Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
250/2016
GZ:
OB
Sitzungstermin: 12.05.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Flüchtlingsunterbringung
Standorte Tranche 6 A

Vorgang: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 08.04.2016, nicht öffentlich, Nr. 25

Ergebnis: Einbringung

Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 29.04.2016, öffentlich, Nr. 43

Ergebnis: Verweisung von Beschlussantragsziffer 1.1 b) ohne Votum an die nachfolgenden Gremien / Zustimmung zum restlichen Beschlussantrag mit 16 Ja-Stimmen und 1 Gegenstimme

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 03.05.2016, öffentlich, Nr. 217

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung bei Beschlussantragsziffer 1.1 b), dass
anstelle des Standorts Plieningen, Leypoldtstraße, die Variante C,
Plieningen, Erweiterung Im Wolfer, für einen weiteren Systembau festgelegt wird / mehrheitliche Zustimmung zum restlichen Beschlussantrag

Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 09.05.2016, öffentlich, Nr. 53

Ergebnis: Vorberatung mit der Maßgabe der Variante C im Stadtbezirk Plieningen

Verwaltungsausschuss vom 10.05.2016, öffentlich, Nr. 189

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung (1 Gegenstimme) mit der Maßgabe der Variante C im Stadtbezirk Plieningen


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 06.04.2016, GRDrs 250/2016, mit folgendem

Beschlussantrag:

Festlegung von Standorten

1.1 Der Schaffung von weiteren 796 Unterkunftsplätzen in Flüchtlingsunterkünften wird zugestimmt:
Hedelfingen Amstetter Straße 156 Unterkunftsplätze

1.2 Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG) wird bevollmächtigt, die Systembauten entsprechend der bestehenden Vereinbarung im Namen und auf Rechnung der Landeshauptstadt zu errichten.

1.3 Die Nutzung der neuen Systembauten ist auf einen Zeitraum von 5 Jahren befristet.
1.4 Auf einen gesonderten Vorprojekt-, Projekt- und Baubeschluss wird verzichtet.

2. Finanzierung

2.1 Für die Errichtung der unter Ziffer 1.1 aufgeführten Systembauten (insgesamt 9 Einzelgebäude) inklusive Vergütung der SWSG, Planungsmittel und Erschließung entsteht ein Gesamtaufwand von rd. 17.552.000 €. Hinzu kommen Ausstattungskosten in Höhe von insgesamt ca. 920.000 €. Insgesamt ist somit mit Kosten in Höhe von rd. 18.472.000 € zu rechnen.
2.2 Die Ausstattungskosten für die Systembauten in Höhe von 920.000 € werden im Ergebnishaushalt 2016, Teilergebnishaushalt 500 - Sozialamt, Amtsbereich 5003140 - Soziale Einrichtungen, Kontengruppe 420 - Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen sowie im Teilfinanzhaushalt 500 - Sozialamt, Projekt-Nr. 7.509314 - Sonstige Investitionen Soziale Einrichtungen 50, Ausz.Gr. 783 - Erwerb von beweglichem Sachvermögen gedeckt (die notwendigen Haushaltsmittel sind im Haushaltsplan 2016/2017 bereits veranschlagt).


StR Fuhrmann (CDU) erinnert daran, dass seine Fraktion die Tranchen 1 bis 5 mit großer Mehrheit auch im Gemeinderat unterstützt habe. Bei der Tranche 6 A habe sie jedoch deutliche Bedenken, insbesondere die Erweiterung von 250 auf 400 Plätze an einigen Standorten betreffend. In Bezug auf den umstrittenen Standort Schlotwiese habe seine Fraktion bei Grundstückseigentümern dafür geworben, an die Stadt zu verpachten. Auf diese Weise habe man den Standort Schlotwiese auf drei Standorte verteilen können. In Degerloch sehe seine Fraktion keine Alternative zu dem von der Verwaltung vorgeschlagenen Standort. In Plieningen unterstütze seine Fraktion die vorgeschlagene Variante C Im Wolfer. Alle übrigen Standorte seien unproblematisch.

Grundsätzlich merkt er an, die Stadt gehe in ihrer Prognose für 2016 von 600 Flüchtlingen/Monat aus, was einer bundesweiten Flüchtlingszahl von 725.000/Jahr entspreche. Der Bund habe keine offizielle Prognose veröffentlicht, nenne jedoch 500.000 Flüchtlinge im Jahr 2016. Dies würde für Stuttgart monatlich 345 Flüchtlinge bedeuten. Das wäre erfreulich, könnten so doch frühzeitig belegte Turnhallen, Waldheime, Interims- und Notunterkünfte frei gemacht werden. Auch die Anschlussunterbringung würde sich entspannen und die soziale Betreuung wäre entlastet, da weniger Fluktuation stattfinde. Nun sollte man sich in erster Linie auf die Integration konzentrieren und Flüchtlingen mit Bleibeperspektive oder Bleiberecht hiesige Werte und Kulturvorstellungen vermitteln.

