1 Ausgangslage
Das Projekt „Neue Mitte Leonhardsvorstadt“ befindet sich an der Schnittstelle zwischen dem Bohnenviertel und dem Leonhardsviertel, die zusammen mit einem großen Anteil an historischer Bausubstanz das älteste Stadterweiterungsgebiet Stuttgarts sind. Beide Viertel haben nach dem Zweiten Weltkrieg unterschiedliche Entwicklungen genommen. Nun sollen sie durch neue Entwicklungen an der Schnittstelle beider Viertel zur Leonhardsvorstadt zusammengeführt und eine Einheit werden. Kulisse dafür bietet die IBA‘27, die in Stuttgart und der Region stattfindet. Sie wird mit konkreten Beispielen zeigen, wie ein gutes Zusammenleben aussehen kann. Die Leonhardsvorstadt wird eines dieser Beispiele sein. Im Fokus steht dabei die Nachnutzung des Areals des heutigen Züblin-Parkhauses. Ende 2023 endet durch Zeitablauf das Erbbaurecht zwischen der Stadt Stuttgart und der Park Service Hüfner GmbH, Betreiberin des Züblin-Parkhauses. Eine zukunftsfähige und vielfältige Quartiersmitte mit sozialer Infrastruktur, Sport‐ und Freizeitangeboten, Gewerbe und Wohnen kann entstehen. Diese „Neue Mitte“ soll ein Ort für alle werden: gemeinwohlorientiert, inklusiv, nachhaltig. Die Interessen der Stadtgesellschaft und der künftigen Gemeinschaft sollen im Projekt vor Ort zentral gebündelt werden. Ein attraktives Raumangebot im Innen- sowie im Außenraum soll zu unterschiedlichsten Aktivitäten aber auch zu spontanem Verweilen einladen und Anwohner*innen wie Besucher*innen gleichermaßen ansprechen. Die Stadt Stuttgart und die IBA‘27 haben gemeinsam mit der interessierten Öffentlichkeit eine Strategie für die Entwicklung der Neuen Mitte Leonhardsvorstadt erarbeitet, als aktuellen Beitrag auf dem Weg zur IBA‘27. Die städtebaulichen und programmatischen Zielsetzungen sowie das Prozessdesign ermöglichen ein Zusammenspiel aus partizipativ erarbeiteten Vorgaben und gestalterischen Spielräumen. Somit ist ein solider Rahmen zur Sicherung von Qualitäten entstanden, der zugleich ausreichend Flexibilität für neue innovative Beiträge bietet. Dieser Rahmen bildet die Grundlage für ein Konzeptverfahren, mit dem ein geeignetes Konsortium/ein Vorhabenträger für die Realisierung eines gemeinwohlorientierten Projekts gesucht werden soll.
2 Städtebaulicher Kontext, Quartier Leonhardsvorstadt
Historie Die zu Anfang des 14. Jahrhunderts als erste Stadterweiterung erbaute Esslinger Vorstadt, oder auch Leonhardsvorstadt, wurde geprägt von ihren Bewohnern, den sogenannten „kleinen Leuten“, Weingärtner, Handwerker, Fuhrleute und Tagelöhner, die sich dort ansiedelten und mit einer Vielzahl kleinteiliger Nutzungen, die die Erdgeschosszonen belebten. Im 17. und 18. Jahrhundert war das Gebiet starken baulichen Veränderungen unterworfen. Dennoch blieb die Leonhardsvorstadt hinsichtlich ihrer städtebaulichen Struktur, der Straßenführung und ihrer Bewohnerstruktur in weiten Teilen erhalten. Im 19. Jahrhundert erfuhr die städtebauliche Entwicklung Stuttgarts in der Gründerzeit einen enormen Aufschwung. Auch die Leonhardsvorstadt war davon betroffen. Gebäude aus dieser Zeit wurden inspiriert von Bauformen der Romanik, Gotik, der Renaissance und des Barock und zeigten sich nach außen hin in Natur- und Backstein mit auffälligen Details. Große Veränderungen erlebte das Viertel durch die teilweise starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Die zerstörten Bereiche wurden nur mit provisorischen Gebäuden überbaut und der autogerechte Ausbau der vorhandenen Verkehrsstraßen (Hauptstätter Straße) trennte das Viertel vom Kernbereich der Stadt ab. Die Wohnverhältnisse verschlechterten sich. Familien verließen das ehemals intakte Wohngebiet und das Viertel wurde von Nachtlokalen, Spielhallen und dem zugehörigen Personenkreis mehr und mehr eingenommen. Mit dem Bau des Züblin-Parkhauses 1963 zwischen Pfarrstraße und Lazarettstraße zerfiel die Leonhardsvorstadt in das Bohnenviertel und das Leonhardsviertel. Während das Bohnenviertel durch verschiedene planerische Maßnahmen und eine vielbeachtete Sanierung heute wieder als kleinteiliges, familienfreundliches Wohnquartier wahrgenommen wird, hat das Leonhardsviertel, entsprechend der wahrgenommenen Nutzungen, den Ruf als Rotlichtviertel Stuttgarts. Aktuelle Entwicklungen Ausgehend von einer Umnutzung des bestehenden Kiosks im Züblin-Parkhaus und der letzten Parkebene (Ebene 0) für urbanes Gärtnern durch die Initiative „Ebene 0“ im Jahr 2012 entstand ein besonderer Ort in Stuttgart, der heute etabliert ist und aktuell durch den „Kultur Kiosk“ mit verschiedensten Veranstaltungen bespielt wird. Auch das Umfeld des Züblin-Parkhauses entwickelte sich, angestoßen durch ein städtebauliches Sanierungsprogramm der Stadt. Flächen für Parkplätze und eine Tankstelle wurden in zentrale urbane Sport- und Grünflächen umgewandelt und die Pfarrstraße für den Durchgangsverkehr gesperrt. Diese Orte werden besonders von Kindern, Jugendlichen und junge Familien intensiv genutzt. Befördert durch den Ende 2023 auslaufenden Erbbauvertrag für das Züblin-Parkhaus kann ein Raum für ein neues Miteinander, eine „Neue Mitte“ geschaffen werden. Betrachtungsebenen und Projektbausteine des Gesamtquartiers Leonhardsvorstadt Die Quartiersentwicklung der Leonhardsvorstadt umfasst verschiedene Betrachtungsebenen und definiert potenzielle Projektbausteine. - Die konzeptionell inhaltliche Bearbeitungsebene: