Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
314/2013
GZ:
OB 8160-00
Sitzungstermin: 16.05.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Bürgerbegehren "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart"
- Abhilfeprüfung im Widerspruchsverfahren

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 15.05.2013, öffentlich, Nr. 123

Ergebnis: einmütige Zustimmung (1 Enthaltung)


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 30.04.2013, GRDrs 314/2013, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Den Widersprüchen von N. N. (Namen wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) gegen den Bescheid der Landeshauptstadt vom 21.01.2013 über die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart" wird nicht abgeholfen.

2. Die Widersprüche werden dem Regierungspräsidium Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt. Die Verwaltung wird beauftragt, die Widersprechenden darüber zu unterrichten, dass die Stadt den Widersprüchen nicht abgeholfen hat.


In Anbetracht der 30.000 Unterschriften unter dem Bürgerbegehren ergreift StR Stopper (90/GRÜNE) das Wort, auch wenn das Thema schon mehrfach öffentlich diskutiert worden sei. Er hebt das besondere Verfahren hervor, da sich der Gemeinderat mit den Vertrauensleuten einvernehmlich darauf verständigt habe, die Entscheidung zurückzustellen, um in einen Dialog treten zu können. Dabei habe man festgestellt, dass man in der Sache gar nicht so weit auseinander liege. Der Dialog mit den Initiativen, die hinter dem Bürgerbegehren stünden, dauere bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt an. Dabei habe seine Fraktion jedoch von Anfang an klar signalisiert, dass sie es für rechtlich unzulässig halte und es deshalb weder bei der Unterschriftensammlung unterstützen werde noch im Gemeinderat befürworten könne.

Eine Inhouse-Vergabe sei nicht möglich, da man es hier mit einem wettbewerblichen, diskriminierungsfreien Verfahren nach dem EnWG zu tun habe. Seine Fraktion stehe bei diesem für die Stadt wichtigen Thema, bei dem es um die Konzession und den Betrieb der Netze gehe, dafür, dass man in einem rechtssicheren Verfahren das für die Stadt und ihre Bürgerschaft bestmögliche Ergebnis erreiche. Hier habe man im Laufe des Verfahrens - auch dank der guten Beratung durch Rechtsanwälte und Verwaltung im Unterausschuss - das Vertrauen gewonnen, dass man ein sehr gutes Ergebnis mit einem starken kommunalen Einfluss auf die Netze hinbekommen werde und künftig auch bei den Themen Energiewende und Netze richtig aufgestellt sei.

Seine Fraktion habe großen Respekt davor, dass sich 30.000 Stuttgarterinnen und Stuttgarter dem Bürgerbegehren angeschlossen haben, was nicht zuletzt von großem Vertrauen in die öffentliche Hand zeuge. Wesentlich weniger Verständnis bringe seine Fraktion aber für die Vertrauensleute, die weiterhin Widersprüche erhöben, auf. Hier habe die intensive Befassung mit der Rechtslage gezeigt, dass man sich auf diese Weise vom eigentlichen Ziel des Bürgerbegehrens sehr weit entfernen würde, da man in einen jahrelangen Rechtsstreit mit nur sehr geringen Erfolgsaussichten treten würde. Seine Fraktion vertraue auf das eingeschlagene, rechtlich mögliche Verfahren. Damit könne man den städtischen Einfluss auf die Netze stärken, und das sei das Ziel seiner Fraktion. Diese werde der Vorlage zustimmen, um auf dem rechtssicheren Weg zu bleiben und am Ende ein gutes Konzessionsverfahren abschließen zu können - ohne jahrelange Rechtsstreitigkeiten.

In diesem Verfahren bleibe dem Gemeinderat aufgrund von Verordnungen, Gesetzen und einer klaren Rechtsprechung kein politischer Handlungsspielraum, bedauert StR Kotz (CDU). In einem so wichtigen Bereich wie der Wasser- und Energieversorgung dürfe man keine Risiken eingehen, und hier fühle sich seine Fraktion von der Verwaltung gut beraten. Deshalb werde seine Fraktion der Vorlage zustimmen, nicht, weil sie die im Bürgerbegehren vorgesehene andere Lösungsmöglichkeit ablehne, sondern weil es juristisch nicht zulässig sei. An dieser Stelle appelliert er an all diejenigen, die mit dem Gedanken spielten, zu unterschiedlichsten Themen ein Bürgerbegehren anzustrengen, sich davor sehr intensiv mit der rechtlichen Zulässigkeit zu befassen. Denn es schade der Demokratie, wenn diese Instrumente der Bürgerbeteiligung inflationär eingesetzt würden und dann abgelehnt werden müssten.

