Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
344/2013 Neufassung
GZ:
OB
Sitzungstermin: 18.07.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Konzessionsvergabeverfahren
- Zweiter Verfahrensbrief

Vorgang:

Verwaltungsausschuss vom 03.07.2013, nicht öffentlich, Nr. 239
Gemeinderat vom 04.07.2013, nicht öffentlich, Nr. 108
jeweiliges Ergebnis: Vertagung

Verwaltungsausschuss vom 17.07.2013, öffentlich, Nr. 242
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung (14 Ja-Stimmen, 1 Gegenstimme)


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 09.07.2013, GRDrs 344/2013 Neufassung, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Den sog. Zweiten Verfahrensbriefen in den Verfahren zur Vergabe der Konzessionen für das Stromversorgungsnetz und das Gasversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in Stuttgart sowie den Verfahren zur Auswahl möglicher Kooperationspartner für die Gründung von Kooperationsunternehmen, sog. "Institutionalisierten öffentlich-privaten Partnerschaften" (IÖPP´s), wird zugestimmt.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, auf der Grundlage der im Unterausschuss Konzessionsvergabe abgestimmten Vertragsentwürfe mit den jeweiligen Bietern zu verhandeln.

3. Der sog. Zweite Verfahrensbrief im Bereich Fernwärme soll erst nach einer weiteren Aufklärung der Fernwärmeversorgung in Stuttgart und einer Diskussion der Ergebnisse im Unterausschuss Konzessionsvergabe versendet werden. Die Verwaltung wird beauftragt, die notwendigen Schritte für die weitere Aufklärung der Versorgungssituation und die Schaffung der Grundlagen für die Diskussion in die Wege zu leiten und dies den Bietern mitzuteilen.


Vor Eintritt in diesen Tagesordnungspunkt verlassen EBM Föll, BM Hahn, BM Thürnau sowie die StRinnen und StRe Bulle-Schmid, Fischer, Dr. Kienzle, Dr. Kübler, Küstler, Mayer, Munk, Dr. Oechsner, Pfeifer, Wüst und Zaiß als Mitglieder des Aufsichtsrats der Stadtwerke Stuttgart wegen Befangenheit den Sitzungssaal bzw. nehmen im hinteren Bereich des Sitzungssaals Platz.

OB Kuhn eröffnet sodann den Tagesordnungspunkt und verweist auf seine ausführlichen Ausführungen in der gestrigen Sitzung des Verwaltungsausschusses. Sodann macht er die nachstehend im leicht überarbeiteten Wortlaut wiedergegebenen einleitenden Bemerkungen:

"Wir treffen heute mit dem Zweiten Verfahrensbrief eine wichtige Teilentscheidung auf dem Weg zur Konzessionsvergabe unserer Energienetze, darunter zu verstehen Stromnetz, Gasnetz und Fernwärmenetz, zu dem ich eine eigene Bemerkung machen werde. Der Gemeinderat hat im Juli 2012 mit der Frage 'Welche Kriterien sind zu berücksichtigen und welche Kriterien werden wie mit Punkten versehen?' eine wichtige Grundlage geschaffen. Energiesicherheit, Versorgungssicherheit, Preisgerechtigkeit sind die einen Kriterien. Aber auch der kommunale Einfluss auf die zukünftigen Netze, im Eigentum wie im Betrieb, ist ebenso ein sehr, sehr wichtiges Kriterium. Auch wenn die Netzvergabe nicht mit Inhalten über Energiekonzepte verbunden ist und nach der Rechtsprechung auch nicht direkt verbunden sein kann, treffen wir bei der Konzessionsvergabe dennoch eine wichtige Grundsatzentscheidung für die Frage der künftigen Energiepolitik in Stuttgart und auch für die Frage, wie die Stadt Stuttgart den Atomausstieg und die gute Versorgung der Stadt mit Energie gewährleisten soll. Dies mag im Hintergrund der Debatte immer mit berücksichtigt werden.

Wir haben nach den Rechtsvorgaben keine freie Vergabe, auch Inhouse-Vergabe ist nicht möglich, sondern eine transparente und diskriminierungsfreie Vergabe in einem klar festgelegten Verfahren. Strom und Gas, darüber werden wir heute über den Zweiten Verfahrensbrief entscheiden. Bei der Fernwärme haben wir eine Aussetzung vorgesehen, weil im Unterausschuss noch Beratungen notwendig sind. Es zeigt sich, dass die Fernwärme immer wichtiger wird für künftige Energiekonzepte. Aber die rechtlichen Verhältnisse sind anders und komplizierter als bei Strom und Gas, insbesondere deswegen, weil auch die Bundeskartellbehörden einen ganz engen Zusammenhang sehen zwischen Stromerzeugung und Fernwärme, also zwischen Stromanlagen und Fernwärme.

Ich will voraus an die Öffentlichkeit noch einmal klar etwas sagen, vor allem, weil auch falsche Berichte in den Medien zu lesen waren. Übrigens nicht als Schuld der Journalisten und der Medien, sondern weil aus dem nicht öffentlichen Ausschuss Informationen selektiv und wertend rausgegeben worden sind. Das führt immer zu falschen Auffassungen. Ich will es ganz deutlich machen, es gibt keine Entscheidungen und keine Vorentscheidungen über die Vergabe des Strom- und Gasnetzes. Wenn ein anderer Eindruck suggeriert werden sollte, dann ist der falsch. Und ich bitte, in der heutigen Sitzung auch sehr auf diesen Punkt zu achten.

Im Juli 2012 wurde ein Erster Verfahrensbrief verabschiedet. Der ging an diejenigen, die sich für Netze bewerben wollten. Und der wurde dann in einer sog. Dialogphase im Frühjahr dieses Jahres intensiv mit den Anbietern beraten. Heute wollen wir den Zweiten Verfahrensbrief endgültig verabschieden, in dem allen Anbietern klargelegt wird, wie das Verfahren weiter geht und was die Zielvorstellungen der Stadt sind. Dieser Zweite Verfahrensbrief ist nichts anderes als die Verhandlungsgrundlage für Verhandlungen mit den Anbietern, die ich für die Verwaltung im August führen werde. Am Ende dieser Verhandlungen sind die Anbieter und Bewerber aufgefordert, ihr endgültiges Angebot an die Stadt zu formulieren. Und wenn dieses endgültige Angebot eingegangen ist, dann werden wir in nicht öffentlicher Sitzung im Unterausschuss Konzessionsvergabe diese Angebote beraten und mit den entsprechenden Punkten, die Sie in der Punkteliste vom Juni 2012 entschieden haben, bepunkten.

Und dann gibt es eine ganz einfache und klare Regelung. Den Zuschlag bekommt derjenige oder bekommen diejenigen, die die höchste Punktzahl erhalten. Es ist alles möglich, es ist also möglich, dass ein Bewerber alleine die höchste Punktzahl erhält. Dann erhält er den Zuschlag. Und es ist ebenso möglich, dass zwei oder mehrere Kooperationspartner den höheren Punktzuschlag bekommen und die Konzession an diese erteilt wird. Es gibt also keinen Vorrang für eine Kooperation, sondern die Bieter, die die meisten Punkte bekommen, werden Konzessionäre.

Ich will wenige Bemerkungen machen zu den Kooperationsmodellen, die wir im Zweiten Verfahrensbrief formuliert haben. Die Unterlage liegt Ihnen als Drucksache vor. Zunächst haben wir uns nach langen Beratungen entschieden, dass wir bei einer möglichen Kooperation Netzeigentum vom Netzbetrieb trennen wollen. Der Hauptgrund ist, dass das Energierecht - die sogenannte Unbundling-Vorschrift - die Einflussmöglichkeiten der Stadt auf den Betrieb begrenzt. Dies gilt nicht in gleicher Weise für das Eigentum. Und deswegen wollen wir mit zwei Gesellschaften rausgehen.

Für eine mögliche Kooperation haben wir im Zweiten Verfahrensbrief nun zwei Modelle vorgeschlagen. In der Öffentlichkeit ist nur eines diskutiert worden. Das Modell A, das vorsieht, dass die Stadt bei der Netzeigentumsgesellschaft sofort mit einer Mehrheit startet und möglichst rasch auf 74,9 % geht, also sofort einen dominanten mehrheitlichen Einfluss auf das Netz beim Eigentum hat. Und im Betrieb soll die Stadt in diesem Modell A mit einem Geschäftsanteil von 25,1 % starten, nach zehn Jahren die Mehrheit haben und nach fünfzehn Jahren dann 74,9 % erreichen. Das ist das Modell A. Und ich betone, auch dieses ist ein Zielmodell, über das verhandelt wird. Das kann sich in den Verhandlungen in den Zeiträumen anders darstellen. Aber das ist eben Ergebnis der Verhandlungen und dann der vorliegenden Angebote am Ende der Verhandlung.

Das Modell B haben wir dafür formuliert, wenn mögliche Kooperationspartner bei den Anteilen an der Eigentumsgesellschaft wie bei der Betreibergesellschaft den gleichen Prozentsatz anstreben. Bei beiden Gesellschaften wäre es so, dass die Stadtwerke, also der städtische Einfluss, sofort mit einer Mehrheitsbeteiligung realisiert würde. Das ist also ein anderes Modell, über das wir auch verhandeln werden.

