer. Wir sind nicht mehr zu Fuß unterwegs, sondern wir reden über Verkehr. Mir ist es wichtig, dass wir auch beim Verkehr alle Aspekte beachten. Und deswegen mute ich Ihnen dies hier kurz zum Nachdenken zu. Wir müssen einmal über den Transport von Personen reden. Auf der anderen Seite auch von Gütern. Ich will mich eher auf das, was die Personen angeht, konzentrieren. Aber wir dürfen den ganzen Bereich der Güter, der Citylogistik, der Konzepte, die dort notwendig sind, an intelligenten, vielleicht auch autonomen, oder mit Lastenfahrrädern stattfindenden Prozessen nicht vergessen. Aber hier für dieses Beispiel: Es ist erstaunlich, dass im Personenverkehr die Hauptwegebeziehungen, und die müssen wir alle betrachten, heute eben der Weg zur Arbeit, der Weg zum Einkaufen, der Weg zur Freizeit sind. Das sind die Wegebeziehungen, die sind immer konstant. Und wir müssen alle, wenn wir das Verkehrsproblem lösen wollen, müssen wir umgestalten. Natürlich, nur der Vollständigkeit halber, gilt das auch für den Güterverkehr.

Wenn wir jetzt an all diesen Wegen ansetzen wollen, gibt es zwei grundsätzliche Ansätze. Die müssen wir begreifen. Erstens, wir können an den Wegen etwas machen; wie wir sie zurücklegen, in welcher Geschwindigkeit. Wir können aber auch am Raum etwas machen. Wir können darüber reden: Ist es notwendig und klug, riesige Shopping- und Einkaufszentren zu bauen? Brauchen wir nicht eher, wie vorher beschrieben in der Vision, die lebendigen Quartiere, wo man alles Lebensnotwendige vor der Haustür findet? Das sind die Punkte, an denen wir alle ansetzen müssen. Man kann das natürlich jetzt in fünfzehn Minuten bei dem komplexen Thema leider nicht komplett durchdeklinieren. Deswegen, wenn wir jetzt konkret werden wollen, braucht es meiner Meinung nach - und davon habe ich heute erschreckend wenig gesehen - klare, konkrete, überprüfbare Ziele, wie diese Wege, diese Räume, angefasst werden müssen. Eigentlich ist es ganz leicht, denn die Experten - ob die jetzt vom Umweltbundesamt sind oder von Greenpeace oder eben von der Baden-Württemberg-Stiftung im 'Mobilen Baden-Württem-berg' - geben uns die Ziele vor. Und die Ziele sind ziemlich klar: Wir brauchen in Stuttgart eine Reduzierung des Autoverkehrs. Und wir brauchen dazu, damit das gelingt, eine Stadt, in der keiner mehr das Auto vermisst, in der das Auto nicht mehr nötig ist. In der Studie 'Mobiles Baden-Württemberg' ist die klare Aussage drin, und nichts anderes sollten wir für unsere Stadt auch gelten lassen: Wenn wir die verbindlich vereinbarten Klimaziele von Paris ernst nehmen, müssen wir den Autoverkehr in Stuttgart, in Baden-Württemberg, aber damit auch in Stuttgart, um 85 % reduzieren. Das ist eine gigantische Zahl. Bis 2050: 85 %. Wir sagen konkret dazu: Bis 2035 müssen es 50 % weniger Autoverkehr in unserer Stadt sein. Das ist eine gigantische Aufgabe.

Das sind die Ziele, jetzt kommen wir zu den Maßnahmen. Bei allen Maßnahmen brauchen wir konkrete Kriterien, die diese Maßnahmen ausrichten. Wir sagen: Erstens, wir müssen gucken, dass unsere Maßnahmen die Wege reduzieren. Zweitens müssen wir Energie, Ressourcen und Flächen sparen bei all unseren Mobilitätslösungen. Drittens, wir müssen die Folgen für Mensch, Natur und Klima möglichst gering halten. Und viertens, wir müssen darüber reden, wie wir die Räume und die Fortbewegungsmittel inklusiv, solidarisch und barrierefrei gestalten. Das sind die übergeordneten Ziele.

Ich kann jetzt noch beispielhaft zeigen, was wir an konkreten Maßnahmen vorschlagen, um diese Stadt nach vorne zu bringen. Wenn es um die Gestaltung und Neugestaltung der Wege geht, dann ist das Auto heute dominierend in Stuttgart. Man kann da einiges machen. Man kann über Technologien reden, über autonomes Fahren reden, man kann auf Antriebstechnologien hoffen, auf synthetische Kraftstoffe. Kann man alles machen. Ist sicherlich nicht falsch. Wir wollen nicht warten, bis solche technologischen Geschichten kommen. Deswegen unterhalten wir uns auch über ganz konkrete Themen. Ich habe es vorher gesagt: Fahrverbote. Fahrverbote sind nicht unser Hauptziel. Aber wenn Gerichte uns zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger dazu verurteilen, bleibt uns nichts anderes übrig, als Fahrverbote zum Wohle der Menschen hier in der Landeshauptstadt auch umzusetzen. Lieber wäre es uns, wir würden über intelligentere Maßnahmen nachdenken. Zum Beispiel flächendeckendes Tempo 30. Diesen Antrag hatte ich schon 2005 hier gestellt. Leider noch keine Mehrheiten. Wer Angst hat, dass bei Tempo 30 flächendeckend die Hauptverkehrswege keine Sammelfunktion mehr haben, der muss endlich einmal nur unseren Anträgen für verkehrsberuhigte Bereiche und Spielstraßen zustimmen. Da muss man nicht erschrecken, die Anträge sind da, um unsere Quartiere kinderfreundlich umzugestalten Alle Haushaltsanträge sind leider bis jetzt immer gescheitert. Tempo 30 würde funktionieren. Und auch hier, vom Verkehrsclub Österreich, sieht man klar, welche enormen Vorteile das bedeutet für die Lebensqualität, wenn wir die Geschwindigkeit von 50 auf 30 km/h und in den Wohnquartieren sogar auf 20 km/h reduzieren. Dann beginnt die Lebensqualität. Dann fühlen sich die Menschen zuhause. Das ist natürlich auch eine kostengünstige Maßnahme, eine Maßnahme, die das Zufußgehen und das Radfahren in unserer Stadt leichter machen wird.

Und da bin ich bei Fuß- und Radwegen. Wir müssen massiv ausbauen, was Fuß und Rad angeht. Und deswegen bin ich froh, und finde das in unserer Stadt eigentlich auch toll, dass sich Bürgerinnen und Bürger längst aufgemacht haben, unsere Stadt unter Druck zu setzen. Nicht nur mit Critical Mass, sondern jetzt auch ganz neu mit dem Radentscheid sind die Bürgerinnen und Bürger wieder einmal weiter als die Mehrheiten hier im Rathaus. Und wir können nur sagen, wir werden den Radentscheid Stuttgart, der klare Forderungen hat für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, unterstützen. Wichtig ist dabei der Grundsatz, der auch dort formuliert ist. Wir müssen weg von Einzelmaßnahmen. Tübinger Straße, Lautenschlagerstraße - alles schön, dass sich da etwas bewegt, aber wir müssen endlich zu den Netzen kommen, denn Wege brauchen Netze. Nur dann sind sie in der Fläche wirklich sinnvoll. Da müssen wir ansetzen.

Zweitens, es ist nicht immer nur Geld, sondern vor allem, und das ist drittens, es braucht eine grundsätzliche Planungskultur, die Vorrang - keine Gleichberechtigung, sondern Vorrang - für Rad und Fuß einräumt, bei allen Planungen. Zum Beispiel B 14. Da steht keine Vorgabe drin für Verkehrsreduzierung. Kein Vorrang für Rad und Fuß. Wenn man hier redet und sagt, man braucht hier einen Vorrang, dann muss man auch als Oberhaupt der Stadtverwaltung in den konkreten Planungen dafür sorgen, dass dieser Vorrang täglich und schon heute umgesetzt wird. Da braucht es eine klare Ausrichtung der Stadtverwaltung.

Wir brauchen auch, als Alternative, den Ausbau von Schienenverkehr. Und das ist eine gigantische Aufgabe. Wenn wir das Ziel, nur 20 % Verkehrsverlagerung an der Gemarkungsgrenze, wo es täglich 900.000 Autos sind, ernst nehmen, bedeuten 20 % Verkehrsverlagerung oder weniger Autos, dass das Land das Doppelte an Metropolexpresszügen bestellen müsste, als es plant zu bestellen. Und 50 % mehr Kapazität in der S-Bahn. Das sind Ausbaumaßnahmen, die hierzu notwendig sind. Die gehen über alles hinaus, was ich bis jetzt in diesem Raum gehört habe. Und natürlich braucht es auch eine SSB, die die Feinverteilung machen kann. Da kommen wir um die Diskussion nach zusätzlicher Verkehrsinfrastruktur - nicht Streckenverlängerung, sondern auch mal über Schmalspur-Niederflursysteme - nicht herum. Und wenn wir über Schienenverkehr reden und wie hier meine Vorredner über Stuttgart 21 - also Schienenrückbau - schweigen, dann meint man es mit der Verkehrswende nicht ernst. Wir tun das und sagen deswegen: Stoppt den Schienenrückbau in Stuttgart, steigt um, steigt aus aus Stuttgart 21. Nehmt das Geld und investiert dort, wo es notwendig ist. Zum Beispiel könnten wir beim S-Bahn-Ringschluss auf den Fildern 400.000 Bürgerinnen und Bürger anschließen. Baut von Norden aus über Zuffenhausen, Feuerbach die Zuläufe aus, auch von Bad Cannstatt. Macht die Panoramabahn leistungsfähig in diesem tollen Kopfbahnhof, bindet sie ein. Redet über die Verbindungen im Neckartal, Nordkreuz oder 'Tangens S', wie sie heißen, zusätzliche Entlastungen über z. B. einen S-Bahn-Betrieb auf der Schusterbahn.

