Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau/Wohnen und Umwelt
Gz: SWU
GRDrs 41/2022
Stuttgart,
06/14/2022



Entwicklung des Areals „Neue Mitte Leonhardsvorstadt“ (Areal des Züblin-Parkhauses) in Stuttgart-Mitte
Grundsatzvorlage zum Programm und zur Grundstücksvergabe




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Bezirksbeirat Mitte
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Gemeinderat
Einbringung
Beratung
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
öffentlich
öffentlich
28.06.2022
18.07.2022
22.07.2022
26.07.2022
27.07.2022



Beschlußantrag:



1 Den Entwicklungszielen (Gesamtquartier Leonhardsvorstadt/Neue Mitte Leonhardsvorstadt) wird zugestimmt (vgl. Kap. 4 der ausführlichen Begründung).

2. Dem städtebaulichen Grundgerüst wird zugestimmt (vgl. Kap. 5 der ausführlichen Begründung und Anlage 7).

3. Dem Nutzungsprogramm für die „Neue Mitte Leonhardsvorstadt“ mit gesetzten Nutzungen sowie optionalen Nutzungen (als „Flächenpool“) wird zugestimmt. (vgl. Kap. 6 der ausführlichen Begründung und Anlagen 8, 9 und 10).

4. Die Verwaltung wird beauftragt, für die „Neue Mitte Leonhardsvorstadt“ das Vergabeverfahren als Konzeptverfahren zur Auswahl eines geeigneten Konsortiums/ Vorhabenträgers für die Projektrealisierung vorzubereiten und zum Beschluss vorzulegen.

5. Die Vergabe der Grundstücke erfolgt im Erbbaurecht zum Verkehrswert (Festpreis, ggf. nach Sanierung).

6. Die Verwaltung wird beauftragt, die im Parkhaus Züblin bestehenden 101 Stellplatzbaulasten (vgl. Kap. 5.5) zu verlagern bzw. wenn möglich zu löschen.

7. Die Verwaltung wird ermächtigt, für die frühzeitige Trägerauswahl der KITA und möglicherweise des Jugendtreffs und der Sportflächen vorgezogene Trägerauswahlverfahren durchzuführen (siehe auch Anlage 10).

8. Der Fortführung des kooperativen Planungs- und Entwicklungsprozesses auch im weiteren Verfahren wird zugestimmt. Die Verwaltung wird beauftragt, den partizipativ und koproduktiv angelegten Entwicklungsprozess des Gesamtquartiers Leonhardsvorstadt inkl. des IBA‘27-Projekts Neue Mitte Leonhardsvorstadt u. a. mit Verstetigung einer Kontaktstelle vor Ort weiterzuführen. Mittel hierfür sind im Haushaltsbeschluss GRDrs 1370/2021 vom 17.12.2021 vorgesehen. (vgl. Kap. 6.2 der ausführlichen Begründung)

9. Einer abschnittsweisen baulichen Realisierung im Sinne einer sozial verträglichen Entwicklung im Quartier wird zugestimmt (Nutzbarkeit von quartiersbedeutenden Freiflächen, Vermeidung übermäßiger Belastung durch die Baustelle, vgl. Kap. 6.2 der ausführlichen Begründung)

10. Die Verwaltung wird beauftragt, für das Gesamtquartier Leonhardvorstadt quartiersbezogene integrierte Konzepte für Mobilität, Energie, Stadtklima und Freiraumplanung zu entwickeln unter Einbindung der dort bereits laufenden Entwicklungen der Projekte Mobility Hub und Haus für Film und Medien.

Kenntnisnahme
1. Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung („Planspiel“ und „Nachspielzeit“) werden zur Kenntnis genommen (vgl. Anlagen 6 und 7).

2. Die Verwaltung erstellt zügig den Bebauungsplan in enger Abstimmung mit dem Konzeptverfahren (vgl. Kap. 5 der ausführlichen Begründung).

3. Von der zeitlichen Verfügbarkeit des Baufelds wird Kenntnis genommen.
Das Areal steht ab 01.01.2024 nach Ablauf des Erbbaurechts (GRDrs 564/2011) zur Verfügung. Sollte der Erhalt des Parkhauses (Bestandsgebäude) für eine Um- und Nachnutzung nicht weiterverfolgt werden, erfolgt der Abriss ab Anfang 2024.


4. Im Anschluss an die Bauzeit für die Hochbaumaßnahme bezogen auf die Neue Mitte können die notwendigen Leitungsverlegungen erfolgen, sowie die angrenzenden öffentlichen Flächen umgestaltet werden.

















Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Im Hinblick auf die städtebauliche und programmatische Entwicklung der „Neuen Mitte Leonhardsvorstadt“ als IBA’27-Projekt auf dem heutigen Areal des Züblin-Parkhauses sowie das Vorgehen im Rahmen der Grundstücksvergabe (Konzeptverfahren) ist eine Grundsatzvorlage erforderlich.

Die Grundsatzvorlage dient dem Nachweis,
- dass die vom Aufsichtsrat der IBA’27 beschlossenen „Qualitäten für Projekte der IBA’27“ (vgl. Anlage 4) von der Stadt Stuttgart umgesetzt und
- die aus der vorangegangenen umfassenden Bürgerbeteiligung mit Expertenpanel sowie der Ämterbeteiligung erarbeiteten städtebaulichen und programmatischen Zielsetzungen aufgenommen werden (vgl. Kapitel 3 der Ausführlichen Begründung).

Auf dem heutigen Areal des Züblin-Parkhauses soll mit dem IBA’27-Projekt „Neue Mitte Leonhardsvorstadt“ eine zukunftsfähige und vielfältige Quartiersmitte mit starker Gemeinwohlorientierung entstehen. Das Quartiersprojekt steht beispielhaft für eine stark gemischt genutzte, nachhaltige und klimasensible Entwicklung „aus dem Stadtquartier heraus“. Die geplante Freiraumgestaltung und -vernetzung sowie innovative Mobilitäts-, Energie-, Infrastruktur- und Nahversorgungskonzepte sollen einen vorbildlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des Stadtbezirks Stuttgart-Mitte liefern.

Durch die städtebauliche Neuordnung der Nachkriegszeit unter dem Leitbild der autogerechten Stadt wurde die Leonhardsvorstadt in die Quartiere Bohnenviertel und Leonhardsviertel geteilt. Die neue Mitte Leonhardvorstadt soll diese Trennung überwinden
und dazu beitragen, die Quartiere wieder zusammenzuführen. Mit der Neugestaltung
des Areals soll der trennend wirkende Baukörper des bestehenden Parkhauses in ein
vielfältiges, verbindendes, nach allen Seiten offenes und mit dem öffentlichen Raum
korrespondierendes Quartiersprojekt transformiert werden.

Im bisherigen kooperativen und partizipativen Planungsprozess wurden zunächst übergeordnete programmatische, räumliche, soziale und ökologische sowie qualitative Ziele
der Quartiersentwicklung erarbeitet (vgl. Kap. 4 der ausführlichen Begründung). Im
Weiteren wurden die grundlegenden städtebaulichen Parameter für das Areal wie Baumasse, Höhenentwicklung und freizuhaltende Flächen definiert (vgl. Anlage 7 und Kap.
5 der ausführlichen Begründung) und ein Nutzungsprogramm abgestimmt.

Für das Projekt Neue Mitte Leonhardsvorstadt ist eine Nutzungsmischung mit einem hohen Anteil an kostengünstigen Wohnangeboten und Wohnfolgeeinrichtungen (ca. 57% der gesetzten Nutzfläche) sowie zahlreichen Flächenangeboten für Begegnung, Freizeit, Sport, Bewegung und gewerblichen Angeboten vorgesehen. Das Programm stellt eine Synthese aus Diskussionen in der Bürgerbeteiligung (Stakeholderworkshops, Planspiel, Nachspielzeit mit Expertenworkshops) und den parallel durchgeführten Ämterabfragen und -abstimmungen dar (vgl. Anlagen 8 – 10 und Kap. 6 der ausführlichen Begründung).

Das Nutzungsprogramm beinhaltet verbindlich gesetzte Nutzungen (und Flächen), die
vorrangig Bedarfe aus dem Stadtteil heraus bedienen. Dabei wurden Konzepte für Synergien zwischen Nutzungsangeboten durch Mehrfachnutzung und Multicodierung von
Flächen angedacht, diese werden im weiteren Projektverlauf weiterentwickelt.


Gesetzte Nutzungen – in Bebauung unterzubringen
Wohnen und Sonderformen
des Wohnens
(ca. 57 % NUF)
Wohnflächen (darin enthalten Bedarfswohnangebote)
Tagespflege (15 Pflegeplätze)
Wohnungsnahe soziale Infrastruktur
ca. 13 % NUF
KITA
Jugendtreff
Gewerbeflächen
ca. 10 % NUF
Gewerbeflächen/Nahversorgung
Gemeinbedarfsorientierte
Nutzungen:
Begegnung, Sport, etc.
ca. 20 % NUF
Multifunktionsfläche + Nebenräume
Indoor Sport
Skateranlage (Bestand)
Begegnungsflächen/Foyer

Die auf dem Areal bestehenden Sport-, Spiel- und Freiflächen sollen wegen Ihrer Bedeutung für den Stadtteil und den Stadtbezirk Stuttgart-Mitte in ihrem vollen Angebotsumfang erhalten und teilweise neu geordnet sowie durch weitere Angebote für Freizeit,
Sport und Bewegung ergänzt werden.

Gesetzte Nutzungen – im Freiraum oder in Gebäuden unterzubringen
Gemeinbedarfsorientierte
Nutzungen:
Begegnung, Sport, etc.
Bolzplatz (Bestand)***
Basketballplatz (Bestand)***

Eine Ergänzung zum gesetzten Nutzungsprogramm bilden optionale Nutzungen aus einem „Flächenpool“. Sie eröffnen attraktive Spielräume für teilnehmende Konsortien/
Vorhabenträger. Aus diesem Pool an Nutzungen bzw. Ergänzungsflächen können
die teilnehmenden Konsortien/Vorhabenträger wählen, um eigene Vorstellungen im
Sinne eines Wettbewerbs der besten Ideen einzubringen und zugleich die Wirtschaftlichkeit des Projekts zu sichern.

Pool (optionale Ergänzungsflächen)
innerhalb des möglichen Bauvolumens von bis zu 20.000 qm BGF
vgl. Kap. 5.1 der ausführl. Begründung
Wohnen und Sonderformen
des Wohnens
Hostel inklusive (inklusive Wohngemeinschaft)
Hostel inklusive: Hostel, Empfang
Gemeinbedarfsorientierte
Nutzungen:
Begegnung, Sport, etc.
Weiter Multifunktionsfläche + Nebenräume
Haus des bürgerschaftlichen Engagements (HbE)
Weitere Nutzungenweitere optionale Nutzungen konzeptabhängig möglich


Gemäß Gemeinderatsbeschluss vom 21.02.2019 (GRDrs 858/2018) hat sich die Stadt Stuttgart mit dem Projektpotenzial „Leonhardsvorstadt (Züblinareal)“ bei der IBA’27 beworben. Am 22.03.2019 hat der Aufsichtsrat der IBA’27 das Projekt in das IBA‘27-Netz aufgenommen und am 28.07.2020 die „Neue Mitte Leonhardsvorstadt“ auf dem heutigen Areal des Züblin-Parkhauses als offizielles IBA’27-Projekt nominiert. Die Entwicklung des Gesamtquartiers Leonhardsvorstadt steht im IBA’27-Kontext.