Mir ist nochmals wichtig, auch für die Öffentlichkeit, deutlich und klar zu sagen, dass in dem Zweiten Verfahrensbrief keine Lösung vorgeschrieben ist, sondern es zeigt den Bewerbern, über welche Modelle wir gerne reden würden und reden werden. Es wird also auch bei der Kooperation nicht über eines der Modelle, sondern über beide Modelle geredet und verhandelt. Die Bewerber müssen natürlich schauen, wenn sie am Ende die höchste Punktzahl haben wollen, dass sie mit dem Modell, das sie dann anbieten, die Kriterienvielfalt, die der Gemeinderat aufgestellt hat, auch wirklich realisieren können. Also alle Kriterien, wie z. B. Energiesicherheit und kommunalen Einfluss, möglichst optimal zu erreichen. Nur das kann den Zuschlag geben. Nach dem Muster, beim einen Kriterium juckt es mich nicht, und beim anderen mache ich viele Vorschläge, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man nicht vorne dran ist. Dies sei nochmals an die Öffentlichkeit und an die Vertreter von Bewerbern, die auch hier sind im Saal, in aller Deutlichkeit gesagt.

Ich will zum Abschluss meiner Einleitung nochmals zwei Dinge besonders hervorheben. Das Erste: Wir werden in dieser Sitzung und auch in späteren Sitzungen keine Angaben und Informationen über Angebote der Bieter machen können. Dies gebietet der Vertrauensschutz, das gebietet aber auch das Interesse der Stadt, denn erfährt einer der Anbieter, der andere hat ein niedrigeres Angebot gemacht, wird er nie ein anderes, ein besseres, machen. Das ist der erste Grund.

Und der zweite Punkt, auf den ich hinweisen möchte, ist, es gibt keine Vorfestlegungen. Ich betone das nochmals, es ist ein freies noch offenes wettbewerbliches Verfahren, diskriminierungsfrei. Und deswegen haben wir jetzt heute nur einen Teilschritt zu gehen, nämlich den Verfahrensbrief zu verabschieden. Er ist lange und intensiv im Unterausschuss Konzessionsvergabe beraten worden. Ich will noch ein Letztes dazusagen. So eine Konzession für Strom und Gas vergibt man ja nur alle zwanzig Jahre. Und ich habe sehr darauf gedrungen und werde diese Haltung nicht aufgeben, dass man so eine Entscheidung möglichst mit einer breiten Mehrheit trifft, weil es eine tiefe Strukturentscheidung der Stadt Stuttgart ist, die lange gelten muss, auf die sich möglichst viele berufen können sollen. Nur dann hat diese Entscheidung guten Bestand und kann auch mit dem leben, um das es ja geht, nämlich der wesentlichen Frage: Wie ist die Energieversorgung in Stuttgart?, gefüllt werden. Ich hoffe, dass mir das am Ende gelingt. Ob das gelingt, liegt natürlich an den Fraktionen und ihrer Weisheit, ob sie diesem Grundsatz folgen wollen oder nicht. Damit von mir genügend zur Einführung."


Die Grundsatzausführungen seitens der Gemeinderatsfraktionen werden nachstehend ebenfalls in überarbeitetem, leicht gekürztem Wortlaut wiedergegeben:

StR Pätzold (90/GRÜNE):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, mit dem Beschluss der heutigen Vorlage biegen wir in die Zielgerade im Konzessionsverfahren ein.

Erinnern wir uns, woher wir kommen. Seit dem Jahr 2009 läuft die Diskussion um das Konzessionsverfahren. Die Verwaltung hatte damals ein 50 : 50-Modell bei der Wasserversorgung vorgeschlagen, welches aber schlussendlich zum Glück keine Mehrheit gefunden hat, und welches wir GRÜNEN damals auch abgelehnt hatten. Im gleichen Jahr hatte dann der Gemeinderat beschlossen, mit einem Unterausschuss und einer sorgfältigen Vorbereitung das Thema Stadtwerke und Netze zu diskutieren und vorzubereiten. Seitdem sind viele Sitzungen ins Land gegangen und manches Gutachten wurde vorgelegt. Manches hatte sich auch inzwischen geändert, und so hat es doch einige Zeit gedauert, bis wir heute hier sind. Und manch einer von uns hat viel dazugelernt und kennt sich im Thema aus, auch wenn von außen manchmal anderes kolportiert wird.

Heute gibt es die Stadtwerke Stuttgart. Sie verkaufen Ökostrom und Gas, auch wenn es etwas holpert. Die Stadtwerke betreiben schon einige PV Anlagen (Photovoltaik) und planen weitere Anlagen zur nachhaltigen Energieerzeugung. Und, die Stadtwerke haben sich auch für die Konzession beworben. Eine Entwicklung, die mancher von uns 2009 sicher nicht für möglich gehalten hätte. Und zur Klarstellung, weil das vielen Bürgerinnen und Bürgern wohl nicht genau klar ist: Die Stadtwerke Stuttgart sind eine hundertprozentige Tochter der Stadt Stuttgart. Die Energie Stuttgart ist eine Tochter der Stadtwerke, wobei hier die Energiewerke Schönau beteiligt sind. Wenn es im Wettbewerb zu einer zukünftigen Eigentumsgesellschaft und Betriebsgesellschaft kommen könnte, wird diese ein Beteiligungsunternehmen der Stadtwerke sein.

Die Stadt Stuttgart hat sich auf den Weg gemacht, ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren für die Vergabe der Konzession im Bereich der Versorgungsnetze Strom, Gas und Fernwärme, durchzuführen. Ein rechtlich sicheres Verfahren, welches so weit wie möglich den Einfluss der Kommune, also der Stadt Stuttgart, sichert.

Mit der heutigen Entscheidung entscheiden wir nicht über die Vergabe. Wir entscheiden auch nicht, wer am Ende die Konzession für Strom, Gas und Fernwärme erhält. Wir entscheiden auch nicht zu Gunsten eines Bewerbers oder zu Ungunsten eines anderen Bewerbers. Wir entscheiden auch nicht über die Wasserversorgung, denn die ist Thema eines ganz anderen Verfahrens. Und da ist die Stadt in einer Auseinandersetzung mit der EnBW, um die Wasserversorgung wieder hundert Prozent in städtische Hand zu bekommen.

Wir entscheiden über den Zweiten Verfahrensbrief, der nochmals einige Dinge gegenüber dem Ersten Verfahrensbrief klarstellt und die Verhandlungsphase einläutet. Um das nochmals zu betonen: Die Bewertung der Angebote auf Grundlage des im Juli 2012 beschlossenen Punktesystems bleibt unverändert. Und auf die kommt es am Schluss an. Die Rechtsanwälte von Becker, Büttner, Held, haben vorgeschlagen, dass bei einer möglichen Kooperation eines Bewerbers mit den Stadtwerken es eine Aufteilung in eine Netzeigentumsgesellschaft und eine Netzbetriebsgesellschaft geben soll. Warum? Weil dabei die Stadt Stuttgart, und damit die Kommune, mehr Einfluss auf die Netze haben wird.

Und es werden zwei Modelle, A und B, als sogenannte Zielmodelle einer möglichen Kooperation vorgeschlagen. Die Stadt Stuttgart, und somit der Gemeinderat, können sich im Falle eines Kooperationsmodells Folgendes vorstellen: Bei der Eigentumsgesellschaft hat die Stadt bei A und B von Anfang an die Mehrheit. Bei der Betriebsgesellschaft hat die Stadt entweder bei B von Anfang an eine Mehrheit oder sie hat bei A diese nach spätestens zehn Jahren. Das sind also klare Grenzen, in denen sich die Stadt und auch der Gemeinderat eine Kooperation vorstellen können. Was nicht gewünscht ist, ist ein reines Pachtmodell, also die Verpachtung der Netze komplett an einen Betreiber. Was auch nicht gewünscht ist, sind offene Termine für die jeweiligen Phasen. Und das Eigentum, also die Netze an sich, sollen sich von Anfang an in städtischer Mehrheit befinden. Welches Modell und ob überhaupt eines der Modelle zum Zug kommt, entscheidet sich mit den Angeboten der Anbieter. Denn schlussendlich werden die Angebote nach den Vergabekriterien bewertet und nicht danach, welches Modell angeboten wird.

Der jetzige Beschluss ist keine Vorfestlegung oder eine Bevorzugung eines Bewerbers. Es ist die konsequente Weiterentwicklung des rechtlich sauberen und transparenten Konzessionsverfahrens mit dem Ziel, der Stadt wieder mehr Einfluss bei den Netzen zu geben. Es zeigt den Bewerbern jetzt auch an, in welchen Grenzen die Stadt sich eine mögliche Kooperation mit den Stadtwerken vorstellen könnte.

