Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
410/2012
GZ:
AK
Sitzungstermin: 25.07.2012
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh st
Betreff: Klinikum Stuttgart
Zentraler Neubau (ZNB)
- Weiterplanungsbeschluss Gesamtprojekt
- Baubeschluss der Vorabmaßnahmen zur Freimachung
des Baufeldes

Vorgang:

Krankenhausausschuss vom 20.07.2012, öffentlich, Nr. 38
Ausschuss für Umwelt und Technik vom 24.07.2012, öffentlich, Nr. 313
jeweiliges Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser vom 13.07.2012, GRDrs 410/2012, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Auf der Basis der GRDrs 390/2012 wird die Verwaltung beauftragt, das Gesamtprojekt Zentraler Neubau des Klinikums Stuttgart bis zum Baubeschluss weiter zu planen.

2. Der Umsetzung der notwendigen baulichen Vorabmaßnahmen zur Freimachung des Baufeldes in Höhe von 18,5 Mio. Euro als Einzelgewerksvergabe wird zugestimmt.

3. Die für die Weiterplanung und Umsetzung der Vorabmaßnahmen zur Freimachung des Baufeldes erforderlichen Finanzmittel in Höhe von ca. 28,2 Mio. Euro sind über den Wirtschaftsplan 2012/2013 gedeckt. Die für das Gesamtprojekt prognostizierten Gesamtkosten in Höhe von 344,1 Mio. Euro, gemäß der in der GRDrs 507/2012 vorgeschlagenen Projektumsetzung in Einzelvergaben und GÜ-Leistungspaketen, sind in den Wirtschaftsplan 2014/2015 und in der mehrjährigen Finanzplanung des Klinikums Stuttgart aufzunehmen. Bis zu den jeweiligen Baubeschlüssen der Vergabepakete werden die Kosten konkretisiert und das Finanzierungskonzept fortgeschrieben.


Mit dem Einverständnis des Gemeinderats ruft OB Dr. Schuster die Tagesordnungspunkte 10 - 13, die alle das Klinikum betreffen, gemeinsam auf. Die Diskussion ist nachstehend wiedergegeben.

Er schickt voraus, dass der Gemeinderat nach langem Ringen vor einigen Jahren angesichts der demografischen und sozialen Entwicklung die Weichen richtig gestellt habe, als er sich trotz der erheblichen finanziellen Belastungen dafür entschieden habe, gemeinsam mit den Beschäftigten in Richtung Rationalisierung zu gehen, um die dramatischen Verluste zu reduzieren, zugleich aber auch ein Klinikum neu zu bauen, zu optimieren, um langfristig allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig vom Geldbeutel eine maximale medizinische Versorgung zu ermöglichen.

Angesichts des Investitionsvolumens von über 900 Mio. € sind für StRin Fischer (90/GRÜNE) eine größtmögliche Kosten- und Terminsicherheit sowie hohe Bauqualität und Funktionalität besonders wichtig. Um die Gesamtkosten etwas weiter zu drücken und dennoch nicht auf Qualität zu verzichten, stimme ihre Fraktion bei den Maßnahmen, bei denen nicht im Bestand gebaut werde, auch der Vergabe an GÜ-Unternehmer zu. Sie dankt der Verwaltung für die Vorlagen, den anderen Fraktionen für die Kooperation und dem Land für die Zuschüsse, auch wenn man keine 100 %-Finanzierung erhalte.

Für StR Kotz (CDU) war es richtig und wichtig, flexibel auf Entwicklungen zu reagieren, auch wenn dies zu Mehrkosten führe. Auch er steht zu der Entscheidung des Gemeinderats, mit einem finanziellen Kraftakt dem Klinikum vor allem auch die baulichen Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen es erfolgreich arbeiten und seinen Patienten optimale Voraussetzungen bieten könne. Positiv vermerkt er, dass für Einzelgewerkvergaben immer noch über 100 Mio. € in der klassischen Form der Ausschreibung getätigt werden. Doch auch die Argumente für eine GÜ-Ausschreibung erkenne seine Fraktion an, insbesondere als man bei diesen der besonderen Verantwortung als öffentlicher Arbeitgeber gerecht werde und etwa Sub-Sub-Subunternehmerketten verhindere und Tarif- bzw. Mindestlöhne fordere.

