Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB 8155-04.08
GRDrs 877/2012
Stuttgart,
11/15/2012



Rechtliche Prüfung der Rückübertragung der Wasserversorgung



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Kenntnisnahme
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
21.11.2012
22.11.2012



Beschlußantrag:

1. Von dem Schreiben der EnBW Regional AG vom 29. August 2012 wegen den verbindlichen Erklärungen in Sachen Beendigung des Konzessionsvertrags über die Energie- und Wasserversorgung wird Kenntnis genommen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt im Hinblick auf den Herausgabeanspruch der Wasserversorgung (Wasserversorgungsvermögen, Wasserbezugsrechte) auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens eine Klage der Landeshauptstadt Stuttgart gegen die EnBW Regional AG vorzubereiten.


Begründung:


1. Vorbemerkungen
Im Hinblick auf den Umfang der zu übertragenden Wasserversorgungsanlagen und den Kaufpreis wurde in den bisherigen Verhandlungen zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und der EnBW Regional AG keine Einigung erzielt. Insbesondere im Hinblick auf die Vergütung bestehen zwischen den Vertragspartnern unterschiedliche Auffassungen.

Die LHS hat den Vorstand der EnBW mit Schreiben vom 9. Juli 2012 (Anlage zur GRDrs 470/2012) aufgefordert, bis zum 31. August 2012 verbindlich zu erklären, dass die EnBW bereit ist, alle die Wasserversorgung der LHS betreffenden Anlagen sowie die Mitgliedschaften an den Wasserzweckverbänden und die damit verbundenen Bezugsrechte zum 1. Januar 2014 auf die LHS übertragen. Darüber hinaus wurde die EnBW aufgefordert, verbindlich zu erklären, dass die Vergütung für die Übertragung des Wasserversorgungsvermögens auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens erfolgt.

Die EnBW hat daraufhin mit Schreiben vom 29. August 2012 dargelegt, dass sie bereit sei der LHS das Wasserversorgungsvermögen zum 1. Januar 2014 zu verkaufen. Die Grundlage sei jedoch eine abschließende Einigung über den Kaufpreis. Die EnBW schlägt vor, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Darüber hinaus bekräftigt die EnBW ihre Bereitschaft, der LHS im Falle der Übertragung des Wasserversorgungsvermögens für mindestens drei Jahre technische Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Im Hinblick auf den Leistungsumfang und das hierfür geschuldete Entgelt solle laut EnBW ebenfalls nochmals verhandelt werden.

Festzuhalten ist, dass die EnBW die drei von der LHS geforderten verbindlichen Erklärungen (Bestehen eines Herausgabeanspruchs des Wasserversorgungsvermögens auf Seiten der LHS, Entgeltermittlung auf Grundlage des Ertragswertverfahrens, Leistungsumfang und Entgelt der technischen Dienstleistungen) nicht abgegeben hat.

Die LHS teilte mit Schreiben vom 18. September 2012 der EnBW ihre Unzufriedenheit mit dem erreichten Stand mit. Der EnBW wurde darüber hinaus vor dem Hintergrund einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung eine Vereinbarung vorgelegt, die für eine eventuelle Zwischenphase nach dem 31. Dezember 2013 die öffentliche Wasserversorgung gewährleisten und Rechtsunsicherheiten vermeiden soll. Die EnBW wurde aufgefordert, die aus ihrer Sicht erforderlichen Änderungswünsche mitzuteilen. Die EnBW bietet wiederum nur Gespräche an. Änderungswünsche an der vorgelegten Vereinbarung übermittelte die EnBW hingegen nicht. Es wird vielmehr bestätigt, dass die EnBW auch nach dem 31. Dezember 2013 bereit und darüber hinaus gesetzlich verpflichtet sei, ist die Wasserversorgung der LHS sicher zu stellen.

Auf der Grundlage der GDRrs 470/2012 beauftragte der Gemeinderat die Verwaltung die rechtlichen Schritte vorzubereiten, um den Anspruch der Stadt auf Herausgabe der Wasserversorgungsanlagen (Eigentumsübertragung) gegen eine angemessene Vergütung gerichtlich klären zu lassen.


2. Auslaufen des Konzessionsvertrages 1994
Der „Konzessionsvertrag zwischen der Stadt Stuttgart und den NWS vom 21. April 1994 mit Nachtragsvereinbarung vom 15./19. März 1999“ endet gemäß dessen § 17 („Laufzeit“) mit Ablauf des 31.12.2013. Der Konzessionsvertrag enthält keine Endschaftsklausel, die üblicherweise die Folgen der Beendigung, insbesondere eine vertragliche Rückübertragungsverpflichtung des Konzessionärs auf den Konzessionsgeber sowie das dafür vom Konzessionsgeber zu zahlende Entgelt regelt. Es stellt sich damit die Frage, ob die LHS gleichwohl einen Herausgabeanspruch gegen die EnBW Regional AG als Konzessionär hat und worauf sich ein potentieller Herausgabeanspruch erstreckt.


3. Anspruch auf Herausgabe?
Das Fehlen einer Endschaftsklausel in einem Konzessionsvertrag ist überaus ungewöhnlich, mit Blick auf die Vergangenheit allerdings nicht singulär. In einem 1997 vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall ging es ebenfalls um einen Konzessionsvertrag, der keine Endschaftsklausel enthielt. Das OLG Frankfurt hat einen gesetzlichen Herausgabeanspruch des Konzessionsgebers aus dem Rechtsgedanken der §§ 552 Abs. 1, 997 Abs. 2 BGB (a.F.) hergeleitet und argumentiert, dass das Gesetz mit den genannten Normen eine unnötige Zerstörung wirtschaftlicher Werte vermeiden will. Es hat insbesondere darauf hingewiesen, dass anderenfalls die zu entfernenden Materialien, die zur Errichtung des Leitungsnetzes verwendet worden seien, bei ihrer Entfernung aus dem Grund und Boden nur einen geringen Teil des Gesamtwertes eines Leitungsnetzes ausmachten, während die Hauptinvestition in den Verlegungskosten zu sehen sei. Unseres Erachtens können in diesem Kontext auch die Kosten für die Beschaffung von Wegerechten und die Erreichbarkeit des gesamten Versorgungsgebietes durch entsprechende Leitungs- bzw. Netzverknüpfungen berücksichtigt werden.