Wir sind schon heute einen deutlichen Schritt, wenn nicht gar Schritte, weiter an kommunalen Stadtwerken dran als 2009. Deshalb werden wir GRÜNEN dieser Vorlage heute zustimmen."


StR Kotz (CDU):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auch wieder mit zwei kurzen Eingangsbemerkungen starten, wie gestern auch bereits.

Zum einen, bevor irgendetwas in einen Redebeitrag hineininterpretiert wird, von wem auch immer: Weder die CDU-Fraktion noch ich persönlich haben eine Vorfestlegung, weder für eine Art und Weise eines Modells in diesem Verfahren im Falle einer Kooperation noch für einen Partner oder einen Bewerber aus dem Feld der Bewerber, die heute noch auf der Tagesordnung stehen.

Zum Zweiten, Herr Oberbürgermeister, möchte ich Ihnen auch in diesem Rahmen unseren Dank aussprechen, wie Sie den Unterausschuss in den letzten Wochen und Monaten geführt haben, wie Sie sich in die komplexe Materie eingearbeitet haben. Das hat uns als ehrenamtlichen Stadträten viel geholfen, da vorne jemanden sitzen zu haben, der die Zügel in der Hand hat, der den Sachverstand hat und der den Unterausschuss so entsprechend geführt hat.

Zum Inhaltlichen. Wir haben uns im Jahr 2009 gemeinsam auf den Weg gemacht, mehr Verantwortung für die Energiebereitstellung, den Energievertrieb und die Energieversorgung in dieser Stadt als Kommune zu übernehmen. Wir sind schon entschiedene Schritte miteinander gegangen. Wir haben Stadtwerke gegründet. Wir haben im Bereich der Energieerzeugung erste Maßnahmen im Bereich Solarenergie bereits umgesetzt. Die sind in Betrieb und versorgen mit gutem und regenerativem Strom. Wir sind im Windbereich kurz davor, weitere Schritte zu tun. Wir haben einen Energievertrieb aufgebaut mit einem Partner, gegen den wohl kein Kunde etwas haben kann, weil er den ökologischsten Strom liefert, den man sich nur vorstellen kann. Und deswegen, weil wir heute ja auch ein großes Publikum oben auf der Tribüne haben, nochmals die klare Bitte: Werden Sie, wer es noch nicht ist, Kunde unseres Energievertriebs und unterstützen Sie diese Sparte unseres Stadtwerkes, denn nur in der Gesamtheit kann dieses Stadtwerk am Ende des Tages auch glänzen.

Heute geht es aber um die Netze für Strom und Gas im Speziellen. Und egal, wie das Verfahren Ende des Jahres ausgehen wird, egal, welcher Bewerber sich durchsetzt, egal, ob es eine Alleinkonzession gibt oder ob es eine Kooperation gibt, auf jeden Fall wird die Kommune mehr Einfluss in diesem Bereich haben, denn selbst bei einer Alleinkonzession sichert uns der neu vorgeschlagene Konzessionsvertrag, den wir auch mit unseren Anwälten in den Beratungen erarbeitet haben, deutlich mehr Einfluss, deutlich mehr kommunale Akzente zu, wie das der bisherige Konzessionsvertrag in der Vergangenheit gemacht hat.

Und wenn es dann eine Kooperation werden sollte nach dem Bepunktungsverfahren, das der Herr Oberbürgermeister nochmals erklärt hat, dann stehen u. a. zwei Dinge ganz wichtig im Vordergrund: Das eine ist die Versorgungssicherheit, und das andere ist der kommunale Einfluss. Ich kann nur alle Beteiligten hier im Gemeinderat, aber auch alle, die sich für das Thema interessieren und die an dem Thema dran sind und mitarbeiten in unterschiedlichster Art, aufrufen, wirklich zu sagen, jawohl, beide Kriterien sind für die Energieversorgung dieser Stadt wichtig. Nur der kommunale Einfluss hilft nichts, wenn morgens kein Strom in der Steckdose ist. Und nur die Versorgungssicherheit bringt auch nichts, wenn der kommunale Einfluss nicht weiter wächst, wie wir uns das vorgenommen haben. Deswegen ist beides wichtig.

Bei beiden Modellen, die wir als Zielmodelle beraten haben und die wir den Bewerbern für eine mögliche Kooperation an die Hand geben, dass sie sich vielleicht an denen orientieren können bei ihren Angeboten, ist ganz klar, dass die Stadt, die Kommune, gleich von Anfang an die Mehrheit am Eigentum der Netze haben möchte. Und das ist auch gut so. Denn im Eigentum der Netze werden die großen Entscheidungen getroffen. Im Eigentum der Netze geht es um Netzentwicklung, um Netzqualität, um Netzausbau und all diese Dinge, die in diesem Bereich zu nennen sind. Wohingegen derjenige, der das Netz betreibt, der die praktische Umsetzung macht, der verantwortlich ist, dass die Gräben gegraben werden und dass die Rohrleitungen verlegt werden, der die Montage der Gaszähler vornimmt, der die entsprechenden Pläne fertigt - da ist der kommunale Einfluss doch ein sehr überschaubarer oder der Einfluss dieses Betriebsteils. Insofern können wir uns hier in einer guten Partnerschaft auch vorstellen, dass ein Partner hier die ersten Jahre die Mehrheitsrechte wahrnimmt, weil wir die Entscheidungen über die Eigentumsgesellschaft als Kommune dominieren werden.

Zum Thema Fernwärme halten wir den Weg, den der Herr Oberbürgermeister vorgeschlagen hat, für den richtigen, hier noch mal etwas zuzuwarten, bis mehr rechtliche Klarheit da ist, und dann entsprechend zu entscheiden.

Herr Oberbürgermeister, Sie haben gesagt, Sie haben daran gearbeitet, eine breite Mehrheit für diese Thematik zu organisieren. Ich nehme für die CDU in Anspruch, dass wir uns auch diesem Ziel verpflichtet haben und da gemeinsam heute einen Zwischenschritt erreichen. Ich wünsche mir und hoffe, dass die Angebote der Partner oder der Bewerber, die Verhandlungen, die Sie führen werden, Herr Oberbürgermeister, dann zu einem Ergebnis führen, das wir dann hoffentlich auch mit einer breiten Mehrheit bei den finalen Beschlüssen Ende des Jahres beschließen können. Die CDU-Fraktion stimmt der heutigen Vorlage zu."


StR Kanzleiter:
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste hier im Saal, wir haben bereits gestern im Verwaltungsausschuss unsere Position als SPD-Fraktion und unser Abstimmungsverhalten deutlich gemacht. Ich will deshalb heute nur die wichtigsten Punkte kurz wiederholen. Im Mittelpunkt all unserer Bemühungen zur Neuordnung der Energieversorgung in Stuttgart steht die Neuausrichtung der Energiepolitik insgesamt. Damit dies gelingen kann, ist es notwendig, dass auf eine dezentrale Energieversorgung auf kommunaler Ebene unter Beteiligung der Bevölkerung hingearbeitet und umgesteuert wird. Vorhandene Energie ist so wirtschaftlich wie möglich einzusetzen, z. B. durch den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung auch in den bisher nicht mit Fernwärme versorgten Gebieten in unserer Stadt. Mit Hilfe von Nahwärmekonzepten können große Potenziale erschlossen werden, dies zumindest erklären uns die Fachleute, die wir gehört haben.

Dies alles macht eine kommunale Energiepolitik aus einem Guss erforderlich. Notwendig ist ein ganzheitliches städtisches Energiekonzept, das die Ziele und auch die Strategie zur Umsetzung klar benennt. Nach dem Selbstverständnis des Verbands kommunaler Unternehmen ist eine moderne Energieversorgung eine klassische Aufgabe von Stadtwerken. Sie sind den Zielen der jeweiligen Stadt und den in ihr lebenden und arbeitenden Menschen verpflichtet. Aufgabe der Kommune ist es, die Ziele vorzugeben. Die Aufgabe von Stadtwerken als Teil der kommunalen Wirtschaft besteht darin, eine für die Energiewende geeignete technische Infrastruktur zu organisieren und in der geeigneten Form zu betreiben.

Für die Weiterentwicklung der Versorgungsnetze, die für eine dezentrale Energieversorgung geeignet sind, sind in der Zukunft erhebliche Investitionen erforderlich. Dafür notwendig und unverzichtbar ist aber auch das Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir denken dabei selbstverständlich an die vorhandenen Beschäftigten des bisherigen Konzessionärs, die auch in Zukunft, bei welchem Konzessionär und Netzbetreiber auch immer, beim Betrieb der Netze notwendig sind. Der Zweite Verfahrensbrief, den wir heute beschließen werden, legt bei den dahinterstehenden Überlegungen in diesem Zusammenhang einen ggf. notwendigen Teilbetriebsübergang nach § 613a BGB zugrunde. Der Zeitpunkt des möglichen Betriebsübergangs ist dabei Gegenstand der Verhandlungen und der endgültigen Angebote.