Bei der Schiene ist uns auch wichtig, dass wir grundsätzlich über den Preis reden. Unser Ziel ist klar. Die Tarifreform kann nur der Beginn sein. Das 365 €-Ticket ist der nächste Schritt. Aber die Vision für uns ist klar, freie Fahrt für freie Bürgerinnen und Bürger im ÖPNV. Wir wollen den Nulltarif, und zwar finanziert über eine Luftreinhalteabgabe der Autofahrer und über eine solidarische Nahverkehrsabgabe, bei der Bürgerinnen und Bürger, Touristen und Wirtschaft gleichermaßen einzahlen, um den Betrieb und die Instandhaltung langfristig garantieren zu können. Das ist notwendig, um den ÖPNV inklusiv und solidarisch zu gestalten.

Beim Raum wird es ein bisschen schwieriger. Lassen Sie mich mit einem Bild enden, das alles, was ich jetzt gesagt habe, noch einmal zusammenfasst. Wenn wir über den Raum reden, kommen wir nicht umhin, über die Frage 'Wie wollen wir in dieser Stadt in Zukunft leben?' mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren. Und wir brauchen eine Vision, die das auch klarmacht. Eine Vision, wie andere Städte sie wagen, ob Helsinki oder Madrid, die klar ihre Stadtautobahnen angreifen. Ich glaube, dieser Zustand, wie wir ihn heute noch sehen, der muss nicht so sein. Wir können ihn gemeinsam hier in Stuttgart, und nicht erst 2050, umgestalten. Mit der Intelligenz, mit den Unternehmen, die wir bei uns haben, muss das keine Vision bleiben. Wenn wir den Mut haben, heute zu handeln, haben wir hier endlich Raum für Tempo 30, Fahrradwege und auch neue Schieneninfrastruktur. Das ist das, wofür es sich lohnt zu kämpfen. Schon heute! Vielen Dank."

StRin von Stein (FW):
"Ich möchte vorausschicken, bei den Freien Wählern wird vieles wesentlich konkreter und eher gemäß dem Motto 'tun, was machbar ist', weniger visionär im Moment. Man sagt gerne, dass wir im Informations- oder Digitalzeitalter leben. Das Mobilitätszeitalter haben wir deshalb noch lange nicht verlassen, im Gegenteil, nie war Mobilität so vielfältig, nie haben Mensch, Arbeits- und Freizeitwelt Mobilität so sehr in Anspruch genommen und eingefordert wie heute. In den Nachkriegsjahren wurden Bahnstrecken stillgelegt und aufgelassen. Heute werden sie wieder reaktiviert, aus- oder neu gebaut. Heute ist der ÖPNV in der Region Stuttgart gut ausgelastet und oft überfüllt. Auch auf den Straßen ist man mit dem Auto tagsüber selten allein. Der tägliche Stau kostet in Stuttgart Zeit, Geld und Nerven. Deshalb wird in Bürgerumfragen der letzten Jahre 'zu viel Straßenverkehr' am häufigsten als großes Problem genannt.

Ein weiteres Problem ist 'zu wenige Parkmöglichkeiten'. Die viel propagierten Alternativen, der Fuß- und Radverkehr, sind nicht für jede Strecke und auch nicht für alle Menschen geeignet. Dennoch halten auch wir es für wichtig, Fuß- und Radwege zu verbessern und auszubauen. Konzepte, das zeigt auch das von der Verwaltung zusammengestellte Faktenpapier, gibt es viele. Es fehlen, je nachdem, die gemeinsamen Visionen, Geld, politischer Wille, Unterstützung von übergeordneter politischer Ebene oder planerische Geschwindigkeit. Uns Freien Wählern ist ein gleichberechtigtes und rücksichtsvolles Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer wichtig. Um Konflikte zu vermeiden, sollte bei Planung und Bau eine bestmögliche Trennung der einzelnen Verkehrsarten verfolgt werden. Fahrverbote und die Verteufelung des Autos lehnen wir ab.

Unsere Schwerpunkte beim Thema Mobilität zeige ich anhand einiger Beispiele zu den Themen Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV und motorisierter Individualverkehr. Beim Fußverkehr sehen wir die Stadt auf einem recht guten Weg. Handlungsbedarf gibt es nach wie vor beim Thema Barrierefreiheit. Wir brauchen nach wie vor überall die Bordsteinabsenkungen an den Straßenkreuzungen und Überwegen. Und wir brauchen die barrierearmen Bushaltestellen. Und eben, ganz wichtig, den Einsatz von fußgängerfreundlichen Bodenbelägen. Kopfsteinpflaster z. B. macht es für Rollator-Nutzer schwer, sich gelenkschonend und damit eben auch sicher und gut fortzubewegen. Es muss darauf geachtet werden, dass Hindernisse, wie z. B. sogenannte Kundenstopper, mit Bedacht genehmigt und aufgestellt werden. Wo der Platz dafür fehlt, muss notfalls darauf verzichtet werden.

Im Winter ist ein zuverlässiger Winterdienst auf den Gehwegen und Staffeln erforderlich, denn nur dann kann man sie sicher nutzen. Diese Themen hören wir immer wieder aus den Bezirksbeiräten. Dort wird zudem kontinuierlich darauf hingewiesen, dass zugeparkte Gehwegecken und Überwege große Hindernisse für Fußgänger darstellen und Gefahrenpotenzial bieten. Ein ausreichendes Parkplatzangebot und entsprechende Kontrollen können hier für Abhilfe sorgen. Jeder von uns ist mehr oder weniger Fußgänger. Dennoch ist es uns wichtig festzuhalten, dass eine Stadt vom Zufußgehen und vom Flanieren allein nicht leben kann.

Der Radverkehr beschäftigt uns in Stuttgart mehr und mehr, auch weil die Rad-Infrastruktur kontinuierlich ausgebaut wird. Wir Freie Wähler halten den Ausbau des Radwegenetzes für sinnvoll. Allerdings haben wir kein Verständnis für die dogmatische Haltung, dass Hauptradwege zwingend entlang von Hauptstraßen eingerichtet werden müssen. Das hilft weder dem Straßenverkehr insgesamt noch den Radfahrern, die dort einem Mehr an Lärm, Schmutz und einer gewissen Unsicherheit ausgesetzt sind. Nach unserer Auffassung können für die Hauptradwege gut andere, ja sogar bessere Routen gefunden werden. Bis jetzt haben wir den Eindruck, dass am Bedarf vorbeigebaut wird. Es sollten die von den Radfahrern bevorzugten Routen als Hauptradwege angeboten werden. Mit einer guten Kartierung und Wegweisung lässt sich hier sicher viel machen. In den Stadtbezirken wird oft ein Flickenteppich aus einzelnen Radwegstücken beklagt. Selbst eingefleischte Radfahrer halten so manchen Radweg und so manche Strecke schlichtweg für unbrauchbar. Der erhöhte Rad-Etat sollte dafür genutzt werden, hier Verbesserungen herbeizuführen.

Von einigen Fahrradfahrern, auch das muss hier gesagt werden, erwarten wir mehr Rücksichtnahme. Auch für Fahrradfahrer gelten allgemeine Verkehrsregeln und rote Ampeln, an denen man eben warten muss. Wo immer es möglich ist, müssen Konfliktsituationen vermieden oder entschärft werden. Wir Freie Wähler fordern im bergigen Stuttgart eine erweiterte Fahrradmitnahme im ÖPNV. Hier sehen wir die SSB und ihre Partner in der Pflicht.

Einen immer wichtigeren Beitrag zur Mobilität in der Stadt leistet der ÖPNV, der weiter ausgebaut werden muss. In den letzten Jahren wurden die ÖPNV-Netze eher kleinteilig ergänzt und ausgebaut. Wir Freie Wähler halten die Entwicklung einer Vision und eines Masterplans für erforderlich. Welche Strecken sind, unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten, überhaupt denk- und machbar? Können Tangentiallinien die Netze von S- und Stadtbahn sinnvoll ergänzen? Wo müssen entsprechende Räume freigehalten werden? Das sind die Fragen, die bei einem Masterplan im Mittelpunkt stehen müssen. Vergessen wird dabei allzu oft, dass sich mit Stuttgart 21 derzeit eines der europaweit größten Mobilitätsinfrastrukturprojekte in der Umsetzung befindet. Die Neuordnung des Schienenverkehrsknotens wird den Nahverkehr in der Region attraktiver machen. Linien werden durchgebunden und damit rascher. Mit der neuen S-Bahn-Station Mittnachtstraße entsteht außerhalb des Hauptbahnhofs ein wichtiger S-Bahn-Knotenpunkt, der Verbindungen zwischen Feuerbach und Bad Cannstatt attraktiver macht. Die vom Bahnverkehr nicht mehr benötigte Gäubahntrasse lässt neue Möglichkeiten beim ÖPNV zu. Sie muss als Trasse unbedingt erhalten bleiben. Schade nur, dass wir darauf so lange warten müssen.

Die Vereinfachung des VVS-Tarifzonensystems kommt. Für uns Freie Wähler ist das bestehende Tarifzonensystem reformbedürftig. Wir befürworten nutzerfreundliche Änderungen. Die Finanzierung der Reform wird uns, Stadt, Region und Land, mit Sicherheit noch vor Fragen und Herausforderungen stellen. Einer Nahverkehrsabgabe, einer City-Maut oder einem Mobilitätspakt zur Finanzierung der Mehrkosten stehen wir sehr kritisch gegenüber. Was wir mit Nachdruck unterstützen und fordern ist, die bestehenden Ortsbusse endlich ins VVS-Tarifsystem zu integrieren. Die kleinen Ortsbusse ermöglichen es insbesondere älteren Menschen, am angestammten Wohnort zu bleiben. So können sie am sozialen Leben teilhaben, Arztbesuch und Besorgungen auf den Wochenmärkten und in Geschäften aus eigener Kraft erledigen. In den letzten Jahren wurde viel über den gewünschten Ausbau der Park + Ride-Plätze geredet. Leider ist wenig geschehen. Der Ausbau der Anlagen muss endlich vorangehen. Auch auf Stuttgarter Gemarkung. Den Bedarf und die Möglichkeit zum Ausbau sehen wir beispielsweise in Zuffenhausen, Weilimdorf, Remseck (Baumarkt Hornbach) und beim Flughafen. Park + Ride ist ein Thema der Region und ihrer Kommunen.

Stichwortartig möchte ich noch weitere Punkte zum Thema ÖPNV nennen. Bei der Stadtbahn muss der Ausbau der 80 m-Bahnsteige zügig vorangetrieben werden. Wo immer sinnvoll und möglich, sollten Tangential-Verbindungen im Stadtbahnnetz geprüft und realisiert werden. Den Bau eines 4. Stadtbahnbetriebshofes im Weilimdorf sehen wir als notwendig an. Wir sind darauf bedacht, eine möglichst verträgliche Lösung zu finden. Wir befürworten den weiteren Ausbau des Stadtbahnnetzes. Die Strohgäubahn sollte wieder bis Feuerbach durchgebunden werden. Zum Sorgenkind ist der motorisierte Individualverkehr geworden. Aus aktuellem Anlass muss festgehalten werden, dass die Luft in Stuttgart über Jahrzehnte nicht so gut war, wie sie es heute ist. Wir stehen den vom Gesetzgeber festgelegten Grenzwerten für Luftschadstoffe kritisch gegenüber. Dennoch gibt es diese Grenzwerte und wir müssen sie erreichen. Wir Freie Wähler wollen keine Fahrverbote in der Autometropole und Wiege der Mobilität Stuttgart. Die Autoindustrie muss Fahrzeuge mit zukunftsfähigen, schadstoffarmen Antrieben produzieren und liefern. Möglichkeiten, mit denen der Ausstoß von Autoabgasen in der Stadt verringert werden könnte, sehen wir viele. So z. B. die möglichst uneingeschränkte Umsetzung der Grünen Welle, die konsequente Nachtabschaltung von Ampelanlagen, den Bau weiterer Kreisverkehre, die Reinigung der Abluft aus Straßentunneln, die Überdeckelung der B 14, Cannstatter Straße, oder den Bau von Umgehungsstraßen. Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen in der Fläche hapert es gewaltig. Bis es endlich zum Bau eines geplanten Kreisverkehrs kommt, braucht es in Stuttgart 10 Jahre und länger. Den Eindruck vieler Stuttgarterinnen und Stuttgarter, dass der Autoverkehr mit einer gewissen Absicht ausgebremst wird, können wir nachvollziehen. Bis heute, und daran wird sich so schnell wahrscheinlich auch nichts ändern, sind wir in Stuttgart auf den motorisierten Individualverkehr angewiesen. Und das schon allein deshalb, weil der ÖPNV im Moment die zusätzlichen Kunden nicht aufnehmen kann. Wir wissen ja, wenn es morgens überfüllt ist, ist es immer noch besser, doch mit dem Auto zu fahren. Wir haben dieses Problem und das kriegen wir so schnell nicht gelöst.

Das Argument, dass neu gebaute Straßen zusätzlichen Verkehr generieren, mag stimmen. Wenn sich dadurch gute Verbindungen ergeben, kann man diese nutzen. Gleiches gilt aus unserer Sicht auch für den ÖPNV. In den letzten Jahrzehnten ist es nicht vorgekommen, dass eine neu gebaute Schienenstrecke hinter den Erwartungen von Planern und Politik zurückgeblieben wäre. Der Neubau von Straßen kann erforderlich und äußerst sinnvoll sein, wenn vernünftige Verbindungen geschaffen und damit Gebiete vom Autoverkehr entlastet werden. Auf dem Land wurden in den letzten Jahrzehnten unzählige Ortsumgehungsstraßen realisiert. Die Herausnahme des Durchgangsverkehrs in den Ortszentren hat die Aufenthalts- und Lebensqualität an den früheren Hauptstraßen enorm gesteigert. Ein Beispiel auf Stuttgarter Gemarkung ist die B 295 in Weilimdorf, die früher mitten durch den Ortskern verlief und heute elegant sowie vergleichsweise geräuschlos an den Weilimdorfer Wohngebieten vorbeiführt. Wie sähe die Situation in Weilimdorf heute aus, wenn man den Mut zum Bau der Umgehungsstraße vor 30 Jahren nicht aufgebracht hätte.

Ein weiteres aktuelles Beispiel, das schon angesprochen worden ist, ist der Rosensteintunnel. Der Bau des Rosensteintunnels und die Neuorganisation der Knotenpunkte am Neckar und in der Pragstraße stellen einen Kraftakt dar. Keine Frage. Die Beeinträchtigungen durch den Bau sind unangenehm und lästig, aber unvermeidlich. Der Rosensteintunnel schafft aber die Voraussetzung dafür, dass die Neckartalstraße, die Pragstraße und die Schönestraße in Bad Cannstatt vom Verkehr entlastet und zurückgebaut werden können. Diese Gestaltungsoptionen und Verbesserungen rund um das Neckarknie werden nur möglich, weil der Rosensteintunnel und Stuttgart 21 gebaut werden. Weil beide Projekte von den GRÜNEN im Gemeinderat vehement abgelehnt wurden, sind diese Verbesserungen nicht Ergebnis grüner Politik. Wenn wir die beiden genannten Beispiele auf die Stuttgarter Innenstadt und den von uns unterstützten Wunsch nach einer verkehrsberuhigten und/oder untertunnelten Kulturmeile zwischen Gebhard-Müller- und Charlottenplatz übertragen, dann kommen wir Freien Wähler zu folgenden Ergebnissen: Reiner Durchgangsverkehr muss aus der Innenstadt herausgehalten werden. Es braucht Umgehungsstraßen, oder noch besser das von uns geforderte Ringstraßensystem aus Filderauffahrt und Nord-Ost-Ring. Quell- und Zielverkehr muss in der Innenstadt auch weiterhin fließen können.

Und ganz wichtig, es sind Kompromisse nötig, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Was uns beim motorisierten Individualverkehr auch noch wichtig ist, möchte ich hier noch in Stichworten erwähnen: Das Falschparken an Ladesäulen für Elektrofahrzeuge muss unterbunden werden, die Versorgungsinfrastruktur für alternative Antriebe muss ausgebaut werden. Der Abbau von Parkplätzen sollte gestoppt werden, oberirdische Parkplätze sollen auch in der Innenstadt erhalten bleiben. Die Nord-Süd-Straße in Vaihingen-Möhringen muss ausgebaut werden, um den Verkehr im Bereich des Synergie-Parks zu bewältigen. Das Gewerbegebiet Tränke in Degerloch soll mit einem Vollanschluss an die B 27 angebunden werden. Wir Freie Wähler wollen keine Einschränkung der freien Wahl des Verkehrsmittels. Es soll den Nutzern überlassen werden, das für sie passende Verkehrsmittel auszusuchen und zu nutzen. Dennoch wollen wir dazu anregen, das eigene Mobilitätsverhalten zu hinterfragen. Muss es immer das eigene Auto sein oder geht es auch mal zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem Bus, der Stadtbahn oder der S-Bahn? Wie eingangs erwähnt beobachten wir einen insgesamt weiter zunehmenden Mobilitätsbedarf der Gesellschaft. Und zwar mit allen Vor- und Nachteilen. Deshalb stellt sich uns die zentrale Frage, wie sich dieser hohe Mobilitätsbedarf entwickelt und welche nachhaltigen Antworten wir dafür finden. Vielen Dank."

StR Dr. Oechsner (FDP):
"Es gibt relativ wenige Dinge, die ich neben meiner Familie, meinem Beruf und meinem Ehrenamt noch unterbringen kann, aber wie viele Menschen sammle ich natürlich. Ich sammle zwei Dinge, zum einen sammle ich Achterbahnfahrten, zugegebenermaßen eine ziemlich eingeschränkte Form der Mobilität, aber es ist eine Leidenschaft, danach plane ich meine Urlaube und richte sie auch so ein. Und zum anderen sammle ich alles, was es im Bereich Science-Fiction so gibt, da sammle ich Bücher, Mangas, Comics und natürlich Filme. Und ich bin immer wieder erstaunt, wie das Thema Mobilität und Verkehr auch in diesem Genre einen großen Raum einnimmt. Denken Sie nur an die Taxifahrt im 5. Element, was für ein Verkehrschaos da auf vielen Ebenen stattfindet, oder selbst im doch mehr oder weniger sterilen Star Wars Universe gibt es in dem Stadtplaneten Coruscant auf den untersten Ebenen ein durchaus viel zu hohes Verkehrsaufkommen. Und warum erwähne ich das? Nun, weil Mobilität, zumal die individuelle Mobilität, seit Erfindung des Rads vor Tausenden von Jahren eine der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit ist und die Auswirkung dieser Errungenschaft auf die Städte, auf die Natur, auf die Umwelt nahezu alle Bürger umtreibt. Und zwar auch in Zukunftsvisionen.

Und in gewisser Weise hat es ja mit dem heutigen Tag zu tun, denn darum geht es uns doch: Verkehr, Mobilität in der Zukunft. Mobilität ermöglicht uns, unser Geburts- und Wohnumfeld zu verlassen, unseren Horizont zu erweitern. Heute haben wir Möglichkeiten, die vor 100 Jahren noch undenkbar gewesen wären, nicht nur in der Erreichbarkeit ferner Länder, und der eine oder andere der Vortragenden hätte doch gar nichts berichten können aus den Städten Paris, Amsterdam, Zürich, Kopenhagen, Oslo, Helsinki und weiteren. Das ist auch Mobilität, es erweitert unsere Möglichkeiten, unsere Wohn- und Arbeitswelten so einzurichten, wie es uns gefällt. Und nicht zuletzt die Erfindung des Automobils hat zu dieser Entwicklung beigetragen. Und daher ist es nicht verwunderlich, überhaupt nicht verwunderlich und darf auch den vorangegangenen Generationen jetzt nicht angelastet werden, dass jahrelang viel für die autogerechte Stadt, das autogerechte Land getan wurde. Aus der Sicht der damaligen Generation war das richtig. Aber es schafft natürlich auch Probleme. Und das gilt nicht nur für die Automobilhauptstadt Stuttgart, aber für Stuttgart gilt das eben besonders.

