Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
13/2016 Ergänzung
GZ:
OBM
Sitzungstermin: 18.02.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Weiteres Vorgehen Fernwärmeversorgung Stuttgart

Vorgang:

Verwaltungsausschuss vom 27.01.2016, öffentlich, Nr. 8
Ergebnis: Einbringung der GRDrs 13/2016

Verwaltungsausschuss vom 17.02.2016, öffentlich, Nr. 27
Ergebnis: Zustimmung mit Änderung

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 17.02.2016, GRDrs 13/2016 Ergänzung, mit folgendem

Beschlussantrag:

1.a. Die Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) soll das Eigentum am Stuttgarter Fernwärmenetz zum frühestmöglichen Zeitpunkt übernehmen.

1.b. Die Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) soll den Betrieb des Stuttgarter Fernwärmenetzes zum frühestmöglichen Zeitpunkt übernehmen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten.



Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

OB Kuhn erinnert an die erfolgten Entscheidungen zur Wasser-, Strom- und Gasversorgung. Die Fernwärme sei ausgekoppelt worden. In zahlreichen Gesprächen mit der EnBW (Energie Baden-Württemberg AG) habe sich keine Kooperationsmöglichkeit bei der Fernwärme ergeben. Die EnBW wolle die Fernwärme selbst betreiben und besitzen. Der Gemeinderat habe zwischenzeitlich nach langer Bürgerbeteiligung das Konzept Urbanisierung der Energiewende verabschiedet. Dieses Konzept habe das Ziel, dass Stuttgart mittel- und langfristig ohne Kohlestrom und ohne Atomstrom energetisch versorgt wird. Dies schließe nicht nur die privaten Haushalte und öffentlichen Gebäude, sondern auch die Wirtschaft ein.

Ein wesentliches Element einer solchen Energiewende, wenn sie gelingen solle, sei die Frage der Wärme: Wie wird mit Wärme umgegangen? Wie wird sie erzeugt und wie wird sie verteilt? Aus diesem Grund seien das Eigentum und der Betrieb der Fernwärmenetze von entscheidender strategischer und struktureller Bedeutung. Deshalb habe die Verwaltung nach ausführlicher Beratung - juristischer, technischer, ökonomischer und energietechnischer Art - dem Gemeinderat vorgeschlagen, auf Herausgabe des Netzes zu klagen; den Betrieb des Netzes wolle die Stadt auch übernehmen. Würde die Stadt jetzt nicht feststellen lassen, ob sie das Netz bekommen könne, würde ihr Anspruch zum 31.12.2016 verfallen und das Netz würde dauerhaft beim jetzigen Eigentümer, der EnBW AG, bleiben.

Es gehe um die Klärung der Frage, wer die Verfügung über dieses Netz hat, so der Vorsitzende. An vielen Stellen arbeite die Stadt Stuttgart gut mit der EnBW AG zusammen, beispielsweise bei Strom und Gas, was die Frage der Kooperation, des Betriebs und des Eigentums angehe. Noch strittig sei man bei der Frage Hochspannung und Hochdruck. Er sage dies ausdrücklich, da viele Menschen in Stuttgart bei der EnBW arbeiten. Diese Beschäftigten seien bei der Landeshauptstadt herzlich willkommen.

Die CDU-Fraktion wolle den Weg der gerichtlichen Klärung, was das Fernwärmenetz angeht, mitgehen, erklärt StR Kotz (CDU). Seine Fraktion sei der Meinung, dass man einen Anspruch nicht verfallen lassen dürfe, wie dies zum 31.12.2016 der Fall wäre. Seine Fraktion wolle dies geklärt haben und trage daher die Beschlussantragsziffer 1 a, das Eigentum zu erwerben, mit. Auch wolle sie die Verwaltung dazu beauftragen, die notwendigen Schritte einzuleiten.

Die Frage des Betriebs des Fernwärmenetzes müsse nach Meinung seiner Fraktion nicht zwingend heute geklärt werden, fährt StR Kotz fort. Seine Fraktion gehe von einem mehrjährigen Gerichtsverfahren bis zur Entscheidung aus, wer den Anspruch auf das Fernwärmenetz hat. Nach Meinung seiner Fraktion müsse die Frage des Betriebs erst dann entschieden werden, wenn die Stadt den Herausgabeanspruch bekommen und das Netz auch erworben hat. Der Stadtrat macht darauf aufmerksam, dass sich aktuell etliche Kunden bei Stadtwerken beschweren, da die Kosten für das Beheizen ihrer Wohnung oder ihres Hauses mit Fernwärme deutlich höher seien als beim Heizen z. B. mit einer Gasheizung.

