Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
1044/2019
GZ:
SWU
Sitzungstermin: 20.02.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Herr Krasovskij
Betreff: BPlan mit Satzung ü. örtl. Bauvorschriften Heßbrühl-
str. (Vai 282) im Stadtbez. Vaihingen
- Satzungsbeschl. gemäß § 10 BauGB und § 74 LBO
mit Anregungen i. S. V. § 3 Abs. 2 BauGB

Vorgang: Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik vom 18.02.2020, öffentlich, Nr. 57
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung bei 1 Enthaltung und 2 Nein-Stimmen

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Städtebau, Wohnen und Umwelt vom 28.01.2020, GRDrs 1044/2019, mit folgendem

Beschlussantrag:

Der Bebauungsplan mit Satzung über örtliche Bauvorschriften Heßbrühlstraße (Vai 282) im Stadtbezirk Vaihingen wird in der Fassung vom 31.01.2019 nach § 10 BauGB und § 74 LBO als Satzung beschlossen. Es gilt die Begründung mit Umweltbericht zum Bebauungsplan vom 31.01.2019/20.12.2019.

Der Geltungsbereich ist im Kartenausschnitt auf dem Deckblatt der Begründung mit Umweltbericht dargestellt.

Während der öffentlichen Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB gingen 15 Stellungnahmen ein, darunter eine Unterschriftenliste mit 269 Mitunterzeichnern. Von 3 Bürgern wurden Anregungen erneut vorgebracht. Es wird festgestellt, dass die Anregungen nicht bzw. nur teilweise berücksichtigt werden können.

Pläne zu der im Betreff genannten Angelegenheit sind im Sitzungssaal ausgehängt.

Eingangs regt OB Kuhn an, diesen Tagesordnungspunkt gemeinsam mit dem Tagesordnungspunkt 6 (siehe heutige NNr. 35) zu behandeln. Gegen diese Vorgehensweise erheben sich seitens der Ratsmitglieder keine Widersprüche.

Im Verlauf der nachfolgenden Aussprache erklärt StRin Fischer (90/GRÜNE) die Zustimmung ihrer Fraktion zu den GRDrsn 1044/2019 und 1041/2019. Die Stadträtin erinnert an das langwierige Verfahren im Zuge der Aufstellung des Bebauungsplans, welches aber notwendig gewesen sei, um die verschiedenen Abwägungen zu treffen. So hätte die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit bereits im September 2016 stattgefunden.

Im Weiteren begrüßt StRin Fischer die vorliegende Entwurfsplanung für die Neubebauung der Allianz Deutschland AG auf dem Grundstück an der Heßbrühlstraße, betont allerdings auch, dass man sich anfangs von dem Versicherungskonzern ein größeres Engagement für eine klimaverträgliche Bauentwicklung gewünscht hätte. Dennoch sei es erfreulicherweise gelungen, die nachteiligen Auswirkungen der künftigen Bebauung auf das Schutzgut Klima und Luft durch Festsetzungen im Bebauungsplan und Regelungen im städtebaulichen Vertrag zu minimieren.

Für die geplante Ansiedlung spreche zudem die äußerst günstige Lage des Standortes direkt am ÖPNV-Knotenpunkt und künftigen Regionalbahnhalt in Vaihingen. In diesem Zusammenhang betont die Stadträtin die Notwendigkeit der Erarbeitung eines sinnvollen Mobilitätskonzepts für den gesamten Stadtbezirk Vaihingen, wobei es nicht nur darum gehen könne, die Verkehrsfläche für den motorisierten Individualverkehr (MIV) zu erweitern, und verweist dabei beispielhaft auf die Idee für eine Seilbahn in Vaihingen, die ihre Fraktion unterstütze, und ein geeignetes Parkraummanagement.

Im Namen der CDU-Gemeinderatsfraktion erklärt StR Dr. Vetter (CDU), dass man den beiden Vorlagen ebenfalls zustimmen werde. Der Stadtrat äußert die Auffassung, dass die geplante Ansiedlung der Allianz in Stuttgart-Vaihingen trotz der nicht einfachen Abwägung zwischen Natur und Wirtschaft, "die zum Wohle der Stadt einzig richtige Entscheidung" gewesen sei. Er erinnert dabei daran, dass in den vergangenen Jahren einige große Arbeitgeber wie Thales, Ernst & Young oder Wüstenrot ihre Standorte in Stuttgart bereits aufgegeben hätten bzw. die Aufgabe planten, wodurch zahlreiche Arbeitsplätze verloren gingen.