Sinngemäß argumentiert auch StR Kanzleiter (SPD). Die Intention der Antragsteller, nämlich die kommunale Selbstverwaltung zu stärken, halte seine Fraktion durchaus für sympathisch und vom Ziel her richtig. Doch wolle seine Fraktion rasche Ergebnisse, die die Energieversorgung in Stuttgart in kommunaler Hand stärkten und die Stadt damit in die Lage versetzten, ihre ökologischen und energiepolitischen Ziele tatsächlich umzusetzen. Folge man aber dem Bürgerbegehren, sei mit einer Klage der Gegenseite und anschließendem jahrelangen Rechtsstreit zu rechnen.

Genau genommen handle es sich um zwei Anträge. Einer beziehe sich auf die Energiekonzessionen Strom und Gas, der andere auf die Wasserversorgung. Letztere solle einer Entscheidung des Gemeinderats entsprechend ab 01.01.2014 in die kommunale Hand übergehen. Hier habe die Stadt gegen die EnBW Klage auf Herausgabe der Wasserversorgung eingereicht. In diesem Zusammenhang verweist er auch auf einen Antrag seiner Fraktion. Wenn die EU, wovon er ausgehe, die Dienstleistungsrichtlinie ändern und hier auch die Wasserversorgung mit einbeziehen werde, werde man künftig die im Energiebereich vorgeschriebenen Verfahren anwenden müssen. Dies müsse verhindert werden, weshalb sich die Stadt hier nochmals klar artikulieren sollte.

StR Zeeb (FW) erklärt, seine Fraktion werde keine falschen oder ungesetzlichen Wege gehen. Damit trage man dazu bei, die Politikverdrossenheit bei den Bürgern zu unterstützen. Seine Fraktion würde es begrüßen, wenn von den 27.000 Unterzeichnern des Bürgerbegehrens die 23.000 noch fehlenden Haushalte den Stadtwerken beitreten würden.

Auch für StR Klingler (FDP) geht es in der Beschlussvorlage, der seine Fraktion zustimmen werde, nicht um Energie- und Wasserversorgung im eigentlichen Sinne, sondern um die Widersprüche eines Bürgerbegehrens. Die rechtsstaatlichen Voraussetzungen für ein Bürgerbegehren seien nicht erbracht worden. Personen wie Herr Loewe, der bei der Bevölkerung "permanent falsche Hoffnungen" wecke und dabei nicht einmal die formalen Kriterien berücksichtige, schadeten der Demokratie.

StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) bedankt sich zunächst bei den Bürgerinnen und Bürgern, die das Bürgerbegehren unterzeichnet haben, sowie bei denjenigen, die sich die Mühe machten, ihre von der Verwaltung und dem Gemeinderat abweichende Rechtsauffassung gerichtlich überprüfen zu lassen. Schließlich gehe es um die zentrale Frage, inwieweit man die im Grundgesetz verankerte kommunale Selbstverwaltung künftig durch Wettbewerbsrechte - im Sinne des EnWG oder der EU-Politik - einschränken wolle. Wenn die Konzession vergeben sei, stellten die Netze für einen Zeitraum von 20 Jahren natürliche Monopole dar - und dies in ursprünglichen Bereichen der öffentlichen Hand bzw. der kommunalen Daseinsvorsorge. Seine Fraktion kritisiere die diesbezüglichen Gesetze, könne diese sowie die herrschende Rechtsmeinung jedoch nicht ignorieren und werde deshalb nicht einheitlich abstimmen.

StR Dr. Schlierer (REP) signalisiert ebenfalls Zustimmung zur Vorlage und erinnert an die wiederholte Beratung des Bürgerbegehrens, dessen Anliegen der Rekommunalisierung der gesamte Gemeinderat im Grundsatz teile. Doch bestimmten gesetzliche Vorschriften und darüber gelagertes Recht - die europäischen Richtlinien - die Verfahren. Dieses Problem bestehe seit 20 Jahren, er wolle hier nur an den Fall der Württembergischen Feuerversicherung erinnern. Mit dieser Entwicklung müsse man sich abfinden. Der Gemeinderat und die Verwaltung seien an Recht und Gesetz gebunden und hätten deshalb hier keine großen Spielräume. Das Bürgerbegehren sei rechtswidrig, und das habe man schon früh erkennen können. Auch eine rechtliche Überprüfung könne daran nichts ändern. In diesem Zusammenhang wiederholt er seine bereits früher geäußerte Kritik, dass er das Vorgehen einiger der Befürworter und Initiatoren des Bürgerbegehrens für nicht redlich halte. Auf diese Weise erzeuge man Hoffnungen, die zwangsläufig enttäuscht würden, und inflationiere damit auch den Einsatz des Bürgerbegehrens als Institution. Dies schade der Demokratie.


OB Kuhn stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 1 Gegenstimme und 3 Enthaltungen mehrheitlich wie beantragt.

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