In der derzeit laufenden Neuordnung unserer Energieversorgung, in deren Mittelpunkt die Neuvergabe der Konzessionen steht, geht es darum, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Im Zusammenhang mit den letzten Kommunalwahlen war es die SPD in Stuttgart, die die Forderung nach dem Rückkauf der Wasserversorgung und die Neugründung von Stadtwerken zu ihrem Ziel erklärt hat. Wir sind froh und stolz darauf, dass wir heute mitten in der Realisierung unserer Ziele stehen. Dass der Weg zu neuen und voll funktionsfähigen Stadtwerken mit Energieerzeugung aus regenerativen Quellen mit einem Energievertrieb für ökologisch sauberen Strom und Gas und möglicherweise mit Verteilnetzen, die den modernen Anforderungen gerecht werden, steinig werden würde, war am Anfang nur bedingt absehbar. Wer hat schon vor fünf Jahren all die Klippen gesehen, welche vom EU-Recht, vom Energie- und Kartellrecht ausgehen? Wer hatte schon die sich ständig weiterentwickelnde Rechtsprechung ins Kalkül gezogen? Heute wissen wir, dass wir unsere Ziele nur erreichen können, wenn wir auch rechtlich unangreifbar agieren. Unser Ehrgeiz besteht heute darin, im Konzessionsvergabeverfahren baldmöglichst rechtssichere Ergebnisse zu erzielen und nicht auf einem langen Rechtsweg Rechtsgeschichte zu schreiben. Dies setzt leider auch ein großes Maß an Vertraulichkeit voraus, das ist bereits vom Oberbürgermeister dargestellt worden. Denn unsere Rechtsprechung schützt - und man kann es beklagen, aber es ist so - die Interessen der Bewerber für die Konzessionen mehr, als es uns im Sinne eines auch für die Bürger transparenten Prozesses und aus demokratischer Sicht lieb sein kann. Das ist keine Kritik an dem Verfahren, sondern es ist eine Feststellung, die sich aufgrund des Zusammenbetrachtens der verschiedenen Rechtsgebiete ergibt.

Teil des seit nunmehr einem Jahr laufenden Vergabeprozesses für die Konzessionen für Strom und Gas in Stuttgart ist der heute vorliegende Zweite Verfahrensbrief. Nach der bisher ersten Phase des Verfahrens, der Dialogphase, treten wir jetzt in die verbindliche Verhandlungs- und Entscheidungsphase ein. An ihrem Ende steht noch in diesem Jahr ein Ergebnis. Dann wissen wir, mit welcher Konstellation und mit welchem Konzept künftig in Stuttgart die Versorgung der Bevölkerung mit Strom und Gas erfolgen wird. Den Bewerbern werden mit dem heute zu beschließenden Zweiten Verfahrensbrief überarbeitete Entwürfe für neue Konzessionsverträge und für Konsortial- und Gesellschaftsverträge vorgelegt. Sie enthalten die Vorstellungen der Stadt, und sie bieten für die jeweiligen Bewerberunternehmen die Grundlage für die anstehenden verbindlichen Verhandlungen. Alle in der Gemeinderatsvorlage beschriebenen Optionen sind damit zum heutigen Tage offen. Sie lassen auch Raum für abweichende Vorstellungen der Bewerber, die ebenfalls in die Endbewertung eingehen werden. Den Zuschlag erhält am Schluss der Bewerber alleine oder in Form eines Kooperationsangebotes, der die höchste Punktezahl nach dem bereits im letzten Jahr erstellten Kriterienkatalog erhält und damit der Vorgabe des Gemeinderats am nächsten kommt.

Ich versage es mir, nochmals die einzelnen Modellvarianten für eine mögliche Kooperation zu erläutern. Das wurde ja vom Oberbürgermeister bereits getan, gestern und heute. Mir kommt es lediglich darauf an zu betonen, dass wir bei allem, was wir entscheiden, unsere politischen Ziele vor Augen haben. Aber als gute Demokraten respektieren wir selbstverständlich auch unsere Rechtsordnung, und wir wissen, dass wir am Ende nur erfolgreich sein werden, wenn wir alle auch die notwendige Kompromissfähigkeit beweisen. In diesem Sinne ist auch die heute vorliegende Gemeinderatsdrucksache ein Kompromiss. Und ich betone, es ist kein fauler Kompromiss. Wenn in den letzten Wochen in der Presse und von besorgten Bürgern über eine mögliche Kooperation spekuliert und Gegensätze konstruiert wurden, muss doch festgehalten werden, dass Unterschiede in der Betrachtungsweise heute auf graduelle Fragen des Terminablaufs in einem der Modelle, nämlich im Modell A, eines der beiden vorgeschlagenen Zukunftsmodelle, zusammengeschmolzen sind. Nach unserer Meinung sind aus technischer und auch aus wirtschaftlicher Sicht keine zehn Jahre bis zur mehrheitlichen Übernahme des Netzbetriebs nötig. Ein sehr viel kürzerer Zeitraum wäre sehr wünschenswert, etwa bereits nach der technisch nötigen Zeit der Entflechtung. Diejenigen im Gemeinderat, die jetzt aber ein 'Alles oder nichts-Spiel' betreiben, hätten es in der Hand gehabt, eine günstigere Lösung als Ziel zu ermöglichen. Die unserer Meinung nach sehr langen Zeitabläufe sind schmerzhaft und sollten im weiteren Verhandlungsverfahren verkürzt werden. Dazu gibt es sehr wohl Ansatzpunkte. Die einzelnen Bewerber haben es nämlich in der Hand, ihr Angebot so zu gestalten, dass es den kommunalen Zielen im Inhalt und auch im Zeitablauf noch besser entspricht, als es im Zweiten Verfahrensbrief als Mindestvorstellung bei Verhandlungen vorgegeben wird. Unsere Kriterien lassen es zu, solche Vorschläge dann auch zu bewerten und mit entsprechenden Punkten bei der Vergabe zu versehen.

Ich will abschließend an dieser Stelle nochmals betonen, wir sind nicht auf eine bestimmte Konstellation festgelegt. Es gelten unsere seit langem formulierten politischen Ziele in unseren Programmen. Und entschieden wird auf der Basis der Kriterien des Gemeinderats im Laufe des Herbstes. Nach all dem Gesagten erkläre ich, dass wir, die SPD-Fraktion, die GRDrs 344/2013 als tragfähigen Kompromiss im laufenden Verfahren zur Konzessionsvergabe sehen und deshalb heute auch zustimmen, so wie bereits gestern."


StR Kauderer (FW):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, grundsätzlich steht für die Freien Wähler die Versorgungssicherheit unserer Bürger und unserer Wirtschaft im Vordergrund. Wir lehnen jegliche Möglichkeit eines zukünftigen Betriebs der Netze für Strom und Gas ab, die ein höheres Risiko der Versorgungssicherheit in sich tragen, als dies heute der Fall ist. Weiterhin wollen wir keine Lösung, welche ein finanzielles Risiko für unsere Stadtwerke und für den städtischen Haushalt darstellt. Vor diesem Hintergrund sind auch die eventuellen positiven Effekte einer neuen Betriebsführung der Netze, wie größerer kommunaler Einfluss oder eine geringfügige finanzielle Entlastung der Bürger, nachrangig zu sehen.

Vor zwei Wochen wurde ein Stromausfall im Gebiet Veielbrunnen gemeldet. 400 Wohnungen und Büros waren zwischen 10 und 90 Minuten ohne Strom. Kein Computer, kein Aufzug, keine Kaffeemaschine, kein Fernsehen, kein Radio, nicht einmal der Türöffner hat funktioniert. Ja, und der Schnuller, der heruntergefallen ist, konnte mit heißem Wasser nicht mehr gereinigt werden. Dieses Horrorszenario konnte nur durch das Handy weitergegeben werden. Meines war stundenlang blockiert durch Anrufe von wütenden Mietern. Daher haben wir für den Fall einer Kooperation auch beim Betrieb der Netze immer noch große Sympathie für eine Pachtlösung für die ersten Jahre, um die Sicherheit zu gewährleisten. Diese Möglichkeit wurde ja auch in den ersten Gutachten, welche die Stadt zu dieser Frage erstellen ließ, als beste Lösung dargestellt. Für uns sprechen hohe Betriebssicherheit und feste Einnahmen der Stadt bei geringem städtischem Risiko und größerem kommunalem Einfluss als bisher eindeutig für diese Lösung.

Aus technischer Sicht halten wir in der aktuell unsicheren Lage der Entwicklung von Energienetzen eine schnelle Entflechtung des Gas- und Stromnetzes für unnötig und teuer. Energienetze müssen künftig viel mehr als bisher ganz unterschiedliche Energieflüsse und Fließrichtungen bewerkstelligen. Hierzu sind Netze mit möglichst wenigen technischen Engstellen von Vorteil. Laut den Fachleuten werden in Zukunft in gewissen Zeiten große Stromüberschüsse anfallen. Daher plädieren wir für eine Betriebsstruktur, bei der eine mögliche Entflechtung nicht überhastet, sondern sorgfältig und sicher durchgeführt wird. Erst wenn sich das Umfeld im Energiemarkt und der Netze stabilisiert hat, kann man eine langfristige Entscheidung wirklich begründen.