Vor dem Hintergrund dessen, dass im Gewerbegebiet Synergiepark Stuttgart bis zum Jahr 2030 voraussichtlich rund 40.000 Personen beschäftigt sein werden, spricht sich StR Dr. Vetter für eine schnellere Umsetzung des Verkehrskonzepts für den Synergiepark sowie einen Ausbau der Anbindungen an den Gewerbepark unter Berücksichtigung aller Verkehrsarten von ÖPNV über den Radverkehr bis hin zum MIV aus. Der Stadtrat macht deutlich, dass auch die Anbindung für den MIV zügiger ausgebaut werden müsse, da viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mangels Alternativen für den Weg zur Arbeit auf das Auto angewiesen seien. Es gelte unbedingt zu vermeiden, dass es am neuen Standort zu Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung aufgrund der Erreichbarkeit der Arbeitsstelle komme. Ähnlich äußert sich hierzu im Folgenden auch StR Zeeb (FW).

In diesem Zusammenhang plädiert StR Dr. Vetter auch für eine Verlängerung der S-Bahn-Verbindung in Richtung Reutlingen und bittet den Oberbürgermeister darum, sich hierfür einzusetzen. Die CDU-Gemeinderatsfraktion unterstütze ferner die Überlegungen für eine Seilbahn in Vaihingen, erklärt er.

Ebenfalls erinnert der Stadtrat im gleichen Kontext an den Antrag Nr. 28/2020 seiner Fraktion mit dem Betreff "Neues P+R Parkhaus über der A8 für das Gewerbegebiet Vaihingen/Möhringen".

Zudem möchte er von der Verwaltung wissen, welche Schritte seit dem Beschluss der Voruntersuchung zum Ausbau der Nord-Süd-Straße im Bereich zwischen A 8 und Industriestraße Ende Juli vergangenen Jahres unternommen worden seien, um das Vorhaben voranzutreiben.

Abschließend spricht sich der Stadtrat für die Prüfung der Möglichkeit einer Umsetzung des "Office-Hub Stuttgart" auf dem ehemaligen KNV-Gelände am Wallgraben aus.

Die Pläne zur geplanten Ansiedlung der Allianz in Stuttgart-Vaihingen werden im Folgenden von StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) scharf kritisiert, der erklärt, dass seine Fraktion dem Vorhaben nicht zustimmen werde. Die FrAKTION lehne eine Bebauung von Flächen mit wichtigen Grün- und Klimafunktionen wie Frischluftschneisen sowie die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, was nachteilige Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung hätte, ab, so der Stadtrat weiter. StR Rockenbauch betont, dass es beim Klima seiner Ansicht nach "keine Kompromisse" geben dürfe, in diesem Fall aber die "ökonomische Macht die ökologische Vernunft gebrochen hätte".

Seine Ablehnung einer Ansiedlung der Allianz begründet der Stadtrat ferner auch mit der bereits jetzt schon sehr hohen Verkehrsbelastung für den Stadtbezirk Vaihingen, die durch den neuen Gewerbestandort nur noch weiter zunehmen werde. Vor dem gleichen Hintergrund lehnt der Stadtrat auch einen Ausbau der Nord-Süd-Straße ab.

In seiner Wortmeldung erklärt StR Körner (SPD), dass die SPD-Gemeinderatsfraktion die beiden Vorlagen unterstützen werde. Der geplante Standort sei aufgrund der aktuellen Nutzung als Sportplatz und als Kaltluftschneise sowie der aktuell schon hohen Verkehrsbelastung in Vaihingen zwar nicht optimal, so der Stadtrat. Allerdings konnte im Rahmen der Prüfung weiterer möglicher Stadtorte keine überzeugende Alternative gefunden werden.

Durch den Verbleib des Traditionsunternehmens Allianz in Stuttgart könnten rund 4.500 Arbeitsplätze erhalten bzw. neu geschaffen werden, was für die Bürgerinnen und Bürger in der Stadt, aber auch in der Region von großer Bedeutung sei. Zudem sei im Hinblick auf die Gewerbesteuer eine Verteilung auf verschiedene Branchen im Sinne einer angemessenen Risikoverteilung erstrebenswert.

Die SPD-Gemeinderatsfraktion begrüße das Vorhaben vor allem aber auch deshalb, weil für die vorhandenen Probleme im Zusammenhang mit dem geplanten Standort vertretbare Lösungen gefunden werden konnten, erklärt StR Körner weiter.

