Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
1
1
VerhandlungDrucksache:
-
GZ:
-
Sitzungstermin: 07.01.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Amtseinführung und Verpflichtung von Herrn Oberbürgermeister Kuhn

Die Amtseinführung von Herrn Oberbürgermeister Kuhn wird vom Olivia Trummer Trio musikalisch begleitet.

Die Reden von Herrn Ministerpräsident Kretschmann, OB Kuhn, EBM Föll, StR Pätzold (90/GRÜNE) und Herrn Theilen (GPR) sind im leicht redigierten Wortlaut wiedergegeben.


EBM Föll:
"Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kuhn, verehrte Frau Ulshöfer, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister und
Ehrenbürger Prof. Dr. Schuster, verehrte Frau Dr. Schuster, sehr geehrte Frau Landtags-Vizepräsidentin Lösch, verehrte Mitglieder der Landesregierung von Baden-Württemberg, meine Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestags und des Landtags von Baden-Württemberg, meine Damen und Herren Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte, sehr geehrter Herr Regierungspräsident Schmalzl, sehr geehrter Herr Regionalpräsident Bopp, meine Damen und Herren Vorsitzende der Fraktionen des Stuttgarter Gemeinderats, verehrte Stadträtinnen und Stadträte, verehrter Herr Generalkonsul Türker Ari, sehr geehrter Herr Theilen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Stuttgarterinnen und Stuttgarter, zur Amtseinführung von Herrn Oberbürgermeister Kuhn heiße ich Sie persönlich im Namen des Gemeinderats sowie der Stadtverwaltung auf das Herzlichste willkommen. Vielen Dank, dass Sie alle unserer Einladung zum Jahresbeginn gefolgt sind und ich wünsche Ihnen zu Beginn des Jahres 2013 alles Gute. Möge es für uns alle ein gelingendes neues Jahr 2013 werden.


Es ist für die Landeshauptstadt Stuttgart eine große Ehre und Freude, Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann, heute im Stuttgarter Rathaus begrüßen zu dürfen. Ihr Kommen dokumentiert Ihre persönliche Verbundenheit zur Landeshauptstadt Stuttgart und sicherlich auch zu unserem neuen Oberbürgermeister. Ein herzliches Willkommen und herzlichen Dank für Ihre anschließende Ansprache.

Ebenso herzlich begrüße ich die Mitglieder der Landesregierung, Herrn Minister Untersteller, Herrn Minister Hermann, Herrn Staatssekretär Murawski, Herrn Staatssekretär Walter und Herrn Staatssekretär Dr. Mentrup zugleich auch als gewählten Oberbürgermeister unserer geschätzten Partnerstadt Karlsruhe. Ihnen allen ein herzliches Willkommen. Besonders herzlich begrüße ich an seiner bisherigen Wirkungsstätte unseren Oberbürgermeister und Neu-Ehrenbürger und Neu-Professor Wolfgang Schuster und mit ihm Sie, verehrte, liebe Frau Dr. Schuster. Herzlich willkommen.

Demokratisch gewählte Ämter sind immer Ämter auf Zeit. Es ist ein gutes Zeichen für die demokratische Kultur, wenn ein solcher Amtswechsel reibungslos und nahtlos sowie stilvoll und vertrauensvoll funktioniert. Herzlichen Dank dafür.

Stellvertretend für die heute zahlreich anwesende kommunale Familie begrüße ich die Präsidentin des Städtetags Baden-Württemberg, Frau Oberbürgermeisterin Bosch, und den Präsidenten des Gemeindetags von Baden-Württemberg, Herrn Kehle. Ihnen beiden ein herzliches Willkommen.

Es ist mir eine große Freude, die Repräsentanten der evangelischen und katholischen Kirche in Stuttgart, Herrn Prälat Mack und Herrn Stadtdekan Dr. Hermes, und für die israelitische Religionsgemeinschaft in Württemberg Sie, sehr verehrte Frau Vorsitzende Traub, begrüßen zu können. Ein herzliches Willkommen.

Und ganz besonders herzlich begrüße ich zwei Träger der Bürgermedaille der Landeshauptstadt Stuttgart, es freut uns sehr, dass Sie, lieber Herr Wolfgang Dauner, und Sie, lieber Herr Dr. Gerhard Lang, heute dieser Amtseinführung beiwohnen. Ein herzliches Willkommen.

Und selbstverständlich begrüße ich nicht minder herzlich alle Vertreter der Wirtschaft, der öffentlichen Behörden und Justiz, der Kultur, der sozialen Einrichtungen, der Universitäten und Fachhochschulen, die Mitglieder des Konsularischen Korps, die Repräsentanten unserer Partnerstädte und alle Bürgerinnen und Bürger, die sich in den unterschiedlichsten Bereichen für unsere Stadt als blühendes Gemeinwesen einsetzen. Ihnen allen ein herzliches Willkommen. Und ich schließe darin natürlich auch die zahlreichen Vertreter der Medien heute ein.

Und last, but not least, begrüße ich unseren neuen Oberbürgermeister, Sie, sehr geehrter, lieber Herr Kuhn. Ein herzliches Willkommen in Ihrer neuen Wirkungsstätte.

Und mit Ihnen freue ich mich natürlich, Sie, sehr verehrte Frau Ulshöfer, und Ihre Familie begrüßen zu können. Ebenfalls Ihnen ein herzliches Willkommen im Stuttgarter Rathaus, das ja auch ein Stück weit in Zukunft Ihr Lebensmittelpunkt werden wird. Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie sich hier wohlfühlen und dass Sie gute Jahre in diesem Rathaus erleben werden. Herzlich Willkommen, liebe Frau Ulshöfer und ganze Familie Kuhn.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kuhn, nun ist es soweit. Mit dem heutigen Tag übernehmen Sie die Verantwortung für unsere Landeshauptstadt Stuttgart. Eine herausfordernde und schöne Aufgabe zugleich. Kommunale Selbstverwaltung bedeutet eine ungeheure Vielfalt von Themen und Gestaltungsmöglichkeiten. Nicht abstrakt, sondern konkret für die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt spürbar und erlebbar. Sie haben mit Ihrer Wahl das Vertrauen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gewonnen. Und ich bin sicher, dass Sie dieses Vertrauen mit Ihrer Maxime 'Ein Oberbürgermeister für alle' zu sein noch weiter verbreitern werden. Brücken zu bauen und Gräben zu überwinden, das geht sicherlich nicht von heute auf morgen. Aber Tag für Tag werden Sie sich dafür beharrlich 'ins Zeug legen' und daran mit der den Allgäuern eigenen Beharrlichkeit und Konsequenz arbeiten. Ja, dann kann - nein, es wird Ihnen gelingen. Davon bin ich fest überzeugt. Und gleichzeitig sind Sie Chef einer Stadtverwaltung mit rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Sie bei der Amtsführung engagiert und loyal unterstützen werden. Auf die Stadtverwaltung können Sie sich, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kuhn, verlassen. Das kann ich Ihnen guten Gewissens versprechen. Ich wünsche Ihnen persönlich und im Namen der Landeshauptstadt Stuttgart eine glückliche Hand bei Ihren Entscheidungen und natürlich persönliche Gesundheit und Wohlergehen. Und ich freue mich gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Bürgermeisteramt auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Amtseinführung von Herrn Oberbürgermeister Kuhn findet im Rahmen einer Sitzung des Gemeinderates statt, die ich hiermit eröffne und den einzigen Tagesordnungspunkt aufrufe. Und ich freue mich, dass wir ungewöhnlich zahlreiche Gäste bei dieser Sitzung des Stuttgarter Gemeinderats haben. Ich hoffe, das wird sich im Laufe des Jahres wiederholen. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich zu Beginn einige wenige Formalien abhandeln muss, aber diese Formalien schreiben uns Recht und Gesetz vor. Und wir wollen ja eine korrekte, rechtssichere Amtseinführung durchführen. Mit Urkunde vom 07. November 2012 hat Regierungspräsident Schmalzl festgestellt, dass die Wahl des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Stuttgart am 07. Oktober 2012 und die Neuwahl am 21. Oktober 2012 mit Wirkung vom gleichen Tag rechtskräftig ist. Damit ist Herr Fritz Kuhn auf die Amtszeit von acht Jahren zum Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart gewählt worden. Ich darf Ihnen, Herr Oberbürgermeister Kuhn, zu Ihrer Wahl im Namen der Bürgerschaft, des Gemeinderats und der Stadtverwaltung herzlich gratulieren.