Nur Ökostrom anzubieten reicht heute einfach nicht mehr. Das können viele. Nur wenige hundert Haushalte haben sich beim Strom für die Stadtwerke entschieden. Wo bleiben denn die Zehntausende, die sich für eigene Stadtwerke eingesetzt haben? Viele Kunden wechseln jährlich den Energieanbieter, um an den günstigsten Lieferanten zu kommen. Dieses Risiko müssen wir minimieren mit einem längerfristigen Übergang.

Strategisch wäre die Übernahme der Netze gut und notwendig. Die Unternehmen und möglichen Partner sind nun am Konzessionsvergabeverfahren beteiligt. Wir brauchen einen Konzessionär, der uns unterstützt bei der Fortentwicklung unserer kommunalen Energiekonzepte.

Der zur Abstimmung stehende Zweite Verfahrensbrief wird uns im Verfahren und auch bei der Auswahl eines möglichen Partners weiterbringen.

Die Zukunft liegt beim schonenden Umgang mit unseren Energieressourcen. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Erste Weichen sind mit den Stadtwerken gestellt, ein langer Weg liegt noch vor uns. Denn Energie wird immer teurer. Es ist nicht allein die Energieversorgung, die die Landeshauptstadt gewährleisten muss. Es sind auch die Gebäudedämmung sowie die Investitionen in moderne Strom- und Heiztechnik zur Einsparung des Verbrauchs, die von uns gefördert werden müssen.

Wir Freien Wähler stehen zum ausgearbeiteten Zweiten Verfahrensbrief und wünschen uns für den Fall einer Kooperation Modell A."


StR Conz (FDP):
"Meine Damen und Herren, wir werden Ihnen jetzt nicht noch genau erklären, was in diesem Zweiten Verfahrensbrief alles drinsteht, sondern wir wollen kurz erläutern die Position der FDP-Fraktion zum Thema der Strom- und Gas- und Fernwärme. Vorneweg die Fernwärme, die wir ja hier jetzt so entscheiden, dass der Verfahrensbrief erst später erfolgen soll. Wir denken, das ist richtig, denn aufgrund der Vergabeverfahren - § 46 EnWG gilt ja eben nicht für Fernwärme und es gibt nur eine OLG-Entscheidung, die wir als Rechtsgrundlage als nicht besonders stabil erachten -, deswegen denken wir, dass das Vorgehen einer weiteren Informationsbeschaffung in diesem Bereich notwendig ist. Und erst dann können wir entscheiden, ob wir im Bereich Fernwärme zum Verfahren gehen, das eben diesen Zweiten Verfahrensbrief notwendig macht.

Der andere Bereich ist natürlich die Vergabe an Einzelne oder an Kooperationen, wobei wir sagen, bei den einzelnen Teilnehmern gibt es ganz unterschiedliche Teilnehmer mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen. Und wir sehen, gerade im Sinne des Gesetzes, dass wir eben niemandem den Vorzug geben können, auch nicht dass die Stadtwerke einen besonderen Vorzug erhalten sollen, und freuen uns, dass wir mit dieser Meinung hier nicht alleine sind.

Beim Bereich Kooperation ist es ja so, dass wir hier Zielmodelle vorgeben. Modell A, das einen Mehrheitsübergang im Bereich Netzbetrieb in vier Stufen vorsieht, wobei die Mehrheit in der dritten Stufe nach 10 Jahren auf die Stadtwerke dann übergeht. Das ließe den Stadtwerken ausreichend Zeit, um den Betrieb der Netze dann mit hoher Sicherheit und Qualität sicher zu stellen. Wir sehen diesen Zeitrahmen auch als Erfolg der FDP. Auch gibt sich die Stadt Stuttgart die Möglichkeit, in Form von ihren Stadtwerken vom Kauf bei jeder Stufe zurückzutreten, wenn der Gemeinderat entsprechend entscheidet."

OB Kuhn weist an StR Conz gewandt darauf hin, dass es bei den Kooperationen zwei verschiedene Modelle im Zweiten Verfahrensbrief gibt.

StR Conz fährt fort:
"Vielen Dank für diesen Hinweis. Natürlich haben wir zwei Modelle und ich erläutere hier jetzt ein Modell. Also ich führe jetzt fort, dass natürlich dieser Aufbau auch misslingen könnte, und in dem Fall gäbe es die Möglichkeit, eben an jeder Stufe sich anders zu entscheiden. Damit wird für uns das oberste Ziel, die erstklassige Versorgungssicherheit für Strom und Gas angestrebt. Natürlich ist auch ein anderes Modell möglich, was sicher auch hervorragende Qualitäten hat.

Deswegen stimmt die FDP-Fraktion dieser Vorlage zu und ist hochinteressiert und gespannt, wie die Angebote, die alle eine gleichwertige Chance haben werden, dann aussehen werden."

StR Rockenbauch (SÖS):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Bürgermeister, liebe Stadtratskollegen, ich glaube, dass es heute wirklich ein wichtiges Thema ist. Und wenn wir auch schon mal Leute hier haben, die dieses Thema interessiert, dann finde ich es wichtig, dass wir sie auch anschauen können. Aber noch wichtiger, und deswegen mache ich das von hier vorne, ist, weil ich heute noch mal eindringlich an Sie appellieren will, Ihren Kurs in Sachen Neuordnung der Energiepolitik in Stuttgart grundsätzlich zu überdenken.

Wir sind uns wahrscheinlich ziemlich schnell einig, wenn wir sagen, dass der Klimawandel die wohl größte Herausforderung für die Menschheit ist. Wir sind uns einig, dass sie nur gelingen kann, wenn wir richtig uns anstrengen, dass wir nicht noch mehr CO2 produzieren, dass wir die drohende globale Erwärmung versuchen, weiter abzumildern, verhindern können wir sie wahrscheinlich gar nicht mehr. Die Vermeidung von gefährlichen Klimagasen kann uns nur gelingen, wenn wir auch die Energiewende mutig angehen. Alle Experten sind sich einig, dass die Energiewende nur gelingen kann, wenn wir durch Energieeinsparungseffizienz, erneuerbare Energien, aber auch vor allem dadurch, dass wir einen dezentralen, lokalen Ansatz verfolgen, und dort, wo Energie verbraucht wird, auch dafür sorgen, dass es eine ausgeglichene Energiebilanz gibt, also auch vor Ort eine ausgeglichene Stoff- und Energiestrombilanz herrscht. Deswegen sind sich auch die meisten Experten einig, und das haben ja auch die Kollegen bestätigt, sind Stadtwerke das entscheidende Schlüsselelement auf dem Weg zur Energiewende. Sie sind es aber nur unter bestimmten Bedingungen, und da sind sich die Experten auch einig, und zwar, wenn sie die volle Wertschöpfungskette von Stadtwerken umfassen - egal ob Vertrieb, Betrieb, Produktion oder das Eigentum von Netzen. Und ich sage das hier auch, weil es dann auch um Fernwärme geht, und ich freue mich, Herr Oberbürgermeister, wenn Sie sagen, das wird wichtiger. Ich glaube, da muss in Zukunft unser Augenmerk noch mehr darauf liegen, dass wir auch bei der Fernwärme vorwärts kommen. Ich sage es aber auch deswegen, weil jetzt hier so Appelle im Raum standen, wir hätten doch schon Stadtwerke mit dem Vertrieb. Wir haben Stadtwerke gegründet, aber halbe. Und die Bürgerinnen und Bürger kaufen nicht die Katze im Sack und machen mit bei einem Stadtwerk wo sie nicht wissen, ob hinterher wieder die EnBW mit drin ist, oder ob hinterher wieder irgendwie das Netz gar nicht bei der Stadt Stuttgart landet. Es ist also von entscheidender, auch ökonomischer Frage, ob wir hier heute uns anstrengen im Verfahren, dass wir richtige Stadtwerke bekommen könnten. Das ist unsere Zielsetzung für diese Verhandlungen. Nur dann können wir ökologisch und ökonomisch erfolgreich sein.

Heute geht es darum, dass wir alte Fehler korrigieren, und das ist der nächste Vorteil von Daseinsvorsorge. Wir reden ja nicht von irgendetwas - Wasser, Energie, Wärme. Da geht es um zentrale Bausteine einer zukunftsfähigen Stadtgesellschaft und damit auch um die Frage, wer diesen Bereich der Daseinsvorsorge im Endeffekt kontrolliert, wer hier die strategischen Ziele vorgibt und mit welcher Motivation an diesen Betrieb herangeht. Deswegen war es ein Fehler, dass die Gemeinderatsmehrheit fast geschlossen - ich glaube, es gab einen Einzelstadtrat von der PDS, der damals dagegen gestimmt hat - hier unsere wichtige Daseinsvorsorge privatisiert und verkauft hat an die EnBW.