Die Neue Mitte steht im Zusammenhang mit weiteren Maßnahmen zur Aufwertung der
öffentlichen Räume und bedeutender Projekte wie dem Film- und Medienhaus, dem
Mobility-Hub sowie der beginnenden Umgestaltung der B14.


Finanzielle Auswirkungen

Grundstücksvergabe: Die Vergabe des Grundstücks soll im Erbbaurecht erfolgen. Basis des Erbbauzinses ist der Verkehrswert (Festpreis, ggf. nach Sanierung). Die Grundstücksverbilligung für die Erstellung des geförderten Wohnungsbaus wird entsprechend in Abzug gebracht.

Ferner werden in entsprechenden gesonderten Vorlagen Mittel für den Rückbau der Bestandsgebäude, sonstige grundstücksspezifische Kosten (wie beispielsweise Verbau, aufwändige Gründung, besondere Sicherungsmaßnahmen), die soziale Infrastruktur sowie die öffentliche Erschließung beantragt. Für die Durchführung des Konzeptverfahrens werden Mittel in Höhe von 100.000 EUR veranschlagt. Darüber hinaus werden für die Durchführung des Architekturverfahrens (vgl. Kap. 7.2 der ausführlichen Begründung) weitere Mittel in Höhe von 70.000 EUR benötigt.






Beteiligte Stellen

WFB
JB
SI
AKR
T
SOS


Vorliegende Anträge/Anfragen

Keine

Erledigte Anträge/Anfragen

Keine



Peter Pätzold
Bürgermeister


Anlagen

Anlage 1 Ausführliche Begründung
Anlage 2 Lageplan Leonhardsvorstadt
Anlage 3 Übersicht Projektbausteine im IBA`27-Betrachtungsraum
Leonhardsvorstadt
Anlage 4 Zielbild Qualitäten für Projekte der IBA'27
Anlage 5 Plangebiet/ Bearbeitungsgebiet Neue Mitte Leonhardsvorstadt
Anlage 6 Quartierszielbild Leonhardsvorstadt
Anlage 7 Städtebauliches Grundgerüst Neue Mitte Leonhardsvorstadt
Anlage 8 Programmatisches Zielbild Neue Mitte Leonhardsvorstadt
Anlage 9 Programmatik Neue Mitte Leonhardsvorstadt
Anlage 10 Beschreibung Programm: Gesetzte Nutzungen (Pflichtprogramm) und nicht gesetzte Nutzungen ("Flächenpool")
Anlage 11 Rahmenterminplan Neue Mitte Leonhardsvorstadt


Ausführliche Begründung

1 Ausgangslage

Das Projekt „Neue Mitte Leonhardsvorstadt“ befindet sich an der Schnittstelle zwischen dem Bohnenviertel und dem Leonhardsviertel, die zusammen mit einem großen Anteil an historischer Bausubstanz das älteste Stadterweiterungsgebiet Stuttgarts sind. Beide Viertel haben nach dem Zweiten Weltkrieg unterschiedliche Entwicklungen genommen. Nun sollen sie durch neue Entwicklungen an der Schnittstelle beider Viertel zur Leonhardsvorstadt zusammengeführt und eine Einheit werden.

Kulisse dafür bietet die IBA‘27, die in Stuttgart und der Region stattfindet. Sie wird mit konkreten Beispielen zeigen, wie ein gutes Zusammenleben aussehen kann. Die Leonhardsvorstadt wird eines dieser Beispiele sein.

Im Fokus steht dabei die Nachnutzung des Areals des heutigen Züblin-Parkhauses. Ende 2023 endet durch Zeitablauf das Erbbaurecht zwischen der Stadt Stuttgart und der Park Service Hüfner GmbH, Betreiberin des Züblin-Parkhauses. Eine zukunftsfähige und vielfältige Quartiersmitte mit sozialer Infrastruktur, Sport und Freizeitangeboten, Gewerbe und Wohnen kann entstehen. Diese „Neue Mitte“ soll ein Ort für alle werden: gemeinwohlorientiert, inklusiv, nachhaltig. Die Interessen der Stadtgesellschaft und der künftigen Gemeinschaft sollen im Projekt vor Ort zentral gebündelt werden. Ein attraktives Raumangebot im Innen- sowie im Außenraum soll zu unterschiedlichsten Aktivitäten aber auch zu spontanem Verweilen einladen und Anwohner*innen wie Besucher*innen gleichermaßen ansprechen.

Die Stadt Stuttgart und die IBA‘27 haben gemeinsam mit der interessierten Öffentlichkeit eine Strategie für die Entwicklung der Neuen Mitte Leonhardsvorstadt erarbeitet, als aktuellen Beitrag auf dem Weg zur IBA‘27. Die städtebaulichen und programmatischen Zielsetzungen sowie das Prozessdesign ermöglichen ein Zusammenspiel aus partizipativ erarbeiteten Vorgaben und gestalterischen Spielräumen.

Somit ist ein solider Rahmen zur Sicherung von Qualitäten entstanden, der zugleich ausreichend Flexibilität für neue innovative Beiträge bietet. Dieser Rahmen bildet die Grundlage für ein Konzeptverfahren, mit dem ein geeignetes Konsortium/ein Vorhabenträger für die Realisierung eines gemeinwohlorientierten Projekts gesucht werden soll.

2 Städtebaulicher Kontext, Quartier Leonhardsvorstadt

Historie
Die zu Anfang des 14. Jahrhunderts als erste Stadterweiterung erbaute Esslinger Vorstadt, oder auch Leonhardsvorstadt, wurde geprägt von ihren Bewohnern, den sogenannten „kleinen Leuten“, Weingärtner, Handwerker, Fuhrleute und Tagelöhner, die sich dort ansiedelten und mit einer Vielzahl kleinteiliger Nutzungen, die die Erdgeschosszonen belebten. Im 17. und 18. Jahrhundert war das Gebiet starken baulichen Veränderungen unterworfen. Dennoch blieb die Leonhardsvorstadt hinsichtlich ihrer städtebaulichen Struktur, der Straßenführung und ihrer Bewohnerstruktur in weiten Teilen erhalten. Im 19. Jahrhundert erfuhr die städtebauliche Entwicklung Stuttgarts in der Gründerzeit einen enormen Aufschwung. Auch die Leonhardsvorstadt war davon betroffen. Gebäude aus dieser Zeit wurden inspiriert von Bauformen der Romanik, Gotik, der Renaissance und des Barock und zeigten sich nach außen hin in Natur- und Backstein mit auffälligen Details.

Große Veränderungen erlebte das Viertel durch die teilweise starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Die zerstörten Bereiche wurden nur mit provisorischen Gebäuden überbaut und der autogerechte Ausbau der vorhandenen Verkehrsstraßen (Hauptstätter Straße) trennte das Viertel vom Kernbereich der Stadt ab. Die Wohnverhältnisse verschlechterten sich. Familien verließen das ehemals intakte Wohngebiet und das Viertel wurde von Nachtlokalen, Spielhallen und dem zugehörigen Personenkreis mehr und mehr eingenommen. Mit dem Bau des Züblin-Parkhauses 1963 zwischen Pfarrstraße und Lazarettstraße zerfiel die Leonhardsvorstadt in das Bohnenviertel und das Leonhardsviertel. Während das Bohnenviertel durch verschiedene planerische Maßnahmen und eine vielbeachtete Sanierung heute wieder als kleinteiliges, familienfreundliches Wohnquartier wahrgenommen wird, hat das Leonhardsviertel, entsprechend der wahrgenommenen Nutzungen, den Ruf als Rotlichtviertel Stuttgarts.

Aktuelle Entwicklungen
Ausgehend von einer Umnutzung des bestehenden Kiosks im Züblin-Parkhaus und der letzten Parkebene (Ebene 0) für urbanes Gärtnern durch die Initiative „Ebene 0“ im Jahr 2012 entstand ein besonderer Ort in Stuttgart, der heute etabliert ist und aktuell durch den „Kultur Kiosk“ mit verschiedensten Veranstaltungen bespielt wird. Auch das Umfeld des Züblin-Parkhauses entwickelte sich, angestoßen durch ein städtebauliches Sanierungsprogramm der Stadt. Flächen für Parkplätze und eine Tankstelle wurden in zentrale urbane Sport- und Grünflächen umgewandelt und die Pfarrstraße für den Durchgangsverkehr gesperrt. Diese Orte werden besonders von Kindern, Jugendlichen und junge Familien intensiv genutzt.

Befördert durch den Ende 2023 auslaufenden Erbbauvertrag für das Züblin-Parkhaus kann ein Raum für ein neues Miteinander, eine „Neue Mitte“ geschaffen werden.

Betrachtungsebenen und Projektbausteine des Gesamtquartiers Leonhardsvorstadt
Die Quartiersentwicklung der Leonhardsvorstadt umfasst verschiedene Betrachtungsebenen und definiert potenzielle Projektbausteine.

- Die konzeptionell inhaltliche Bearbeitungsebene:


- Die Projektebene mit den Projektbausteinen:
Die potenziellen Projektbausteine innerhalb des IBA’27-Betrachtungsraums Leonhardsvorstadt werden im Folgenden kurz vorgestellt (vgl. Anlage 3):

1. „Neue Mitte“ (heutiges Areal Züblin-Parkhaus)
Entstehen soll ein gemeinwohlorientierter, inklusiver und nachhaltiger Stadtbaustein inmitten eines historisch gewachsenen Quartiers. Geplant ist ein Ort des Miteinanders, gemischt, vielfältig, kreativ. Die „Neue Mitte“ soll ein Ort für die Gemeinschaft aller Altersgruppen, für Begegnung und Austausch, zum Wohnen, für Freizeit, Sport und für kleinteilige gewerbliche Nutzungen werden.

2. „Neue Quartierskante“ (ehemaliges Areal Breuninger-Parkhaus)
In Verlängerung des Gustav-Siegle Hauses und der Leonhardskirche bilden das Haus für Film und Medien, ein Mobility Hub sowie ein weiterer Baustein, der für kulturelle Nutzungen vorgesehen ist, die neue Raumkante entlang der Hauptstätter Straße und legen den Grundstein für einen neuen Stadtraum der B14.


3. Der öffentliche Raum der Leonhardsvorstadt
Eine geplante Umgestaltung des öffentlichen Raums bewahrt einerseits den Charakter der bestehenden Viertel und schafft dennoch den Schritt zur Einheit der Leonhardsvorstadt. Aufenthaltsqualität und Nachhaltigkeit bilden die Kernthemen.


4. Der Stadtraum (Ränder) der B14 zwischen Wilhelms- und Charlottenplatz

3 Prozess zur Quartiersentwicklung Neue Mitte

3.1 Das Vorhaben im IBA’27-Netz und das IBA’27-Projekt

Nach der offiziellen Nominierung als IBA’27-Projekt und im Rahmen der weiteren Projektschärfung mit der IBA’27 GmbH wurde der Projektbaustein des heutigen Züblin-Parkhauses zur „Neuen Mitte Leonhardsvorstadt“. Bei der weiteren Entwicklung des Projekts liegen die „Zielbild Qualitäten für Projekte der IBA’27“ zu Grunde. (Vgl. Anlage 4).