Hier ist alles immer etwas besonders, besonders anspruchsvoll, besonders gravierend und natürlich besonders schwer zu lösen. Wenn ich jetzt ein wenig die Umweltproblematik des Verbrennungsmotors ausklammere, auch weil die Interpretation von Feinstaub und Schadstoffen immer einen sehr großen Spielraum bietet, man kann auf der einen Seite entweder dadurch den Schluss ziehen, das Auto komplett zu verteufeln, man kann aber auch den Schluss ziehen, der Verbrennungsmotor hat nur einen ganz kleinen Anteil an der Misere, soll es nicht heißen, dass wir Freien Demokraten hier nicht sensibel sind. Aber es ist mir viel wichtiger, hier heute zu versuchen, auch etwas Verbindendes für diesen Gemeinderat beizutragen. Nämlich, wie schaffen wir es, dieses hohe Gut der individuellen Mobilität in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu erhalten oder vielleicht sogar wiederherzustellen, und wie stellen wir uns Mobilität eigentlich vor?

Lassen Sie mich deswegen einen kurzen Blick auf unsere kleine Gemeinderatsgruppe werfen. Von uns Dreien haben zwei einen oder mehrere Pkw, zwei nutzen allerdings vorwiegend die SSB zur Bewegung innerhalb der Stadt. Alle drei sind wir bei car2go registriert, einer sogar bei Call a Bike, wir haben natürlich Fahrräder, wir benutzen diese auch, eine hat noch eine Vespa, zu Fuß sind wir auch viel unterwegs. Und einer hat sogar noch ein E-Fahrzeug, wenn er sich dann doch mal individuell bewegen will. Ich möchte aber gleich ansagen, das mit der E-Mobilität, da teile ich schon auch die Meinung der nahezu lokalen Emissionsfreiheit, aber auch nur das. Wir dürfen die Problematik bei der E-Mobilität nicht ausblenden, die die Herstellung und auch die Entsorgung der heute verwendeten Energiespeicher angeht, und wir dürfen nicht ausblenden, dass da vielleicht auch etwas auf uns zukommt. Und daher darf auf gar keinen Fall ausgeblendet werden, dass auch andere Antriebsformen in Zukunft weiterhin wichtig sein werden. Und E-Mobilität braucht übrigens auch Parkraum. Und daher können wir es überhaupt nicht nachvollziehen, dass man zuerst Parkplätze in dieser Stadt, in der Innenstadt, abschaffen will, ohne die Parkgaragen zu bauen, die wir vorher brauchen, um die Autos dann abzustellen, um eine autofreie Innenstadt, eine Fußgänger-Innenstadt von mir aus auch, zu haben. Das ist schon ein Schritt, der am Ende vielleicht das Gleiche hat, sagen wir innenstadtnah. DIE GRÜNEN haben aber weder innenstadtnah noch sonst irgendwo einen Parkplatz geschaffen, aber sei's drum. Wenn ich jetzt die Stadt verlasse, dann möchte ich das gerne mit der Bahn z. B., aber auch mit dem Auto, auch mit dem Flugzeug machen. Das ist für mich die freie Wahl der Mobilität, des Verkehrsmittels. Das bedeutet für mich Mobilität der Zukunft.

Aber wir müssten und dürften uns eigentlich alle einig sein, dass wir vor einem Kollaps der Verkehrssysteme in Stuttgart stehen. Daran gibt es auch keine Diskussion, und die Verkehrswende ist sicherlich wichtig und unbedingt notwendig. In Spitzenzeiten sind alle Verkehrssysteme überlastet. Der tägliche Stau betrifft sowohl die Autofahrer als auch den ÖPNV, die Busse. Und es ist auch kein Vergnügen, in der Bahn zur Arbeit zu fahren, außer man wohnt vielleicht an der Endhaltestelle und kommt als erster rein oder man genießt es, während der Fahrt nicht umfallen zu können. Das ist keine Möglichkeit, wie es weitergehen kann, daher definiere ich jetzt einmal, nehmen wir einmal an, wir hätten alle das gemeinsame Ziel, 25 - 50 % aller Autofahrten, also den fließenden Verkehr, zu reduzieren, was müssten wir denn dann tun? Wie könnten wir das erreichen? Da gibt es zwei Möglichkeiten: Es gibt das Verbot, und es gibt das Angebot. Und unschwer wird Ihnen ersichtlich sein, welches von beiden wir denn wählen wollen. Wir sind auf der Seite des Angebots. Es ist zwingend notwendig, dass wir mehr Ortsbusse, mehr kleine Midi-, Minibusse in dieser Stadt installieren, und zwar nicht mit privater oder ehrenamtlicher Initiative. Das ist zwar eine ganz tolle Sache, schauen wir nach Botnang, da gibt es das rein ehrenamtlich, doch ist das kein Modell für die Stadt Stuttgart. Das Modell muss sein, dass ich, wenn ich in den Stadtbezirken Botnang, Feuerbach in die Hänge gehe, dass ich da nicht meinen Einkauf, den ich jetzt eben nicht in meinem Auto haben soll, dass ich den dann in einem Kleinbus auch wirklich nahe dorthin bringe, wo ich wohne. Daher erwarten wir schon, dass es Konzepte auch von der SSB gibt, die in diese Richtung gehen, ins Tarifsystem eingebundene Ortsbusse, Quartiersbusse, die uns in die richtige Richtung bringen.

Die anstehende Tarifreform, da wurde jetzt schon viel gesagt, das ist der richtige Weg, aber es ist nur dann der richtige Weg, wenn wir auch ausbauen. Wenn wir möglichst schnell 80 m-Züge einsetzen, wenn wir möglichst schnell den Takt verkürzen, dort wo es möglich ist. Es gelingt nur dann, die Autostadt Deutschlands in eine multimodale Mobilitätsstadt zu verwandeln, wenn wir daran arbeiten, alle Verkehrssysteme gleichmäßig zu unterstützen, finanziell gleichmäßig vom Nutzer her, was die Kosten angeht gleichmäßig und auch von dem, was der Staat dazu beiträgt in Form von Steuern, die wir ja alle zahlen. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, gemeinsam, die Ausrichtung ist vielleicht immer wieder ein bisschen anders. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank."

StR Klingler (BZS23):
"Es ist schade, dass so wenige Zuschauer auf der Tribüne von dem Angebot Gebrauch machen, deswegen hoffe ich, dass mehr Leute den Livestream verfolgen. Ich grüße auch alle Leute, die aus Malaga hier zuschauen. Herr Oberbürgermeister, ich gebe Ihnen recht mit Malaga, daran können wir uns wirklich ein Beispiel nehmen, da sind wir uns völlig einig. Man muss aber dann noch wichtige Punkte ergänzen: In Malaga hat jeder Anwohner, ob er Mieter ist oder Eigentümer, in der Altstadt eine grüne Parkkarte, die er kostenlos bekommt, d. h. er hat einen kostenlosen Parkplatz in der Altstadt von Malaga garantiert. Anders als es bei uns mit dem Parkraummanagement funktioniert, wo die Leute Geld bezahlen müssen, keinen Parkplatz garantiert haben, im Prinzip im Aktienrecht einen Leerverkauf machen, was sehr teuer für die Anwohner dort ist. In Malaga gibt es nach der grünen Parkzone die blauen Parkzonen. Da ist zwei Drittel am Tag kostenloses Parken erlaubt, von 09:00 bis 14:00 Uhr. Von 17:00 bis 20:00 Uhr muss man einen vernünftigen Preis bezahlen, der aber auch angemessen ist. Von Samstagmittag bis Sonntagabend bzw. bis Montagmorgen ist das Parken dort frei. In der Innenstadt von Malaga gibt es aktuell 6.302 Parkplätze in Parkhäusern und 5.000 kostenlose Parkplätze in Einkaufszentren. Wenn wir dort hinkommen, dann bin ich komplett bei Ihnen, dass Malaga ein Vorbild für uns ist.

Bei uns gibt es einfach zu wenig Parkplätze, bei uns werden Parkplätze permanent reduziert. Bei uns muss man einfach schauen, dass jeder Parkplatz, so unsere Meinung, der wegrationalisiert wird, auch wieder ersetzt wird. Denn wir wollen den Leuten nicht vorschreiben, mit welchem Verkehrsmittel sie welche Strecke zurücklegen. Wir sind eine Autostadt, und die Stadt hat auch dem Automobil einen erheblichen Anteil des Wohlstands zu verdanken. Und wir nehmen auch gerne immer wieder Spenden an von Porsche, von Daimler, die Kultur-, die Sportförderung, die nur durch diese Unternehmen funktioniert. Und deswegen ist es doch auch nicht in Ordnung, dass man sich wundert, dass Daimler eben auf seinen Bildern Autos darstellt. Das Unternehmen verkauft Autos, das ist doch wohl völlig klar, dass dann auch Automobile dargestellt werden.

Und wie wir es gerade gehört haben, verschiedene Kollegen nutzen verschiedene Verkehrsmittel. Das mache ich auch. Ich fahre fast immer in die Innenstadt mit der Stadtbahn. Und das funktioniert. Die Stadtbahn ist hervorragend. Da kann ich genau planen: Löwenmarkt, Schlossplatz - 20 Minuten. Da kann ich meine Uhr danach stellen. Wenn ich aber von zuhause fahre, weil da die S-Bahn näher ist, dann kann ich dies nicht, weil die S-Bahn eben nicht die Zuverlässigkeit bietet, wie sie die Stadtbahn hat. Wenn ich schwere Dinge dabeihabe und am Löwenmarkt einsteige, bekomme ich morgens meistens keinen Sitzplatz. Dann stehe ich mit der schweren Tasche da. Deswegen müssen wir schauen, dass wir kein Verkehrsmittel gegen das andere ausspielen, sondern wir müssen schauen, dass der Mix besser wird.