Nach § 42 Abs. 6 der Gemeindeordnung hat die Vereidigung und Verpflichtung von Herrn Kuhn ein vom Gemeinderat gewähltes Mitglied in öffentlicher Sitzung der Vollversammlung im Namen des Gemeinderates vorzunehmen. Entsprechend den seit Jahrzehnten bestehenden Gepflogenheiten in diesem Hause wird dies von dem oder den Vorsitzenden der stärksten Fraktion im Gemeinderat vorgenommen. Dementsprechend wurde unter den Fraktionen abgesprochen, die Vorsitzenden der Fraktion Bündnis 90/
DIE GRÜNEN, Frau StRin Fischer und Herrn StR Pätzold, mit dieser Aufgabe zu betrauen. Ich frage die Mitglieder des Gemeinderats, Sie, verehrte Stadträtinnen und Stadträte, ob Sie gegen dieses Vorgehen und den Vorschlag Widerspruch erheben. Dies ist nicht der Fall - erfreulicherweise. Damit wird nunmehr Ihnen, Frau StRin Fischer und Herr StR Pätzold, diese ehrenvolle Aufgabe im weiteren Verlauf zuteil. Aber zunächst darf ich Sie, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, bitten, zu uns zu sprechen. Herzlichen Dank."




Herr Ministerpräsident Kretschmann:

"Lieber Fritz Kuhn, liebe Waltraud Ulshöfer mit Söhnen Mario und Leon. Ich darf begrüßen die Vertreter des Souveräns, die Bundestagsabgeordneten Bender, Kaufmann, Kumpf, Maag und Vogt. Aus dem Landtag die stellvertretende Landtagspräsidentin Frau Lösch, die Fraktionsvorsitzende Sitzmann und die Abgeordneten Muhterem Aras, Nikolaus Tschenk und Reinhard Löffler. Und ich darf die Kollegen begrüßen: Minister Hermann, Minister Untersteller, die Staatsekretäre Murawski, Mentrup und Walter. Und ich darf Sie besonders begrüßen, lieber Herr Prof. Dr. Schuster, liebe Frau Schuster. Ich darf Sie recht herzlich begrüßen, Frau Präsidentin Bosch und Herr Präsident Kehle, und ja, darf Sie alle, meine Damen und Herren Bürgermeister, Gemeinderäte, Gemeinderätinnen, recht herzlich begrüßen.

Die Amtseinführung eines neuen Oberbürgermeisters, zumal in der Landeshauptstadt, ist natürlich ein besonderes Ereignis, und dass ich hier eingeladen wurde zu sprechen, ehrt mich und freut mich natürlich sehr. Es gibt ja immer wieder Debatten, ob das Amt des Stuttgarter Oberbürgermeisters das zweitwichtigste im Land ist. Ich habe mich da klar positioniert, ja, aber ich will es jetzt nicht vertiefen. Aber unzweifelhaft ist, Stadtoberhaupt der Landeshauptstadt zu sein, ist eine herausragende Aufgabe und eine sehr verantwortliche Position für Stuttgart natürlich ohnehin, aber auch weit darüber hinaus, wie wir wissen. Und selbstverständlich arbeiten wir als Landesregierung mit den Kommunen, ganz unabhängig von der Parteifarbe, gut zusammen, aber Sie werden mir zugestehen, meine Damen und Herren, dass ich mich heute natürlich besonders freue, dass nun mit Fritz Kuhn ein Grüner die kommenden acht Jahre dieses Amt ausfüllt. Wir sind ja nun seit 30 Jahren politische Weggefährten, und deswegen freut es mich auch ganz persönlich, lieber Fritz, dass Du diesen Tag heute erleben darfst.

Ich möchte noch einen Umstand erwähnen, der unmittelbar mit dem Amt des Stuttgarter Oberbürgermeisters zusammenhängt, denn erst mit der Württembergischen Gemeindeordnung von 1930 wurde für das Oberhaupt von Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern der offizielle Titel 'Oberbürgermeister' überhaupt eingeführt. Bis dahin lautete die Amtsbezeichnung seit 1819 'Stadtschultheiß'. Zwar konnte der württembergische König schon vorher den Ehrentitel 'Oberbürgermeister' an ausgewählte Schultheiße in großen Städten verleihen, und er hat dies im Falle Stuttgart seit 1822 auch fast immer getan, aber die offizielle Bezeichnung blieb der besagte Schultheiß. Und das heißt ja so etwas wie 'der Schuldenheischende'. Er war also einer, der die Mitglieder der Kommune dazu anhielt, dem Stadtherren, etwa dem württembergischen König, ihre Schuldigkeit zu leisten, d. h. also im Klartext, dafür zu sorgen, dass Steuern und Abgaben geleistet werden und Dienste zu übernehmen sind.

Unser heutiges Verhältnis zum Oberbürgermeister ist glücklicherweise ein anderes: Er ist gleichsam der Erste Bürger seines Gemeinwesens und er dient keinem einzelnen Herrn, auch nicht dem Ministerpräsidenten, sondern der gesamten Bürgerschaft seiner Kommune als Chef der Verwaltung mit Durchgriffsrechten, darum beneide ich die Oberbürgermeister immer etwas, Vorsitzender des Gemeinderats und Repräsentant der Stadt insgesamt. Dabei leitet er aber die Geschicke der Kommune bekanntlich nicht alleine, er tut es gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Gemeinderat, der nach unserer Gemeindeordnung der Vertreter der Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde ist. Und ich glaube, dass wir mit Gemeindefreiheit und kommunaler Selbstverwaltung nicht nur den wesentlichen Beitrag als deutschsprachiger Raum in die europäische Freiheitsgeschichte eingebracht haben, sondern ich glaube auch, dass diese knitze Kommunalverfassung mit diesem starken OB, aber dem Hauptorgan eines Ehrenamtes, wo alle Strömungen der Bürgerschaft in die Verwaltung einfließen, mit der Allparteienregierung in großen Städten, ich glaube, das ist das konstitutionelle Fundament dafür, dass unsere Kommunen im Südwesten so erfolgreich sind, wie sonst nirgends in Deutschland. Deswegen haben auch immer mehr andere deutsche Länder diese Kommunalverfassung übernommen, und ich denke, sie zu leben, das ist wirklich etwas ganz, ganz Wichtiges und Entscheidendes. Und man erkennt die Bedeutung des Gemeinderates daran, dass eben nicht ich den Oberbürgermeister einführe, sondern der Gemeinderat selber. Und deswegen, glaube ich, ist das ein Amt, das viel gelobt und viel beneidet wird und das sehr, sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten hat. Aber der OB ist natürlich auch angewiesen auf eine sachkundige Verwaltung. Wir haben ja gehört, dass du, lieber Fritz, sie hier vorfinden wirst.

Ich will noch mal sagen, unsere Kommunen sind also das Fundament des erfolgreichen Weges, den Baden-Württemberg gegangen ist, neben einer starken Zivilgesellschaft - nirgendwo sind so viele Menschen ehrenamtlich engagiert wie bei uns im Südwesten - und natürlich den bekannten Tüftlern und Unternehmern, die wir in Baden-Württemberg haben. Das sind sozusagen die drei großen Säulen, die Wohlstand, Prosperität und Ansehen unseres Gemeinwesens ausmachen. Und deswegen ist der grün-roten Landesregierung an einer engen konstruktiven und verlässlichen Partnerschaft mit den Kommunen sehr gelegen. Das gilt natürlich ganz besonders auch für die Landeshauptstadt, denn Stuttgart steht ja immer auch für Baden-Württemberg, wie wir alle wissen. In ihrer Vielfalt als Hochschulstandort, als Wirtschaftszentrum, als Kulturmetropole und als offenes Gemeinwesen spiegelt die Stadt die besten Seiten unseres Landes wider. Und deswegen haben wir als Land und Landeshauptstadt Stuttgart sehr, sehr viele gemeinsame Aufgaben zu bewältigen, Leuchtturmprojekte aufzustellen, die ins ganze Land und weit darüber hinaus strahlen. Ich denke an den Ausbau der Kleinkindbetreuung, wo die Landesregierung noch mal sehr viel Geld in die Hand genommen hat, das sie natürlich von Ihnen geholt hat mit einer Steuererhöhung. Aber ich denke, das ist sehr gut angelegtes Geld. Bei der Schulentwicklung - wir sind ja in einem großen Umbruch durch die demografische Entwicklung - wird sich zeigen, dass wir in den großen Städten wie Stuttgart da am schnellsten und präzisesten vorangehen können. Ich denke aber auch an nachhaltige Mobilität, wo wir gemeinsame Leuchtturmprojekte schon auf die Beine gestellt haben, insgesamt an die Stärkung des Wirtschafts- und Wissenschaftsraumes, aber auch an das, was Stuttgart auch so bekannt gemacht hat, und wo Prof. Dr. Schuster die großen Spuren gelegt hat, die große Integrationsleistung in dieser multikulturellen Stadt mit sehr, sehr vielen Nationen, die hier zusammenleben.

