Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz: JB
GRDrs 657/2020
Stuttgart,
07/28/2020



Mobile Jugendarbeit Innenstadt



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
29.07.2020
29.07.2020



Beschlußantrag:

1. Der Projektförderung der „Mobilen Jugendarbeit Innenstadt“ im nachstehend genannten Umfang für die Projektlaufzeit von 1. November 2020 bis 31. Oktober 2024 wird zugestimmt.

2. Die benötigten Finanzmittel in Höhe von 77.500 EUR im Jahr 2020 werden überplanmäßig bereitgestellt. Der jährliche Finanzbedarf von 465.000 EUR ab 2021 wird im Rahmen des für 2021 zu erstellenden Nachtragshaushalts zur Verfügung gestellt.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Die Stuttgarter Innenstadt als attraktiver Treffpunkt für junge Menschen aus Stuttgart und der Region

Die Stuttgarter Innenstadt, vom Hauptbahnhof bis zum Gerberviertel sowie vom Schloss­garten bis zum Berliner Platz ist bei schönem Wetter, insbesondere an den Wochenenden, ein beliebter Treffpunkt für junge Menschen. Auf der Treppe am Schlossplatz und am Platz um den Eckensee halten sich oft bis spät in die Nacht zahlreiche Gruppen im Freien auf. Eine Vielzahl an weiteren „Innenstadtnutzer*innen“ wie die Besucher*innen der umliegenden Kultureinrichtungen, der gastronomischen und Eventangebote etc. nutzen gleichzeitig den öffentlichen Raum. Die Stuttgarter Innenstadt ist ein attraktiver Ort für viele Menschen. Es gilt, einen gemeinschaftlichen Konsens in der Nutzung der innerstädtischen Orte zu finden und Regeln für die Nutzung des öffentlichen Raumes zu kommunizieren und zu akzeptieren.

Mit den Vorkommnissen in der Stuttgarter Krawallnacht vom 20. auf den 21. Juni 2020 wurde deutlich, dass einerseits polizeiliche, strafrechtliche Reaktionen notwendig sind, gleichzeitig aber auch der gesellschaftliche Konsens bezüglich der Nutzung des öffentlichen Raumes verstärkt in den Blick genommen werden muss. Verwaltung und Politik sind seitdem mit Hochdruck dabei, neben sicherheitspolitischen Aspekten, v.a. auch sozialpolitische Erkenntnisse zu gewinnen.

Die vorliegende Gemeinderatsdrucksache versteht sich als ein Teil davon, ein wichtiges Puzzlestück, das möglichst als schnelle Reaktion und Zeichen an die jungen Menschen gesetzt werden soll. Die Verwaltung wird darüber hinaus, wie in anderen Stellungnahmen angekündigt, ein Gesamtkonzept „Integrierte Jugendarbeit in der Innenstadt“ entwerfen und dieses in einer Gemeinderatsdrucksache darstellen.


Bisherige Abstimmungen und Konzeptentwicklungsschritte

Am 30. Juni 2020 wurde, unter Leitung von Frau Bürgermeisterin Fezer, zwischen Trägern der Jugendarbeit, dem Suchthilfeverbund vertreten durch Release, der Fachstelle Jugendhilfe im Strafverfahren und der Fachverwaltung vereinbart, ein Gesamtkonzept „Integrierte Jugendarbeit in der Innenstadt“ zu erarbeiten. Das nächste Treffen fand am 21. Juli 2020 unter Beteiligung des Polizeipräsidiums Stuttgart statt.

Dazwischen fanden zwei Treffen einer Unterarbeitsgruppe unter der Federführung der Jugendhilfeplanung statt. Die beteiligten Akteure – Stadtjugendring, Jugendhausgesellschaft, Mobile Jugendarbeit, Suchthilfeverbund, Jugendhilfe im Strafverfahren – haben ihre Ideen und möglichen Beiträge in die Unterarbeitsgruppe eingebracht. Neben dem in dieser Gemeinderatsdrucksache weiter unten dargestellten Baustein der „Mobilen Jugendarbeit Innenstadt“ sind weitere Maßnahmen vorgesehen:

- Wiedergutmachungskonferenzen
- Dialogforen zum Thema Respekt und Austausch zwischen Jugendlichen und Polizei
- Neue Kooperation in der Vermittlung und Begleitung von jungen Menschen, die Arbeitsstunden leisten müssen, zwischen der Jugendhilfe im Strafverfahren und der Jugendhausgesellschaft
- Nutzung der Kompetenzen der Antidiskriminierungsstelle, angesiedelt beim Stadt-
jugendring, zur Umsetzung von Bildungs- und Dialogarbeit zur Demokratiebildung

- Aktivierende Sozialforschung

Schon in Umsetzung sind folgende Maßnahmen:

- Auseinandersetzung in allen Kinder- und Jugendhäusern und der Schulsozialarbeit mit den Regeln des öffentlichen Raumes
- Präsenz einer Awareness-Gruppe aus mobilen Jugendarbeiter*innen an jedem
Wochenende in der Innenstadt bis Ende Oktober 2020, jeweils von 21:00 Uhr
bis 01:30 Uhr


Ziel ist es, eine Mixtur von kurz- und mittelfristigen Lösungsbeiträgen anzubieten. Hierzu gehört u.a., den Jugendlichen zuzuhören, die Konflikte aufzuarbeiten, Problemeinsicht zu gewinnen und durch Angebote im Erlebnisraum Innenstadt auch ein Stück Innenstadtentwicklung zu betreiben. Wichtig ist langfristig also auch, die Innenstadt in ihrem strukturellen Wandel zu begreifen und nach Freiräumen zu fragen, die ein versöhnliches Miteinander ermöglichen. Über die Innenstadt, dem Ort des Geschehens hinaus, wird auch in den Alltagsbezügen der jungen Menschen, in ihrem Lebensumfeld Aufarbeitung betrieben. Genutzt wird hierfür die vorhandene Infrastruktur der Kinder- und Jugendhäuser, der 17 Standorte der Mobilen Jugendarbeit in den Stadtbezirken, der Schulsozialarbeit, der Bezüge im Rahmen von Jugendberufshilfekontakten usw.

Mobile Jugendarbeit Innenstadt

Der Beitrag der Jugendhilfe zu den Jugendausschreitungen versteht sich als einer von vielen Beiträgen. Ein Projekt zur „Mobilen Jugendarbeit Innenstadt“ ist dabei ein Kernelement. Die Träger der Mobilen Jugendarbeit haben einen Konzeptentwurf vorgelegt (siehe Anlage 1). Das Projekt wird auf eine Laufzeit von 4 Jahren befristet, beginnend am 1. November 2020 bis zum 31. Oktober 2024.

Methoden und Angebotsmodule
Im Rahmen des Projekts „Mobile Jugendarbeit Innenstadt“ werden alle Methoden sowie Arbeitsprinzipien der Mobilen Jugendarbeit angewandt. Neben dem Streetworkeinsatz wird Einzelhilfe, Gruppenarbeit sowie Netzwerkarbeit / Öffentlichkeitsarbeit geleistet. In Abstimmung mit der Suchthilfe werden suchtpräventive Maßnahmen ergänzt.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der ganzjährigen Präsenz der Mitarbeiter*innen der Mobilen Jugendarbeit Innenstadt unter der Woche, orientiert an dem Treffverhalten der jungen Menschen. In den Sommermonaten ist insbesondere der Streetworkeinsatz in den Abend- und Nachtstunden notwendig. Auf die Vernetzungsarbeit wird gerade in der Innenstadt ein besonderes Augenmerk gelegt, dies hat sich insbesondere auch bei der Konzeptentwicklung im Europaviertel als zentraler Gelingensfaktor gezeigt.

Standorte und Raumbedarf
Die Mobile Jugendarbeit Innenstadt ist räumlich im Erlebnisraum Innenstadt verortet und benötigt dort sowohl eine mobile als auch eine feste Anlaufstelle. Für die mobile Anlaufstelle ist die Nutzung eines Busses angedacht mit der Möglichkeit, nötige Einzelgespräche in einem Rückzugsraum direkt vor Ort führen zu können. Dieser mobile Ort muss kombiniert werden mit der Verfügbarkeit von zentral gelegenen Räumlichkeiten für die Durchführung von Gruppenangeboten und Einzelhilfen sowie als Bürostandort.

Personalbedarf
Für die Umsetzung des Konzepts „Mobile Jugendarbeit Innenstadt“ werden 5 Fachkraft-stellen veranschlagt. Für die Projektleitung, die intensive Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die fachlich-konzeptionell notwendige Rahmung und Entwicklungsarbeit ist eine 0,5 Leitungsstelle notwendig.

Begleitkreis und wissenschaftliche Begleitung
Die fachliche Projektbegleitung wird über die Arbeitsgruppe Jugendkriminalität (AG J) abgedeckt. In der AG J sind die Leitungsverantwortlichen der Mobilen Jugendarbeit, offenen Jugendarbeit, Jugendhilfeplanung, Jugendhilfe im Strafverfahren, Kommunalen Kriminalprävention sowie die Kriminalpolizei mit den Dienststellen Jugendkriminalität, Staatsschutz und Prävention vertreten. Die Suchthilfe wird ebenfalls eingebunden.