Und wenn man einen Stadtbahnausbau betreibt und dabei nur das Automobil einschränkt, weil man Fahrspuren wegnimmt, dann funktioniert das nicht. So ist es an der Wilhelma beispielsweise, an der Rosensteinbrücke. Man hat zusätzliche Stadtbahnstrecken geschaffen, man hat bessere Frequenzen, aber man hat die Kreuzungen dementsprechend nicht umbauen können. Das muss man natürlich ganz klar sehen, aber deswegen haben wir dort permanente Stausituationen, die natürlich für die Luftqualität sicherlich auch nicht hervorragend sind.

Luftqualität. Gestern Abend hatten wir im Tennisverein Mannschaftssitzung. Da war ein Freund vier Jahre für die Firma Daimler in Shanghai gewesen. Ich habe gefragt, Mensch Stefan, wie sieht es denn aus? Freust dich, wieder hier zu sein? Da sagt er, ja, du weißt doch, ich bin Läufer. Und ich laufe jetzt hier viel lieber. Meine Lunge blüht wieder auf, in Stuttgart ist einfach eine viel bessere Luft als das, was ich die letzten vier Jahre gewohnt war. Und deswegen, wir dürfen auch bei aller Problematik, die wir haben, unser Licht nicht immer unter den Scheffel stellen. Wir haben Wald und Wiesen. Und wir haben im Prinzip eine Luft, wie sie die letzten Jahre nicht besser war. Und wir sind auf einem guten Weg. Das funktioniert nicht von heute auf morgen, aber ich denke, wir haben da auch sehr viel getan.

Dann haben wir die Vergleiche, jetzt haben wir Malaga und Shanghai gehabt, ich höre immer wieder Kopenhagen, ich höre Berlin mit dem Radverkehr. Ich meine, diese Städte haben eben nicht wie wir 225 Höhenmeter Unterschied. Wenn ich von Weilimdorf von mir hierherfahren müsste mit dem Fahrrad, da müsste ich zig Täler und Höhen überschreiten. Und das funktioniert eben so nicht. Wir brauchen das Umdenken in den Köpfen der Menschen, dass ich einfach sage, für diese Strecke nehme ich das Fahrrad, diese Strecke gehe ich zu Fuß, und für diese Strecke ist eben das Auto besser. Und wenn eben jemand zum Wochenmarkt fährt, weil er frische Blumen kaufen will, die nicht zerdrückt daheim ankommen sollen, dann nimmt er nun einmal sein Auto und stellt diese Produkte in den Kofferraum. Denn der Kofferraum ist und bleibt der größte Einkaufskorb der Leute. Das war so, das ist so, und das wird auch immer so sein.

Wenn jemand natürlich, so wie ich, morgens zum Tennistraining fährt, und es ist wunderschönes Wetter, dann nehme ich das Fahrrad. Dann macht das Sinn. Ideal wäre es, wenn wir das Fahrrad rund um die Uhr in der Stadtbahn mitnehmen können. Und nicht erst ab 18:30 Uhr. Dann brauchen wir mehr Möglichkeiten an der Zacke, da brauchen wir z. B. größere Anhänger, der Mix muss auch funktionieren. Aber bei uns ist es so, wir machen eine Gängelung, anstatt die Leute zu überzeugen. Wir diskutieren über Fahrverbote, anstatt den Verkehr zu verflüssigen. Die Leute kommen auf mich zu und sagen, die Ampelanlagen sind seit zwei Jahren negativ umgestellt. Ich sage immer, kann ja nicht sein, würde ja gar keinen Sinn machen. Wenn ich dann aber unterwegs bin, dann denke ich, es könnte zumindest besser sein. Man könnte Ampelanlagen viel früher abends ausschalten. Eine Ampel ist da, weil sie den Verkehr regeln muss. Wenn in der Hauptverkehrszeit ein Verkehr da ist, dann muss er geregelt werden. Wenn aber nachts kein Verkehr da ist - und das ist an vielen Stellen der Außenbezirke bereits ab 18:30 Uhr der Fall -, dann kann die Ampel aus sein.

Wir brauchen mehr Kreisverkehre. Und wir brauchen einfach die Situation, dass wir dann auch bessere Parkplätze in der Nähe der Stadtbahn- oder S-Bahn-Haltestellen haben. Und dort hoffe ich auch, dass unsere Vertreter, die ja auch Mitglied in der Regionalversammlung sind, sich dafür einsetzen, in der Region an den S-Bahn-Haltestellen einfach ein besseres Angebot für P+R-Plätze zu schaffen, damit die Leute dort umsteigen und erst gar nicht reinfahren müssen.

Was machen wir? Wir bauen den ÖPNV, den Stadtbahnverkehr aus. Das ist gut. Aber im Prinzip endet er spätestens kurz nach der Stadtgrenze hier. Schauen wir doch mal Karlsruhe an. Ich steige in Karlsruhe am Hauptbahnhof ein und kann mit der Stadtbahn bis nach Bad Wildbad fahren, ohne umzusteigen. Wir müssen dort einfach neue Dinge machen, aber wie gesagt, das eine tun ohne das andere zu lassen.

Und auch die P-Busse. Warum sind das P-Busse? Weil sie parallel laufen zu einer funktionierenden Stadtbahn- und S-Bahn-Strecke. Wir haben von Cannstatt drei S-Bahnen, die zum Hauptbahnhof fahren, schneller als der P-Bus. Und wir haben drei Stadtbahnlinien, die schneller als der P-Bus dort reinfahren. Wir setzen dort einen Haufen Geld ein, wir bauen die Cannstatter Straße um, wir produzieren weiteren Stau. Und es wird uns nichts bringen. Aber das probieren wir. Das ist dann so, wie man jetzt in der Tarifreform manche Dinge definitiv angehen muss. Es haben manche Fraktionen, wie die SPD, ja schon seit Jahren gefordert, die CDU dann auch, die Grünen auch, dass man eine Stadt eine Zone macht. Aber ein wichtiger Faktor ist auch dort, dass man die Außenbezirke nicht vergisst. Dass man auch sagt, man muss schauen, dass man eine Symbiose herstellt zwischen den Außenbezirken und den Außen- und Umlandgemeinden. Es kann doch nicht sein, dass jemand von Giebel nach Gerlingen fährt und dort mehr zahlen muss als jemand, der von Möhringen nach Weilimdorf fährt. Wichtig in der Tarifreform war für uns immer die Vereinfachung. Es war überhaupt nicht darstellbar, dass jemand, wenn er von Feuerbach nach Cannstatt fährt, mit dem 13er 1 Zone hat, und mit der S-Bahn, wenn er über den Hauptbahnhof fährt, 2 Zonen. Das war bisher so. Deswegen, das ist auf jeden Fall eine gute Sache. Aber wir brauchen hier definitiv auch im ganzen Netz die Zuverlässigkeit. Und an diesem Ausbau müssen wir arbeiten.

Ein wichtiger Faktor ist für uns aber auch noch, dass Baustellen, die permanent den Verkehr behindern und blockieren, schneller abgearbeitet werden. Man kann doch nicht eine Baustelle nach der anderen aufreißen, ohne irgendwelche zu schließen. Es sind permanent in Stuttgart zu viele Baustellen da. Da müsste man sich einfach überlegen, längere Arbeitszeiten an der Baustelle einzuführen. Und dann, was vorher angesprochen wurde, wir brauchen tatsächlich die Verknüpfung von der Endhaltestelle bis zur Heimat mit den Ortsbussen. Deswegen bin ich froh, dass ich 1993 den Ortsbus Weilimdorf - Feuerbach initiiert habe, der hervorragend ankommt, der auch ins VVS-System mit eingebunden ist.

Und dann ist auch für uns wichtig, die E-Mobilität steckt, wie Sie es gesagt haben, Herr Oberbürgermeister, in einer Probierphase, in einer Testphase. Und das ist überhaupt nicht das allein glückselig machende Mittel. Es kann sein, dass Diesel mit neuen, besseren Verbrauchswerten, besseren Dieselqualitäten auch definitiv effektiver sind. Denn auch die Abriebe sind da. Wir wünschen uns eine Mobilität, dass ich mich frei entscheiden kann, wann ich mich wo in meiner Stadt bewege. Und der Kreuzzug gegen das Automobil, der bringt uns definitiv nicht weiter. Vielen Dank."

StR Dr. Schertlen (STd):
"Wir STAdTISTEN freuen uns, dass der Gemeinderat der Landeshauptstadt heute erstmalig eine Generaldebatte führt. Ob es für die Premiere gleich das schwierigste Stück, nämlich die Mobilität, gebraucht hätte, werden wir am Ende dieses Tages sehen. Wir wollen ja heute nicht ganz so hoch hinaus, wie die Sowjets 1971, die genau heute vor 47 Jahren mit dem Start von Saljut 1 die erste Raumstation ins Weltall geschossen hatten. Wir STAdTISTEN sind der Auffassung, dass unterschiedliche Lebensrealitäten unterschiedliche Mobilitätsformen erfordern. Stark vereinfacht ist deren grobe Sinnhaftigkeit auf meiner nächsten Folie dargestellt. Es ist uns wichtig, dass den verschiedenen Bedürfnissen Rechnung getragen wird und die unterschiedlichen Mobilitätsarten miteinander und nicht gegeneinander gedacht werden. Wir machen uns für neuartige Antriebsformen wie Elektromobilität mit ihren diversen Energiequellen ebenso stark wie für neue Fortbewegungsarten wie das autonome Fahren und auch neuartige Vehikel wie ein Monowheel. Ich habe eines mitgebracht, Sie können es sich einmal anschauen, kann man sich draufstellen. Monowheels, Elektrotretroller, Segways und dergleichen können in unseren Augen auch einen Anteil zur Entlastung der verkehrlichen Situation in dieser Stadt beitragen.

Mobilität zu denken heißt aber auch, Wohnen und Arbeiten wieder näher zusammenzubringen, Wege zu vermeiden, beispielsweise durch Heimarbeit oder Videokonferenzen, Mobilität zeitversetzter als heute geschehen zu lassen, zu Fuß gehen attraktiv zu machen, und vieles mehr.