Aber natürlich haben wir nicht nur solche schönen Seiten, wir müssen auch Stuttgart 21, das Problem, lösen. Und wir alle wissen, dass das nun durch die angesagten Kostensteigerungen ein sehr schwierig zu lösendes Problem ist. Da haben wir, glaube ich, sehr, sehr viele gemeinsame Aufgaben und Berührungspunkte. Und bei all diesen Themen sind wir an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit interessiert, dass wir offen und klar miteinander umgehen und das Anliegen des anderen jeweils wirklich ernst nehmen. Und ich möchte nochmals betonen: Dass ich einen großen Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung habe, ist bekannt, und deswegen mische ich mich auch nicht in kommunale Angelegenheiten ein. Und ich denke, dass Sie sich das klarmachen, dass alle Ebenen ihre Aufgabe haben und wir uns mit Respekt begegnen. Das ist die Grundlage einer guten partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Und ich denke, das wird mit Fritz Kuhn sehr, sehr gut gelingen - mit mir, aber auch allen anderen Mitgliedern der Landesregierung.

Und ich bin sicher, da ich Fritz Kuhn aus langer politischer Weggefährtenschaft kenne, dass Sie einen Oberbürgermeister haben mit einer sehr guten Analysefähigkeit, das habe ich immer geschätzt an ihm, da war er so gut wie niemand, den ich sonst kenne, mit hoher Sachkunde in allen Themen, die er sich vornimmt, aber auch mit einem großen Durchhaltevermögen, die Dinge, die er anpackt, durchzutragen, einem großen strategischen Vermögen, aber auch der Liebe zum Detail und Führungsstärke. Und ich denke, das sind die besten Voraussetzungen dafür, dass er ein guter Oberbürgermeister wird.

Ich wünsche der Landeshauptstadt deswegen alles Gute mit ihm, eine glückliche Hand dir, Fritz, und eine gute Zukunft bei der Führung deiner Amtsgeschäfte in Stuttgart. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute."


Herr Theilen (GPR):
"Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann, sehr geehrte Bundestags- und Landtagsabgeordnete, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte, sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sehr geehrte Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie im Namen des Gesamtpersonalrats und wünsche Ihnen allen zunächst ein gesundes und erfolgreiches 2013.

Sie, Herr Kuhn, stehen heute im Mittelpunkt dieser Veranstaltung. Mit der Dienstverpflichtung vollziehen wir den letzten formalen Akt der Oberbürgermeisterwahl. Da Sie der erste grüne Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt sind, wird dieser Akt zu Recht als historisch bezeichnet.

Sie sind der vierte Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart nach 1945. Die Vier gilt allgemein als Glückszahl. Ich wünsche mir, dass Sie für Stuttgart ein Glücksfall sind. Um bei der Vier zu bleiben, habe ich meine Rede in vier Bitten und ein Angebot gegliedert. Die ersten beiden Bitten sind allgemeiner Art, berühren aber auch die Interessen der Beschäftigten. Bei der dritten Bitte stehen die Interessen der Beschäftigten eindeutig im Vordergrund.

Und die letzte Bitte richtet sich an Sie und eine weitere Person im Saal. Den Schluss bildet ein Angebot der Personalvertretung an Sie, Herr Oberbürgermeister Kuhn. Mit wenigen Sätzen werde ich jede Bitte in einen Rahmen einbetten. Ich hoffe, ich konnte mit diesem kurzen Vorspann Ihre Neugier wecken, und Sie sind gespannt auf das, was jetzt kommt.

Der römische Kaiser Aurelius zog mit seinem Heer in eine Schlacht. Am Wegesrand stand eine alte Frau, die sprach den Kaiser an: 'Kaiser Aurelius, halte an. Ich muss mit dir reden.' 'Ich habe keine Zeit', antwortete der Kaiser. Die alte Frau ließ aber nicht locker und bat den Kaiser erneut, anzuhalten. Der antwortete wiederum: 'Ich habe keine Zeit.' Da rief ihm die alte Frau zu: 'Wenn du keine Zeit hast, kannst du kein Kaiser sein.' Herr Kuhn, Sie ahnen es, meine Bitte lautet: Nehmen Sie sich Zeit. Zeit für die Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger, Zeit für Institutionen und Verbände usw. und Zeit für Ihre Beschäftigten und die gewählten Interessenvertretungen der Beschäftigten.

Sie stimmen mir sicherlich zu, wenn ich behaupte, Führung ohne Kommunikation geht schief. Eine der wichtigsten Aufgaben in Ihrem ersten Amtsjahr wird sein, dem Doppelhaushalt 2014/2015 Ihren Stempel aufzudrücken. Damit verbunden sind viele Entscheidungen, die Sie treffen müssen. Für die Entscheidungen werden Sie Applaus und Kritik ernten. Eine verbreitete Reaktion - und Ausrede - von Politikern auf Kritik lautet: 'Es gibt/es gab keine Alternative, englisch: 'There is no alternative'. Diese angebliche Alternativlosigkeit versteckt sich häufig auch in Sätzen, die mit 'Ich war gezwungen …', 'Ich musste …' beginnen. Immer geht es um die unwahre Behauptung, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen gebe. Damit besteht keine Notwendigkeit zur Diskussion und Argumentation. So die verdeckte Absicht. Hazel Henderson, die amerikanische Zukunftsforscherin und Expertin für alternative Ökonomie, brachte es auf den Punkt. Die Ökonomie unterliegt nicht dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Vereinfacht ausgedrückt brachte sie damit zum Ausdruck, dass die Ökonomie keinen Naturgesetzen folgt. Ökonomische Prozesse beruhen auf der Entscheidung von Menschen. Die Anfangsbuchstaben von 'There is no alternative' ergeben 'Tina'. Man könnte jetzt assoziativ an eine alte Rocksängerin erinnern, aber das möchte ich nicht tun.

Meine zweite Bitte, Herr Kuhn: Wenn Sie Entscheidungen treffen, verstecken Sie sich nicht hinter 'Tina'. Stellen Sie sich der Diskussion und dem Austausch der Argumente, machen Sie Ihre Entscheidungen nachvollziehbar und verweisen Sie nicht auf Schicksal und/oder höhere Mächte.

Unbestritten ist, dass jede Entscheidung ihren Preis hat, monetär und/oder nicht monetär. Die Einsicht, dass Menschen die Entscheidung treffen, bietet weitere Vorteile. Sie eröffnet den Blick dafür, dass Entscheidungen veränderbar, erweiterbar und rückholbar sind. Damit will ich nicht der Beliebigkeit das Wort reden. Ein klarer Standpunkt ist ein absolutes Muss. Wenn neue Erkenntnisse, neue Zahlen, Daten, Fakten vorliegen, dürfen aber neue Entscheidungen kein Tabu sein. In einer großen Beweglichkeit kann sich auch Größe manifestieren. Und noch ein Hinweis, bitte denken Sie daran im Hinblick auf die Haushaltsberatungen: Mehr Kinderbetreuung, mehr Nachmittagsangebote, kürzere Verfahrensdauern, längere Öffnungszeiten, kleinere Warteschlangen, bessere Planung von Projekten erfordern mehr Personal, nicht weniger. Und gut ausgebildetes und gut bezahltes Personal.

Meine dritte Bitte bezieht sich unmittelbar auf die Interessen der Beschäftigten. Zwischen Oberbürgermeister, Gemeinderat und Personalvertretung besteht/bestand bisher Einvernehmen. Betriebsbedingte Kündigungen schließt der Arbeitgeber Stadt Stuttgart aus. Diese quasi Beschäftigungsgarantie weist durch die Unsitte der befristeten Arbeitsverträge vor allem durch sachgrundlose Befristung Löcher auf. Die psychologische Wirkung einer solchen Zusage habe ich lange unterschätzt. Ich hielt sie im öffentlichen Dienst für nicht erforderlich. Die Rückmeldungen der Kolleginnen und Kollegen öffneten mir hier die Augen. Ich bitte Sie, Herr Kuhn, dass Sie an der Beschäftigungsgarantie festhalten und zukünftig mindestens auf sachgrundlose Befristungen verzichten. Beschäftigungsgarantie bedeutet für mich aber nicht Arbeitsplatzgarantie. Notwendigen Veränderungen verschließen wir uns nicht. Wir legen Wert darauf, dass die Beschäftigten bzw. deren Interessenvertretungen an den Veränderungsprozessen beteiligt werden. Es muss klar sein, welche Not notwendig gewendet werden soll und welche Mittel, Methoden die erfolgversprechendsten sind.

