Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
477/2012 mit 4
Ergänzungen
GZ:
OB
Sitzungstermin: 19.07.2012
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Konzessionsvergabeverfahren
1. Festlegung der Vergabekriterien
2. Entwürfe der Konzessionsverträge

Vorgang:

Verwaltungsausschuss vom 04.07.2012, öffentlich, Nr. 198
Ergebnis: Einbringung

Verwaltungsausschuss vom 18.07.2012, öffentlich, Nr. 232
Ergebnis: ohne Votum in den Gemeinderat verwiesen


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 17.07.2012, GRDrs 477/2012, mit 4 Ergänzungen. Die 3. und 4. Ergänzung sind dieser Niederschrift beigefügt.

Unter Berücksichtigung der vier Ergänzungsvorlagen lautet der

Beschlussantrag:

1. Von den Vorschlägen der „Aktion Stadtwerke“, des „Vereins zur Förderung Kommunaler Stadtwerke e.V.“ und aus der Bürgerschaft zu den Vergabekriterien und deren Gewichtung (Anlage 8) wird Kenntnis genommen.

2. Den „Ersten Verfahrensbriefen“ im Vergabeverfahren der Konzessionen für die Bereiche Strom, Gas und Fernwärme und den darin enthaltenen Vergabekriterien und deren Gewichtung (Anlagen 1 bis 3) wird mit den in den Anlagen 11, 12 und 13 genannten Änderungen zugestimmt.

3. Den vorläufigen Entwürfen der Konzessionsverträge für die Strom-, Gas und Fernwärmeversorgung (Anlagen 4 bis 6) wird mit den in der Anlage 11 genannten Änderungen zugestimmt.

4. Die Verwaltung wird beauftragt, die Verfahrensbriefe einschl. Vertragsentwurf den jeweiligen Interessenten aus dem Interessenbekundungsverfahren zuzusenden und mit diesen in Dialog über ihr indikatives Angebot zu treten.

5. Von der Stellungnahme der Kanzlei Becker Büttner Held zu den Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung im weiteren Verfahrensgang (Anlage 9) sowie den Vorschlägen der Verwaltung wird Kenntnis genommen.

6. Von den auf die ergänzende Bekanntmachung nach § 46 EnWG eingegangenen Interessensbekundungen (Anlage 10) wird Kenntnis genommen.

7. Zum Kontrollwechsel im Entwurf des Konzessionsvertrages (§ 30 für Strom; § 28 für Gas; § 34 für Fernwärme) gilt die bisherige Fassung GRDrs 477/2012 vom 29.06.2012. Die Verfahrensbriefe werden ergänzt mit folgender Formulierung:


OB Dr. Schuster weist vorab darauf hin, dass die Mitglieder im Aufsichtsrat der Stadtwerke bei diesem Tagesordnungspunkt befangen sind und deshalb weder an der Beratung noch an der Beschlussfassung teilnehmen dürfen. Daraufhin setzen sich die befangenen Stadträtinnen und Stadträte Bulle-Schmid, Fischer, Dr. Kienzle, Dr. Kübler, Küstler, Mayer, Munk, Dr. Oechsner, Pfeifer, Wüst und Zaiß nach hinten in die Zuhörerreihen.

In seiner Vorbemerkung zu dieser wichtigen Weichenstellung erklärt OB Dr. Schuster, die Stadt wolle gemeinsam mit den Bürgern die Energiewende aktiv gestalten und deshalb Stadtwerke aufbauen. Mit dem Auslaufen der Konzessionsverträge und der Neuausschreibung eröffneten sich neue Gestaltungsmöglichkeiten im gesetzlichen Verfahrensrahmen. Die Verwaltung schlage in der GRDrs 477/2012 und den vier Ergänzungen nun Verfahrensbriefe vor, in denen die Kriterien und deren Gewichtung im Einzelnen beschrieben seien, sowie einen Konzessionsvertragsentwurf als Verhandlungsgrundlage. Diese seien jeweils ergänzt worden durch die Vorschläge der Aktion Stadtwerke und durch die Mitglieder des Kommunalen Stadtwerke e.V. Darüber hinaus enthalte die Vorlage eine Stellungnahme zu den Möglichkeiten und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bürgerbeteiligung. Für die Interessensbekundungen von Unternehmen habe man eine Frist gesetzt. Der Kontrollwechsel solle entsprechend der 4. Ergänzung geregelt werden. Hier habe man ja intensiv ein einseitiges Kündigungsrecht der Stadt diskutiert. Dieses müsse nun im Einzelnen definiert werden, da sich aufgrund der sehr unterschiedlichen Kapitaleignerstrukturen eine Änderung der Führung und vor allem der Kapitalanteile ganz unterschiedlich auswirken könne. Da die Stadt aber gerne mehr Einfluss hätte, sollten die Bewerber dazu Vorschläge machen.