Explizit dankt er der Verwaltung für die intensive und objektive Untersuchung der Alternativen, bei der man die Anregungen der Bezirksbeiräte, Flüchtlingsfreundeskreise und Anwohner ernst genommen habe. Seine Fraktion stimme der Vorlage mit Variante C in Plieningen zu.

Trotz einer Entspannung bei den Zuweisungszahlen sieht StR Winter (90/GRÜNE) weiterhin die Notwendigkeit, die nun dargelegten Plätze zu schaffen - auch um z. B. Turnhallen räumen zu können. Den Standorten, die man aufgrund der Beratungen in Bezirksbeiräten und den Prüfaufträgen gefunden habe, könne seine Fraktion zustimmen, in Plieningen plädiere sie ebenfalls für Variante C.

Eine der Kernaufgaben werde auch im laufenden Jahr die Integration sein. Hier sei vieles an Strukturen aufgebaut worden, und durch die geringere Fluktuation werde die Arbeit verlässlicher und beständiger. Trotz der sich entspannenden Lage müsse man mit aller Kraft an der Integration weiterarbeiten. An dieser Stelle bedankt er sich für die Hilfsbereitschaft der Menschen in den Freundeskreisen.

Dem Dank schließt sich StRin Dr. Hackl (SPD) an. Ihre Fraktion werde weiterhin ihrer humanitären Verpflichtung nachkommen, die zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen. Und man brauche weitere Plätze für die vorläufige Unterbringung, zumal immer noch fünf Turn- und Versammlungshallen belegt seien. Ausdrücklich begrüßt sie die Lösung in Zuffenhausen und die mögliche Alternative in Plieningen. Ihre Fraktion könne der Vorlage in der Fassung VA zustimmen.

Auch sie unterstreicht die Bedeutung der sozialen Betreuung und der Begleitung bei der Integration. Man brauche Sprachförderung, Kita- und Schulplätze und Integration in Arbeit.

Auch StR Pantisano (SÖS-LINKE-PluS) dankt im Namen seiner Fraktionsgemeinschaft der Verwaltung und den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern für ihre Arbeit. Er wiederholt die Kritik seiner Fraktionsgemeinschaft. So fehle bislang eine langfristige Planung für die Unterbringung von Flüchtlingen sowie eine grundsätzliche Planung der Wohnbaupolitik, die diesen Namen auch verdiene und sich nicht in Ankündigungen erschöpfe. Das Zweckentfremdungsverbot habe sehr lange gedauert, leer stehende Büroräume seien nicht beschlagnahmt worden. Nur weil aktuell weniger Leute zuwanderten, habe sich die Lage nicht verändert. In Syrien herrsche immer noch Krieg, nur kämen die fliehenden Menschen momentan nicht bis hierher durch. Er betont, dass Flüchtlinge in Deutschland und in Stuttgart weiterhin willkommen seien. Deshalb stimme seine Fraktionsgemeinschaft der Vorlage der Verwaltung zu.

Mit Blick auf Degerloch empfehle er den Gegnern des Standorts, sich für die Schaffung von mehr Wohnraum einzusetzen. Und schließlich weist er darauf hin, dass die Tranche 6 A vor allem dazu diene, die Interimsnutzungen von Turnhallen zu beenden und diese wieder den Schulen und Vereinen zur Verfügung zu stellen.

Im Namen seiner Fraktion spricht StR Zaiß (FW) der Verwaltung ebenfalls einen Dank aus. Sie habe sich bemüht, das Ganze ordnungsgemäß und mit sehr viel Augenmaß zu regeln. Für alle Standorte habe man einvernehmliche Lösungen gefunden, sodass man die Turnhallen wieder den Schulen und Vereinen zur Nutzung übergeben und auch die Waldheime ihrer Bestimmung zuführen könne.

StR Klingler (AfD) fände die Bezeichnung Tranche 7 korrekter, da drei von fünf Standorten Weiterentwicklungen oder neu seien. Positiv sei, dass die Bevölkerung mit ihrem starken Engagement eine Alternativlösung für den Standort Schlotwiese erreicht habe.

Deutschland sei verpflichtet, die Menschen, die einen Antrag auf Asyl stellten (den Begriff Flüchtlinge verwende er erst nach ihrer Anerkennung), unterzubringen. Er legt die Haltung seiner Fraktion zur Flüchtlingspolitik des Bundes dar. Mit der von der Bundeskanzlerin zu verantwortenden "Fehlentwicklung" müssten die Kommunen nun zurechtkommen. Dass momentan weniger Menschen kämen, liege daran, dass Grenzen in Österreich geschlossen seien. Deren erneute Öffnung und bessere Bedingungen im Mittelmeer würden die Zahlen dann wieder in die Höhe treiben und bei der Stadt Nachtragshaushalte erforderlich machen.