In keiner anderen Stadt ist das Thema Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie so stark in den Fokus gerückt wie in Stuttgart. Die Stadt hat darauf reagiert. Bürgerinnen und Bürgern ist es möglich, sich mit eigenen Vorschlägen an den Haushaltsplanberatungen zu beteiligen - Stichwort Bürgerhaushalt. Bei Großprojekten, bei den Projekten der Sozialen Stadt und anderen Themen geht nichts ohne Bürgerbeteiligung. Dieses Mehr an öffentlicher Demokratie fordern wir für die verwaltungsinterne Demokratie ebenfalls ein. Im Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) § 2 Abs. 1 heißt es: Dienststelle und Personalvertretung arbeiten vertrauensvoll zum Wohle der Beschäftigten und zur Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben zusammen. Die Reihenfolge stellt keine Priorisierung dar. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit schließt Interessensgegensätze nicht aus. Für Streitfälle sind im Landespersonalvertretungsgesetz Regeln festgelegt. Im bestehenden Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg bevorzugen diese Regeln deutlich und aus unserer Sicht unangemessen die Arbeitgeberseite. Die Landesregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung die Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes beschlossen. In diesem Jahr soll das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen werden. In Nordrhein-Westfalen hat die rot-grüne Landesregierung ein Landespersonalvertretungsgesetz beschlossen, das unseren Vorstellungen sehr nahe kommt. Was Rot-Grün in NRW gelungen ist, müsste doch für Grün-Rot in Baden-Württemberg ebenfalls zu schaffen sein. Die zwei wichtigsten politischen Ämter, Herr Kretschmann hat es schon angesprochen, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, sind nun in grüner Hand. Mit Ihrer Unterstützung müsste doch ein modernes LPVG in Baden-Württemberg möglich sein. Um diese Unterstützung bitte ich Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann und Sie, Herr Oberbürgermeister Kuhn.

Sehr geehrter Herr Kuhn, wir/ich - biete/n eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe an. Vertrauen ist keine Einbahnschiene. Wir bitten auch um Ihr Vertrauen. Stuttgart weiterzuentwickeln zu einer attraktiven, modernen und sozialen Stadt, ist ein spannendes und lohnendes Ziel. Dies kann nur mit einem starken öffentlichen Dienst gelingen. Sie können darauf vertrauen, Herr Föll hat es schon angesprochen, dass die Beschäftigten Sie dabei kompetent, aufgeschlossen und motiviert unterstützen. Ihre Aufgabe wird es sein, Demotivation zu vermeiden und Arbeitsbedingungen zu schaffen, in denen die Beschäftigten sich voll entfalten können.

Willkommen im Stuttgarter Rathaus. Wir wünschen Ihnen eine stets glückliche Hand. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Oberbürgermeister Kuhn. Danke schön."

Anschließend richten die Fraktionsvorsitzenden kurze Grußworte, verbunden mit guten Wünschen für das neue Jahr an OB Kuhn.

StR Kotz (CDU) streicht insbesondere die Tatsache heraus, dass OB Kuhn aufgrund einer Altersbegrenzung nur eine Amtsperiode ausfüllen könne, was er als Chance werte. Kuhn müsse nicht auf die Wiederwahl schielen und könne deshalb notwendige, aber unbeliebte Entscheidungen freier treffen und auch umsetzen. Für eine Politik ohne ideologische Scheuklappen, die die erfolgreiche Politik von Herrn Prof. Dr. Schuster - gepaart mit zahlreichen neuen Akzenten - fortführe, stehe die CDU-Fraktion gerne zur Zusammenarbeit bereit. Als kleines Präsent und als Symbol für eine gute schwarz-grüne Zusammenarbeit überreicht er OB Kuhn ein grünes Porsche-Modell mit schwarzen Reifen und schwarzem Motor, wobei letztere für die Bodenhaftung und das Vorankommen stünden. In diesem Sinne wünscht er OB Kuhn viel Kraft und gute Nerven.

StRin Dr. Blind (SPD) sagt dem neuen Oberbürgermeister die Unterstützung ihrer Fraktion insbesondere beim Anliegen, bezahlbare Wohnungen für Familien und nicht so reiche Stuttgarterinnen und Stuttgarter zu schaffen und sich um eine Bauplanung zu bemühen, die das öffentliche Interesse vor das Interesse von Großinvestoren stelle, zu. Für die Umsetzung eines stadtverträglichen Verkehrs wünscht sie OB Kuhn sehr viel Hartnäckigkeit und Überzeugungskraft.

StR Zeeb (FW) vergleicht seine Fraktion mit dem "aufrechten Völkchen in Gallien" aus dem Asterix-Comic, das vor 2000 Jahren der römischen Weltmacht getrotzt habe und das es, im Gegensatz zum römischen Weltreich, immer noch gebe. Seine Fraktion nehme das Angebot des neuen Oberbürgermeisters, auch wenn dieser nicht ihr Wunschkandidat gewesen sei, zu einer konstruktiven Zusammenarbeit auf Augenhöhe gerne an.

StR Klingler (FDP) legt Wert auf sachliche Diskussionen, deren Ergebnisse seine Fraktion aufgrund ihres Demokratieverständnisses dann auch mittragen werde. Nachdem er im Wahlprogramm des neuen Oberbürgermeisters gelesen habe, dass diesem das Gewerbemanagement ein sehr wichtiges Anliegen sei, dass Gewerbeflächen dementsprechend vorgehalten würden und ihm die Wirtschaftsförderung ans Herz gewachsen sei, sehe er viele Ansatzpunkte für eine gute Zusammenarbeit, auf die er sich freue.

StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) beglückwünscht OB Kuhn zu einem "Traumjob". Auch nach der Eingewöhnungsphase sei seine Fraktion daran interessiert, eng mit dem neuen Oberbürgermeister zusammenzuarbeiten. Visionen und Ideen müssten Taten folgen, ob es nun um bezahlbaren Wohnraum, die Neuordnung der Schul- und Betreuungslandschaft, Klimaschutz, Energiewende, Verkehrswende oder eine Bürgergesellschaft gehe, die man gemeinsam verwirklichen wolle. Für diese Aufgaben wünsche seine Fraktionsgemeinschaft OB Kuhn viel Mut. Sie sei gespannt, ob dem Machtwechsel ein Politikwechsel folge, und werde nicht akzeptieren und dies notfalls mithilfe eines "kleinen Feuerchens unter dem OB-Sessel" unterstreichen, dass sich der neue Oberbürgermeister weiter hinter der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 verstecke, die nach dem Kostendebakel nicht mehr verbindlich sei.

StR Dr. Schlierer (REP) sieht den neuen Oberbürgermeister in einer "recht komfortablen Situation": Er habe die stärkste Fraktion und die "linke Mehrheit" im Gemeinderat hinter sich und sei zudem gut in die Villa Reitzenstein vernetzt. Aus diesen Gründen sei eine Opposition wichtig. Er stellt OB Kuhn eine faire, aber auch nachhaltige Opposition in Aussicht. Angesichts einer Menge offener Baustellen und - nicht zuletzt aufgrund großer Verpflichtungen aus der Vergangenheit - bevorstehender schwieriger Haushaltsplanberatungen wünsche er sich möglichst sachliche Diskussionen, rationale Vorschläge und vor allem das Bemühen, in Zukunft weniger Bevormundung und dafür mehr Freiheit für die Bürger garantieren zu können. In diesem Sinne freue er sich auf die kommenden Jahre.