Mit dem Verweis auf die Diskussion im Krankenhausausschuss fasst sich StRin Dr. Hackl (SPD) kurz. Die Planungen zum zentralen Neubau und der Integration des Bürgerhospitals am Standort Mitte trage ihre Fraktion kritisch wohlwollend mit.

Trotz der grundsätzlichen Skepsis ihrer Fraktion gegenüber GÜs werde diese der Vorlage samt Ergänzung zustimmen. Der Mix aus Einzelvergaben und GÜ sei plausibel und ihre Fraktion, die sich von den Ergänzungen erhoffe, dass die intendierten positiven Wirkungen - Tariftreue, qualitätsvolle Arbeit und Einbindung regionaler Unternehmen - eintreten, werde die weitere Umsetzung ebenfalls kritisch wohlwollend begleiten.

Die von ihrer Fraktion beantragte Konkretisierung der Projektorganisation liege nunmehr mit Ziffer 2 des Ergänzungsbeschlussantrags vor.

Nach ausführlicher Diskussion im Krankenhausausschuss werde seine Fraktion den Vorlagen zustimmen, erklärt StR Zaiß (FW), auch wenn bei einer über 10 Jahre angelegten Planung die angesetzten 323 Mio. € wahrscheinlich nicht ausreichten.

Auch StR Prof. Dr. Dr. Lübbe (FDP) verweist auf die Diskussion im Krankenhausausschuss und signalisiert Zustimmung. Mit dem nun vorgestellten Vorgehen werde das Stuttgarter Klinikum in der Patientenversorgung mit den vier Landesuniversitätskliniken langfristig auf Augenhöhe bleiben.

Dagegen sieht StR Adler (SÖS und LINKE) die zu treffenden Entscheidungen nicht als Meilenstein für das Patientenwohl, sondern unter dem Aspekt, dass Kosten gesenkt werden müssten, da die Krankenhäuser von Politik und Landesregierung nicht mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet würden. Doch funktionale Vorteile, von denen in der Vorlage die Rede sei, dürften nicht nur die betriebswirtschaftliche Seite betreffen, sondern müssten sich auch auf das Wohl der Patienten und Beschäftigten beziehen. Dieses stelle er unter anderem mit dem Neubau des Katharinenhofs und der damit eingehenden drangvollen Enge infrage. Dennoch müsse hier eine Abwägung getroffen werden, weshalb auch seine Fraktion den GRDrsn 410/2012, 390/2012 und 559/2012 zustimmen werde.

Nicht zustimmen werde seine Fraktion jedoch der GRDrs 507/2012, da es unlogisch sei, dass ein Großbauprojekt unterm Strich billiger werde, wenn man zwischen dem Auftraggeber und den ausführenden Baubetrieben nochmals ein Unternehmen, den Generalübernehmer, sowie externe Juristen und Koordinatoren einschiebe, die alle nicht zu knapp daran verdienen wollten. Dies zeige sich unter anderem daran, dass die Voraussetzung für die unterstellten Kostenvorteile des GÜ-Modells ein möglichst kurzer Zeitraum zwischen Festlegung des Bausolls und der Vergabe sei. Bei einer Bauzeit von 10 Jahren sei aber davon auszugehen, dass sich die Nutzeranforderungen und die Medizintechnik veränderten und der GÜ dann kräftige Nachforderungen stellen werde.

Eine andere Möglichkeit sei, dass man die Auftragsbeschreibung unpräzise formuliere, was wiederum zu Problemen bei der Bauqualität führen könne. Dies könne für die Stadt langfristig sehr teuer werden. Zudem werde in der Vorlage eingeräumt, dass die Endkontrolle beim Einzelvergabemodell deutlich besser funktioniere. Die in der GRDrs 559/2012 durch die Vergabe an einen GÜ genannte Einsparung in Höhe von 920.000 € an Annuitäten werde seiner Ansicht nach allein schon durch die Tagessätze der beauftragten externen Unternehmen aufgebraucht. Unverständlich ist ihm, dass StR Kotz, der in der Vergangenheit GÜ-Modelle ebenso kritisch beleuchtet habe wie seine Fraktion, nun zustimme.