Zum weiteren Prozedere informiert er, in einem öffentlichen Bürgerdialog sollten sich alle Bewerber vorstellen können. Als Frist für die Einreichung der Angebote sei der 28.09.2012 vorgeschlagen worden. Danach könnte die nächste Phase beginnen.

Die "etwas verwirrende Vielfalt der Ergänzungen zu dieser Vorlage" zeigt für StR
Stopper (90/GRÜNE), dass alle Beteiligten hart darum gerungen hätten, die für die Stuttgarter Energieversorgung beste Lösung zu finden. Mit der Beschlussfassung bewirke man einen Quantensprung gegenüber den derzeitigen rechtlichen Grundlagen und Konzessionsverträgen. Man bringe eine sehr kommunenfreundliche Lösung auf den Weg, die klare Regelungen für die Zukunft treffe. Man verbessere damit die Energieversorgung in der Stadt hinsichtlich der Umweltverträglichkeit und dem Ausbau der erneuerbaren Energien, und zwar unabhängig davon, wer am Ende beim Konzessionsvergabeverfahren den Zuschlag erhalte.

Beim Kontrollwechsel gehe es darum, zwischen Sonderkündigungsrechten für die Stadt und Investitionsanreizen für den Konzessionär abzuwägen. Die im Vertragsentwurf festgeschriebene Kündigungsmöglichkeit bei einem Kontrollwechsel von insgesamt 50 % der Stimmrechte halte seine Fraktion nicht für ausreichend, doch dem neuen Vorschlag, der hier eine hervorragende Lösung biete, werde sie zustimmen.

Für die Bürgerbeteiligung habe man im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten einen guten Mittelweg gefunden, bei dem die Bürgerschaft durch öffentliche Veranstaltungen und einen Workshop eng eingebunden worden sei. Seine Fraktion werde beim weiteren Konzessionsvergabeverfahren über die öffentliche Präsentation der zehn Interessenten hinaus nach Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürgerschaft suchen. So könnten in einem Anhörungstermin oder Dialogprozess z. B. die Stadtwerke Vorschläge der Bürger aufgreifen. Dies berühre nicht die Geschäftsgeheimnisse der Stadtwerke und deren Angebot.

StR Kotz (CDU) begrüßt es außerordentlich, wie intensiv sich der Gemeinderat in die Thematik eingearbeitet habe und dass er trotz anfangs sehr unterschiedlicher Zielsetzungen die Vorlage nun einstimmig beschließen werde. Neben der Bildung sieht er die Energiewende als große Herausforderung der nächsten Jahre in Deutschland. Hier könne die Stadt in Zukunft mit ihren Stadtwerken, der Konzessionsvergabe und der Entwicklung ihrer Netze sehr aktiv mitwirken.

In Bezug auf den Kontrollwechsel mahnt er, wenn die Stadt nun aus einem für sie nicht besonders vorteilhaften Konzessionsvertrag herauskomme, dürfe sie nicht ins andere Extrem verfallen und alle Möglichkeiten des kommunalen Einflusses ausüben. Seine Fraktion lege Wert auf eine Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen Konzessionsgeber und -nehmer. Sollte dann doch irgendetwas aus dem Ruder laufen, habe man ja die Sonderkündigungsrechte.

Wenn sich in den weiteren Verfahren ein spürbarer Spielraum für politische Entscheidung ergebe, der eine Bürgerbeteiligung rechtlich gestatte, sollte man dies umsetzen. Dafür müsse die Verwaltung vorbereitet sein. Er verweist in diesem Zusammenhang auf den Antrag seiner Fraktion zum Thema Planungszelle. Noch wichtiger sei die Bürgerbeteiligung bei der Ausgestaltung der Stadtwerke. Hier dankt er all denen, die seine Fraktion bezahlt oder ehrenamtlich mit sehr großem Engagement und Wissen juristisch beraten haben. Ebenso dankt er der Verwaltung, die in den letzten Wochen und Monaten Enormes geleistet habe. Seine Fraktion stimme der Vorlage mit den Ergänzungen sehr gerne zu.

StR Kanzleiter (SPD) schließt sich der Zustimmung an und erinnert an die übergeordneten und alle Kommunen betreffenden Ziele, die kommunale Daseinsvorsorge und die kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Im Einklang mit dem Energiewirtschaftsgesetz und den Kartellbehörden wolle man einen maximal möglichen Beitrag zur Energiewende in Deutschland leisten und dabei ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren garantieren.

Von Anfang an habe seine Fraktion versucht, die Bürgerschaft, soweit es möglich gewesen sei, in den politischen Prozess einzubeziehen und mit ihr in einen konstruktiven Dialog zu treten. Das habe sich als richtig erwiesen, da viele gute Beiträge in die Entscheidungsgrundlagen eingeflossen seien. Dies wolle seine Fraktion bis zum Schluss des Verfahrens so beibehalten. An StR Kotz gewandt bezweifelt er unter Verweis auf die 27.000 Bürgerunterschriften allerdings, dass sich hierfür eine Planungszelle eigne.

In das Vergabeverfahren seien auch die Fernwärmenetze einbezogen worden und hier dankt er den Anwälten, mit deren Unterstützung man unter Berücksichtigung der städtischen Interessen einen Bewertungskatalog erstellt und mit den Kartellbehörden erörtert habe.

Der Vorschlag zum Verfahren bei einem Kontrollwechsel sei angesichts der Bedeutung des Themas konsequenterweise in die Verhandlungen einbezogen worden. Die Energiewirtschaft befinde sich in Bewegung, hier träfen an maximaler Rendite orientierte Konzerne auf Stadtwerke. Die Kooperations- bzw. Konzessionsverträge müssten mit den kommunalen Interessen im Einklang stehen, u. a. müssten klare Regeln für ein Sonderkündigungsrecht formuliert werden.

Zum weiteren Verfahren merkt er an, neben den bereits Beteiligten sollte man sich auf weitere, insbesondere auch technische, Berater verständigen. Schließlich müsse der in der Stellungnahme des Bundeskartellamts offen gebliebene letzte Satz noch geklärt werden.

Auf das von seiner Fraktion nach wie vor als sehr hoch eingeschätzte Risiko bei der Gründung der Stadtwerke weist StR Zeeb (FW) hin. Doch habe die Stadt mit den vier Ergänzungen zur Vorlage eine konstruktive Arbeit vorgelegt. Er geht davon aus, dass die Stuttgarter Stadtwerke, sofern sie zum Zuge kommen, als ein Anbieter unter vielen auch von den 27.000 Unterzeichnern am Preis gemessen werden.

Die geplanten Verfahrensbriefe ließen die zukünftige Organisation weitestgehend offen. Nach Auswertung der Angebote könne man unter etwa 14 verschiedenen Möglichkeiten einer Aufspaltung wählen - jeweils mit oder ohne städtische Beteiligung.

Für die Formulierung in Bezug auf das Sonderkündigungsrecht spricht er der Verwaltung ein großes Lob aus. Positiv vermerkt er auch, dass die Sicherheit bei der Bewertung sehr hoch gewichtet worden sei, da davon abhänge, dass der Kunde zuverlässig mit Energie versorgt werde.

Den Initiativen dankt er für ihr großes und konstruktives Engagement. Der sehr guten juristischen Beratung müsse nun die dringend notwendige technische Prüfung bei der Auswertung der Angebote folgen. In der Ausschreibung werde von den Bewerbern sehr viel verlangt, was angesichts des großen Kapitaleinsatzes und der Laufzeit von 20 Jahren aber notwendig sei. In der Hoffnung, dass das Ganze von Erfolg gekrönt sei, stimme seine Fraktion gerne zu.