StR Pätzold (90/GRÜNE):
"Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Herren Minister, sehr geehrte Herren Staatssekretäre, sehr geehrte Frau Landtagsvizepräsidentin, sehr geehrte Abgeordnete des Bundestags und des Landtags, sehr geehrter Herr Regionalpräsident, sehr geehrter Herr Regierungspräsident, sehr geehrte Oberbürgermeisterin und Oberbürgermeister aus dem Land, sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, sehr geehrte Fraktionsvorsitzende, sehr geehrter Gemeinderat, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverwaltung, sehr geehrte Damen und Herren, lieber Fritz Kuhn, liebe Familie Kuhn, alleine die Länge der Begrüßung und die vorangegangenen Redner zeigen, welch politisch wichtiges Ereignis wir heute begehen. Die Amtseinführung des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Stuttgart ist keine Veranstaltung im kleinen Kreis und auch nichts Alltägliches. Ich freue mich daher besonders, dass ich zuerst für die Grünen-Fraktion und dann stellvertretend für den Gemeinderat an diesem Tag hier sprechen darf.

2009 haben die Wählerinnen und Wähler dafür gesorgt, dass wir die größte Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat wurden. Ein einmaliger Ausrutscher, meinten damals viele. 2011 wurde der Landtag gewählt mit 3 Direktmandaten in Stuttgart für die Grünen und schlussendlich mit einer grün-roten Landesregierung und mit einem grünen Ministerpräsidenten. Noch ein Ausrutscher, meinten damals schon nicht mehr so viele. 2012 wählten die Stuttgarterinnen und Stuttgarter auch noch einen Grünen zum Oberbürgermeister in der Landeshauptstadt Stuttgart. Unsere nachhaltige Politik, die wir seit Jahren betreiben, trägt nun gut sichtbare Früchte. Grüne Politik spricht an, sie ist für viele wählbar, und sie ist mehrheitsfähig geworden. Die bisherigen Ergebnisse sind kein Zufall oder Ausrutscher, sondern sind Ergebnis harter, langer Arbeit. Das weiß keiner so gut wie du, lieber Fritz.

Es ist für uns beide, Frau Fischer und mich, eine große Ehre und ein wirklich besonderer Moment, in ein paar Minuten als Vertreterin und Vertreter des Gemeinderats dir, lieber Fritz, als neuem Oberbürgermeister unserer Stadt die Amtskette umzuhängen und dir die Dienstverpflichtung abzunehmen. Ich gebe zu, Silvia und ich müssen uns manchmal immer noch zwicken, wenn wir den grünen Ministerpräsidenten sehen, ob es wahr ist. Und das Gleiche wird uns jetzt bei dir passieren.

Wer die letzte Woche die Berichte gelesen und die Reden gehört hat, könnte meinen, der neue OB würde ein 'gmähtes Wiesle' erhalten, wie es im Schwäbischen so schön heißt. Alles in Ordnung, keine Probleme. Dem ist nicht ganz so. Auf den neuen OB warten einige schwierige Aufgaben. Der Umbau der Bildungslandschaft ist erst am Beginn und wird nicht einfach. Der Ausbau der Kitas braucht viel Kraft und noch mehr gutes Personal. Das Klinikum braucht ebenso Unterstützung wie auch die Kulturlandschaft. Die Schulsanierung läuft noch bis 2016 und danach kommen die anderen städtischen Gebäude, denn der Immobilienhaushalt ist nicht im positiven Bereich. Ein Blick aus diesem Saal auf die Rathausgarage, ein städtisches Gebäude, zeigt dies sehr anschaulich.

Von der nachhaltigen energieeffizienten Stadt und ihrer Umsetzung sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Der Neckarpark steht schon zu lange in den Startlöchern. Die wirklich kinderfreundliche Stadt gibt es erst, wenn Eltern mit dem Kinderwagen ohne Behinderung durch die Stadt kommen und unsere Kinder sicher zu Fuß zur Schule gehen können. Auch der Konflikt um Stuttgart 21 ist nicht gelöst und seit dem 14.12.2012 und den endlich offiziell bestätigten deutlichen Mehrkosten aktueller denn je. Sie sehen, es gibt auf diesem 'Wiesle' noch einiges zu jäten, zu säen, zu düngen und zu schaffen. Ich weiß aber, dass du, lieber Fritz, das gerne anpackst. Und die grüne Fraktion wird dir dabei auch gerne zur Hand gehen.

Als Vertreter des Gemeinderats begrüße ich den neugewählten Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart hier im Großen Sitzungssaal, dem Saal der Vollversammlung des Gemeinderats. Der Oberbürgermeister ist sowohl Vorsitzender des Gemeinderats als auch Leiter der Gemeindeverwaltung, so steht es in der Gemeindeordnung. Er gehört somit der Verwaltung als auch dem Gemeinderat an. Es ist in der Tat eine besondere Stellung, die der OB in diesem Haus einnimmt. Lieber Fritz Kuhn, Sie treffen hier auf einen engagierten und diskussionsfreudigen Gemeinderat. Anders als Sie es bisher aus dem Land oder dem Bund gewohnt waren, gibt es hier keine Regierungskoalition oder eine Opposition, sondern es gibt wechselnde Mehrheiten, und zwar jeweils an den Themen orientiert. Und natürlich das eine oder andere Mal gewürzt mit einer Prise politischer Taktik. Es gibt hier acht mögliche Kombinationen für eine Mehrheit. Und die will erst einmal organisiert sein.

Der Oberbürgermeister hat trotz all seiner Macht im Gemeinderat nur seine eigene Stimme, also eine von 61. Und was das heißt, werden Sie sicher bald feststellen, spätestens in den Haushaltsplanberatungen. Das Haushaltsrecht ist das sogenannte Königsrecht des Gemeinderats, und das nimmt er hier in Stuttgart auch engagiert und ausführlich wahr. Deshalb ist der Gemeinderat auch an der jetzigen Finanzsituation nicht so unbeteiligt, wie manche Redner in der letzten Zeit immer getan haben.

Der OB hat auch einen Vorteil gegenüber dem Gemeinderat. Er ist für acht Jahre gewählt, der Gemeinderat nur für fünf. Sie werden also in Ihrer langen Amtszeit drei Gemeinderäte in unterschiedlichen Zusammensetzungen erleben - den jetzigen und die aus den Kommunalwahlen 2014 und 2019. Sie sehen also, Sie haben weit mehr Abwechslung aus Ihrer Sicht von hier vorne auf die Bänke des Gemeinderats als wir beim Blick auf die Bürgermeisterbank.

Die Politik der Stadt ist eingebunden in die Politik des Bundes oder des Landes und viele Gesetze und Verordnungen sind dann in der Umsetzung doch nicht so ganz reibungslos, wie sich das mancher auf anderer Entscheidungsebene gedacht hat. Ich vermute, manchmal werden Sie sich auch fragen, was sich da der Bundestag oder Landtag gedacht hat bei dem einen oder anderen Gesetz. Sie haben vieles in Ihrer Zeit im Bundestag und im Landtag miterlebt und mitgestaltet. Dies wird Ihnen helfen, vieles besser zu verstehen und Sie können sich dort sicher eine Stimme als Stuttgarter Oberhaupt verschaffen.

Lieber Fritz Kuhn, ich weiß, dass es im Wahlkampf Stimmen gab, die meinten, es sei für Sie ein Abstieg von der Bundespolitik in die Kommunalpolitik. Ich sage Ihnen als begeisterter Kommunalpolitiker: Das Gegenteil ist der Fall. Der Gemeinderat hier arbeitet ehrenamtlich. Wir haben alle ein Bein im Rathaus und eines draußen in der Stadt, im Beruf und in der Familie. Wir schaffen es aber trotzdem sehr leicht, ein politisches Haifischbecken gut zu bestücken, wenn wir wollen. Dass Ihre Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht immer einer Meinung sind, macht die Sache nicht einfacher. Dass Sie komplexe Zusammenhänge in ihre Einzelheiten zerlegen und analysieren können, dass Sie Mehrheiten zu organisieren wissen, kann Ihnen dabei nur nutzen. Sie werden hier Politik auf allen Feldern machen, und es wird keine abstrakte Politik sein. Auf Ihrer Fahrt mit der Stadtbahn oder Ihrem Fußweg hier ins Rathaus werden Sie Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger treffen, die Sie entweder mit Kritik oder Lob für Ihre Politik konfrontieren, direkt und unverstellt und auch auf gut Schwäbisch, wenn's sein muss.

Die Entscheidungen hier im Rathaus, im Gemeinderat und auch die des Oberbürgermeisters, sind unmittelbar erlebbar. Das macht die Kommunalpolitik aus. Damit jetzt endlich Sie, lieber Fritz Kuhn, erstmals als Oberbürgermeister zu Wort kommen, freuen wir uns, Frau Fischer und ich, Ihnen nun die Amtsverpflichtung abzunehmen und die Amtskette umlegen zu können. Vielen Dank für Ihre Geduld. Ich bitte Sie nun nach vorne.