Stakeholderworkshop:
Im Oktober 2019 erfolgte ein erster Workshop mit lokalen Akteuren und Stakeholdern. Teilnehmer waren offiziell benannte Vertreter von (Bildungs-) Institutionen vor Ort, Vereinen, Verbänden und des Bezirksbeirats. Mit dem Planspiel Zukunft Leonhardsvorstadt wurde gemeinsam ein Prozess zur partizipativen und kooperativen Entwicklung der Leonhardsvorstadt konzipiert.

3.2 Planspiel Zukunft Leonhardsvorstadt

Von August bis Dezember 2020 erfolgte die Umsetzung des „Planspiels Zukunft Leonhardsvorstadt“ als partizipative Machbarkeitsstudie.

Drei Werkstätten wurden von Dialogen im Quartier, den Workshops im Projektraum in der Katharinenstraße 21 und einer Online-Umfrage begleitet.

Die Ergebnisse und Anregungen aus den begleitenden Aktionen wurden in den Werkstätten zusammengeführt und vertieft.

Alle Veranstaltungen konnten auf der Projektinternetseite unter www.zukunft-leonhardsvorstadt.de transparent verfolgt und kommentiert werden. Durch die Vielfalt der Formate wurde eine große Öffentlichkeit erreicht.

Ausgehend von einer intensiven Betrachtung des Gesamtquartiers Leonhardsvorstadt fokussierte die Betrachtung schließlich auf das IBA’27- Projekt Neue Mitte. In partizipativen und dialogischen Verfahren sollten die städtebaulichen Qualitäten und die Programmatik für die Neuentwicklung des Areals Züblin-Parkhaus erarbeitet werden.

Im Fokus des Planspiels standen die verschiedenen Projektbausteine:
- Das Areal des „Züblin-Parkhauses“, als Neue Mitte im Quartier,
- das Areal des „Breuninger-Parkhauses“, als neue Quartierskante.
- Die öffentlichen Räume sowie Ränder der Hauptstätter Straße, die in Hinblick auf Vernetzung mit der Innenstadt betrachtet wurden.

Innerhalb des Planspiels wurden unterschiedliche Entwicklungs- und Nutzungsoptionen für die „Neue Mitte“ erarbeitet, ausgehend vom Versuch einer Identitätsdefinition für die Leonhardsvorstadt.

3.3 Nachspielzeit Zukunft Leonhardsvorstadt

Im Rahmen der „Nachspielzeit Zukunft Leonhardsvorstadt“ wurde bis Mitte 2021 der städtebauliche Strategieplan erarbeitet, der die im Planspiel definierten Inhalte und Leitplanken für die Entwicklung der „Neuen Mitte Leonhardsvorstadt“ zusammenführt und die Grundlage für die Ausschreibung des Konzeptverfahrens bildet (vgl. Anlagen 6 und 7).

In der Nachspielzeit wurden städtebauliche Planungsparameter, wie Programm, Dichte, Höhe, Baufeld, Qualitäten festgelegt.

3.4 Berichterstattung in Gremien

Seit Februar 2019 wurde regelmäßig im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik sowie im Bezirksbeirat Mitte zur Entwicklung der Leonhardsvorstadt und zum IBA’27-Projekt Neue Mitte Leonhardsvorstadt berichtet (zuletzt Nov. 2021). Weitere Berichte erfolgten beim Runden Tisch Leonhardsviertel und im UA Leonhardsviertel.

3.5 Ausblick

Auf der Grundlage des vorliegenden Beschlusses erfolgt ab dem 3./4. Quartal 2022 die Grundstücksvergabe im Konzeptverfahren als „Wettbewerb der Ideen“, in dem ein Konsortium/Vorhabenträger für die Realisierung des gemeinwohlorientierten Projekts gesucht wird (vgl. Kap. 7).

Der Anspruch des partizipativen Prozesses soll im weiteren Projektverlauf fortgeführt werden (vgl. Kap. 6.2).

4 Thematische und qualitative Entwicklungsziele für die Leonhardsvorstadt und die Neue Mitte

4.1 Selbstverständnis und Identität des Ortes

Die Leonhardsvorstadt…
- definiert sich durch den Charakter der einzelnen Gebiete (des Bohnenviertels, des Leonhardsviertel, des Areals Züblin-Parkhaus als Spiel- und Sportfläche, der angrenzenden Quartiere, aber auch als zentrales Innenstadtquartier), eine Akkumulation verschiedener Soziotope,
- ist geprägt von Handwerk, Handel, Musik, Kunst, Kultur, Nachtleben, Wohnen und starken Freiräumen. Alles kommt hier zusammen,
- hat Geschichte und viele Geschichten zu erzählen. Sie ist kleinteilig, geprägt von historischen Gebäuden und schmalen Straßen,
- ist gemeinwohlorientiert und multikulturell. Mit seinen Initiativen, Vereinen und sozialen Einrichtungen ist sie ein bunter und kreativer Ort, auch für Menschen mit besonderem Hintergrund,
- ist ein inklusiver Ort mit Raum für alle.

4.2 Die thematischen Entwicklungsziele für die Leonhardsvorstadt

Auf Quartiersebene werden, abgeleitet aus dem Beteiligungsprozess, folgende thematische differenzierte Entwicklungsziele formuliert:

Räumliche Entwicklungsziele
- Verbindung der Quartiere Leonhardsviertel und Bohnenviertel stärken
- Aufwertung des öffentlichen Raums unter der Berücksichtigung des Erhalts aller bestehenden Außennutzungen
- Behutsame Aufwertung der historischen Bausubstanz
- Historischen Charme des Quartiers und der Architektur erhalten
- Räumliche und gestalterische Schwellen abbauen und undefinierte Raumkanten baulich entwickeln
- Wichtige Durchwegungsachsen räumlich und inhaltlich ausbauen und die Verbindung - Möglichst autofreie Quartiersstraßen und -plätze, Straßenraum als Shared-Space für
Programmatische Entwicklungsziele
- Gemeinwohlorientierte, nachhaltige Nutzungen und öffentlichkeitswirksame Angebote fördern
- Gemischt genutzte Entwicklungsstrategien unterstützen
- Bezüge zur Innenstadt und zu angrenzenden Vierteln stärken
- Kulturmeile fortsetzen und um lokale nachbarschaftliche und niederschwellige Angebote ergänzen
- Nutzungsvielfalt im Viertel fördern, um lokale Initiativen und Vereine dauerhaft zu stärken
- Gemeinschaftliche Wohnformen fördern
- Öffentliche Orte des informellen Austausches und der Begegnung schaffen

Soziale Entwicklungsziele
- Quartiersmanagement für die Nachbarschaft etablieren und diese stärken
- Stadtentwicklung als dialogischen, partizipativen und kooperativen Prozess gestalten
- Keine Bodenspekulation ermöglichen
- Außenräume sozialverträglich entwickeln
- Angebote für Kinder- und Jugendliche erhalten, stärken und Angebote erweitern
- Gemeinnützige, bzw. soziale Trägerschaften in die Stadtentwicklung einbinden und „Safe Spaces“ für verschiedene Nutzergruppen schaffen
- Menschen mit Unterstützungsbedarf (z. B. Wohnungslose und Drogenkonsumenten) als Teil der Gesellschaft ernstnehmen, Angebote ausbauen

Ökologische Entwicklungsziele
- Klimaresiliente städtebauliche Entwicklung
- Klimasensible und klimaangepasste Freiraumplanung (Prinzip der Schwammstadt für ein nachhaltiges, baumbestandenes, begrüntes und resilientes Innenstadtquartier)
- Förderung nachhaltiger Mobilität (Stadt der kurzen Wege, Stärkung des öffentlichen Raums für C02-freie Mobilitätsformen, autofreies/autoarmes Quartier)
- Klimaneutrale Quartiersentwicklung mit Konzepten der regenerativen Energieversorgung und klimaneutralen Neubaukonzepten
- Nachhaltige ressourcenschonende Bauweise

4.3 Die qualitativen Entwicklungsziele für die Neue Mitte

Die Neue Mitte Leonhardsvorstadt
- ist Stadt für alle - ein neuer Stadtbaustein, inklusiv und vielfältig
- hat eine urbane Dichte - für ein städtisches Programm mit einer GFZ > 2,0
- schafft starke Freiräume - für die vielfältigen Akteure vor Ort
- ist durchlässig - Grundstück und Bebauung lassen eine enge Vernetzung zu
- ist nutzungsgemischt - unterschiedliche Programme werden realisiert
- ist Wohnexperiment - ein Ort für besondere Wohnformen
- hat aktive Dächer - wertvolle Flächen, die den Freiraum erweitern
- fördert ein gutes Stadtklima - durch klimaneutrale Energieversorgung, durch nachhaltige Bauweise, eine sehr gute CO2-Bilanz und einen hohen Anteil an Grünflächen und Bäumen
- achtet Gebäudebestand - prüft (Teil-) Erhalt und Umnutzung des Parkhauses
- berücksichtigt Zwischennutzung - die Entwicklung ermöglicht Aktivitäten vor Ort
- öffnet Möglichkeitsräume - es gibt gestaltbare Räume
- achtet auf Adaptabilität - die Architektur ist flexibel und ermöglicht Anpassung

Für das IBA’27-Projekt Neue Mitte Leonhardsvorstadt lassen sich die Entwicklungsziele mit folgenden Attributen zusammenfassen:
gemeinwohlorientiert – gemischt – kooperativ
inklusiv – integrativ – interaktiv – innovativ (zukunftsfähig)
klimaneutral – nachhaltig – flächeneffizient – klimasensibel

Auf dieser Basis wurden die städtebaulichen Planungsparameter (Kapitel 5) sowie eine Programmatik mit starkem Fokus auf Gemeinwohlorientierung (Kapitel 6) zusammengestellt.


5 Zielvorstellung Städtebau

5.1 Grundlegende städtebauliche und architektonische Zielsetzungen

Planungsrecht, neue Vorgehensweise, B-Plan, Zusammenspiel mit Konzeptverfahren
Der Bearbeitungs- und Entwicklungsbereich (Plangebiet) des IBA’27-Projekts Neue Mitte Leonhardsvorstadt geht über das Grundstück des heutigen Züblin-Parkhauses (Flurstück 55) hinaus und wird um die Flurstücke 87, 55/1, 55/2, 55/3, 56 erweitert (vgl. Anlage 5).

Für die genannten Flächen ist im Hinblick auf die angestrebte Mischnutzung (davon mind. 40% Wohnen der möglichen Bruttogeschossfläche) neues Planungsrecht aufzustellen. Angestrebt wird die Festsetzung eines „urbanen Gebiets“ gemäß § 6a BauNVO. In dem bestehenden Planungsrecht (Baustaffel 1) ist Wohnen nur in eingeschränktem Umfang zulässig. Eine Neuordnung der Flächen und die Grundstücksbildung erfolgen entsprechend im weiteren Verfahren.

Die grundsätzlichen städtebaulichen Planungsparameter und Qualitäten wurden im partizipativen Planungsprozess erarbeitet und sind im Strategieplan dokumentiert (vgl. Anlagen 6 und 7). Sie bilden die Grundlage für das anschließende Konzept- wie auch für das Bebauungsplanverfahren. So wird für das Konzeptverfahren ein verbindlicher Planungsrahmen geschaffen bei gleichzeitiger verbleibender Flexibilität für die anstehenden sich weiter verdichtenden Schritte (vgl. Kap. 6 und 7).
Diese städtebaulichen Planungsparameter werden im Folgenden dargestellt.