StR Conz (FDP) erklärt, seiner Fraktion sei es immer wichtig gewesen, am Ende des Verfahrens rechtssichere Papiere in der Hand zu haben, um der Stadt einen langen und zähen Prozessweg zu ersparen. Dies sehe er in weiten Teilen als gelungen an.

Kritisch beurteilt er, dass die Vorlagen im Bestreben, die Vorlage noch vor der Sommerpause einzubringen, zum Teil sehr kurzfristig vorgelegt worden seien. Dies sollte künftig nicht mehr vorkommen. Da aber mit der Sicherheit und Versorgungssicherheit sowie der Preisgünstigkeit für die Bürger die nach Ansicht seiner Fraktion entscheidenden Themenpunkte am höchsten bewertet würden und damit, egal wer schließlich den Zuschlag erhalte, am Ende ein gutes Produkt herauskommen werde, könne auch seine Fraktion der Vorlage zustimmen.

Nachdem StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung, den juristischen Beratern und vor allem den fachkundigen Bürgerinnen und Bürgern, die diese Entwicklung initiiert hätten, seinen Dank ausgesprochen hat, hebt auch er die Bedeutung der Sicherheit und der Preisgünstigkeit, die ja nun höher gewichtet worden seien, hervor. Da es offen sei, wer am Ende die Konzession erhalte, sei es wichtig, dass die Endschaftsregelungen in den Angeboten entsprechend gewichtet werden.

Beim Kontrollwechsel halte seine Fraktion eine Anzeige bereits ab 25 % und nicht erst ab 50 % für angebracht.

Als erfreulich bezeichnet er, dass nun die Fernwärme eine größere Rolle spiele und sich die Stadtwerke hier mit um die Konzession beworben hätten.

Die Bürgerbeteiligung müsse in bewährter Form fortgesetzt werden, nicht nur mit Informationsveranstaltungen, sondern auch dort, wo der Gemeinderat bei der Bewertung der Angebote einen Ermessensspielraum habe. Elementar sei aber auch eine technische Beratung. Seine Fraktion werde die Vorlage ebenfalls mittragen.

StR Dr. Schlierer (REP) signalisiert ebenfalls Zustimmung zur Vorlage und weist darauf hin, dass das Konzessionsvergabeverfahren durch rechtliche Vorgaben und Leitfäden und andere Bestimmungen vorgegeben sei, die auch einzuhalten seien. Zugleich sollte die Bürgerschaft soweit wie möglich einbezogen werden. Er begrüßt, dass deren Anregungen und Ergänzungsvorschläge bereits in einer frühen Phase eingeflossen seien und damit frühzeitig hätten berücksichtigt werden können.

Zu den Verfahrensbriefen merkt er an, er halte die Gewichtung mit der Sicherheit der Versorgung an erster Stelle und dann folgend der Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Umweltverträglichkeit und Effizienz für richtig und sinnvoll.

Bezüglich des Kontrollwechsels sehe er die vorgeschlagene klare Regelung als ausreichend an. Allerdings sollte im Beschlussantrag der 4. Ergänzung, die offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt worden sei, klar zum Ausdruck gebracht werden, dass es bei der Frage des Kontrollwechsels im Entwurf des Konzessionsvertrages darum gehe, die bisherige Fassung in den Anlagen zur GRDrs 477/2012 vom 29.06.2012 als gültig anzusehen.

Für das von allen Seiten ausgesprochene und mit Dank verbundene Lob an die Verwaltung, das er gerne an den Gemeinderat zurückgebe, bedankt sich OB Dr. Schuster. Trotz der komplizierten Materie habe man in einem sehr guten Dialogprozess mit dem Gemeinderat und den beteiligten Bürgern ausgewogene Vorschläge entwickelt. Wie vereinbart wolle man nun, nach Abschluss der Dialogphase, ab Ende September zusätzliche Beratung von außen hinzuziehen. Die Verwaltung werde hierzu Vorschläge unterbreiten. Mit dem Bundeskartellamt solle die Bedeutung des letzten Satzes noch geklärt werden.

Er stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt die GRDrs 477/2012 einschließlich der 4 Ergän-zungen einstimmig wie beantragt.

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