Insofern müsse man sich die Situation am Energie- und Wärmemarkt sowie die Entwicklung der Kraftwerke, die die Wärme für das Fernwärmenetz liefern, genau anschauen, wenn über die Frage zu entscheiden sei, ob die Stadt das Netz betreibt oder wer es ansonsten betreiben soll. Im Hinblick auf die gewollte Energiewende ohne Kohle weist der Stadtrat darauf hin, dass im Kraftwerk Altbach sehr viel Kohle verheizt wird. Namens seiner Fraktion bittet StR Kotz, über die Ziffern des Beschlussantrags jeweils einzeln abstimmen zu lassen. Dies wird von OB Kuhn zugesagt.

Aus ordnungs- und wettbewerbspolitischen Gründen sei es seiner Fraktion von Anfang an klar gewesen, dass es nicht sein könne, in Stuttgart ein privates Monopol weiterlaufen oder überhaupt erst entstehen zu lassen, betont StR Stopper (90/GRÜNE). Wie im Strom- und Gasbereich und beim Wasser sei auch die Fernwärme nach Meinung seiner Fraktion ein Teil der kommunalen Daseinsvorsorge, der nicht zwingend im Betrieb oder Eigentum der Stadt sein müsse. Zwingend sei aber, dass die Stadt hier die Hand darauf habe, um sich zumindest als Konzessionsrecht diese Daseinsvorsorge sichern zu können.

In der Entwicklung der Thematik und in der Diskussion habe sich gezeigt, dass der derzeitige Eigentümer und Betreiber ziemlich hartnäckig darauf bestehe, dass es hier ein privates Monopol gibt. Dies sehe seine Fraktion ganz anders, weshalb sie diese Frage gerichtlich klären lassen wolle. Deshalb sei es aus Sicht seiner Fraktion auch nicht verwunderlich, dass die Stadt jetzt klagen wolle.

Hinsichtlich des Betriebes und des Eigentums habe sich seine Fraktion vor dem Hintergrund des Energiekonzeptes mit der Thematik beschäftigt. Es seien noch viele Fragen offen. Aber wenn man sehe, welche Rolle der Wärmemarkt für die Energiewende spiele, könne man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass es sinnvoll sei, dass sich die Stadt um das Eigentum bemüht; der Betrieb sei dann aus Sicht seiner Fraktion eine logische Schlussfolgerung. Warum die Vorlage, wie von der CDU-Fraktion gewünscht, nochmals auseinanderdividiert werden solle, erschließe sich ihm nicht, so StR Stopper.

StR Pfeifer (SPD) erinnert daran, dass sich die SPD-Fraktion schon vor Jahren engagiert dafür eingesetzt hat, dass die Landeshauptstadt wieder den wesentlichen Teil der Verantwortung der wichtigen Versorgungsthemen übernimmt. Hier sei man auch schon mit den Stadtwerken und den eingeleiteten Verfahren ein ganzes Stück vorangekommen. Je mehr man sich aber mit dem Thema beschäftige, desto klarer werde, dass das Thema Energiewende ein Thema Wärmewende ist. Auch die Fernwärme gehöre zu einem integrierten Konzept, in dem die verschiedenen möglichen Leistungserbringer miteinander vernetzt werden. Seine Fraktion sei der Verwaltung daher dankbar für die klare Stellungnahme und die Vorlage. Da es, für wen auch immer, kein "Ewigkeitsrecht" geben könne, sei es notwendig gewesen, den Anspruch der Stadt noch in diesem Jahr geltend zu machen.

Anders als die CDU-Fraktion halte es seine Fraktion für richtig, Netz und Betrieb heute anzustreben. Details des Betriebes könnten zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden.


Seine Fraktion bedauere es im Grundsatz, dass man nach Hochspannung und Hochdruck jetzt ein drittes Verfahren habe, das gerichtlich mit der EnBW geklärt werden müsse, merkt StR Pfeifer nachdrücklich an. Seine Fraktion werde sich aber auch weiter darum bemühen, mit der EnBW weiterhin eine gute Kooperation in den Alltagsfragen zu haben, bei denen heute schon zusammengearbeitet werde. Seine Fraktion stimme der GRDrs 13/2016 Ergänzung gerne zu, erklärt StR Pfeifer.