Was den Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen auf den künftigen Baustellen anbelange, so gebe es zwar Fortschritte gegenüber der ursprünglichen Vorlage, doch garantiere eine Mittelstandskonzeption ebenso wie eine Beschränkung auf zwei Subunternehmerstufen noch keine fairen Arbeits- und Entlohnungsbedingungen. Eines der Hauptprobleme sei inzwischen die Leiharbeit. Diese sollte zwingend ausgeschlossen werden. Die hierfür erforderliche Kontrolle sehe er beim Hochbauamt deutlich besser aufgehoben als bei einem GÜ.

An seinen Vorredner wendet sich StR Dr. Schlierer (REP) mit dem Hinweis, wenn man Leiharbeit, prekäre Arbeit und GÜ-Profit vermeiden wolle, dürfe man gar nicht bauen. Und dessen Rechnung, wonach es bei den Annuitäten nur um eine Differenz von 900.000 € gehe, stellt er die Gesamtdifferenz von 29 Mio. € gegenüber.

Hier gehe es um eine Grundsatzentscheidung für das Klinikum. Im Gegensatz zu anderen Landeshauptstätten verfüge Stuttgart nicht über eine Universitätsklinik, weshalb das Klinikum die Funktion einer echten Maximalversorgung übernehme. Was die Entwicklung der Baukosten anbelange, so gehe es weniger um die Frage, ob diese vorhersehbar gewesen oder aber nicht richtig eingeschätzt worden sei, als vielmehr darum, dass man - aufgrund neuer Entwicklungen und Entscheidungen völlig zurecht - immer wieder um- und neu geplant habe. Entscheidend sei dabei, dass das Land diesen Weg mitgehe und wenigstens die minimale Förderung gewährleiste. Angesichts der Situation in Stuttgart und der Region, wo neue Kliniken gebaut bzw. bestehende modernisiert würden, müsse man das Klinikum mit einer baulichen Neuaufstellung in die Lage versetzen, als das erste Haus am Platz in die Zukunft zu gehen - auch in ökonomischer Hinsicht. Mit dem Neubau der Häuser E und F schaffe man die Voraussetzung für eine wirkliche Hochleistungsmedizin.

BM Wölfle bedankt sich im Namen der Geschäftsführung des Klinikums und auch des Personalrats für die eindeutige gesundheitspolitische Orientierung des Gemeinderats. Ausgesprochen positiv bewertet er auch die Bereitschaft, als notwendig erkannte Veränderungen zu akzeptieren. Entsprechend seiner Zusage werde das Thema Kostentransparenz und -fortschreibung weiterhin so offen wie bisher kommuniziert.

StR Adler bietet er an, bei bereits realisierten Projekten zwischen Einzelvergabe und GÜ zu vergleichen und vor Ort nach Qualitätsunterschieden zu suchen. Er dankt den Gemeinderatsfraktionen von CDU und SPD für die durch deren Anträge bewirkten Verbesserungen. Auch bei einem Antrag von StR Adler hätte er sich bemüht, diesen in der Ergänzungsvorlage unterzubringen.

Im Rahmen des Fördergesprächs mit dem Land habe sich gezeigt, dass die Stadt mit ihrem Energieerlass federführend sei. Dies habe bei der Förderung der Krankenhausneubauten den Nachteil, dass das Land die von der Stadt als notwendig erachteten Zusatzaufwendungen nicht mittragen könne, da die Gesetzgebung auf Landesebene hier hinterher hinke. Er habe dies an die entsprechende Stelle weitergegeben. Der Erfolg werde entscheidend davon abhängen, ob es gelinge, das Zusammenspiel zwischen Hochbauamt, Klinikum und Gesamtstadtverwaltung optimal zu organisieren. Die Verwaltung habe aus Fehlern der Vergangenheit gelernt und Entscheidungsstrukturen und Verantwortlichkeiten klarer geregelt, was zu einem höheren Kostenbewusstsein führe und damit langfristig auch den Patientinnen und Patienten nütze.


Abschließend lässt OB Dr. Schuster abstimmen und stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt die GRDrs 410/2012 einstimmig wie beantragt.

Die Abstimmungsergebnisse der Tagesordnungspunkte 11 -13 sind unter den Niederschriftsnummern 155 - 157 wiedergegeben.

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