Städtebauliche Planungsparameter, Baumassenverteilung, Freihaltebereiche
Grundstück und maßgebliche Grundstücksfläche
Das Basisgrundstück hat eine Fläche von ca. 7. 800 m² und umfasst die Flurstücke 55, 55/1, 55/2, 55/3 sowie Teile der Flurstücke 87 und 56. Die überbaubare Grundstücksfläche (für die Kalkulation des Maßes der Nutzung grundlegende maßgebliche Grundstücksfläche) beträgt 6.400 m². Die finale Grundstücksbildung erfolgt nach Abschluss des Architekturverfahrens (vgl. Kap. 7.2) und im Zuge des Bebauungsplanverfahrens. Eine kleinteilige Parzellierung des Baufelds ist vor Durchführung des Konzeptverfahrens von städtischer Seite nicht vorgesehen.

Umgang mit Bestandsnutzungen im Freiraum
Die Spiel- und Sportflächen rund um das Züblin-Parkhaus werden speziell von Kindern- und Jugendlichen aus dem Stadtbezirk Stuttgart-Mitte intensiv genutzt. Bestehende Freiraumnutzungen wie die Skateanlage, der Bolzplatz, der Basketballplatz sowie der Kinderspielplatz und weitere Nutzungen (grüne Welle, Graffitiwand) sind zu erhalten bzw. qualitativ gleichwertig innerhalb der Entwicklungsfläche wiederherzustellen. Bei Sportanlagen (Basketballplatz, Skateanlage, Bolzplatz) handelt es sich um lärmintensive Nutzungen. Um eine Sicherung bzw. Wiederherstellung dieser Bestandsnutzungen im Kontext der geplanten Neuentwicklung auch von Wohnnutzungen zu gewährleisten, wurden diese in das verpflichtend herzustellende Raumprogramm aufgenommen (siehe Anlage 9, Bestandsnutzungen). Die Skateranlage muss nach einer Ersteinschätzung des Amts für Umweltschutz in jedem Fall in einem Gebäude untergebracht werden. Das Konsortium/der Vorhabenträger für die weitere Entwicklung ist entsprechend dafür verantwortlich, eine genehmigungsfähige Planung für das nutzungsgemischte Raumprogramm zu erarbeiten. Der Nachweis der Bestandsflächen und Nutzungen kann innerhalb des Grundstücks soweit bauordnungsrechtlich zulässig auch im Freiraum (wie bisher) erfolgen.

Die Angebote sollen dabei weiterhin niederschwellig zugänglich bleiben. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, bei gleichzeitigem Erhalt der bestehenden Spiel- und Bewegungsflächen, eine bessere Ausnutzung der Entwicklungsflächen zu erreichen, ohne Reduktion des Entwicklungsprogramms (Konflikt Wohnen – Sportnutzung) bzw. Einschränkungen bei der Nutzungsfähigkeit (zeitliche Nutzungseinschränkung der Sportanlagen).

Öffentlicher Raum
Die Grünachse entlang der Pfarrstraße mit ihrem bedeutsamen Baumbestand soll als Korridor mit einer Breite von mind. 25 m erhalten werden. Eine Bebauung ist hier nicht zulässig. Die Flächen zeichnen sich durch bewegungsanreizende Gestaltung und einer hohen Aufenthaltsqualität für Jung und Alt aus. Private Freibereiche im Erdgeschoss sind nicht zulässig. Wenn möglich sind die übrigen Bestandsbäume außerhalb dieser Grünachse zu erhalten. Historische Wegeverbindungen insbesondere die Weberstraße sind bei der Planung möglichst zu berücksichtigen.

Baufenster
Das Baufenster entspricht der maßgeblichen Grundstücksfläche. Die großzügige Definition des Baufensters erhält einerseits die Planungsoffenheit für die weiteren Verfahrensschritte und die bauliche Entwicklung. Andererseits wird die zulässige bauliche Dichte durch die gesetzten Planungsparameter zum Maß der baulichen Nutzung reguliert.

Maß der baulichen Nutzung
Für das Projekt ist eine höhere Dichte zugunsten der Sicherung der Freiraumflächen zugrunde gelegt.

- Die Bebauung der überbaubaren maßgeblichen Grundstücksfläche ist bis zu einem
Maß von 70% (GRZ 0,7) zulässig.

Die Bebauung der überbaubaren maßgeblichen Grundstücksfläche ist bis zu einem
Maß von 70% (GRZ 0,7) zulässig.

Dabei ist berücksichtigt, dass alle oder Teile der bestehenden Sportflächen (Bolzplatz,
Skateranlage, Basketballplatz), mindestens jedoch die Skateranlage im Gebäude bei
gleicher Quantität und Qualität nachgewiesen werden. Für alle Sportnutzungen ist
eine bauordnungsrechtliche Zulässigkeit im Rahmen der Neuentwicklung über eine
- Die Höhe baulicher Anlagen (HbA) wird auf max. 21 m beschränkt, die Ausnutzung dieser Höhe soll nur punktuell erfolgen. Eine durchgehende horizontale Traufe ist nicht zulässig. Die Höhenentwicklung der künftigen Bebauung ist zu differenzieren. Aus klimatischen Gründen ist eine zu starke Variation in der Höhe zu vermeiden.

Dachflächengestaltung und -nutzung
Die Dächer als fünfte Fassade sind vielfältig zu gestalten. Vorgesehen sind Dachgärten und -terrassen, Spiel- und Sportflächen. Dabei ist mindestens die Hälfte aller Flachdächer (mind. 50% von bis zu 4500 m² der möglichen Dachfläche) mit einer intensiven oder extensiven Begrünung zu versehen. Hinzu kommen die Anforderungen an die größtmögliche Nutzung der Dachflächen für die Herstellung erneuerbarer Energien. Hierbei ist in Stuttgart mittlerweile eine Kombination aus extensiver Dachbegrünung und aufgeständerten Solaranlagen erprobt.


Gebietstypologie
Für die neu zu entwickelnde Fläche ist die Ausweisung eines „Urbanen Gebietes“ (MU) geplant. Dabei ist ein reiner Wohnanteil von mind. 5000 m² NUF vorgesehen. Die Anordnung von Wohnungen im EG ist nicht zulässig.

Erschließung und Zugänglichkeit
Die Erschließung des Baufeldes durch Kfz ist vorrangig von der Lazarettstraße optional auch von der Katharinenstraße aus zulässig. Notwendige Stellplätze sind im Gebäude nachzuweisen. Für die Neue Mitte ist eine Reduktion der notwendigen Stellplätze auf null vorgesehen. Die neue Entwicklung ist als „durchlässiger“ Stadtbaustein zu realisieren. Erdgeschossflächen sind vorrangig öffentlich zugänglich zu gestalten und die Möglichkeit einer öffentlichen Durchwegung insbesondere in Ost-West-Richtung ist zu gewährleisten. Interaktionsflächen zwischen gebautem Raum und Freiraum sind vorzusehen.

5.2 Umgang mit dem Bestand des Züblin-Parkhauses

Im Interesse nachhaltiger Entwicklungen (Klimaschutz und Ressourcenschonung) ist eine Auseinandersetzung mit dem baulichen Bestand ein zunehmend relevantes Thema.
Der Wunsch nach einer Auseinandersetzung mit dem Züblin-Parkhaus wurde bereits im Bürgerbeteiligungsprozess Planspiel Zukunft Leonhardsvorstadt im Herbst 2020 thematisiert, denn seit einigen Jahren haben sich Funktion und Image des Parkhauses durch die Implementierung temporärer Nutzungen wie Urban Gardening auf dem Dach oder Kulturveranstaltungen gewandelt. Verschiedene Akteure ermöglichten durch niederschwellige Angebote einen anderen Zugang zu dem bisher als trennend wahrgenommenen Gebäude.
Im Rahmen des Beteiligungsprozesses entstand die Idee, das Parkhaus nicht abzubrechen, sondern gegebenenfalls als Nukleus einer künftigen Quartiersentwicklung (möglicherweise auch nur in Teilen) zu erhalten und umzubauen bzw. zu ergänzen. Dieser Gedanke wurde im Rahmen der interdisziplinären Expertenphase (Nachspielzeit) - auch im Hinblick auf zentrale Entwicklungsziele wie Klimaschutz und den Einsatz nachhaltiger Technologien, sowie der Flächen-, Ressourcen- und Kosten-/Nutzeneffizienz -aufgegriffen. In jedem Fall sind die städtebaulichen Ziele der Durchlässigkeit des Baukörpers, Offenheit und Ausstrahlung der Erdgeschosszonen auch bei Erhalt des Parkhauses zu realisieren.

Von der IBA’27 wurde eine kreative Auseinandersetzung mit dem Bestand empfohlen inkl. der Entwicklung von Strategien zur Weiterentwicklung und Qualifizierung (siehe www.iba27.de/zueblin-parkhaus-zaehmung-des-monsters-oder-entsorgung-als-abfall).

Machbarkeitsstudie zur Nachnutzung des Parkhauses
Im Oktober 2021 hat die Landeshauptstadt Stuttgart aufbauend auf Voruntersuchungen eine zweistufige Machbarkeitsstudie zur Prüfung der Optionen zu Erhalt und Nachnutzung an ein Team aus erfahrenen Fachplanern (Architektur, Tragwerksplanung, Schadstoffanalytik) in Auftrag gegeben.

Die Untersuchung in Stufe 1 hat ergeben, dass die Bausubstanz stark geschädigt ist. Dennoch erscheint die Möglichkeit gegeben, zumindest Teile des Bestands weiter zu nutzen, wenn auch mit erheblichem Aufwand zur Sanierung und Ertüchtigung der Statik. Im Hinblick auf eine Qualifizierung dieser Aussage wird daher in Stufe 2 die baulich-strukturelle Eignung des Parkhauses für eine Nachnutzung detailliert untersucht. Die Abschätzung der technischen Eignung aus Stufe 1 ist dabei weiter zu qualifizieren.

Darüber hinaus soll die Eignung des Gebäudes für eine Nachnutzung unter den besonderen Anforderungen des vorgesehenen Raumprogramms u. a. auch für Wohnungsbau unter Beachtung der Förderrichtlinien untersucht werden. Ebenfalls zu klären ist die Realisierbarkeit wesentlicher baulicher und städtebaulicher Anforderungen wie Barrierefreiheit, Durchlässigkeit und Belebung der Erdgeschosszonen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen des Umbaus im Vergleich zu Abbruch und Neubau.

Erste planerische Voruntersuchungen im Zuge des Planspiels haben hierzu bereits Möglichkeiten aufgezeigt. Auch diese sollen mit Stufe 2 der Machbarkeitsstudie überprüft, qualifiziert und auch wirtschaftlich bewertet werden.

Sollte die Machbarkeitsstudie ergeben, dass ein Umbau zur Nachnutzung des Parkhauses technisch und wirtschaftlich möglich und für die baulichen und programmatischen Anforderungen angemessen erscheint, würde im Konzeptverfahren die Option des Erhalts zum Bestandteil der Ausschreibung. Damit obläge es den sich bewerbenden Konsortien/Vorhabenträgern, zu entscheiden, ob im Rahmen ihrer Konzeptbeiträge eine Nachnutzung des Parkhauses (ggf. auch durch einen Teilerhalt) oder der vollständige Abbruch der Bestandsgebäude mit Neubau vorgeschlagen wird.