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) macht aufgrund der Ausführungen seiner Vorredner darauf aufmerksam, dass seinerzeit der komplette Gemeinderat der Privatisierung "der lebenswichtigen Daseinsvorsorge und Infrastruktur" zugestimmt hat. Als er im Jahr 2004 Mitglied des Stuttgarter Gemeinderats wurde, habe ein Nach- und Umdenken begonnen, ob die Privatisierung richtig war. Er stehe nach wie vor zu der Aussage, dass die elementar wichtigen Daseinsvorsorge- und Infrastrukturbereiche zu 100 % kommunal, atom- und kohlefrei und auch nicht unter Kooperation eines Kohle- und Atomkonzerns sein sollten. Seine Fraktionsgemeinschaft wolle, dass die Stadtwerke Stuttgart ein Erfolgsmodell werden. Deshalb werde die EnBW an dieser Stelle von seiner Fraktionsgemeinschaft kritisiert, da die EnBW die nötige dezentrale Energie- und Wärmewende unnötig verzögere, was einen wirtschaftlichen Schaden für die Stadtwerke, die Landeshauptstadt und die Bürgerinnen und Bürger bedeute. Auch hätte er sich eine grundsätzliche Aussage der politischen Mehrheiten im Land gewünscht, dass die EnBW den Stadtwerken die Netze, einschließlich Fernwärme, übertragen soll.

StRin von Stein (FW) merkt an, auch ihre Fraktion halte es für richtig klarzumachen, dass kein automatisches Ewigkeitsrecht gewollt wird. Von daher werde ihre Fraktion einer jetzt notwendigen juristischen Klärung zustimmen. Den Betrieb wolle ihre Fraktion, übereinstimmend mit der CDU-Fraktion, getrennt betrachten, da die Meinung vertreten werde, dass vor einer Entscheidung über den Betrieb des Fernwärmenetzes zunächst die künftigen Entwicklungen abgewartet werden sollten.

An StR Rockenbauch gewandt macht die Stadträtin darauf aufmerksam, dass die Stadt mit den Mitteln aus der Netz-Privatisierung in den vergangenen Jahren durchaus sinnvolle Projekte finanziert hat, wie z. B. den Projektmittelfonds "Zukunft der Jugend".

StR Prof. Dr. Maier (AfD) legt dar, dass die AfD-Fraktion von jeher der Ansicht sei, dass die Netze aller leitungsgebundenen Energien und auch der Wasserversorgung in städtischer Hand sein sollten. Dies gelte auch für die Fernwärme. Zur Übernahme durch die Stadt sehe seine Fraktion keine Alternative, da ansonsten ein privates Monopol der EnBW - mit Ewigkeitsstatus - entstehen würde, das seine Fraktion aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen müsse.

Ein Aspekt, der in der Diskussion wenig beachtet worden sei, sei der, dass beim Zustandekommen des TiSA-Abkommens - ein das TTIP begleitendes, auf den Dienstleistungssektor begrenztes Abkommen zwischen Europa und den USA - eine spätere Kommunalisierung endgültig ausgeschlossen wäre und das Monopol auch von der Seite her besiegelt wäre, und zwar wiederum mit Ewigkeitswert. Möglicherweise setze die EnBW ihre Hoffnungen genau auf diese Entwicklung.

In den Verhandlungen mit der EnBW sollte die Stadt seiner Meinung nach auf der Übernahme sowohl des Netzes als auch des Betriebes bestehen. Diese Forderung sollte nicht von vornherein aufgegeben werden, um die eigene Verhandlungsposition nicht unnötig zu schwächen. Aus diesen Überlegungen heraus unterstütze die AfD-Fraktion das Vorgehen der Verwaltung und stimme der Vorlage zu, schließt StR Prof. Dr. Maier seinen Redebeitrag ab.

StR Dr. Oechsner (FDP) weist auf die Uneinigkeit der Freien Demokraten bei der Frage hin, ob man Netze besitzen müsse oder nicht. Einigkeit bestehe darin, dass die Frage des Betriebes nicht heute entschieden werden müsse. Der Stadtrat kündigt an, dass die FDP-Mitglieder des Gemeinderats unterschiedlich abstimmen werden.

Für die STAdTISTEN sei klar, dass Infrastruktur jeglicher Art, wie z. B. Fernwärmenetze und Verkehrsnetze, in den Besitz der öffentlichen Hand gehört, betont StR Dr. Schertlen (STd). So könnte gewährleistet werden, dass der Betrieb zu fairen Konditionen vergeben werden könne. Wichtig sei ihm beim Thema Fernwärme, auch wenn sich das Netz zu gegebener Zeit in städtischer Hand befindet, dass darauf geachtet wird, dass Men-schen, die in der Region Stuttgart wohnen und z. B. ein Plus-Energiehaus bauen, nicht zur Abnahme irgendeiner Art von Fernwärme gezwungen werden.


OB Kuhn stellt abschließend folgende Abstimmungsergebnisse des Gemeinderats zur GRDrs 13/2016 Ergänzung fest: zum Seitenanfang