Für die Analyse der unterschiedlichen Interessenslagen sowie der Hintergründe und der Beweggründe der jungen Menschen für ihr Verhalten anhand von wissenschaftlich fundierten Kriterien sowie die daraus resultierende Weiterentwicklung des Konzepts „Mobile Jugendarbeit Innenstadt“ ist die Begleitung des Projekts durch ein wissenschaftliches Institut oder eine Hochschule vorgesehen.

Berichterstattung
Im Jugendhilfeausschuss wird regelmäßig über den Projektverlauf berichtet.


Finanzierung
Die benötigten Finanzmittel für die vorliegende Projektförderung werden nach der einheitlichen und transparenten Fördersystematik der Landeshauptstadt Stuttgart aus der GRDrs 718/2015 und den aktuell gültigen Fördergrundsätzen aus der GRDrs 176/2020 kalkuliert. Dabei wird kein Eigenanteil der Träger berücksichtigt, sondern von einer Vollfinanzierung ausgegangen.

► Für Personalkosten ergibt sich für das Jahr 2020 damit ein Förderbetrag in Höhe von 71.771 EUR pro 100 %-Fachkraftstelle (TVöD SuE 12) und in Höhe von 84.179 EUR pro 100 %-Leitungsstelle (TVöD SuE 17). Die Beträge werden vorbehaltlich einer Gemeinderatsentscheidung entsprechend der Tarifentwicklung des TVöD SuE für die Folgejahre fortgeschrieben. Inwiefern eine Landesförderung für die Fachkraftstellen erfolgen kann, muss noch geprüft werden. Bei einer Bezuschussung der Fachkraftstellen im Rahmen der derzeit geltenden Förderung für Mobile Jugendarbeit würde sich der kommunale Förderbetrag um 11.000 EUR pro 100 %-Fachkraftstelle reduzieren.

► Die Miet- und Mietnebenkosten werden nach den Rahmenbedingungen für sonstige Standorte der Mobilen Jugendarbeit ausgehend von 200 qm mit 12 EUR pro qm und Monat für Miet- und 3,75 EUR pro qm und Monat für Mietnebenkosten berücksichtigt.

► Die Sachkosten und die Kosten für die wissenschaftliche Begleitung werden analog zu den entsprechenden Ressourcen für das Projekt „Mobile Jugendarbeit im Europaviertel“ mit 20.000 EUR p.a. bzw. 6.250 EUR p.a. berücksichtigt.

Für die vorliegende Projektförderung sind daher jährlich folgende Finanzmittel nötig:
Personalkosten
Projektmitarbeitende,
5,0 Fachkraftstellen
358.855 EUR
Projektleitung,
0,5 Leitungsstellen
42.090 EUR
Sachkosten
Miet- und Mietnebenkosten
37.800 EUR
Angebotsbezogene Sachkosten
20.000 EUR
Wissenschaftliche Begleitung
6.250 EUR
Jährlicher Finanzbedarf (gerundet)
465.000 EUR
Finanzbedarf für 2020,
anteilig für 2 Monate
77.500 EUR

Nach der einheitlichen und transparenten Fördersystematik und den aktuell gültigen Fördergrundsätzen ergibt sich somit ein höherer Finanzbedarf als von den Trägern im Projektkonzept veranschlagt (vgl. Anlage 1). Die Fachverwaltung ist der Auffassung, dass die oben benannten Finanzmittel – und nicht der im Projektkonzept veranschlagte Betrag – als Höchstbetrag der Vollfinanzierung festgelegt werden sollten, um die adäquate Umsetzung eines Projekts zu gewährleisten, das über die gesamte Laufzeit von vier Jahren stets flexibel und unbürokratisch auf äußere, derzeit ggf. noch nicht absehbare Umstände reagieren muss. Ergeben sich dann Einsparungen aus dem Projektverlauf, so mindern diese die Projektförderung entsprechend.


Finanzielle Auswirkungen

Der Finanzbedarf für eine Projektförderung beläuft sich auf 77.500 EUR im Jahr 2020 und auf rund 465.000 EUR p.a. ab 2021 bei einer Projektlaufzeit von vier Jahren.



Beteiligte Stellen

Die Referate WFB und SOS haben mitgezeichnet.

Vorliegende Anträge/Anfragen

siehe unten 

Erledigte Anträge/Anfragen

- Antrag 253/2020 - Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei -Jugendpräventionsprojekt "City Streetwork Stuttgart" wiederaufnehmen und Wiedergutmachungskonferenzen der Willigen ermöglichen -
- Antrag 254/2020 - Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei - Diskriminierungserfahrungen in Stuttgart erfassen
- Antrag 261/2020 - CDU-Gemeinderatsfraktion - Mobile Jugendarbeit - aktiv im Stadtgeschehen
- Antrag 280/2020 - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jetzt Konzept "Mobile Jugendarbeit Innenstadt" entwickeln




Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen

Anlage 1: Projektkonzept für die Mobile Jugendarbeit Innenstadt

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