Nachdem das Ergebnis aus Stufe 1 die grundsätzliche Möglichkeit der Weiternutzung der Bausubstanz nachgewiesen hat, wurde die Stufe 2 im Februar 2022 beauftragt. Bis zu der Vergabe des Grundstücks (gesonderte Beschlussvorlage zum Konzeptverfahren) wird das Ergebnis der Stufe 2 vorliegen und für diese berücksichtigt.

5.3 Freiraum, Spiel- und Sportflächen im Außenraum

Dem Thema Freiraum kommt in diesem Projekt besondere Bedeutung zu. Aus stadtklimatologischer und stadtökologischer Sicht gilt es, die wertvollen vorhandenen Grünstrukturen möglichst zu erhalten, zugleich sind die Freiräume aktuell belegt mit für den Stadtteil sowie den Stadtbezirk wichtigen, öffentlich zugänglichen Freiraumnutzungen, die in ihrem Umfang gesichert und je nach Konzeptbeitrag im Bestand erhalten sowie zusätzlich erweitert werden sollen. Daher ist für die weitere Entwicklung ein großer Anteil der Flächen im Baufeld von Bebauung freizuhalten.

Öffentliche Spielflächen für Kinder und Jugendliche
Das Areal des heutigen Züblin-Parkhauses liegt in einem Stadtteil, der überdurchschnittlich stark von Armut und sozialen Härten betroffen ist. (Quartiersmonitoring Soziale Stadtentwicklung). Gleichzeitig weist das Gebiet einen unterdurchschnittlichen Versorgungsgrad von 43,7% an öffentlichen Spielflächen für Kinder und Jugendliche auf. Der Stuttgarter Durchschnitt liegt bei 71,3% (Fortschreibung Spielflächenleitplan 2011/12). Die derzeit vorhandenen niedrigschwelligen und vielseitigen öffentlichen Flächen (Skaterplatz, Basketballfeld & Tischkicker, Kinderspielplatz, Welle & Graffitiwand, Bolzplatz, insgesamt ca. 3.000 m²) wurden zwischen den Jahren 2001 und 2002 im Rahmen der Stadterneuerung angesiedelt. Die Anlagen werden von Kindern und Jugendlichen rege genutzt. Dies fördert die Gesundheit und Motorik der Zielgruppe und schafft gleichzeitig einen Inklusionsraum für die vielseitige Bewohnerschaft. Unter Berücksichtigung der Anforderungen an eine klimasensible und durchgrünte Freiraumgestaltung (s. u.) sind (neben den im Raumprogramm gesetzten Flächenangeboten) die Angebote Spielplatz, (450 m²) und weitere Angebote (Welle & Graffitiwand, 200 m²) in ihrer niederschwelligen Nutzbarkeit zu erhalten und durch folgende Angebote zu ergänzen:

- generationenübergreifende Angebote für Spiel und Bewegung und/oder räumlich getrennte Flächen für verschiedene Altersgruppen
- Bereiche für kontemplativere Nutzungen (Sitzen, Begegnung, Mittagspause)
- Verbindungen und Übergänge zwischen öffentlichen Räumen und Nutzungen in und an Gebäuden
- Durchwegungen (Durchlässigkeit) quer zum Grundstück, ggf. auch längs, in Verbindung mit Foyer

Sozialverträglicher Bauprozess, Verfügbarkeit von Freiflächen
Vor dem Hintergrund eines nachhaltigen Umgangs mit den vorhandenen Ressourcen insbesondere im Interesse einer möglichst breiten Verfügbarkeit der Angebote auch während der Bauphase des Projektes soll die Verfügbarkeit der öffentlichen Spielflächen (zumindest teilweise) sichergestellt werden (vgl. Kap. 6.2).

Grün und Wasser, Klima
Aufgrund der Lage in der wärme- und luftschadstoffbelasteten Innenstadt und der Lage im Geltungsbereich der Baumschutzsatzung ist ein hoher Begrünungsanteil anzustreben, mindestens 50 % der Freifläche sind zu begrünen (unter Berücksichtigung der Bäume). Es sind eine Vielzahl von Baumneupflanzungen (mittel- bis großkronige Bäume mit Erdanschluss) vorzusehen, vorhandene Bäume nach Möglichkeit zu erhalten, insbesondere der Baumbestand zu beiden Seiten der Pfarrstraße sowie die Platane an der Katharinenstraße. Im Strategieplan wird daher ein 25 m breiter Grünkorridor als nicht überbaubare Fläche definiert. Das Thema „Schwammstadt“ soll elementar auch bei der Planung der Freianlagen und Gebäude Berücksichtigung finden. Innovative Ansätze für den Umgang mit der Ressource Wasser und Regenwasserrückhalt/Wiederverwendung sind von vornherein mitzudenken. Wasserdurchlässige Beläge sind grundsätzlich zu priorisieren. Das Regenwasser ist vollständig auf dem Grundstück zu bewirtschaften (z. B. mit Zisternen zur Wiedernutzung des gesammelten Oberflächenwassers bspw. für die Bewässerung von Straßenbäumen und ggf. Regenwassernutzung in den Gebäuden).

Öffentliche und private Freiräume
Freiräume für die ausschließlich private Nutzung sind ebenerdig nicht zulässig.
Alle anderen, privaten Gebäudenutzungen zugeordneten Außenflächen (z. B. LBO-Spielflächen, Außenflächen Jugendtreff, Außengastronomie etc.) können ebenerdig angeordnet werden, wenn sie öffentlich zugänglich gestaltet werden.

Dachflächengestaltung
Die für den Freiraum und die Gebäude vorgesehene Vielfalt soll sich grundsätzlich auch in der Dachlandschaft widerspiegeln. So ist es durchaus möglich, insbesondere Räume für die gemeinschaftliche Nutzung wie bspw. Dachgärten und -terrassen, Spiel- und Sportflächen im Einzelfall auch auf das Dach zu verlagern. Aufgrund der zunehmenden Aufheizung der Innenstädte im Sommer spielt jedoch das Thema Dach- und Fassadenbegrünung zunehmend eine bedeutsame Rolle, der auch in diesem Projektgebiet Rechnung getragen werden muss. Aus diesem Grund ist mindestens die Hälfte aller Flachdächer mit einer intensiven oder extensiven Begrünung zu versehen. Alle opaken Fassadenflächen sind umfangreich zu begrünen, insbesondere sonnenexponierte Fassaden, Der Nachweis ist im Rahmen des Architektenwettbewerbs mittels einer Flächenbilanz zu erbringen.

Hinzu kommen die Anforderungen an die größtmögliche Nutzung der Dachflächen für die Herstellung erneuerbarer Energien. Hierbei gilt in Stuttgart eine Kombination aus extensiver Dachbegrünung und aufgeständerten Solaranlagen als optimal im Sinne der Vereinbarkeit von sowohl Anpassungsmaßnahmen an die Folgen des Klimawandels als auch Maßnahmen gegen den Klimawandel an sich.

5.4 Energiekonzept

Die Landeshauptstadt Stuttgart befindet sich in der Umsetzung ihres Energie- und Klimaschutzkonzepts. Ziel ist eine klimaneutrale Landeshauptstadt. Die Planung und Umsetzung eines Modellprojekts für die urbane Energiewende der Stadt Stuttgart geht dabei über die klimaneutrale Energieversorgung hinaus und ist ganzheitlich und interdisziplinär auf verschiedenen Entwicklungsebenen zu betrachten (Quartiersebene, Projektebene). Für das Gesamtquartier Leonhardsvorstadt wird in diesem Zusammenhang von der Stadt ein innovatives Energiekonzept realisiert, das Ökologie und Wirtschaftlichkeit kombiniert. Durch erhöhten baulichen Wärmeschutz und die Nutzung lokaler Energiequellen, insbesondere Solarenergie, wird der Ausstoß von Schadstoffen vermieden und der Ressourcen- bzw. Umweltschutz vorbildlich umgesetzt. Für die Bestandsgebäude sollen Anreize gesetzt werden (z. B. Informationsabende, kostenlose Energieberatung), um diese bestmöglich energetisch zu sanieren, die Nutzung lokaler erneuerbarer Energien auszuweiten und bei Bedarf die bereits im Stadtgebiet liegende Fernwärme im Gebiet weiter auszubauen. Zur Unterstützung der Bürger*innen dienen die Förderprogramme der Stadt Stuttgart sowie des Landes und Bundes.

Für die Neubauten wird nach aktuellem Planungsstand eine gemeinsame Energieversorgung mit erneuerbaren Energien (z. B. PVT, Abwasserwärme, etc.) und bei Bedarf eine Deckung des Restwärmebedarfs über die Fernwärme angestrebt.

Geeignete Dach- und Fassadenflächen werden größtmöglich belegt, die dauerhaft zu erhalten sind. Die Installation von Photovoltaikmodulen an geeigneten Fassaden ist frühzeitig in die architektonische Gestaltung zu integrieren. Der durch die PV-Anlagen auf dem Dach sowie an den Fassaden erzeugte Strom soll primär im Gebäude oder Quartier selbst genutzt werden.

Energiekonzept für die Neue Mitte Leonhardvorstadt:
Für das IBA’27-Projekt auf dem Areal des heutigen Züblin-Parkhauses gelten die energetischen Vorgaben der Stadt (GRDrs 143/2019) sowohl für Neubau wie auch bei Umbau. Das Gebäude ist klimaneutral mit dem Ziel des Plusenergiestandards zu errichten. Geeignete Dach- und Fassadenflächen werden größtmöglich mit Solaranlagen belegt.

5.5 Mobilität

Das Gesamtquartier Leonhardsvorstadt grenzt nordwestlich an die B14, den Cityring an. Dieser Bereich ist stark vom Kfz-Verkehr geprägt. Die B14 ist eine der zentralen Verkehrsachsen der Stadt. Im Quartier selbst, in dem in der Erdgeschosszone Ladengeschäfte und darüber Wohnen als Nutzungen überwiegen, dienen die Straßen lediglich als Erschließungsstraßen (bis auf die Alexanderstraße und die Olgastraße) und haben dementsprechend eine untergeordnete Funktion.

Durch die Lage (Nähe zur Innenstadt) lassen sich ähnliche Mobilitätsziele für die „Lebenswerte Innenstadt“ (GRDrs 492/2021) auch auf die Leonhardsvorstadt übertragen. Im Jahr 2020 wurde über ein internationales Wettbewerbsverfahren eine zukunftsfähige Lösung für die Umgestaltung des Stadtraums B14 erarbeitet. Die mit dem 1. Preis prämierte Planung des Büro ASP wird der Erarbeitung des Mobilitätskonzepts als Zielkonzeption zugrunde gelegt. Diese sieht eine Verengung des Straßenraums (neue zu schaffende Quartierskanten) zu einer Art Boulevard vor, der für Fußgänger sowie Fahrradwege ausreichlich Platz einräumt, gesäumt von einer Baumallee.

Im Zuge der Erarbeitung eines Mobilitätskonzepts (detailliertes Verkehrskonzept) ist auch ein Schallgutachten zu erstellen.