Und gerade in punkto Wasser, und das erwähne ich nur, weil hier einige den Gang in die Geschichte gewagt haben, den haben wir, Herr Kanzleiter, nicht nur bei der Kommunalwahl oder 2009 plötzlich begriffen, dass das ein Fehler war, sondern seit ich im Stadtrat bin. In den ersten Haushaltsberatungen 2005 habe ich den Antrag gestellt zum Rückkauf der Wassernetze. Ohne Wahlkampf, ohne alles, und einfach, weil ich es richtig fand. Leider habe ich auch damals keine Unterstützung von GRÜNEN und SPD für dieses Ziel erhalten. Nun sind wir zum Glück, und deswegen ist es manchmal gut, dass Wahlen anstehen, einen Schritt weiter und stehen jetzt hier wirklich, Herr Kuhn, Sie haben es gesagt, vor einer wichtigen Teilentscheidung.

Ich bin mir nicht ganz sicher, was wir eigentlich heute hier gerade machen. Mit dem Ersten Verfahrensbrief hatten wir eigentlich alles Notwendige beschlossen. Wir haben die klaren energiepolitischen Ziele in Form von Kriterien und deren Punktung gegossen und haben die für die Verhandlung vorgegeben. Wir haben erste Gespräche geführt, hatten Bewerber da, haben auch viele Kompetente da. Und jetzt passiert plötzlich etwas Eigenartiges: In der Konkretisierung der Erarbeitung des Zweiten Verfahrensbriefes passiert plötzlich was. Was? Es taucht ein weiteres Modell für eine Kooperation auf. Ein Modell, das uns die Rechtsexperten empfehlen, weil es nach den energiewirtschaftlichen Vorschriften besonders in punkto Unbundling Vorteile bringt. Man sagt, man muss das Eigentum trennen und macht den Betrieb getrennt, und der Eigentümer verpachtet es dann an die Betreiber.

Ich weiß nicht, das ist hohe Rechtsmaterie, man glaubt es den Rechtsberatern gerne, weil sie kompetent sind und auch Freunde der Rekommunalisierung. Aber unverständlich und völlig unerklärbar - und ich habe heute hier auch kein einziges Argument dafür gehört - ist, dass im gleichen Atemzug mit dieser Entscheidung und Konkretisierung ein zweites Modell eingeführt wird, das wir das Modell A nennen. Es gibt kein Argument. Ich habe es heute hier nicht gehört, von keinem von Ihnen. Sie haben dargestellt, was es gibt und welche Varianten. Warum und aus welchem Grund wir freiwillig und im Gegensatz zum Ersten Verfahrensbrief, den wir mehrheitlich beschlossen haben, dass im Falle einer Kooperation wir von den 51 % - die stehen in der Gemeinderatsdrucksache, die stehen auch in den Kriterienkatalogen drin - plötzlich teilweise abweichen, kann mir vielleicht jemand hier helfen und endlich einmal dafür einen Grund anführen.

Ein Argument habe ich gefunden. In der Verwaltungsvorlage steht drin: "Wenn der Kooperationspartner eine Mehrheit hat, dann könnte er eine Direktvergabe machen." Das wäre bestimmt interessant für die Wettbewerber, wenn man eine Direktvergabe machen kann von Dienstleistungen. Müssen wir nicht ausschreiben. Was machen wir eigentlich? Wir machen ein Ausschreibungsverfahren, öffentlich, diskriminierungsfrei und transparent und argumentieren in der gleichen Vorlage plötzlich, dass es für Bewerber interessant sein könnte, wenn er nicht ausschreiben müsste. Sie alle sitzen hier heute nicht im Sinne der Bewerber, sondern allein um das städtische Interesse. Sie sind auch nicht verpflichtet, laut Kommunalordnung, irgendwelcher breiter Mehrheiten, Herr Kuhn, sondern alleine dem, was dem Wohl der Stadt entspricht. Und aus den Gesichtspunkten, die ich vorher nannte, dass die Daseinsvorsorge eben eine kommunale und öffentliche Angelegenheit sein muss, kann ich es gerade nicht verstehen. Bei der FDP verstehe ich, die wollten nie Stadtwerke. Der CDU sind irgendwie die Lichter ausgegangen, Energiewende, hat man irgendwie gedacht, muss man etwas machen. Aber bei SPD und GRÜNEN, die in ihren Wahlprogrammen und ihren programmatischen Reden, Sie sind ja toll, Herr Kanzleiter, immer noch offiziell auf Sprüchen und Plakaten für Stadtwerke kämpfen, organisieren Sie heute eine Selbstaufgabe, und es ist doch eine Mär zu behaupten, dass da, und Sie haben es nicht konkret benannt, andere schuld wären, die eine Alles-oder-Nichts-Lösung wollten. Die SPD und die GRÜNEN hätten es doch in der Hand gehabt, gemeinsam mit uns für echte Stadtwerke von Anfang an. Diesen Weg wollte hier, und das muss einmal klar ausgesprochen werden, keiner von Ihnen. Zum Wohle dieser Stadt wäre das besser gewesen. Ich bin gespannt auf die Diskussion. Vielleicht kommt ja ein Argument, ich lerne gerne dazu. Bis jetzt habe ich es noch nicht gehört.

Aber nach der jetzigen Sachlage kann man nur zum Wohle der Landeshauptstadt und mit dem Ziel, die Energiewende wirklich engagiert anzupacken, diese Verwaltungsvorlage, so wie sie heute ist, ablehnen. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen eigentlich diesen Schritt nicht ablehnen. Deswegen werde ich heute erneut den Antrag stellen, nach der Vorberatung heute bei der Beschlussfassung, dass wir das Modell A streichen. Diesen Antrag möchte ich gerne heute erneut stellen, weil ich glaube, wenn der Punkt raus ist, wenn wir uns bei der möglichen Kooperation einlassen auf das, von Anfang an hier eine Minderheit zu gehen, machen wir einen Fehler, dann könnten auch wir - und dann hätten Sie eine wirklich breite Mehrheit für diese Gemeinderatsdrucksache - zustimmen.

Besonders nachdenklich sollte uns machen, und das ist eben kein kleiner Unterschied, wie es im VA argumentiert wurde, dass im Falle einer Kooperation an diesen 51 % oder 50,1 % relativ viel hängt. Ich habe genau zugehört, Herr Conz von der FDP hat das schon angedeutet, 'wir könnten ja jederzeit die beschlossenen Erhöhungsziele in Frage stellen'. Vielleicht nach der nächsten Kommunalwahl mit neuen Mehrheiten oder so was. Genau weil solche Sachen ins Land stehen, geht es also nicht nur um die Frage, was sind echte Stadtwerke? Stadtwerke sind nichts, wo die Stadt nicht die Mehrheit hat. Stadtwerke sind, wenn wir die Mehrheit haben, nicht nur darum geht es, sondern es geht auch darum, ob wir überhaupt jemals an dem Ziel einer Mehrheit ankommen oder ob nicht in einem Rollbackversuch der schwarze Block hier im Rathaus uns wieder einfängt - spätestens wenn Sie die Mehrheiten dazu haben - und den Weg zu echten Stadtwerken blockiert. Deswegen verstärke ich meinen Appell an diejenigen, die so etwas nicht wollen können, an die GRÜNEN und an die SPD, hier den Antrag zu unterstützen, das Modell A zu beseitigen. Nehmen Sie es ernst, hier wirklich für Klarheit zu sorgen und von Anfang an, das ist der Appell. Ich hoffe, ich konnte Sie zum Nachdenken bringen. Vielen Dank."


StR Dr. Schlierer (REP):
"Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, worum geht es heute? Bei Herrn Rockenbauch geht es um die Selbstdarstellung. Er hat ja auch sehr bezeichnend schon zum Ausdruck gebracht, dass er sich gar nicht sicher ist, was er hier macht. Ich zitiere Sie jetzt gerade, so wie Sie sich vorne dargestellt haben. Also von daher gesehen kann ich nur sagen, die ganzen Ausführungen zeigen, dass Sie eigentlich gar nicht begriffen haben, worüber wir hier heute sprechen. Sie reden von kommunaler Daseinsvorsorge. Die ist völlig unstreitig. Es geht heute auch nicht um das Thema kommunale Daseinsvorsorge, sondern es geht heute darum, dass die Stadt Stuttgart eine Entscheidung treffen muss und diese Entscheidung nicht nach freien Maßstäben treffen kann, weil auch die Kommunen in diese Rechtsordnung und in diese Verfassungsordnung eingebunden sind. Die Kommune ist auch deshalb eingebunden, weil sie ja aus dieser Verfassungsordnung auch eigene Ansprüche geltend macht. Und da kann man eben nicht hingehen, so wie Sie gerade eben sagen: 'Ja, ob es formal nun geht oder nicht, wir wollen da so einen Antrag jetzt einfach abstimmen.' Was Sie hier machen, ist höchst fahrlässig, wenn nicht geradezu schädlich für die Stadt, denn mit Ihrem Ansinnen wollen Sie das gesamte Vergabeverfahren gefährden und damit die Entscheidung, die wir in der 3. Phase dann zu treffen haben, bereits von vornherein dem Makel einer möglichen Anfechtbarkeit aussetzen. Und das halte ich, gemessen daran, woran wir uns als Stadträte verpflichtet haben, für unmöglich. Entweder Sie werden sich bewusst, dass es hier in einem Gemeinderat nicht darum geht, irgendwelche ideologischen Spielwiesen zu bedienen, sondern sich an dem zu orientieren, was einem im Rahmen der Entscheidungsfindung vorgegeben ist, oder Sie lassen es lieber sein.