Wir sehen Ansätze zur Lösung der offensichtlichen Verkehrsprobleme im schrittweisen Umbau vom Kfz-Verkehr hin zu mehr Elektromobilität, mehr Carsharing und zur autonomen Mobilität, die dann auch mit dem Öffentlichen Personennahverkehr verschmelzen wird. Und wir sehen auch darin den Reiz, den Öffentlichen Nahverkehr noch weiter auszubauen und auch das Radwegenetz nicht nur auszubauen, sondern fast könnte man sagen, zu schaffen. Generell muss auch das Ziel sein, den Kfz-Verkehr um die Stadt herum zu führen, anstatt mittendurch. Für den restlichen Verkehr in der Stadt halten wir dann ein leistungsfähiges Netz an Hauptverkehrsstraßen für den Kfz-Verkehr für notwendig, um die Wohngebiete vom Verkehr und insbesondere vom zunehmenden Schleichverkehr zu entlasten. In den Wohngebieten abseits dieser Hauptstraßen sollten wir Tempo 30 oder Shared Space machen. Die Mobilität innerhalb dieser Wohngebiete sollte durch einen qualitativ guten Fußverkehr abgewickelt werden, um z. B. zur nächsten Haltestelle zu laufen, oder eben auch mit dem Monowheel. Wir wollen auch, dass beispielsweise zu den Hauptverkehrsstraßen parallel in den Wohngebieten Radverkehrsverbindungen geschaffen werden, die dann abseits der Hauptstraßen laufen mit entsprechenden Vorfahrtsregeln an den Kreuzungen, und insgesamt möglichst flächendeckend in der Stadt ein entkoppeltes Radwegenetz bekommen, ähnlich wie in Holland oder Dänemark. Zum Radverkehr gehört aber mehr als nur die Radwege. Es braucht dazu auch weitere Infrastruktur wie Duschen und Abstellmöglichkeiten, scherbenfreie und nicht zugeparkte Radwege. Wir sollten eben auch in den Wohngebieten diese neuartigen Elektromobilitäten nutzen, diese Ein-Personen-Transporter - Hoverboards, Segways etc., die man auch vor allem als perfekten Zubringer zum ÖPNV benutzen kann, die aber leider heute von der Straßenverkehrsordnung noch nicht gestattet sind.

Auch in den Innenstadtbezirken sollten wir vermehrt Carsharing-Stellplätze ausweisen, die es ermöglichen, dass mehr Leute auf ein Auto zugreifen können, ohne damit den öffentlichen Raum mit Parkplätzen oder mit Parkierung zu belasten.

Wenden wir uns dem ÖPNV zu. Die Argumente, den ÖPNV zu nutzen, sind vielfältig und gut, stellt es doch, zumindest vordergründig betrachtet, eine umweltfreundliche Art der Fortbewegung dar. Allerdings muss man auch hier sehr genau hinschauen, denn in den Hauptverkehrszeiten hat man das Ölsardinenerlebnis, tagsüber eine aufgelockerte Belegung und ansonsten in den Randzeiten eine sehr häufig dünne Auslastung, egal ob Bahn oder Bus. Diese Auslastung kann auch nicht einfach gesteigert werden, da das Netz und die Fahrzeuge auf den Maximalfall ausgelegt sind, also Morgenstunde und teils Abendstunde, jedoch insgesamt über den Tag verteilt, sich einfach nicht mehr als die 15 % Auslastung ergeben. Wir fordern trotzdem eine sinnvolle Erweiterung des Netzes, insbesondere auch mit der Schaffung weiterer Umsteigepunkte, um U- und S-Bahnen zu verbinden. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir den ÖPNV derart attraktiver machen, dass auch in den Schwachlastgebieten die Auslastung steigt. Und hier sehen wir die Lösung in kleinen, häufig verkehrenden Bussen, so ähnlich, wie das die Fa. Moovel mit dem Flex Pilot macht, und in Zukunft auch gerne autonom.

Außer Frage steht auch, dass Stuttgart eine Tarifreform braucht, was den VVS angeht. Und wir sehen es so, dass wir Testprojekte für diverse Tarifmodelle starten sollten, um herauszufinden, was die Kunden annehmen, und sind auch gesprächsbereit für verschiedene Optionen.

In Frankfurt am Main wurde am heutigen Tag 1951 die erste Deutsche Automobilausstellung eröffnet. Was damals ein Traum war, wird heute zunehmend zum Alptraum. Nach jüngsten Zählungen haben wir nämlich 900.000 Markungsüberfahrten je Werktag, also 450.000 rein, 450.000 raus. Und das jeden Tag. Dem gegenüber stehen ungefähr 20.000 Park + Ride-Plätze. Und von dem her ist es notwendig, dass wir vor den Toren der Stadt in der Region mehr P+R-Plätze anlegen lassen auch durch den VVS, damit die Berufspendler auf die Schiene kommen, anstatt mit dem Auto in die Stadt zu fahren. Aber Mobilität ist auch nicht nur eine Frage des rein technischen 'von A nach B Kommens', sondern es spielen auch Faktoren wie Zuverlässigkeit, Bequemlichkeit, Sicherheit und vieles mehr eine nicht zu unterschätzende Rolle. Deswegen müssen wir darauf achten, dass die Verkehrsmittel pünktlich sind und sauber, und auch die Zubringer funktionieren.

Mein Fazit, wenn ich das noch ausführen dürfte, sechs Sätzchen, die Sie auch lesen können, ich kann auch darauf verzichten, sie vorzulesen, bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die zweite Runde. Dankeschön."

StR Brett (AfD):
"Stuttgart ist eine Autostadt. Sie hat zwei Autofabriken, und Zehntausende von Stuttgartern arbeiten in der Autoindustrie. Wir sollten deshalb keinen Kampf gegen den Verbrennungsmotor machen und gegen die Dieseltechnologie. Wir sind da weltführend. Wir möchten keine autogerechte Stadt. Dieses Modell ist Vergangenheit. Aber der Individualverkehr muss die Basis bleiben. Ob das jetzt mit dem Auto ist oder mit dem Elektrorad oder sonstigen Sachen, ist egal. Aber der Individualverkehr muss die Grundlage sein und darüber der Öffentliche Personennahverkehr. Wir sollten auch bei den Modellen, die man unterstützt, keinen Einfluss nehmen. Ob in Zukunft die Bewegung mit Wasserstoff ist oder mit Elektrizität, das weiß noch kein Mensch. Und wir sollten uns da einfach raushalten. Wir sollten auch versuchen, die Autofahrer nicht ständig zu drangsalieren, indem man geplante Staus produziert. Ich persönlich habe gar kein Auto mehr, seit zwei Jahren, seit die Antifa mir mein Auto zusammengeschlagen hat. Aber ich finde es eine Zumutung: Die Nürnberger Straße nach Fellbach fahren am Tag zehntausende von Autos und wenige Radfahrer, dass man dafür eine ganze Spur opfert, ist einfach geplanter Stau von der Stadt. Wir sollten auch, und das ist, glaube ich, auch etwas zum Parkplatzsuchsystem, Nachbarschaftsgaragen ermöglichen, dass nicht ständig, und gestatten Sie mir, ich wohne eben im Westen, man ab 18 Uhr die Reise nach Jerusalem beginnt und keiner mehr einen Parkplatz findet und ein ständiger Parksuchverkehr da ist.

Weiterhin brauchen wir neue Straßen. Wir brauchen nicht nur in Möhringen die Verbreiterung der Nord-Süd-Straße, und zwar erheblich, sondern wir müssen auch, auch wenn das sehr unbeliebt ist, die Nord-Ost-Umfahrung von Stuttgart planen und dort eine Lösung finden. Ich weiß, dass das sehr heißes Gelände ist, aber wir sollten da etwas tun. Nicht zuletzt brauchen wir mehr Park + Ride-Plätze, damit der Berufsverkehr, der Pendelverkehr, besser nach Stuttgart hereinkommt mit dem ÖPNV und dass man die Autos abstellen kann. Zum ÖPNV wäre zu sagen, dass es im Grunde genommen eine Schande ist für eine Landeshauptstadt, dass nachts ab 1 Uhr bis morgens ca. um 4:30 Uhr keine S-Bahnen und keine Busse fahren. Das Netz muss einfach durchgehend befahren werden, das braucht man nachts nicht im 15-Minuten-Takt, aber zwischen 30 und 45 Minuten müsste die Taktfolge liegen. Das ist eine Schande. Denn wir haben als Stadt das Geld zur Verfügung und dann muss man auch einen ÖPNV anbieten, der ausreichend ist. Nicht zuletzt, und da bin ich guter Hoffnung, wird Stuttgart 21 im ÖPNV uns eine Entlastung bringen. Jetzt hoffen wir, dass der Bahnhof bald fertig wird und dass wir da auf die Ressourcen zurückgreifen können. Und last but not least, wir sollten auch, damit der Pendelverkehr nicht zunimmt, wir sollten auch in Stuttgart mehr Wohnungen bauen. Es ist nicht sinnvoll, wenn Berufstätige von Bad Boll vom Landkreis Göppingen täglich reinfahren und das noch mit dem Auto und abends wieder zurück und hier die Parkplätze blockieren und den ganzen Straßenverkehr aufhalten. Wir brauchen da, wo die Arbeit ist, auch die Wohnungen, und da müssen wir uns etwas überlegen, wie wir das als Stadt in Zukunft hinkriegen. Vielen Dank."