Leitbild der Mobilität
Fußgänger
Die „lebenswerte Leonhardsvorstadt“ ist geprägt von kurzen Wegen. Alles ist fußläufig erreichbar. Um die nachhaltige Mobilität zu stärken, sollen insbesondere Verbesserungen für den Fußverkehr geschaffen werden. Dazu zählen zum einen eine fußgängerfreundliche Gestaltung, die Ausweisung von Fußgängerzonen, Fußgängerüberwegen und verkehrsberuhigten Bereichen, eine generelle Geschwindigkeitsreduktion sowie mehr Platz und Orte zum Verweilen durch Sitzgelegenheiten und Begrünung. Die Leonhardsvorstadt soll vor allem durch Fußgängerzonen aufgewertet werden.

Grundsätzlich ist eine attraktive Gestaltung mit gut vernetzten Wegeverbindungen anzustreben. Dazu zählt zum Beispiel auch eine gute Beleuchtung. Dies erhöht die Qualität für Fußgänger und Radfahrer wie auch die Attraktivität des ÖPNVs.

Fahrradverkehr
Die Hauptradroute 1 wird zukünftig entlang der B14 auf den neuen Radwegen geführt. Zusätzlich verläuft für den Radverkehr entlang der Olgastraße die Hauptradroute 62, entlang der Wilhelmstraße die Hauptradroute 3.

Wichtige Querungsachsen und Erschließungsmöglichkeiten im Quartier bilden die Katharinenstraße, die Pfarrstraße und die Leonhardstraße. Diese Straßen sollen auf ein verbessertes Angebot geprüft werden bzw. für den Radverkehr freigegeben sein.
Genügend Abstellmöglichkeiten für Räder gilt es im öffentlichen Raum einzurichten. Der neue Mobility Hub (ehem. Parkhaus Breuninger) wird zukünftig eine wichtige Rolle für Abstellmöglichkeiten, Service und Reparaturen im Quartier und darüber hinaus spielen. Der neue Mobility Hub muss daher gut an die Mobilitätsinfrastruktur angebunden sein. Grundlage hierfür bildet das oben genannte Zielkonzept entlang der B14.

Autoverkehr
Aufgrund der kompakten Größe des Quartiers, der sehr zentralen Lage und der guten Erschließung sollen im Quartiersinneren nur noch bestehende Anwohnerstellplätze und Tiefgaragen mit dem Auto anfahrbar sein. Eine Erschließung des Quartiers mittels PKW soll zukünftig nur noch von der Hauptstätter Straße über die Rosenstraße, von der Olgastraße über die Rosen- und Brennerstraße und von der Katharinenstraße über die Lazarettstraße möglich sein. Widmungen und die Gestaltung sollen Durchgangsverkehre oder Schleichverkehre verhindern. Die Katharinenstraße kann in ihrer Dimension nicht verändert werden und muss für den Zweirichtungsverkehr bestehen bleiben, da diese eine wichtige Ausfahrt für die dort ansässige Feuerwache darstellt. Auf Höhe Züblinareal kann man jedoch auf dessen Straßenseite die Parkplätze aufheben und hier den Gehweg verbreitern.

Ruhender Verkehr, Anlieferung
Mit wenigen Ausnahmen sollen die Parkplätze im öffentlichen Raum zugunsten einer gemeinschaftlichen Nutzung und Begrünung zurückgebaut werden. Bedarfe sollen möglichst durch bestehende Parkmöglichkeiten in Parkhäusern abgedeckt werden. Im Quartier bestehen Ausnahmegenehmigungen für Bewohner*innen zum Parken im öffentlichen Raum. Es handelt sich um ca. 70 Ausnahmegenehmigungen.

In der Leonhardsvorstadt befinden sich derzeit 112 Parkplätze im öffentlichen Raum. Diese Parkplätze befinden sich in folgenden Straßen: Hauptstätter Straße, Esslinger Straße, Rosenstraße, Leonhardstraße, Jakobstraße, Lazarettstraße und der Katharinenstraße. Zusätzlich gibt es in der Pfarrstraße private Parkplätze die mit Verträgen durch das Tiefbauamt vergeben sind. Hiervon soll ein größerer Anteil an Parkplätzen entfallen. Hauptsächlich Sonderparkplätze wie Behindertenparkplätze, Taxiparkplätze würden bestehen bleiben.

Damit die Belieferung der einzelnen Läden gut abgewickelt werden kann, können explizite Lieferzonen ausgewiesen werden. Festgelegte Anlieferzeiten gewährleisten die Anlieferung der Geschäfte und Handwerksbetriebe.

Alternativer Verkehr, Sharingsysteme
Damit der motorisierte Individualverkehr zurückgeht, sind alternative Fortbewegungsmöglichkeiten und Angebote wichtig. In der Katharinenstraße soll beispielsweise neben der Feuerwache ein Carsharingangebot geschaffen werden. Der neue Mobility Hub wäre als Standort ebenfalls vorteilhaft um eine gute Erreichbarkeit solcher Standorte für die Bewohner*innen der Leonhardsvorstadt zu erzielen. Über das digitale „schwarze Brett“ könnte auch über weitere Angebote zur Mobilität informiert werden, die sich im Quartier befinden, z. B, Sharing-Angebote, ÖPNV und Möglichkeit für Fahrradreparaturen.

Hauptstätter Straße/B14
Die Barrierewirkung der B14 soll durch eine Reduzierung der Zahl der Fahrspuren minimiert werden. Um das Leonhardsviertel besser an die Innenstadt anzubinden, sollen zusätzliche ebenerdige Überwege über die B14 eingerichtet werden. Im ersten Schritt wird angestrebt, im Bereich des künftigen Hauses für Film und Medien und des Mobilty Hubs einen neuen Überweg mit möglichst geringen Wartezeiten für die Fußgänger*innen einzurichten.

Mobilitätsanforderungen für die Neue Mitte Leonhardsvorstadt
Stellplatznachweispflicht Kfz- und Radverkehr:
In den örtlichen Bauvorschriften werden Regelungen zur Aufhebung der Nachweispflicht für die Herstellung notwendiger Kfz-Stellplätze getroffen. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch für alle anderen Nutzungen. Beim Radabstellen ist beim Wohnen je angefangenen 35 qm Wohnfläche ein Radabstellplatz nachzuweisen. Zusätzlich werden noch Regelungen für das Abstellen von Lastenrädern und die Ausstattung der Radabstellplätze mit Elektrolademöglichkeiten getroffen.

Stellplatzbaulasten
Auf dem Grundstück des Züblin-Parkhaus sind 101 Stellplatzbaulasten eingetragen. Im Rahmen der Entwicklung sollen diese verlagert werden. Sofern die Stellplatzbaulasten nicht verlagert werden können, müssten diese im Rahmen der Entwicklung wiederhergestellt oder abgelöst werden. Mit der geplanten Stellplatzsatzung für die Innenstadt (Satzung über die Ermittlung der Anzahl baurechtlich notwendiger Kfz-Stellplätze von Anlagen nach § 37 Abs. 1 Satz 2 LBO (Nicht-Wohnnutzungen) im inneren Stadtgebiet der LHS gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1 LBO BW) Innenstadt kann die Anzahl der Stellplatzbaulasten voraussichtlich reduziert werden.

5.6 Integrierter Planungsanspruch

Die vorgestellten Fachkonzepte zu Freiraum, Energie und Mobilität sind sowohl auf Quartiers- wie auch auf Projektebene integriert zu betrachten.


6 Zielvorstellung Programmatik und Prozess

6.1 Programmatische Zielsetzungen, Nutzungen und Angebote

Das IBA’27-Projekt Neue Mitte Leonhardvorstadt soll mit einem Fokus auf ein konsequent gemeinwohlorientiertes und gemischtes Nutzungsprogramm entwickelt werden, das aus dem Quartier heraus erarbeitet wurde. Das dargestellte stark durchmischte und gemeinwohlorientierte Programm stellt eine Synthese aus Diskussionen in der Bürgerbeteiligung (Stakeholderworkshops, Planspiel, Nachspielzeit mit Expertenworkshops) und den parallel durchgeführten Ämterabfragen und -abstimmungen dar. Das Programm weist im Interesse der Gemeinwohlorientierung einen hohen Anteil an Nutzungen mit gedeckelten Mieten (z.T. mit Förderung) auf.

Aus dem Prozess entstand das programmatische Zielbild (vgl. Anlage 8):
- Bezahlbares Wohnen
- Jugendangebote
- Quartiersangebote mit sozialem Schwerpunkt
- Gewerbeflächen
- Angebote der öffentlichen Daseinsvorsorge
- Multifunktionsflächen für kulturelles Angebot
- Indoor/Innenraum Sport

Programmstrategie und Programmatik
Für die Projektrealisierung ist die Durchführung eines Konzeptverfahrens vorgesehen. Mit dem Verfahren sollen die besten räumlichen und inhaltlichen Konzepte abgefragt werden. Um wesentliche Zielsetzungen verbindlich zu sichern und gleichzeitig ein möglichst offenes Konzeptverfahren als Wettbewerb der besten Ideen zu ermöglichen, umfasst die Programmierung des Quartiers verbindlich „gesetzte“ Nutzungen („Pflichtprogramm“) und „optionale Nutzungen“ („Flächenpool“).
Gesetzte Nutzungen – in Bebauung unterzubringenm² NUF
Wohnen und Sonderformen
des Wohnens
(ca. 57 % NUF)
Wohnflächen (darin enthalten Bedarfswohnangebote)5.000
Tagespflege (15 Pflegeplätze)300
Wohnungsnahe soziale
Infrastruktur
ca. 13 % NUF
KITA600
Jugendtreff700
Gewerbeflächen
ca. 10 % NUF
Gewerbeflächen/Nahversorgung900
Gemeinbedarfsorientierte
Nutzungen:
Begegnung, Sport, etc.
ca. 20 % NUF
Multifunktionsfläche + Nebenräume800*
Indoor Sport200*
Skateranlage (Bestand)600*
Begegnungsflächen/Foyer250*
Summe9.350

Gesetzte Nutzungen – im Freiraum oder in Gebäuden unterzubringenm² NUF
Gemeinbedarfsorientierte
Nutzungen:
Begegnung, Sport, etc.
Bolzplatz (Bestand)***500*
Basketballplatz (Bestand)***300*
Summe800
Pool (optionale Ergänzungsflächen)
innerhalb des möglichen Bauvolumens von bis zu 20.000 qm BGF
vgl. Kap. 5.1 der ausführl. Begründung
m² NUF
Wohnen und Sonderformen
des Wohnens
Hostel inklusive (inklusive Wohngemeinschaft)250
Hostel inklusive: Hostel, Empfang)400
Gemeinbedarfsorientierte
Nutzungen:
Begegnung, Sport, etc.
Weiter Multifunktionsfläche + Nebenräume700*
Haus des bürgerschaftlichen Engagements (HbE)2.200
Ambulante Frauensuchtberatungsstelle
(Lagaya e. V.)
600
Weitere Nutzungenweitere optionale Nutzungen konzeptabhängig
möglich
Summe4.150

* Für diese Nutzungen sind zweigeschossige Räume zu kalkulieren.
** Exemplarische Berechnung der BGF (verwendeter Ergänzungsfaktor netto – brutto: 1,5; brutto – netto ca. 0,68)
*** Kann, wenn bauordnungsrechtlich zulässig, auf öffentlicher Fläche nachgewiesen werden

Die Ergänzungsflächen können weitere Nutzungsangebote in den Beiträgen zum Konzeptverfahren (z.B. Wohnen) bis zur maximal möglichen BGF (siehe Kapitel 5.1) beinhalten.