Ich will Sie dann auf ein paar weitere Punkte hinweisen. Wir haben in dem Ersten Verfahrensbrief bereits drei Optionen festgelegt. Wir haben gesagt, da kann es Angebote geben für den Abschluss eines Konzessionsvertrages, der an einen möglichen Konzessionär geht. Wir haben gesagt, da wird es Angebote zu bewerten geben für Gründung von Kooperationsunternehmen, und wir haben gesagt, es wird natürlich auch das Angebot einer reinen Rekommunalisierung zu prüfen sein, aber ergebnisoffen. Und bei den Kooperationsunternehmen ist im Ersten Verfahrensbrief - Sie können in der Drucksache nachlesen ab Seite 34 ff. – zwar zum Ausdruck gebracht worden, dass man bei einem, ich sage mal Ein-Ebenen-Modell, das Ziel von 51 % anstrebt, aber es ist nicht von vornherein ausgeschlossen worden, dass es beispielsweise Modelle wie das sogenannte Modell A oder das Modell B gibt. Deswegen kann man auch nicht hingehen und sagen, jetzt wird hier sozusagen durch die Hintertür etwas eingeführt, was von vornherein ausgeschlossen war. Das ist schlichtweg falsch. Sie kennen die Drucksache aus dem letzten Jahr nicht.

Wenn man sich jetzt diesen Zweiten Verfahrensbrief ansieht, dann ist es in der Tat so, dass die verschiedenen Kooperationsmodelle durchaus ihre Vor- und Nachteile haben. Ich halte es in der Tat bei dem sogenannten Modell A auch für wünschenswert, wenn die Zeit, die veranschlagt wird für den möglichen Erwerb einer entsprechenden Mehrheit im Bereich des Netzbetriebes, kürzer gewählt wäre. Aber man wird auch hier klugerweise natürlich eine Entwicklung ins Auge fassen, die nachher auch realitätsnah ist. Grundsätzlich legen wir uns heute nicht fest. Wir eröffnen die Möglichkeiten im Rahmen der zweiten Phase, die entsprechenden Bewerbungen abzugeben, und der Herr Oberbürgermeister hat zurecht darauf hingewiesen, wir haben ja den Kriterienkatalog bereits hier festgelegt. Und nach dieser Festlegung wird dann nachher die Entscheidung zu treffen sein, welches dieser Angebote zum Zuge kommt. Das war uns von vornherein klar.

Ich möchte noch mal daran erinnern, dass wir auch bei der Diskussion über die Konzessionsvergabe an sich immer klar gesagt haben, es wäre uns natürlich lieber, wenn wir das höchst selbst entscheiden könnten, am besten inhouse, aber wir müssen eben zur Kenntnis nehmen, dass das nicht geht. Und jetzt kann man natürlich sagen, wieso kommt eine Behörde wie das Bundeskartellamt oder die Bundesnetzagentur dazu, uns hier irgendwelche Vorgaben zu setzen? Diese Kritik müssen Sie an den Bundesgesetzgeber richten. Wenn im Energiewirtschaftsgesetz entsprechende klare Vorgaben stehen, dann sind die dort festgelegt. Und dann muss man das eben meinetwegen auf bundespolitischer Ebene ändern, wenn man es nicht haben will, dabei aber immer im Hinterkopf behalten, dass das Ganze natürlich auch europarechtlich mit überformt ist. Und ich muss ganz offen sagen, ich verstehe diese Diskussionen nicht, die jetzt auch im Zusammenhang mit dieser Frage immer wieder geführt werden, wo man sich darüber beschwert, dass man durch entsprechende Vorschriften und Vorgaben, durch Richtlinien, in seinen Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt wird, während man vorher mit großem Jubel begrüßt hat, dass doch nun alles in diesen großen europapolitischen Zusammenhängen sich auflöst. So ist das. Man kann nicht nach dem Motto verfahren: 'Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass.' Es ist so, dass uns das Europarecht von vornherein eine sehr einseitige wettbewerbsrechtliche Sicht und Beurteilung vorgegeben hat und diese Maßstäbe gelten nun mal, übrigens nicht nur im Bereich der Konzessionsvergabe. Und wenn das so ist, dann muss man nicht nur damit leben, sondern man muss versuchen, daraus das Beste zu machen. Und das, glaube ich, haben wir hier mit diesem durchaus nicht einfachen Verfahren jetzt in Angriff genommen. Wir sind jetzt in einer zweiten Phase, wir werden bis Ende des Jahres die entsprechenden Entscheidungen zu treffen haben. Und jeder Versuch, dieses Verfahren noch auf dem Weg zu einem Ergebnis zu gefährden, muss entschieden zurückgewiesen werden."


OB Kuhn:
"Ich möchte jetzt auf einige der Fragen vom Herrn Rockenbauch noch eingehen.

Erst einmal, es ist jetzt nichts Neues geschehen. Den Zahn, lieber Herr Rockenbauch, muss ich Ihnen ziehen. Sie haben selber im Juli letzten Jahres Kriterien festgelegt, wie die Vergabe stattzufinden hat. Ich wiederhole noch einmal, da geht es um Energiesicherheit, Versorgungssicherheit, und es geht genauso wesentlich um die Frage der Stärkung des kommunalen Einflusses. Und es war von Anfang an klar in diesem Ersten Verfahrensbrief, dass es dann eine Dialogphase geben wird, aus der heraus ein Zweiter Verfahrensbrief entsteht, und zwar mit dem Ziel, damit möglichst viele Bewerber stärkere Klarheit bekommen, auf welcher Basis von Zielprojektion des Gemeinderats sie sich bewerben können und sollen. Dann wird erst verhandelt.

Und jetzt zu der ersten Frage von Ihnen, warum haben wir gesagt, wir wollen Eigentum und Betrieb trennen? Das hat einen ganz einfach Grund: Weil nur mit dieser Konstruktion von Anfang an der kommunale Anteil besser gesichert werden kann, jedenfalls dann, wenn man das Energiewirtschaftsgesetz akzeptiert. Und ich denke, dass es klug ist, wenn die Stadt Stuttgart dieses akzeptiert, weil es Teil unserer Rechtsordnung ist. Also das ist der erste Punkt. Deswegen haben wir das gemacht. Damit allen Bewerbern klar ist, egal wie die Entscheidung aussieht, aber sie sieht so aus, dass schon über diesen Punkt der kommunale Einfluss stärker gesichert werden kann. Übrigens, da könnten Sie eigentlich nichts dagegen haben. Aber Sie haben gefragt, warum das plötzlich gekommen ist. Und ich habe Ihnen jetzt den Grund erklärt, warum es gekommen ist.

Zweiter Punkt, das will ich nochmals sagen, es gibt zwei Bewerbungen als Alleinkonzessionär, wie Sie wissen. Und beide, die sich da beworben haben, haben eine offene Chance, die Konzession zu bekommen. Sie müssen jeweils Unterschiedliches leisten, weil es eine Asymmetrie gibt zwischen dem, der ein Netz hat, und denen, die das Netz noch nicht haben. Der, der das Netzt hat, hat ein Problem, ich will das ganz offen sagen. Er muss darstellen, wie er den kommunalen Einfluss stabilisieren und stärken will. Sonst kann er gar nicht die größte Punktzahl bekommen. Und der, der das Netz noch nicht hat, oder die, die es noch nicht haben, müssen darstellen, wie ein Aufbauplan ihrer Netzkonzeption aussieht, sodass sie schnell und sicher das Netz auch wirklich übernehmen können. Das ist die ganze Logik des Verfahrens.

Weil Sie im Ausschuss gestern beantragt haben, das Modell A zu streichen, will ich ganz deutlich sagen, ich finde es richtig, auch für die verhandlungstaktische Position, die die Stadt einnehmen kann, wenn wir möglichst viele Bewerber im Verfahren behalten und nicht wenige. Das ist ja ein logisches Ziel bei Verhandlungen, je mehr du hast, umso schöner wird die Verhandlung. Wenn ich nur mit einem verhandle, ist es nicht so günstig für die energiepolitischen Ziele, ich will es nochmals sagen, die der Rat im Juli 2012 aufgestellt hat.