Sehr geehrter Herr Fritz Kuhn, Sie sind am 21.10.2012 auf die Amtszeit von acht Jahren zum Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart gewählt worden. Herr Regierungspräsident Schmalzl hat mit einer Urkunde, die Ihnen am 30.11.2012 ausgehändigt wurde, die Rechtskraft Ihrer Wahl bestätigt. Ich bitte Sie nun, Ihren Diensteid zu leisten und verpflichte Sie im Namen des Gemeinderats."

Die Anwesenden folgen der Bitte von StR Pätzold, sich von ihren Plätzen zu erheben. Der von StR Pätzold in Absätzen vorgesprochene Diensteid sowie die Verpflichtungsformel werden von OB Kuhn nachgesprochen:

"Ich schwöre, dass ich mein Amt nach bestem Wissen und Können führen,

das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland,

die Landesverfassung und das Recht achten und verteidigen

und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.

Insbesondere gelobe ich, die Rechte der Stadt gewissenhaft zu wahren

und ihr Wohl und das ihrer Einwohnerinnen und Einwohner nach Kräften zu fördern."

OB Kuhn bestätigt die Verpflichtung mit seiner Unterschrift auf der hierfür vorbereiteten Niederschrift über die "Verpflichtung von Herrn Oberbürgermeister Kuhn am 07.01.2013 in der Vollversammlung des Gemeinderats". Das Original dieser Niederschrift befindet sich bei den Personalakten, eine Kopie bei den Akten der Hauptaktei.

StRin Fischer hängt OB Kuhn die Amtskette um.

Anschließend tritt OB Kuhn ans Rednerpult und hält seine Antrittsrede.

"Lieber Winfried, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, liebe Frau Dr. Schuster, lieber neuer Ehrenbürger der Stadt, Herr Prof. Dr. Schuster, liebe alle von meinen Vorrednern bereits herzlich Begrüßte, liebe Mitglieder des Gemeinderats, auf euch kommt es an in diesem Raum, und natürlich liebe Stuttgarterinnen und Stuttgarter.

Für mich, meine Frau Waltraud und meine beiden Söhne, Mario und Leon, ist das natürlich ein wunderbarer Tag. Wir freuen uns, dieser Freude möchte ich zu Beginn Ausdruck verleihen. Es war ein sehr langer Wahlkampf. In der Bundespolitik ist man drei Monate Wahlkampf gewohnt, hier waren es acht.

Mein Gruß gilt zuerst den Mitgliedern der Stadtverwaltung. Ich möchte mit Ihnen gut und kommunikativ, zuhörend und miteinander redend zusammenarbeiten. Auf jeden und jede in der Stadtverwaltung kommt es an, damit wir alle unseren Auftrag, nämlich den Bürgerinnen und Bürgern zum Wohle der ganzen Stadt zu dienen, nachkommen können. Aus diesem Grund gilt mein erster Gruß allen, die hier bei der Stadt Stuttgart einen Arbeitsplatz haben.

Stuttgart ist eine wunderbare Stadt. Herrn Thierse werden wir im Sommer mal einladen, damit er in Augenschein nehmen kann, über was er bei 'Wecken' und 'Schrippen' redet. Vielleicht zur Mahnung: Diese Spannungen zwischen Berlinern und Schwaben bauen wir nicht ab, wenn wir bei Berliner Fouls immer daran erinnern, dass wir alles bezahlen. Das baut Spannungen erst auf.

Stuttgart ist von der Topographie her eine wunderbare Stadt. Ich führe Gäste von außerhalb gerne auf die Karlshöhe und sage: 'Schaut euch das an, damit ihr wisst, wie schön es hier ist'. Stuttgart ist in vielen Bereichen hervorragend, ich nenne nur die bundesweit hoch beachtete Integrationspolitik, aber ich nenne natürlich auch die bundesweit beneidete Politik des fast schuldenfreien Haushalts. Man steht immer auf den starken Schultern seiner Vorgänger - auf denen von Prof. Dr. Schuster und auf denen von Herrn Rommel, dem ich von dieser Stelle aus auch einen Gruß zusenden möchte. Und ich weiß, was ich ihnen zu verdanken habe, und ich werde dies immer beachten, was sie mir hier als Positives alles hinterlassen haben. Ausdrücklich bedanke ich mich für die gute und kommunikative Amtsübergabe - eigentlich selbstverständlich, aber nicht immer selbstverständlich, dass es auch gemacht wird.

Ich bin jemand, der bei allem Positiven der Meinung ist, dass wir vieles noch verbessern müssen, mindestens um es zu erhalten. Also Nachhaltigkeit und Kinderfreundlichkeit sind die Ziele, die wir haben, doch diese Ziele haben wir noch nicht in allen Bereichen erreicht. Nachhaltigkeit ist eine auch messbare Größe, nicht nur etwas, was man sonntags proklamiert, sondern auch, was wir werktags bemessen können, ob wir es erreicht haben. Und deswegen werden wir uns in den nächsten Monaten und schon mit Auswirkung auf den zu verabschiedenden Haushalt in den folgenden Bereichen neue Konzepte und Sicherungskonzepte für das schon Erreichte zu überlegen haben. Dies wird auf jeden Fall beim Thema Energiewende geschehen. Wir sind von der Notwendigkeit, die Energiewende zu stemmen, noch weit entfernt. Es muss massiv zunehmen, Effizienz zu steigern und erneuerbare Energien einzusetzen. Mit den Stadtwerken haben wir bereits einen Hebel, mit dem wir dieses erfolgreich erreichen können.

Wir müssen das Thema Feinstaub und Verkehr in der Stadt gut lösen, denn Feinstaub ist ein krebserregender Stoff. Ich finde, wir haben gar keine andere Wahl, als mit neuem Ansatz mehr als in der Vergangenheit zu erreichen. Das ist alles nicht einfach. Es gibt nicht eine Maßnahme. Die Entstehung von Feinstaub ist komplex. Er entsteht im Verkehr, in der Energie, beim Hausbrand, bei vielem anderen. Aber ich werde mit Ihnen ein neues Konzept erarbeiten, mit dem wir dem Feinstaub zu Leibe rücken. Ich bitte um die Mitarbeit aller im Gemeinderat und natürlich der ganzen Verwaltung. Die Maxime ist: Wenn jemand einen Vorschlag macht, ein anderer ihn aber nicht besonders gut findet, dann soll dieser selbst einen besseren machen. Die besten übernehmen wir und fügen sie zu einem Gesamtkonzept. Dann werden wir auch einen Schritt weiterkommen. Aber die Addition von vielen 'geht nicht' führt zu keiner Lösung.

Eine Bitte: Wenn ich sage, wir müssten 20 % weniger Autos täglich im Kessel haben, um die Stausituation und die Feinstaublage zu verbessern, dann bitte ich Sie, führen Sie nicht die einfache Debatte nach dem Muster 'Bist du Freund oder Feind des Autos?'. Diese Debatte ist von gestern. Wir müssen alle zusammen, alle im Gemeinderat und alle Parteien und Farben, Freunde einer klimaverträglichen, umweltverträglichen und auch sozialverträglichen Mobilität sein, dies in einer Automobilstadt Stuttgart, wo Autos natürlich eine große Rolle spielen. Es wäre also die Frage, wie viel CO2 pro Kilometer der grün-schwarze Spielzeug-Porsche von Herrn Kotz heute ausstößt und was wir in der Zukunft erreichen können. Ich bin auch dafür, in die Mobilität den Fahrradverkehr, den Fußgängerverkehr und alle Formen des Schienenverkehrs und öffentlichen Verkehrs mit einzubeziehen. Damit werden wir in diesem Jahr beginnen und die nächsten acht Jahre vorangehen. Da haben Sie sich gefreut, Herr Kotz, als es um die acht Jahre ging. Das war körpersprachlich ein Höhepunkt Ihrer Rede.

Weil ich gerne die Worte der Vorredner kommentiere, vielleicht noch eines zum Herrn Rockenbauch. Herr Rockenbauch, das mit dem Feuer unter dem Sessel, da sage ich Ihnen eines: Bitte vergessen Sie den Brandschutz nicht. Sonst geht es Ihnen wie der Bahn. Das wollen wir ja doch vermeiden.