Zur kompletten Übersicht des Nutzungsprogramms vgl. Anlage 9.
Zur Beschreibung der Programmbausteine vgl. Anlage 10


Aufgrund der Flächenknappheit musste eine Differenzierung und Priorisierung bei einigen im Prozess diskutierten Flächen bzw. von den städtischen Ämtern angemeldeten Bedarfen getroffen werden. Dabei wurde der Fokus auf Angebote gelegt, die vorrangig dem Gesamtquartier Leonhardvorstadt zu Gute kommen.

Bei den großflächigen Anmeldungen des Amts für Sport und Bewegung (ca. 4.000 m² BGF) sowie des Hauses des bürgerschaftlichen Engagements (ca. 5.500 m² BGF) wurden daher nur die Bausteine der Raumprogramme gesetzt, die mit den grundlegenden gemeinwohlorientierten Zielsetzungen im Quartier übereinstimmen.

Bei der Erstellung der Programmatik wurden vorhandene Doppelungen in den Bedarfsanmeldungen bereits berücksichtigt, um vorhandene Synergien bestmöglich zu nutzen. Die übrigen Bausteine dieser Raumprogramme werden im optionalen Flächenpool vorgehalten und sind von den sich bewerbenden Konsortien/Vorhabenträgern auf Möglichkeiten der Umsetzung zu prüfen. Eine vollständige Setzung der Großbausteine hätte das komplette Bauvolumen überschritten. So aber verbleiben innerhalb des maximal möglichen baulichen Volumens (vgl. Kap. 5.1) Spielräume für das Konzeptverfahren.

Eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe (Amt für Sport und Bewegung, Sozialamt, Jugendamt, Amt für Stadtplanung und Wohnen) hat Modelle für synergetische Flächennutzungen erarbeitet.

Im weiteren Verlauf gilt es Modelle für eine Trägerschaft solcher synergetisch genutzten Flächen zu erarbeiten. Diese sollen die Vergabevorlage zur Ausschreibung des Konzeptverfahrens einschließen.

Errichtung durch Konsortium/Vorhabenträger, Anmietung durch Träger/Betreiber
Die zu errichtenden bzw. umgenutzten Gebäude und damit sämtliche Flächen – sowohl die gesetzten Nutzungen als auch die optionalen Flächen aus dem Flächenpool werden vom Konsortium/Vorhabenträger baulich realisiert, so dass keine Baukosten für die Stadt Stuttgart anfallen. Sie werden von den jeweiligen im weiteren benannten Betriebsträgern angemietet.

Umsetzung des Nutzungsprogramms im Konzeptverfahren
Die Konsortien/Vorhabenträger sind gehalten, im Konzeptverfahren (vgl. Kap. 7) neben der Erfüllung von Vorgaben auch eigene Ideen einzubringen und sich dabei am Flächenpool zu orientieren und Nutzungen aus demselben soweit möglich zu integrieren. Die o. g. „Raumpotenziale“ können bei Bedarf auch (anteilig) zur Quersubventionierung herangezogen werden, damit das Gesamtprojekt eigenständig wirtschaftlich entwickelt werden kann.

Im Konzeptverfahren werden gesamtheitliche Vorschläge erwartet, die in der Summe einen möglichst großen Beitrag zur Gemeinwohlorientierung des Gesamtprojekts leisten, so dass das Nebeneinander verschiedener Nutzungen vielfältig, sozial verträglich und zur Leonhardsvorstadt passend gestaltet werden kann.

Dafür werden besonders innovative Ideen zu kostengünstigen Bauweisen, Raum,- Nutzungs- und Baukonzepte mit Synergien und Mehrfachnutzung von Flächen und Angeboten erwartet. Diese Ideen zeichnen sich zusätzlich durch Offenheit und Durchlässigkeit der Räume für eine Neue Mitte in der Leonhardsvorstadt aus.

Aufgabe des Konsortiums/Vorhabenträgers wird auch sein, Vorschläge für den Umgang mit den bestehenden öffentlichen Sport-, Spiel- und Bewegungsflächen zu erarbeiten.

Diese Flächen sind in Umfang und Qualität zu erhalten und konzeptabhängig neu zu ordnen. Sie können auch (anteilig) im Gebäude untergebracht werden (vgl. Kap. 5.1).

6.2 Zielsetzungen zum Prozessdesign

Der Anspruch des bisherigen koproduktiven und partizipativen Prozesses zur Quartiersentwicklung (vgl. Kapitel 3) soll mit der Ausschreibung zur Neuen Mitte Leonhardsvorstadt nicht beendet sein.

Es ist Wunsch aus dem Beteiligungsverfahren und auch Zielsetzung der IBA‘27, den transparenten und partizipativen Prozess in der Ausschreibung und in der Realisierung des Projekts fortzuführen, im Sinne von Ko-Kreation zwischen kommunalen, sozialen, zivilgesellschaftlichen Akteuren. Das Quartier soll weiterhin „mitgenommen“ werden.
Folgende Ziele werden für den weiteren Entwicklungsprozess bis zur Fertigstellung und zum Teil über den Bezug hinaus verfolgt:

- Einrichten einer Kontaktstelle vor Ort als Quartiersmanagement zur aktiven fachlichen und inhaltlichen Begleitung der Gesamtentwicklung. Zur Verstetigung des Dialogprozesses im Quartier, der Durchführung themenbezogener Workshops und Veranstaltungen der Quartiersentwicklung, dem Anstoßen von Aktionen im öffentlichen Raum, als Ansprechpartner und Vermittler im Quartier, verbunden mit der Fortführung des Informations- und Kommunikationsangebots der Website www.zukunft-leonhardvorstadt.de. Grundlegende Aufgabe ist es, die besondere Charakteristik der jeweiligen Quartiere herauszuarbeiten und zusammen mit Akteuren vor Ort und der Verwaltung tragfähige Konzepte für den Erhalt bzw. eine sensible Weiterentwicklung zu erarbeiten und umzusetzen. Mittel hierfür sind im Haushaltsbeschluss GRDrs 1370/2021 vom 17.12.2021 vorgesehen. Dieses Angebot ist zu verknüpfen mit ggf. durchzuführenden Maßnahmen zu Information und Kommunikation im Zuge des projektierten Sanierungsvorhabens (vgl. Kap. 10 Sanierung).

- Gestalten des Konzeptverfahrens - Gestalten eines partizipativen Planungsprozesses, z.B. durch dialogisches kooperative Werkstattverfahren statt rein kompetitiver Verfahren (Architekturwettbewerb) unter Einbindung bürgerschaftlicher Vertreter*innen in die Diskussions- und Auswahlgremien. Die Vorgehensweise wird mit der Architektenkammer Baden-Württemberg (AKBW) abgestimmt. - Gestalten der Bau- und Entwicklungsprozesse im Sinne einer Baustelle, die nicht das gesamte Areal auf Jahre blockiert. Denkbar wäre z. B. durch abschnittsweise Realisierung die Weiternutzung der Sportangebote, zusätzliche experimentelle Zwischennutzungen und spontane Events (z. B. „Tage der offenen Baustelle“, IBA’27-Festivals und dem Ausstellungsjahr 2027 etc.) auf Teilflächen auch in der Bauphase zu ermöglichen. - Selbst- und Mitbaumöglichkeiten durch modulare Bauweisen und „Ausbauhaus“-Prinzipien als Beitrag zum kostengünstigen und partizipativen Bauen und zur Einbindung späterer Nutzer*innen sind zu prüfen. - Aufbau einer Quartiersgemeinschaft als Aufgabe für das Konsortium/den Vorhabenträger. Ziel ist die Entwicklung, Vernetzung und Verstetigung gemeinschaftsorientierter Prozesse im IBA’27-Projekt Neue Mitte Leonhardvorstadt und im Stadtviertel. Die Quartiersgemeinschaft kann und soll sowohl soziale wie auch technisch-administrative Aufgaben übernehmen, die dem künftigen Miteinander aller Beteiligten im IBA’27-Projekt Neue Mitte mit Ausstrahlung in die Nachbarschaft zu Gute kommen.
Die Umsetzung dieser grundlegenden Ziele wird in einer abgestimmten Vorgehensweise zwischen den städtischen Angeboten (s. o. Projekt-Website Zukunft Leonhardvorstadt, Kontaktstelle vor Ort), der Stadtverwaltung, der IBA’27 und der Mitwirkung des Konsortiums/Vorhabenträgers erfolgen.

In den Bewerbungen im Konzeptverfahren werden entsprechende Beiträge erwartet (Vernetzung, Aufbau Quartiersgemeinschaft, Prozessdesign, Baustellenmanagement, Kommunikation)


7 Grundstücksvergabe im Konzeptverfahren

Die Grundstücksvergabe auf dem Areal des Züblin-Parkhauses erfolgt an ein Konsortium/einen Vorhabenträger im Erbbaurecht. Eine Parzellierung des Grundstücks ist von Seiten der Stadt nicht vorgesehen. Grundlage der Berechnung ist der Verkehrswert. Die vertraglichen Konditionen (Höhe des Erbbauzinses, Laufzeit, etc.) werden den gemeinderätlichen Gremien mit Vermarktungsvorlage voraussichtlich im 3./4. Quartal 2022 vorgelegt.

7.1 Konzeptverfahren Neue Mitte Leonhardvorstadt: Teilnehmerkreis, Interessentenaufruf

Zur Auswahl eines geeigneten Konsortiums/Vorhabenträgers für die gemeinwohlorientierte Entwicklung des Areals wird ein Konzeptverfahren zur Vergabe der Grundstücke durchgeführt. Bewerben können sich Konsortien aus verschiedensten Akteurinnen und Akteuren bzw. Vorhabenträger mit bestmöglichen Konzepten zur Umsetzung der in der Beteiligung entwickelten Ziele. Für diese Konsortien/Vorhabenträger braucht es erfahrene und zugleich innovative Projektentwickler, versierte Wohnbauexperten sowie kreative Bauwillige und gemeinwohlorientierte Organisationen, die sich zutrauen, eine solche Aufgabe anzugehen und bereit sind, mit Akteuren vor Ort zu agieren und Experimente zu wagen. Um den Prozess der Bildung geeigneter Konsortien für diese anspruchsvolle Aufgabe zu unterstützen wurde ab Oktober 2021 ein Interessentenaufruf durchgeführt, eine Informations- und Vernetzungsveranstaltung vor dem Start des formalen Vergabeverfahren ist vorgesehen.

Vorgaben und Spielräume
Das Konzeptverfahren beinhaltet Vorgaben („Mindestqualitätsstandards“) zur Sicherung der wesentlichen benannten städtebaulich-planerischen und programmatischen Zielsetzungen für die Entwicklung des Quartiers sowie Spielräume zur Ausgestaltung in den Konzeptbeiträgen der Bewerber. Die Vorgaben resultieren aus den in den Kapiteln 4 bis 6 benannten Zielsetzungen auf Basis des Strategieplans. Aus dem Zusammenspiel von Vorgaben und Spielräumen entsteht ein Wettbewerb der Ideen, der Innovationen auslösen und besondere und spezifisch auf den Standort ausgerichtete Lösungen zeitigen soll.