Ich denke dauernd über den Spruch da oben nach. 'Ausschreibung führt zu Privatisierung' steht da auf einem der Transparente. Ich will ganz klar sagen, wir sind aufgrund der gesetzlichen Lage und der entsprechende Rechtsprechung zur Ausschreibung gezwungen. Würden wir nicht ausschreiben und eine Art Inhouse-Verfahren praktizieren, will ich einmal deutlich sagen, wer dann der Gewinner ist: Der Altkonzessionär ist dann der Gewinner. Denn er behält dann, wenn wir vor Gericht scheitern. Und deswegen ist dieses kompliziert wirkende Verfahren, das wir wählen, die richtige Antwort darauf, wenn die Stadt auch Veränderungen haben will. Und deswegen liegt das ganz klar auf dem Tisch, dass wir so verhandeln wollen und müssen, wie wir es vorgesehen haben. Das ist eigentlich nichts mit Pfeifen, sondern es ist die Frage, ob man akzeptiert, dass es heute Gesetze gibt. Und wenn wir die als Stadt verletzen, dann kriegen wir keine Neuordnung im Stuttgarter Energierecht. So ist die Lage. Ich will das ganz eindringlich sagen, weil das gar keinen Sinn hat, an dem Faktum vorbeizureden. Wenn jemand sagt im Rat, die bestehende Energierechtsordnung interessiert mich nicht, wir schauen mal, was rauskommt vor Gericht, dann soll er das sagen. Das ist eine Haltung, die man einnehmen kann, aber die möglicherweise nicht zum Ziel führt. Deswegen habe ich diese Ausführungen jetzt noch mal machen wollen."

An StR Rockenbauch gewandt weist der Vorsitzende noch darauf hin, dass im Unterausschuss sechs Monate lang die Gelegenheit bestanden habe, Fragen zu stellen, und dass es auch viele Antworten gegeben hat. Wenn er - StR Rockenbauch - nach sechs Monaten erkenne, dass jetzt alles anders sei und dass da "etwas Geheimnisvolles" geschehen sei, entspreche dies nicht der Realität, wie sie im Ausschuss bestanden habe.


StR Pätzold widerspricht an StR Rockenbauch gewandt dessen Aussage, dass die Stadtwerke "nur halb oder nicht richtig da sind". Die Stadtwerke seien gegründet, mit einem ordentlichen Grundkapital ausgestattet worden und sie arbeiten. Ebenso sei dem Stadtrat bekannt, dass Stuttgart Energie eine unabhängige Tochter und unabhängig von Netz und Konzession ist. Jetzt so zu tun, als ob der Gemeinderat mit den Stadtwerken auf dem Weg in die Privatisierung wäre, widerspreche den bisherigen Diskussionen und dem bisherigen Ablauf. Das heute von StR Rockenbauch gezeigte Engagement hätte er sich bei den Beratungen des Unterausschusses gewünscht. Zum sog. Modell A habe es dort keine solch negativen Bewertungen gegeben, sondern es habe die Überlegung bestanden, dass dieses Modell einen gewissen Hintergrund habe und auch nicht so schlecht wäre.

Nachdem gestern im Verwaltungsausschuss ein Antrag von StR Rockenbauch zur Abstimmung gestellt wurde, sei dieser Antrag erledigt und könne im Prinzip heute nicht nochmals aufgerufen werden, so StR Pätzold.

Bei diesem wichtigen Thema sollte die Auseinandersetzung um das Ziel im Vordergrund stehen und diese werde zumindest seine Fraktion auch weiterhin engagiert im Unterausschuss und in den sonstigen Gremien führen, betont StR Pätzold. Die Stadtwerke arbeiten und seien ein Werkzeug, um beim Klimawandel und bei der Energiewende weiterzukommen.

StR Kanzleiter spricht kurz die Wasserversorgung an, für die die Konzessionsverträge bis zum 31.12.2013 laufen und erfüllt werden müssen. Verhandlungen zum Rückerwerb seien im Gange. Seine Fraktion hoffe, dass es bald ein Ergebnis geben wird; wenn der Rechtsweg bis zum Ende gegangen werden müsse, werde dies allerdings noch mehrere Jahre dauern.

Beim Modell A für eine mögliche Kooperation bei der Konzessionsvergabe gebe es zwei Möglichkeiten, und zwar entweder mit einer Mehrheit von Anfang an oder mit einer Minderheit von Anfang an, fährt StR Kanzleiter fort. Dies erweitere den Verhandlungsspielraum der Stadt. Bedacht werden müsse auch ein weiterer Punkt, nämlich dass bei einer möglichen Übernahme des Netzes erfahrene Fachleute benötigt werden, die das Ganze aufbauen. Dies sei eine Phase des Risikos, das nicht unterschätzt werden dürfe, zumindest so lange, bis die Entflechtung der Netze erfolgt wäre.

Außerdem erinnert StR Kanzleiter daran, dass er in seinen Ausführungen deutlich gemacht habe, dass seine Fraktion sich sehr wohl auch eine kürzere Zeit bis zu einem vollständigen oder einem mehrheitlichen Übergang des Eigentums bei einer möglichen Kooperation vorstellen könnte. Dies habe StR Rockenbauch verhindert. Er sollte sich mehr den Realitäten annähern und überlegen, was machbar ist und wie eine Lösung am schnellsten realisiert werden könne, ohne wirtschaftliche Risiken für die Stadt einzugehen. Seine Fraktion stimme heute der Vorlage zu, weil sie alle Möglichkeiten offen lasse, weil Risiken minimiert werden können und weil auch unter taktischen Gesichtspunkten verschiedene Varianten "gespielt" werden können.

StR Rockenbauch stellt zunächst klar, dass er sehr wohl wisse, was bei den Stadtwerken beschlossen wurde. Er habe auch alle Beschlüsse, was den Vertrieb und auch die Produktion angehe, mitgetragen. Dass die Kundenzahl der Stadtwerke Stuttgart noch nicht so hoch sei, wie man sich dies wünsche, hänge damit zusammen, dass viele engagierte Bürgerinnen und Bürger, die ein ökologisches und sogar kommunales Produkt befürworten, noch Kunden z. B. beim Vertriebspartner EWS mit einem "vollen Stadtwerk" seien - ohne Atom, ohne EnBW -, und diese Gewissheit in Stuttgart nicht hätten.

Die Aussage, dass durch das Modell A, bei dem der Betrieb der Stadtwerke zehn Jahre nicht mehrheitlich in städtischer Hand sei, sich die Stadt Verhandlungspartner gesichert habe, könne er gelten lassen, aber ein solches Modell wolle er persönlich nicht, betont der Stadtrat.

Er habe das Verfahren nicht angegriffen; er halte es aber für richtig, die Rechtsprechung und die gesetzliche Grundlage, die die Stadt zu einem solchen Verfahren zwinge, zu kritisieren. Er sehe es auch als Aufgabe einer Landeshauptstadt bzw. eines Gemeinderats einer Landeshauptstadt an, deutlich zu machen, dass z. B. durch EU-Recht in die Selbstverwaltung der Kommunen eingegriffen wird, sodass sie die örtlichen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können, obwohl es um die Daseinsvorsorge gehe. Diese Kritik richte sich nicht an den Herrn Oberbürgermeister, die Verwaltung oder die Rechtsanwälte. Da derzeit der Bundestagswahlkampf stattfinde, wäre dies eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, was bezüglich des Grundgesetzes und des Artikels 28 notwendig wäre.

An OB Kuhn gewandt dankt StR Rockenbauch dafür, dass der Antrag seiner Fraktionsgemeinschaft auf öffentliche Beratung im Verwaltungsausschuss und im Gemeinderat aufgegriffen wurde.

Auf die Frage von StR Rockenbauch, warum man auf ein Modell A als eine der verschiedenen Verhandlungsgrundlagen für eine mögliche Kooperation komme, erläutert OB Kuhn, dies ergebe sich, weil durch die Trennung von Eigentum und Betrieb, welche die Verwaltung später ins Verfahren eingebracht habe und die der Gemeinderat im Rahmen der Rechtsordnung akzeptiert habe, sich die Situation verändert hat. Es sei sowohl beim Modell A wie beim Modell B von Anfang an eine kommunale Mehrheit im Eigentum vorgesehen. Damit sei der Erste Verfahrensbrief an der Stelle durch neue Erkenntnisse erweitert worden. Dass im Zweiten Verfahrensbrief der Erste Verfahrensbrief aufgegeben oder widerlegt worden sei, sei nicht der Fall, sondern es handle sich um eine Kontinuität, betont der Vorsitzende.

Weiter merkt OB Kuhn an, er halte das, was heute im Zweiten Verfahrensbrief beschlossen werde, für nichts anderes als einen Verhandlungsrahmen. Ein Anbieter, der den Zuschlag erhalten wolle, müsse insgesamt die volle Punktzahl erreichen und nicht nur die volle Punktzahl auf den Gebieten, wo er ohnehin stark sei. Deswegen werde es "gute und spannende Verhandlungen" geben, welche die Gemeinderatsmitglieder im Unterausschuss gemeinsam mit der Verwaltung zu bewerten haben werden.


Abschließend stellt OB Kuhn folgende Abstimmungsergebnisse fest:

Den Antrag von StR Rockenbauch, das Modell A zu streichen, lehnt der Gemeinderat mehrheitlich ab (3 Ja-Stimmen).

Der Gemeinderat beschließt bei 3 Gegenstimmen mehrheitlich wie in der GRDrs 344/2013 Neufassung beantragt.


- Nach der Abstimmung bittet OB Kuhn die Aufsichtsratsmitglieder der Stadtwerke Stuttgart, wieder ihre Plätze im Beratungsbereich des Sitzungssaales einzunehmen -

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