Eine der großen und schweren Aufgaben wird sein, wie wir bei der Kinderbetreuung für unter Dreijährige den ab Mitte 2013 geltenden Rechtsanspruch erfüllen können. Auch da werden wir uns rasch in den nächsten Wochen zusammensetzen und fragen, wie wir über die 42 %, die wir Ende 2013 erreicht haben werden - übrigens deutlich über dem Bundesschnitt -, hinauskommen und die Zahlen, die wir brauchen, erreichen. Uns fehlen gut 2.000 Betreuungsplätze. Es ist nicht nur eine Frage der Betreuungsplätze selber, sondern natürlich auch der Erzieherinnen, wie wir die nach Stuttgart holen können. Aber das ist eine Aufgabe, der wir uns sofort und mit Energie stellen müssen. Ich sage dazu, einfach wird die nicht. Auch über ein faires und transparentes Vergabeverfahren der Betreuungsplätze wird zu reden sein.

Frau Dr. Blind hat schon übers Wohnen gesprochen. Eine nachhaltige Stadt ist ja nicht nur eine ökologische und eine wirtschaftlich starke Stadt, sondern auch eine sozial gerechte. Und deswegen müssen wir schauen, dass wir auch für Familien mit geringem Einkommen und auch für Familien mit Kindern mehr bezahlbaren Wohnraum als bisher schaffen. Mal ganz hart gesagt, kinderfreundlich sind wir erst dann, wenn Familien mit Kindern den Wohnraum in der Stadt auch bezahlen können. Diesem Ziel müssen wir uns verpflichten. Ich höre aus allen Fraktionen Zustimmung. Es geht also nicht um das 'Ob', sondern es geht um das 'Wie'. Ein vernünftiges Wohnungsbauprogramm mit mehr Wohnraum auch in der Innenstadt, nicht nur an den Rändern, ist eine Aufgabe des Gemeinderats in den nächsten acht Jahren. Dazu werden wir ein Konzept aufstellen und versuchen, in den nächsten Haushaltsplanberatungen mit Ihrer tätigen Unterstützung, lieber Herr Föll, bereits zu beginnen.

Wir werden auch das Konzept, dass Stuttgart eine Stadt am Fluss ist, Schritt für Schritt umsetzen müssen. Die ersten Schritte sind getan, planerisch liegt viel Gutes in den Schubladen. Aber ich weiß aus vielen Städten, denken Sie an Frankfurt, denken Sie an Düsseldorf, wer es schafft, die Städte wieder an die Flüsse heranzuholen, der schafft eine Attraktivität, die sich für die Bürgerinnen und Bürger, auch für den Tourismus und für die ganze Stadt lohnt. Deswegen bitte ich alle im Gemeinderat, dieses Thema mit aufzugreifen. Auch hier geht es um die Logik: 'Wer hat die besten Vorschläge und wie können wir sie am geschicktesten umsetzen?' Es geht um das 'Wie', aber nicht wirklich um das Ob'.

Ich werde auch ein OB für die Stuttgarter Wirtschaft sein. Es ist wichtig, dass wir uns um die Wirtschaft kümmern, und zwar nicht nur nach der Logik: 'Eine Kuh, die man melken will, muss man mit gutem Gras füttern.' Nein! Ich persönlich bewundere Menschen, die nicht versicherbare Risiken eingehen, um Arbeitsplätze für die Allgemeinheit zu schaffen. Ihnen gilt meine Achtung. Es ist also kein instrumentelles Verhältnis, wenn ich betone, dass eine Stadt eine gute mittelständische Wirtschaft braucht. Sie braucht Großbetriebe und sie braucht Kleinbetriebe. Dafür haben der OB und der Gemeinderat zusammen einzustehen. Ich habe natürlich auch ein paar Vorschläge. Von meiner Schiene, dass man mit grünen Ideen, mit ökologischen Ideen, schwarze Zahlen schreiben kann, werde ich nicht abrücken. Ich finde, dass für die Forschungs- und Wirtschaftsstadt Stuttgart ein ungeheures Potenzial in der ökologischen Modernisierung steckt - nicht nur bei Energie und Verkehr, sondern auch in der Materialtechnik, Oberflächentechnik, in ganz vielen Technologiebereichen. Dieses zur vollen Blüte zu bringen, ist gemeinsame Aufgabe unserer Wirtschaft und der Stadt und ihrer Verwaltung. Und ich bin überzeugt: auch aller Fraktionen, die im Gemeinderat vertreten sind.

Stuttgart ist eine hervorragende Wissenschafts- und Forschungsstadt mit vielen anerkannten Hochschulen. Trotzdem wünsche ich mir mehr, dass es auch eine Universitäts- und Hochschulstadt im Selbstbewusstsein wird. Das fehlt mir. Die Addition einiger Hochschulen ist noch keine Universitätsstadt, mit der man bundesweit dem Herrn Thierse klarmachen kann - den nehme ich jetzt als Pars pro Toto -, dass man in Stuttgart auf höchstem Niveau in vielen Instituten und Forschungseinrichtungen in hoher Exzellenz neueste Erkenntnisse der Wissenschaft auch in Technologie, Produkte und Dienstleistungen umsetzen kann. Dies muss man überall wissen. Und die neue Initiative gemeinsam mit Istanbul ist so ein Ausfluss, denn eine Technologiepartnerschaft mit dieser bedeutenden Stadt kommt nur aufgrund unserer großen Leistungen in Forschung und Entwicklung zustande. Dafür müssen wir mehr werben. Wir müssen die Cluster, die Bündel, die organisiert werden müssen, stärker betonen. Eine IHK-Studie von 2011 wies darauf hin, dass in Stuttgart sehr viel im Umweltbereich geforscht wird. Aber es fehlt noch der Cluster der Umwelttechnologie. Ich möchte, dass man in einigen Jahren, wenn man über Umwelttechnologie spricht, zuerst an die Stadt Stuttgart und ihre Einrichtungen denkt. Karlsruhe, Herr Mentrup, nehmen wir natürlich dazu, da wir ohne die Karlsruher Informatik aufgeschmissen sind. Ich freue mich übrigens, dass Sie da sind.

Frau Bosch, die Präsidentin des Städtetages in Baden-Württemberg, wird mir zustimmen, dass sich die Gemeinden dieses Landes und die Städte, auch entlang der Schiene Württemberg und Baden, nicht gegeneinander ausspielen lassen werden, wenn es um die gemeinsamen kommunalen Interessen geht. Ich bin sehr dankbar, lieber
Winfried Kretschmann, dass Sie die Bedeutung der Städte hervorgehoben haben. Nach dem Grundgesetz sind die Städte und Gemeinden Teile der Länder. Daraus folgt, wenn es dem Land gut gehen soll, muss es seinen Städten gut gehen. Auch bei den nächsten Gesetzgebungsverfahren über den kommunalen Finanzausgleich werden wir uns sicher gemeinsam an diese Maxime erinnern.


Ich möchte ein Oberbürgermeister sein, der in besten Beziehungen mit der Region sein Amt ausübt. Viele der Stuttgarter Stärken, aber auch viele der Stuttgarter Schwächen sind tatsächlich regionale Fragestellungen. Denken Sie an den Verkehr. Deswegen begrüße ich alle Landräte und Bürgermeister aus der Region, ich werde auch in den nächsten Wochen dort meine Antrittsbesuche machen. Ich will, dass wir in der Region gemeinsam vorankommen. Das ist aus regionaler Identität, aber auch aus dem Eigeninteresse der Stadt Stuttgart notwendig und zwingend. Ich nehme an, der Regierungspräsident Schmalzl wird mich in diesem Unterfangen tatkräftig zu unterstützen wissen. Vielen Dank, Herr Schmalzl.