Er übt Kritik an der Erweiterung des Standorts Degerloch, obwohl man noch gar nicht wisse, wie es mit den bestehenden Bauten funktioniere. Gleiches gelte für Stammheim. In Plieningen halte er den Standort um das Hallenbad herum für nicht geeignet, ebenso wenig die in Mühlhausen vorgesehene Alternativfläche. In Zuffenhausen, aber auch im übrigen Stadtgebiet sollte man die sehr dünn besiedelten Flächen der amerikanischen Streitkräfte nutzen.

Natürlich wolle auch seine Fraktion, dass die Sporthallen möglichst schnell wieder als solche genutzt werden könnten. Sie lehne die Vorlage wegen des ihrer Ansicht nach zu hohen und damit auch zu teuren Standards bei den Unterkünften ab und plädiere stattdessen für "günstigere Lösungen in Form von Containern" oder - im Sommer - Zelten. Die hier üblichen Fahrradboxen gehörten z. B. bei Wohnungen der SWSG nicht zum Standard.

Als größtes Problem bezeichnet er, dass anerkannte Flüchtlinge "Anspruch auf ganz normale Bedienung" im Stuttgarter Wohnungsmarkt hätten und damit in Konkurrenz zu den 4.000 Haushalten in der Notfallkartei träten. Da für Flüchtlinge die Dreijahresfrist entfalle, seien diese bessergestellt als Menschen, die schon in Stuttgart wohnten, oder EU-Bürger.

StRin Yüksel (FDP) weist darauf hin, dass die Bezeichnung Tranche 6 A korrekt sei, da es sich hier um Ersatzstandorte zu Standorten aus Tranche 6 handle. Sie signalisiert Zustimmung zur Vorlage mit der Maßgabe, dass Im Wolfer die Variante C weiterverfolgt werde, und dankt der Verwaltung für die Prüfung weiterer Standorte, die in Zuffenhausen und Mühlhausen erfolgreich gewesen sei. In diesem Zusammenhang merkt sie an, dass die teilweise über Jahre andauernde Anschlussunterbringung anerkannter Flüchtlinge in den Flüchtlingsunterkünften für ihre Gruppierung eine Fehlbelegung darstelle.

Zustimmung zur Vorlage mit den am 03.05.2016 im UTA vorgenommenen Änderungen bekundet auch StR Dr. Schertlen (STd). Er erinnert an seinen Antrag Nr. 268/2015, in dem er ein Gesamtkonzept für die Flüchtlingsunterbringung fordere. In Plieningen müsse eine Skateranlage weichen, für diese sollte, sofern Bedarf bestehe, ein geeigneter Ersatz gefunden werden.

EBM Föll stellt zunächst klar, dass die Flüchtlinge, die die Stadt gegenwärtig sowie in den letzten und auch in den kommenden Monaten zugewiesen bekomme, mit höchster Wahrscheinlichkeit ein Bleiberecht bzw. eine Anerkennung erhielten, denn es handle sich hier um echte Bürgerkriegsflüchtlinge. Die Stadt habe ein Gesamtkonzept. Damit sei die Unterbringung - natürlich mit Übergangslösungen - gelungen. Teil des Konzepts sei, die Anschlussunterbringung nach der Anerkennung zunächst in den Systembauten vorzunehmen, bis entsprechender Individualwohnraum zur Verfügung stehe. Und das Thema Individualwohnraum müsse man für alle Einwohnerinnen und Einwohner Stuttgarts lösen, nicht nur auf die Flüchtlinge bezogen.

Der Vorschlag von StR Klingler, die Menschen im Sommer in Zelten unterzubringen, entlarve dessen innere Haltung. Eine längerfristige Unterbringung von Menschen mit Bleiberecht in Zelten sei menschenunwürdig, zumal dem Sommer der Herbst und der Winter folgten.

Gegenüber StRin Yüksel betont er, die Verwaltung betrachte die Anschlussunterbringung nicht als Fehlbelegung. Dies sei vielmehr Teil der Unterbringungskonzeption und im Übrigen auch nichts Neues, da man bereits in den 1990er-Jahren so vorgegangen sei. Die Menschen hätten sich dennoch integrieren können.

Er bedankt sich bei der ganz großen Mehrheit im Gemeinderat ausdrücklich dafür, dass sie die nicht immer einfachen Entscheidungen von Tranche 1 bis 6 A so getroffen und mit dieser inneren Haltung zu den Menschen, die hierher kämen, für das Ansehen und die Stadt als Ganzes Positives bewirkt habe.

OB Kuhn stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt die Vorlage bei 4 Gegenstimmen mehrheitlich mit der Maßgabe, dass bei Beschlussantragsziffer 1.1 b am Standort Plieningen Variante C für die Erweiterung festgelegt wird.
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Anlage 1 zur GRDrs 250_2016.pdf
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Anlage 2 zur GRDrs 250_2016.pdf