Verfahrensablauf
Das Konzeptverfahren beginnt formal mit der öffentlichen Ausschreibung auf Basis einer eigenen Beschlussvorlage zur Vermarktung. Diese ist voraussichtlich nach der Sommerpause 2022 vorgesehen. Das Verfahren wird zweistufig durchgeführt. Stufe 1: Interessenbekundung/Teilnahmewettbewerb
In der Interessenbekundung können interessierte Konsortien/Vorhabenträger niederschwellig ihre Bereitschaft zur Teilnahme am Verfahren kundtun. Inhalte der Bekundung sind die Beschreibung der grundlegenden konzeptionellen, programmatischen und architektonisch-städtebaulichen Zielsetzungen, der geplanten Struktur des Konsortiums sowie die Benennung der bereits bekannten und ggf. noch geplanten Projektpartner. Die Leistungsfähigkeit ist nachzuweisen. Auch können Referenzprojekte angeführt werden.

Zeitgleich wird dem Teilnehmerkreis durch die Ausloberin die Möglichkeit gegeben gezielte Rückfragen zu stellen (Rückfragenkolloquium). Nach entsprechender Eignungsprüfung erhalten die Bewerber eine Zulassung zur Stufe 2.

Stufe 2: Bewerbungsphase
In der Bewerbungsphase erarbeiten die Teilnehmer Ihre Projektbeiträge. Dabei gilt es, die Erfüllung der Vorgaben zu bekunden und durch eigene Projektideen zu ergänzen
Als grundlegende Inhalte der Konzeptbeiträge werden unter anderem erwartet:

- Programmvorschlag für das Projekt mit Flächenangaben, Aussagen zu eigenen (ergänzenden) programmatischen Schwerpunktsetzungen (über die Vorgaben hinaus)
- Struktur und Leistungsfähigkeit des Konsortiums/Vorhabenträgers, Benennung der Projektpartner, Vorlage von Referenzen.
- Betreibermodelle für einzelne Nutzungsbausteine sowie Einbindung externer Träger/Betreiber
- Wirtschaftlichkeitsberechnung, Kosten-Qualitätsmanagement zur Sicherung der wirtschaftlichen Machbarkeit und zugleich Gemeinwohlorientierung
- Beitrag zur Einbindung und Vernetzung (Bildung einer Quartiersgemeinschaft), Verstetigung partizipativer Prozesse, Prozessdesign für partizipativen Planungs- und Bauprozess
- Städtebauliche und baukulturelle Qualitäten, Vernetzung mit den angrenzenden Quartieren, Architekturhaltung, Anmutung der Gebäude
- Baukonzeption (z. B. Modulares Bauen, cradle to cradle,) Raummodell mit Darstellung des Programms, Gebäudetypologie und Erschließungsprinzip, baulich-strukturelle Synergien, Haltung zur Baukultur, Materialität, Gliederung, etc.
- Energiekonzept, nachhaltiges Bauen, Mobilitätskonzept
- Umgang mit dem baulichen Bestand (Gebäude und Freiraum), insbesondere Integration der bestehenden Sportflächen, Anbindung öffentlicher Raum, Durchlässigkeit

Die genauen Inhalte und Vergabekriterien des Konzeptverfahrens werden in einer gesonderten Vorlage durch den Gemeinderat im Rahmen der Vermarktung beschlossen. Die besten Konzeptbeiträge werden von einem interdisziplinär besetzten Auswahlgremium ausgewählt, das dem Gemeinderat eine Empfehlung zur Vergabe einer oder mehrerer Grundstücksoptionen ausspricht (Vergabevorlage). Mit dem Beschluss des Gemeinderats zur Vergabe von Grundstücksoptionen beginnt die Optionsphase. Im Auswahlgremium des Konzeptverfahrens sind externe Fachleute und Sachverständige (Architektur, Stadtplanung, Soziologie, Projektsteuerung, Immobilienexperten) unter Einbindung des Stuttgarter Gestaltungsbeirats sowie der IBA’27 vertreten sowie Vertreter des Gemeinderates, der Stadtverwaltung und des Stadtbezirks (Bezirksvorsteherin oder Stellvertreter*in).

7.2 Optionsphase, Qualifizierung der Konzeptbeiträge, Kooperation

Die Optionsphase ist eine Phase der intensiven Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten und zugleich ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung.

Darüber hinaus werden in der Optionsphase die grundlegenden Konzeptbausteine weiter qualifiziert, Betreibermodelle ausgearbeitet, Projektpartner ergänzt, weitere künftige Nutzer*innen und Bewohner*innen eingebunden. Die Optionsphase endet mit den Vertragsabschlüssen (Erbbaurechtsvertrag ggf. ergänzende Grundlagenurkunden). Zu diesem Zeitpunkt sollten die Baugenehmigungen vorliegen

Die Architekturkonzepte sowie die programmatischen Qualitäten aus der Bewerbung werden in der Optionsphase weiter qualifiziert, die Bauantragspläne erarbeitet und eingereicht.

Das genaue Vorgehen bzgl. der Ausarbeitung von Konzepten und Architekturplanung
wird noch in Abstimmung mit der IBA‘27 entwickelt und in einer gesonderten Vorlage
durch den Gemeinderat im Rahmen der Vermarktung beschlossen.

Qualitätssicherung
Die Qualitätssicherung im Konzeptverfahren ist ein begleitender Prozess während der Vertiefung und Qualifizierung der Konzeptbausteine (z. B. Betreiberkonzepte, Kooperationen etc.) und der baulichen Planung (Architekturverfahren, Baugenehmigungsplanung, Bauausführungsplanung). Dies erfolgt in enger Abstimmung der Projektbeteiligten untereinander und mit der Stadt in der Optionsphase. Die abschließende Sicherung der Qualitäten erfolgt über die Erbbaurechtsverträge sowie und soweit möglich über dingliche Sicherungsmechanismen.

8 Projektsteuerung für die Arealentwicklung, Kooperationen

8.1 Erbbaurecht Parkhaus: Aktuelle Nutzung mit Laufzeit

Das Areal des heutigen Züblin-Parkhauses ist bis zum 31.12.2023 im Erbbaurecht vergeben. Ab 2024 steht das Areal für einen möglichen Rückbaubeginn oder Nachnutzung (ohne Parkhausbetrieb) zur Verfügung. 8.2 Koordinationserfordernisse und Kooperationsmöglichkeiten, Grundlagenvereinbarungen

Für die Gesamtentwicklung des Quartiers besteht Kooperationsbedarf bei der Umsetzung der Energie- und Mobilitätskonzepte sowie bei der Planung und Realisierung der privaten Freianlagen, als auch des eigenen Bauvorhabens. Die übergeordnete Projektsteuerung wird durch Kooperationsverpflichtung mit der Landeshauptstadt Stuttgart gesichert. Die Stadt wird hiervon nach eigenem Ermessen Gebrauch machen.

Baufeldeigene Schnittstellen insbesondere auch baulogistischer Art sind durch einen qualifizierten Baulogistiker sowie Projektsteuerer zu betreuen. Die Kosten sind vom Bauherren zu tragen. Der Stadt ist ein Ansprechpartner zu benennen.

9 Grundstücksneuordnung, Erschließung, ggf. Rückbau und Abbruch 23-2

Sollte das Parkhaus weitergenutzt werden (falls im weiteren Verfahren sowie im ausgewählten Konzeptbeitrag so vorgesehen), wird es dem ausgewählten Konsortium/Vorhabenträger zur Verfügung gestellt. Etwaige (teilweise) Rück- und Umbaubauarbeiten im Zuge des Nachnutzungskonzeptes werden dann vom Konsortium/Vorhabenträger in eigener Regie durchgeführt. Sollte das Parkhaus nicht weitergenutzt werden, wird das Bestandsgebäude einschließlich etwaiger Erschließungsanlagen (Straßenflächen, Verbindungsgänge etc.) von der Landeshauptstadt sukzessive zurückgebaut und die sonstigen Flächen freigelegt. Mit den ersten Rückbaumaßnahmen kann Anfang 2024 begonnen werden, Dauer ca. 6 Monate.

10 Sanierung

Im Gebiet Stuttgart 33 - Katharinenplatz werden vorbereitende Untersuchungen gemäß
§ 141 Baugesetzbuch durchgeführt (GRDrs 909/2021). Diese sollen Ende 2022 abgeschlossen werden, sodass auf den Zwischenergebnissen basierend, im Oktober 2022 ein Antrag auf Aufnahme in ein Programm der Städtebauförderung gestellt werden kann. Bei Aufnahme in ein Förderprogramm, wäre ein Satzungsbeschluss im Sommer 2023 möglich. Im Rahmen der Sanierung beständen dann ggf. verschiedene, noch zu prüfende Fördermöglichkeiten: bspw. von Modernisierungen, Herstellung von Grün- und Spielflächen, Umgestaltung von Straßen- und Platzräumen, Herstellung von Bauwerksbegrünung und alternativer Bewässerungsbewirtschaftung etc. Für die bei Projekten der Städtebauförderung üblichen Beteiligungsprozesse sollen die bereits zur Leonhardsvorstadt geschaffenen ehrenamtlichen Strukturen soweit möglich und sinnvoll aufgegriffen und genutzt werden.

11 Finanzielle Auswirkungen

Grundstücksvergabe
Die Vergabe des Grundstücks erfolgt im Erbbaurecht. Basis des Erbbauzinses ist der Verkehrswert (Festpreis, ggf. nach Sanierung).

Geförderter Wohnungsbau – Förderung, Grundstücksverbilligung
Gemäß der Grundsatzvorlage zur Bodenpolitik (GRDrs 146/2021 Neufassung) wird zukünftig der einheitliche Erbbauzins für Sozialmietwohnungen (SMW), Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher (MME) und Preisgedämpfter Wohnungsbau (PMW) auf den verbilligten Bodenwert berechnet. Die Verbilligung beträgt bei SMW 45 % des erschließungsbeitragspflichtigen Bodenwerts und bei MME bis zu 80 % des erschließungsbeitragspflichtigen Bodenwerts. Beim PMW erfolgt die Bodenwertverbilligung aufgrund gutachterlich festgestellter Reduzierung des Bodenwerts. SMW werden zusätzlich über das jeweils geltende Förderprogramm des Landes über Darlehen oder Zuschüsse begünstigt.

Verfahrenskosten
Für die Durchführung des Auswahlverfahrens (Konzeptverfahren) werden Mittel in Höhe von 100.000 EUR veranschlagt. Die Mittel stehen im Haushalt 2022/23 zur Verfügung.

Für die erforderliche Sicherung der städtebaulichen und architektonischen Qualitäten
wird ein Verfahrensvorschlag im Zusammenhang mit dem Konzeptverfahren mit der
IBA’27 abgestimmt (vgl. Kap. 7). Für die Durchführung werden Mittel in Höhe von
70.000 EUR benötigt

Ferner werden in entsprechenden gesonderten Vorlagen Mittel für den Rückbau der Bestandsgebäude, sonstige grundstücksspezifische Kosten (wie beispielsweise Verbau aufwändige Gründung, besondere Sicherungsmaßnahmen) sowie die öffentliche Erschließung beantrag, ebenso die jeweiligen Betriebsmittel für die soziale Infrastruktur (Kindertagesstätte, Jugendtreff, Tagespflege etc.). Es wird davon ausgegangen, dass das Konsortium /der Vorhabenträger alle Räume baulich realisiert und teilweise vermietet, so dass keine Baukosten für die Stadt Stuttgart anfallen.



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