Nun zu Stuttgart 21. Es ist wichtig, dass wir uns dazu die entsprechenden Gedanken machen. Ich habe im Wahlkampf versprochen, dass ich als OB im Rahmen des Rechts - welchen sonstigen Rahmen sollte es geben als den Rahmen des Rechts? - für Transparenz sorgen werde und auch der Bahn, wenn es notwendig ist, auf die Finger schauen werde. Ich glaube, dass das im Interesse aller liegt, egal wie sie beim Projekt Stuttgart 21 aufgestellt sind. Der 12.12.2012, also der Tag, an dem die Bahn die Zahlen auf den Tisch gelegt hat, war für mich schockierend. 2,3 Mrd. € mehr soll es kosten, ein Ende ist nicht absehbar, da das Risiko ja nach oben offen ist. Ich war auch deswegen schockiert, wie übrigens auch viele auf der Seite derer, die für Stuttgart 21 sind, weil ich mir die Frage stelle: 'Wie kann man im Oktober des gleichen Jahres, also sechs Wochen vorher, auf einer Lenkungskreissitzung noch immer von 4,5 Mrd. € sprechen und dann sechs Wochen später plötzlich sagen, ätsch, das gilt jetzt nicht mehr. Wir haben festgestellt, es sind 2,3 Mrd. € mehr.' So kann man mit einer Bevölkerung, die hier lebt, so kann man mit einem Gemeinderat - ich finde übrigens auch, so kann man mit den Unterstützern des Projekts Stuttgart 21 - nicht umgehen. Der Karren ist mit den Zahlen in dieser Dimension an die Wand gefahren. In meinen Augen bedeutet das auch eine Vertrauenskrise, ob der Projektbeauftragte, nämlich die Deutsche Bahn, in der Lage ist, das Projekt durchzuführen und ob sie bereit und in der Lage ist, es auch zu finanzieren. Denn ich sage im Hinblick auf die Aufsichtsratssitzung im Februar: 'Von der Stadt Stuttgart kann die Bahn als Projektträger keine weiteren Mittel erwarten'. Ich höre, dass das im Land auch nicht anders gesehen wird.

Auch brauche ich kein Kommunikationsbüro, das nicht mit Kommunikation und Aufklärung, sondern eher mit Desinformation arbeitet. Wir müssen uns unterhalten, was das eigentlich bedeutet und wie wir das lösen.

Wir sind in einer verfahrenen Situation. Ich möchte also wissen: 'Kann es die Bahn? Kann sie es auch finanzieren?' Ich möchte auch über Alternativen diskutieren, wiewohl ich sage, die Vorstellung, 'jetzt hört man mit Stuttgart 21 auf und dann wird alles easy und prima', teile ich nicht. Wir haben einen schwierigen Gleiskörper, der auch schwierig bleibt, wenn Stuttgart 21 nicht kommen würde. Er muss dringend erneuert werden. Viele Investitionen sind im Hinblick auf Stuttgart 21 nicht erfolgt. Ich finde, dass wir neben allem Streit über Stuttgart 21 eine Hauptaufgabe haben: Das Entscheidende ist, dass die Stadt Stuttgart wieder einen herausragenden Verkehrsknotenpunkt bekommt und dass man nicht, wenn man von Frankfurt aus unterwegs ist, bereits sagt: 'Au, jetzt geht es nach Stuttgart, jetzt kommt es zu Verspätungen'. Diese Verkehrsfunktion müssen wir erhalten. In den nächsten Monaten wird es um die Frage gehen: 'Wie geht es weiter mit dem Projekt Stuttgart 21? Gibt es Alternativen?' Dann wird klar sein müssen, wohin die Reise geht. In Richtung Bahn und Aufsichtsrat sage ich noch einmal: Mit dem, was bisher an Transparenz geboten wurde, ist dieses Projekt nicht zu verwirklichen. Das muss jeder wissen, der sich damit auseinandersetzt.

Noch eine Nachbemerkung. Wenn man in so einer schwierigen Situation ist, in einer Vertrauenskrise, dann bitte ich das Land, die Gestattungsgenehmigung für das Fällen weiterer Bäume jetzt erst mal nicht zu erteilen. So was macht man im Klaren, aber nicht im Unklaren. Ich sagte, ich bitte das Land, weil die Zuständigkeit beim Land liegt.

Ich komme jetzt noch zu zwei Themen, nämlich zum Thema Bürgerbeteiligung und zum Thema Kultur. Und dann ist es gut. Bürgerbeteiligung werden wir in der Stadt systematisch ausbauen. Wir können auf die Expertise der Bürgerinnen und Bürger, die in vielen Lebensbereichen vorhanden ist, nicht verzichten. Diese muss in die klugen politischen Entscheidungen einfließen. Das muss organisiert werden und darf sich nicht von Amt zu Amt ändern. Darum werde ich mich in den nächsten acht Jahren gezielt kümmern. Meine Frau ist Mediatorin, wir reden oft am Mittagstisch über solche Fragen der Bürgerbeteiligung. Ich finde, dass wir da wirklich einen neuen Ansatz brauchen. Jetzt ist mir eines wichtig: Bürgerbeteiligung ist kein Konkurrenzunternehmen zur bestehenden parlamentarischen Demokratie, sondern sie macht sie stärker und reicher. Ich sage das, weil zu viele rumspringen sagen: 'Das ist der Zeitgeist, jetzt macht man Bürgerbeteiligung und dann wird dadurch das Parlament entwertet'. Der Gemeinderat dieser Stadt ist das Hauptorgan, er trägt die Gesamtverantwortung. Er wird nicht entwertet durch Bürgerentscheide und Bürgerbeteiligung, sondern er wird aufgewertet, wenn wir mehr Bürgerbeteiligung praktizieren können. Wenn wir jedoch Bürgerbeteiligung machen, wie z. B. die hervorragend beleumundete zum Thema Lärm, dann müssen wir die Ergebnisse auch umsetzen. Es gibt nichts Schlimmeres, als Bürgerbeteiligung zu machen, die Umsetzung dann aber nicht zu vollziehen. Man stachelt die Leute geradezu auf, wenn man ihre Arbeit nicht umsetzt. Bürgerbeteiligung muss und soll ein hoch geachtetes Wort in dieser Stadt sein und keines, bei dem man schon die Nase rümpft, wenn man es bloß hört.

Zum Abschluss eine Bemerkung zur Kultur. Wer die Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte kennt, der weiß, die Kultur macht den Unterschied. Regionen, wo es kulturell vielfältig zugeht, wo auch das kritische Potenzial der Kultur sich entfalten kann, diesen Regionen geht es gut, sie sind innovativ und bringen Themen voran, die das Neue zulassen. Deswegen will ich, dass wir eine sehr entfaltete Kulturregion und Kulturstadt in Stuttgart bleiben, wie wir es bereits sind. Die Kultur darf nicht zum Steinbruch bei Kürzungen genutzt werden, sondern sie ist der Stolz der Bürgerschaft, und den wollen wir erhalten und bewahren. Wir müssen in Zeiten knapper Kassen es dennoch schaffen, dass auch die kulturellen Einrichtungen, die noch nicht etabliert sind und gefördert werden, in dieser Stadt eine Chance haben. Also neue Gruppen, freie Szene, etwas, was noch nicht im Breiten vertreten ist. Darauf müssen mir die Kulturbürgermeisterin und der Herr Föll zusammen achten, dass diese Szene Möglichkeiten der Entfaltung bekommt. Wenn Sie irgendwo Leerstand bemerken, dann melden Sie ihn und wir schauen, wie die Kultur Einzug halten kann.

Die Kultur am Ende meiner Rede zu erwähnen, das geschieht nicht zur gefälligen Abrundung. Es ist mir ein zentrales Anliegen. Ich bin mir ganz sicher, dass die kulturelle Stärke und Vielfalt dieser Stadt auch unsere Attraktivität weit über die Stadtgrenzen und die Regionalgrenzen hinaus ausmacht. Das müssen wir fördern und pflegen, sodass am Ende klar ist - egal ob 'Wecken', 'Semmeln' oder 'Schrippen' - in Stuttgart ist Kultur in allen Facetten vorhanden. Ich will alle ganz herzlich auffordern, dieses mit zu unterstützen, damit Stuttgart als Kulturstadt in dieser Bundesrepublik Deutschland und in diesem Europa ein sehr guter Name bleibt.

Wenn man etwas erhalten will, muss man vieles ändern. Das ist ja der wertkonservative Grundsatz, dem ich anhänge. Damit möchte ich schließen und Ihnen allen noch einen schönen Abend und gute Gespräche wünschen. Vielen Dank."

Nach einer kurzen Musikeinlage überreicht OB a. D. Prof. Dr. Schuster einen großen, aus Holz gefertigten Schlüssel als Symbol eines für alle Bürgerinnen und Bürger offenen Rathauses an OB Kuhn. Er wünscht ihm auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Stadtgesellschaft stabile Gesundheit, gute Nerven und vor allem viel Freude und Erfolg.


Zum Abschluss heißt EBM Föll Frau Ulshöfer mit einem Blumenstrauß im Rathaus herzlich willkommen. Er bedankt sich bei Olivia Trummer, Joel Locher und Bodek Janke ganz herzlich für die großartige musikalische Begleitung und lädt die Anwesenden zum Stehempfang, bei dem ausschließlich Bioprodukte gereicht werden, in den 4. Stock des Rathauses ein.


zum Seitenanfang