StR Schupeck (LKR):
"Mein Name ist Walter Schupeck, ich spreche hier für die Liberal-Konservativen. Für die Zukunft im Jahr 2030 gibt es die Vision einer digitalisierten und integrierten Mobilität für alle Bürger. Ein wunschgerechtes und nahtloses Verknüpfen der verschiedenen Verkehrsmittel wird damit möglich sein. Unabhängig aber davon, wofür sich der Einzelne entscheiden möchte, muss er die freie Wahl dafür haben. Die Individualmobilität ist ein hohes Gut. Daher gilt mein entschiedener Widerspruch den drohenden Dieselfahrverboten. Dieselfahrverbot ist eine kalte Enteignung sparsamer Arbeitnehmer und Pendler, die sich irgendwann einmal bewusst für eine spritsparende und kohlendioxidarme Dieseltechnologie entschieden haben. Auch Handwerksbetriebe und andere mittelständische Unternehmen setzten bislang auf den sparsameren Diesel. Die haben sich auch explizit dafür entschieden. Ein Dieselfahrverbot wäre eine Katastrophe für die gesamte Region.

Schauen wir uns nochmals die Zahlen an, die auch hier schon aufgelegt worden sind. Bei Stickoxid ist die Anzahl der Überschreitungsstunden (also mehr als 200 Mikro-gramm) am Neckartor in Stuttgart von 853 im Jahr 2006 auf aktuell 0 im ersten Quartal des laufenden Jahres gefallen. Also wir machen einen sehr großen Fortschritt. Es bleibt das bekannte große Problem der Jahresmittelwerte von Stickoxiden. Da sind die Tabellen auch schon aufgelegt worden, da ist der Fortschritt noch relativ bescheiden. Da sind wir erst ungefähr auf dem halben Weg. Die EU-Sollvorgabe ist weniger als 40 Mikro-gramm. Hier sind die Mittelwerte, gemessen am Neckartor, von 107 Mikrogramm im Jahr 2008 auf 73 Mikrogramm im Jahr 2017 gefallen. Das heißt, in 9 Jahren 34 Mikro-gramm, die Rechnung ist ganz einfach. Und wieviel fehlen noch? 33 Mikrogramm. Also ist ungefähr nur die Hälfte in bisher 9 Jahren geschafft worden. Ich weiß ungefähr, was in der Pipeline kommt, welche Verbräuche die verschiedenen Dieseltechnologien haben usw. Ich halte es für nicht machbar, diesen Zielwert in den nächsten zwei Jahren zu erreichen.

Die Mittelwerte sollten jedoch gemäß der EU-Richtlinie von 2008 bereits 2010 eingehalten werden, was sich offensichtlich als unmöglich erwiesen hat. Wir hinken jetzt schon sehr lange hinterher. Ich bin der Meinung, dass der Sollwert von 40 Mikrogramm weder bis Ende 2019 noch bis Ende 2020 zu schaffen ist. Es ist nicht zu schaffen, selbst bei optimistischen Annahmen. Ich gehe z. B. optimistisch davon aus, dass Plug In-Hybride relativ schnell einen relativ hohen Anteil im Luxussegment haben werden. Aber das wird alles nicht reichen, auch das, was eine Stadt tun kann. Selbst wenn Sie alle Busse elektrifizieren und nur noch mit elektrischem Antrieb fahren. Das wird alles nicht reichen, das kann man auch relativ schnell überschlägig sich selber ausrechnen.

Also habe ich zwei Vorschläge. Der erste Vorschlag: Da die EU die Vorgaben macht, schlage ich ein Moratorium vor. Die Fraktionen des Stuttgarter Gemeinderats starten über ihre Europa-Abgeordneten und ihre Vertreter in der Bundesregierung eine Initiative zur Korrektur des Termins für die Einhaltung des Grenzwertes. Und zwar: Frist für die Einhaltung des Grenzwertes 1. Januar 2023. Dann blieben 4 Jahre. In der Zeit kann es, wenn sich alle bemühen, erreicht werden. Der nächste Vorschlag wäre, der Standort des Messpunktes Neckartor wird geringfügig, aber entscheidend verändert. Und zwar erstens auf die gegenüberliegende Fahrbahnseite und 10 m vom Fahrbahnrand weg in die Parkanlage hinein. Wir wissen alle, dass dann die Werte wesentlich besser sind. Dort halten sich tatsächlich dann auch Menschen auf, und der Vorschlag ist völlig richtlinienkonform. Ich habe es mir exakt angeschaut. Die Richtlinie besagt, dass die Messstationen 10 m vom Fahrbahnrand weg sein können. Von niemandem wird unnötige Erschwernis verlangt, auch von uns Stuttgartern nicht. Das wären mal die zwei wichtigen Vorschläge. Als Elektroingenieur und Informatiker habe ich mich sehr viel mit E-Mobilität beschäftigt, das ist eigentlich mein Steckenpferd. Ich weiß ungefähr, was in der Pipeline ist und so weiter und so fort.

Die digitalisierte und integrierte Mobilität wird kommen, die Technologie ist da, die Firmen haben die Produkte in der Pipeline. Nachher wird der Markt entscheiden. Und es wird auch nachher der Markt entscheiden, welche Technologie exakt sich dann durchsetzen wird. Im Moment weiß es keiner, ich kenne Für und Wider der verschiedenen Technologien. Ungefähr aber so wird es aussehen: Über Smartphones lassen sich Mobilitätservices planen, komprimieren, bestellen, abrechnen, da wird alles integriert. Sie können ein E-Taxi anrufen, einbuchen, das kommt her, liefert Sie ab, autonom, ohne dass einer drinsitzt, und wird dann irgendwo auf einen Parkplatz fahren, sich dort selbstständig wieder aufladen. Aber das ist ein weiter Weg bis dorthin, und das kann eine Stadt wie Stuttgart nur unterstützen, etwas steuern, und ansonsten muss der Markt entscheiden und müssen die Kunden entscheiden, was sie denn auch wählen wollen für ihre eigene Mobilität. Es ist da noch ein weiter Weg zu gehen, ich glaube, nur über ein solches Moratorium kann man realistisch in vier Jahren das dann anpacken. Besten Dank."
Anschließend eröffnet OB Kuhn die zweite Runde, in der die Redezeit für alle auf drei Minuten begrenzt ist.

StR Kotz wendet sich an OB Kuhn und macht deutlich, dass seiner Ansicht nach jeder Bürger in Deutschland das Recht haben müsse zu klagen, wenn Automobilhersteller gegen deutsches Gesetz verstießen. Wo der Hersteller aber seinen vom Gesetz vorgegebenen Rechtsrahmen nur ausnutze, könne man jedoch nicht klagen, sondern lediglich moralisch kritisieren.

Einen Mobilitätspass, für den alle, unabhängig ob sie ihn nutzten bzw. nutzen könnten, 365 € bezahlen müssten, lehne seine Fraktion ab. Ohne direkten Gegenwert entspreche dieser einer Steuer. Ohnehin sehe er angesichts der Mehreinnahmen von rund 200 Mio. € keine Notwendigkeit zusätzlicher Einnahmen, um die Aufgaben im Bereich der Mobilität zu erfüllen. Am Geld sei in den letzten Jahren keine einzige Maßnahme im Bereich Mobilität gescheitert. In der Bürgerumfrage sei im Übrigen nicht nur zu viel Verkehr beklagt worden, sondern auch zu wenige Parkplätze.

StR Winter (90/GRÜNE) räumt ein, dass die städtischen Kassen momentan gefüllt seien. Man brauche aber eine nachhaltige Finanzierung, um den erforderlichen enormen Ausbau des ÖPNV zu schultern. Deshalb erteile seine Fraktion auch dem kostenlosen Nahverkehr eine Absage. Die Finanzierung müsse von allen solidarisch geleistet werden, nicht nur von den Nutzern des ÖPNV. Man müsse weitere mutige Schritte wagen und überlegen, wie Quartiere autofrei gestaltet werden könnten.

StR Rockenbauch erinnert daran, dass Mobilität nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck - ein Ziel zu erreichen - sei. Mit Blick auf die ökosoziale Mehrheit regt er an, alle Planungen sollten 20 % weniger Autoverkehr zum Ziel haben. In den aktuellen Planungen müssten Fußgänger und Radfahrer immer Vorrang haben. Die ökosoziale Mehrheit müsse ein Zeichen für flächendeckendes Tempo 30 aussenden und hier mit den kommunalen Straßen beginnen. Des Weiteren plädiert er für ein 365 €-Ticket wenigstens ab 09:00 Uhr. Land und Bund müsse man auffordern, eine langfristige Finanzierung sicherzustellen. Die Autofahrer sollten den Ausbau des ÖPNV, jedoch nicht die Senkung der Ticketpreise finanzieren. Letztere müsse über eine solidarische Nahverkehrsabgabe erfolgen.

Im Gegensatz dazu bedeutet Mobilität für StR Dr. Fiechtner (BZS23) die Freiheit der Bürger, selbst zu entscheiden, wie sie sich von A nach B bewegen wollten. In seinen Augen ist es "geradezu grotesk, in der Autostadt schlechthin das Auto … schlechtzureden". Und die Messstelle befinde sich, wie StR Schupeck dargelegt habe, an der falschen Stelle. Würde man sie auf der anderen Seite der Straße positionieren, wären zum einen die Vorschriften der EU erfüllt und würden zum anderen die - für ihn ohnehin fragwürdigen - Grenzwerte nicht mehr überschritten. Was Fahrradwege anbelange, sei ein Vergleich mit Städten wie Madrid oder Kopenhagen, die keine Bergtopografie hätten, nicht angebracht. Die Stadt sollte vielmehr ihr Versprechen aus dem Jahr 2008 einhalten und Quartiersgaragen einrichten. Außerdem sollte sie die Stadtumfahrung realisieren. Er vermisse klare Konzepte mit E-Mobilität.

StR Körner kritisiert die unterschiedliche Bewertung von Quartiersgaragen durch die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Während diese die Tiefgarage im Rossbollengässle vor einigen Jahren als Aufwertung des Gebiets gefeiert hätten, bezeichneten sie nun die Tiefgarage im Stuttgarter Osten als Verrat an einer vernünftigen Verkehrspolitik. Dabei stellt er klar, dass die Busspur im Zuge des ÖPNV-Ausbaus kommen müsse. Deutliche Kritik übt er auch an der Bundes- und Landespolitik. Es sei ein Skandal, dass sich das Land nicht an der Förderung von Stadtbahnen beteilige. Die Zukunft sieht er in der Region, mit der man in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren noch intensiver zusammenarbeiten müsse.