4. Erfolgsaussichten / Risiken
Die genannte Entscheidung des OLG Frankfurt aus dem Jahr 1997 ist sicherlich als „singulär“ zu bezeichnen; dies hat seinen Grund allerdings in erster Linie in dem oben angeführten Umstand der absoluten Unüblichkeit des Fehlens einer Endschaftsklausel in einem Konzessionsvertrag. Angesichts der Parallelität des vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall mit dem Fehlen einer Endschaftsklausel im Stuttgarter Konzessionsvertrag 1994 meinen wir, dass sich ein Herausgabeanspruch gut mit den rechtlichen Erwägung des OLG Frankfurt begründen lässt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der von der Entscheidung des OLG Frankfurt negativ betroffene Konzessionär (also das Versorgungsunternehmen) zunächst Revision gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof eingelegt hatte, diese jedoch zurückgenommen hat, so dass das Urteil des OLG Frankfurt am 22.07.1998 rechtskräftig geworden ist.

Der Übertragungsanspruch der LHS umfasst zunächst unproblematisch alle ausschließlich für die Versorgung von Letztverbrauchern auf dem Gemeindegebiet der LHS genutzten Leitungen und Anlagen. Anlagen (z. B. Wasserbehälter), die sich auf dem Gemeindegebiet der LHS befinden, jedoch z. B. für die Versorgung einer Nachbargemeinde eingesetzt werden, sind nicht Gegenstand des Übertragungsanspruchs. Werden Anlagen für die Versorgung mehrerer Gemeinden genutzt, so bezieht sich der Übertragungsanspruch auf diese unseres Erachtens nur, soweit sie weitestgehend der Trinkwasserversorgung in der Stadt Stuttgart dienen.

Anders als im Strom- und Gasbereich gibt es im Bereich der Trinkwasserversorgung bislang keine Trennung der Bereiche Versorgung, Netz, Speicherung und Zähl-/Messwesen. Der Wert eines Wasserversorgungsnetzes ist unseres Erachtens dementsprechend untrennbar verknüpft mit den vertraglichen Beziehungen zu den Wasserabnehmern, so dass der Übertragungsanspruch sich auch auf die Übertragung der Vertragsbeziehungen zu den Trinkwasserkunden erstreckt.

Ob dies in gleichem Maße für die Mitgliedschaft in den Wasserzweckverbänden Bodensee-Wasserversorgung und Landeswasserversorgung gilt, ist unseres Erachtens demgegenüber nicht mit gleicher Eindeutigkeit zu beantworten. Denn im Normalfall bestehen alternative Wasserbezugsmöglichkeiten für ein Trinkwasserversorgungsunternehmen, so dass ein Anspruch auf Übertragung der Mitgliedschaften in den Zweckverbänden bei Übernahme der Wasserbezugsrechte nicht gerechtfertigt werden könnte. Im Fall der Trinkwasserversorgung der LHS besteht allerdings die (weitere) Besonderheit, dass nach den uns vorliegenden Schreiben der Zweckverbände keine weitere Erhöhung der Wasserentnahme aus den Ressourcen der Wasserzweckverbände möglich ist. Ferner gehen der Ausschluss bestehender Zweckverbandsmitglieder ebenso mit einer Satzungsänderung einher wie die Aufnahme neuer Zweckverbandsmitglieder. Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten würden wir einen auf § 242 BGB gegründeten Annexanspruch der LHS gegen die EnBW Regional AG auf Mitwirkung im Rahmen eines Mitgliedschaftswechsels bei gleichzeitiger Übernahme der Wasserbezugsrechte der EnBW Regional AG durch die LHS ebenfalls klageweise geltend machen. Da der Streitwert im Wesentlichen durch den Wert der eigentlichen Wasserversorgungsanlagen bestimmt werden dürfte, wird dieser – natürlich nicht risikolose – Annexanspruch wertmäßig (und damit auch kostenmäßig) voraussichtlich nicht weiter ins Gewicht fallen.


5. Handlungsempfehlung

Wir empfehlen die Erhebung einer Klage gegen die EnBW Regional AG auf

● Herausgabe aller für die Trinkwasserversorgung in der Landeshauptstadt Stuttgart notwendigen Anlagen und Leitungen (sollte eine exakte Ertragswertberechnung zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht möglich sein, so wäre eine Klage auf Feststellung der Herausgabeverpflichtung der EnBW Regional AG Zug um Zug gegen Zahlung des noch zu ermittelnden Ertragswerts zu erheben),

● Übertragung der Vertragverhältnisse zu den Trinkwasserkunden und

● Mitwirkung der EnBW Regional AG bei der Übertragung der Wasserbezugsrechte und der Mitgliedschaften in den Wasserzweckverbänden der Bodensee-Wasserversorgung und Landeswasserversorgung.


Finanzielle Auswirkungen




Beteiligte Stellen






Dr. Wolfgang Schuster

Anlagen

Schreiben der EnBW Regional AG vom 29. August 2012




zum Seitenanfang
2012_08_30Bruder_Übertragung Wasserversorgung.pdf2012_08_30Bruder_Übertragung Wasserversorgung.pdf