An StR Schupeck wendet sich OB Kuhn mit dem Hinweis, es gäbe kein Problem in Stuttgart, wenn die Euro 5- und Euro 6-Diesel die vorgeschriebenen Grenzwerte auch einhalten würden. Und die Messstation Neckartor sei nicht die einzige, NOx sei ein flächendeckendes Problem.

Allgemein zur Debatte müsse er sich wundern. Einige Redner stellten das Auto als "armes verfolgtes Verkehrsmittel" dar, das von Radwegen und dem ÖPNV terrorisiert werde. Dabei wolle man nur einen Ausgleich schaffen und nach Jahrzehnten, in denen das Auto Vorrang gehabt habe, nun z. B. bei den Radwegen aufholen. In Anlehnung an Rosa Luxemburg erklärt er: "Die Freiheit, sich mit einem Verkehrsmittel zu bewegen, ist stets die Freiheit, dass sich die anderen auch bewegen können". Und hier habe man Nachholbedarf.

Die Nutzung des ÖPNV gerate insbesondere in den Außenstadtbezirken immer wieder zu einer Herausforderung, so StRin von Stein, da man auf diese Weise ein Mehrfaches der Zeit aufwenden müsse, die man mit dem Auto brauche. Dies liege z. T. auch daran, dass es nur wenige Querverbindungen gebe und man in der Regel über den Hauptbahnhof fahren müsse. Hinzu komme, dass sich besonders abends viele Frauen unsicher in der Bahn und auch auf dem Weg von der Haltestelle nach Hause fühlten.

StR Dr. Schertlen merkt im Hinblick auf die von StR Körner erwähnten synthetischen Kraftstoffe an, Politik sollte Ziele, nicht aber Lösungen vorgeben. Zur Gewichtung des Radverkehrs verweist er auf den im UTA vorgestellten knapp 4 km langen Streckenabschnitt der Hauptradroute 2, auf dem es zwölf Ampeln gebe. Dies lade nicht zum Radfahren ein. Die Stadtisten seien offen für die Ticketmodelle der SSB und in Anbetracht der "prall gefüllten Stadtkasse" auch für diverse Finanzierungsmodelle. Angesichts der rund 200 Mio. € Überschuss in den letzten neun Jahren sei es vertretbar, z. B. billige Gruppenfahrkarten, tatsächliche 24 Stunden-Tickets etc. zu testen. Er plädiert zudem für einen 24 Stunden-Betrieb mit einem dünnen Takt in der Nacht. Die 60 Mio. €, die man in den vierten Betriebshof investiere, würden für zwölf Jahre Nachtfahrten ausreichen. Die SSB müsse einen Ring um Stuttgart bilden und Tangentiallinien einführen, die auch den Außenbezirken zugutekämen.

StR Kotz teilt die Einschätzung von OB Kuhn, dass der ÖPNV sowie der Rad- und Fußgängerverkehr deutlichen Nachholbedarf haben. Deshalb unterstütze seine Fraktion deren Ausbau. Das heiße aber nicht, dass nicht auch Straßen für den Individualverkehr gebaut werden dürften. Diese könnten, um den öffentlichen Raum nicht zu belasten, in Tunneln verlaufen. Im Übrigen seien auch vor dem Amtsantritt von OB Kuhn Radwege gebaut worden, bis 2012 immerhin 164 km. Die Grundsatzentscheidung des Gemeinderats für den Radverkehr entpflichte den Gemeinderat nach Auffassung seiner Fraktion jedoch nicht von Einzelentscheidungen. Und wenn die praktische Umsetzung ergebe, dass ein Radweg kontraproduktiv sei, weil er - wie z. B. in der Waiblinger und der Nürnberger Straße - mehr Stau und damit schlechte Luft produziere, müsse man den Mut aufbringen, eine Maßnahme zurückzunehmen.

StR Brett regt an, wenn NOx ein flächendeckendes Problem sei, könne man die Messstation am Neckartor doch auch auf die andere Straßenseite setzen, wie StR Schupeck es vorgeschlagen habe. Auf diese Weise werde die Statistik einen Brennpunkt weniger ausweisen. Grundsätzlich sei Stuttgart aufgrund der Topografie keine Radfahrstadt. Dies sollte man akzeptieren und "die Autofahrer nicht ständig drangsalieren". So sei es z. B. unseriös, in Stuttgart-West mehr Parkkarten auszugeben, als Parkplätze vorhanden seien.

An OB Kuhn richtet StR Schupeck den Hinweis, er könne nicht die gesamte Automobilindustrie unter Generalverdacht stellen. Er räumt ein, dass es hier schwarze Schafe gebe, doch seien diese schwer bestraft worden. SPD und LINKE macht er darauf aufmerksam, dass die Arbeiter, und damit deren Klientel, Dieselautos fahren würden. Mit einem Fahrverbot bestrafe man eben diese Personen. Er regt an, die Änderungen der EU-Richtlinie nochmals zwei Jahre auszusetzen.

StR Rockenbauch stellt klar, dass Grenzwerte - für Feinstaub seit 2005 und für Stickoxid seit 2010 - nicht gemacht seien, um Autofahrer zu quälen, sondern um Anwohnerinnen und Anwohner zu schützen. Angesichts des Nachholbedarfs von Rad- und Fußgängerverkehr müssten diese nun bei den Planungen Priorität erhalten, notfalls auch auf Kosten von Autos. Das sei momentan nicht der Fall. Auch die Finanzierung müsse gerechter ausfallen. Der Defizitausgleich für den ÖPNV betrage gerade einmal ein Fünftel des Budgets für alle Straßenarten. Mit Blick auf die Studie "Mobiles Baden-Württemberg" mahnt er eine Diskussion über den dringend notwendigen Strukturwandel für die Automobilindustrie in der Region an.

Gegenüber StR Körner stellt StR Stopper (90/GRÜNE) klar, dass es unter der grün-schwarzen Landesregierung seit 2017 wieder eine Schienenfahrzeugfinanzierung gebe, die sich auf 20 Mio. € im Jahr belaufe. Bis 2006 habe es eine Schienenfahrzeugförderung des Landes gegeben, die - nach dem Entflechtungsgesetz - aus Bundesmitteln finanziert worden sei.

StR Dr. Oechsner erinnert daran, dass der Bund eigentlich für die Grundfinanzierung des nicht fahrgastfinanzierten Teils des ÖPNV zuständig wäre. Doch Land und Bund warteten nur darauf, dass die Kommunen, weil hier nichts geschehe, irgendwann selbst in die Bresche sprängen. Davon halte er wenig, denn am Ende zahlten dies, u. a. das verpflichtende Jobticket, die Unternehmer mit ihren Steuern. Seiner Ansicht nach müssten die Kommunen sich viel intensiver um Landes- und Bundesmittel nicht nur für Straßen, sondern auch für den ÖPNV bemühen.

Auf den seit 2008 auf das Siebenfache gestiegenen Rad-Etat weist StR Winter hin. Die P-Linie fahre im 5 Minuten-Takt. Man habe in der Stadtplanung den Paradigmenwechsel geschafft.

StR Dr. Fiechtner spricht StR Rockenbauch ab, dass es dessen Fraktionsgemeinschaft bei den Grenzwerten um die Gesundheit der Bürger gehe. Sie wolle diese nur gängeln. Die Messstationen sollten endlich EU-konform aufgestellt werden. In allen ausländischen Städten würden die Stationen näher bei 10 m Abstand aufgestellt und nicht direkt am Straßenrand, wie dies in Stuttgart der Fall sei. Und schließlich merkt er an, das Land fördere fünf Züge für ganz Baden-Württemberg, die SSB habe 40 gekauft.

An dieser Stelle macht OB Kuhn deutlich, dass die Grenzwerte geltendes Recht seien und dem Schutz der Gesundheit dienten. Was die Finanzierung anbelange, so gebe es im Koalitionsvertrag des Bundes zum GVFG optimistische Vorfestlegungen. Auch im Land brauche man zusätzliche Mittel für Neubeschaffungen. Hier gebe es noch keine abschließende Regelung. Für die Grenzwerte sei die Bundesregierung zuständig. Sie müsse dafür sorgen, dass die neu zugelassenen Fahrzeuge entsprechende Werte auch auf der Straße einhielten. Nur so könne bei der Bevölkerung wieder Vertrauen entstehen.

StR Zeeb (FW) mahnt an, auch auf die Realität zu schauen. Die sehe bei ihm mit einem kleinen mittelständischen Unternehmen so aus, dass er seinen Mitarbeitern 44 € im Monat für das Jobticket zahle. Das könne er sich nur leisten, weil er viele Aufträge habe, die überwiegend aus der Autoindustrie kämen.

StR Rudolf (CDU) möchte den Blick auf das Positive in der Stadt lenken. Die politische Mitte habe viel Gutes auf den Weg gebracht. Die Bürger fühlten sich wohl, und die Luft werde täglich besser. Insofern bitte er, nicht immer alles schlechtzureden.

Ihm gegenüber merkt StR Rockenbauch an, nach Aussage der Baden-Württemberg-Stiftung müsse man sich auf einen Strukturwandel, der 85 % weniger Autos mit sich bringe, einstellen. An StR Dr. Fiechtner gewandt betont er, die WHO sage klar, dass Luftschadstoffe und Lärmbelästigung die Hauptursachen seien, die Menschen weltweit krank machten.

StR Dr. Fiechtner bleibt bei seiner Aussage, dass es für die von der WHO festgelegten Grenzwerte "keine vernünftigen wissenschaftlichen Grundlagen" gebe. Er sei der Überzeugung, dass die aktuellen Grenzwerte nicht sinnvoll seien, sondern nach oben angehoben werden müssten. Die Messung am Neckartor und wahrscheinlich auch an anderen Stellen sei fehlerhaft. Faktoren wie z. B. die Messbreite, der Temperaturbereich, Nebel und auch der Standort müssten geklärt werden.

Damit schließt OB Kuhn die Generaldebatte Mobilität ab.
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