Als große Zukunftsaufgabe bezeichnet der Stadtrat die sinnvolle Regelung des Verkehrs in ganz Vaihingen mithilfe eines durchdachten Verkehrskonzepts. In diesem Zusammenhang ist auch das Thema Parkraummanagement zu sehen.

Er plädiert ferner dafür, dass die Stadt Stuttgart gemeinsam mit Städten und Gemeinden aus der unmittelbaren Nachbarschaft wieder stärker über interkommunale Gewerbegebiete nachdenken sollte. Hierbei spricht sich StR Körner auch für faire Abwägungen zwischen ökonomischen und gemeingesellschaftlichen Interessen wie z. B. dem Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum aus.

Abschließend fordert der Stadtrat, dass Unternehmen künftig beim Thema Werkswohnungen noch stärker in die Pflicht genommen werden müssten.

Im weiteren Verlauf der Aussprache begrüßen StR Dr. Oechsner (FDP) und StR Zeeb die Pläne zur Ansiedlung der Allianz in Stuttgart-Vaihingen. Diese seien im Rahmen einer intensiven Abwägung im Zuge eines langen Beratungsgangs entstanden. Die Stadträte erklären die Zustimmung ihrer Fraktionen und betonen übereinstimmend, wie wertvoll es sei, dass durch den Verbleib des Unternehmens in Stuttgart rund 4.500 Arbeitsplätze in der Stadt erhalten würden. Dies sei eine wesentliche Voraussetzung für den Wohlstand der Bürger dieser Stadt.

Wie seine Vorredner verweist auch StR Dr. Oechsner auf die dringende Notwendigkeit für ein durchdachtes Verkehrskonzept für den Stadtbezirk Vaihingen, um einerseits die aktuelle Situation zu entschärfen und andererseits auch die Akzeptanz für die Neuansiedlung im Gewerbegebiet innerhalb der Bürgerschaft zu erhöhen.

StR Zeeb vertritt im Weiteren die Meinung, dass durch den Wegzug der Allianz aus der Innenstadt dort wertvolle Wohnbaupotenziale freigemacht würden. Zudem äußert er sich positiv in Bezug auf den städtebaulichen Vertrag und hebt die durch die Allianz gemachten Zusagen hervor. An die Mitglieder der FrAKTION gewandt macht der Stadtrat deutlich, dass die Allianz an die Stadt eine nicht zu unterschätzende Summe an Gewerbesteuer entrichte und nicht zuletzt auch mit diesem Geld im Rahmen der vergangenen Haushaltsplanberatungen zahlreiche soziale und kulturelle Projekte sowie Vorhaben zur Stärkung der Radinfrastruktur in Stuttgart finanziert werden konnten.

Die beiden Vorlagen werden anschließend auch durch StR Goller (AfD) befürwortet.

Im Namen der PULS-Fraktion erklärt StRin Köngeter (PULS), dass man sich heute bei den Abstimmungen zu den beiden Vorlagen enthalten werde. Da man als neugegründete Fraktion nicht von Anfang an in den Beratungsgang eingebunden gewesen sei, falle es den Fraktionsmitgliedern schwer, in dieser komplexen Abwägung zwischen Natur und Wirtschaft auf der einen Seite und den Interessen des Stadtbezirks Vaihingen gegenüber den gesamtstädtischen Interessen auf der anderen Seite die richtige Entscheidung zu treffen und beispielsweise auch die Ergebnisse der Prüfung möglicher Alternativstandorte richtig einzuordnen. Die Ansiedlung der Allianz in Vaihingen würde positive, aber auch negative Effekte nach sich ziehen, die im Zuge dieser Aussprache bereits geäußert wurden, so die Stadträtin.

Die Enthaltung ihrer Fraktion begründet StRin Köngeter zudem mit dem Argument, dass man die gemachten Vorschläge für ein Mobilitätskonzept noch nicht für entscheidungsreif halte, da sich noch vieles in der Phase der Machbarkeitsstudie befinde. Sie macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass PULS einen Ausbau der Nord-Süd-Straße ablehne, da die Meinung bestehe, dass ein Mehr an Verkehrsfläche ein Mehr an MIV nach sich ziehe.
Im Folgenden meldet sich OB Kuhn zu Wort und begrüßt die geplante Ansiedlung der Allianz in Stuttgart-Vaihingen. Der Oberbürgermeister betont den Wunsch der Verantwortlichen des Unternehmens, auch in Zukunft traditionsgemäß einen Standort in Stuttgart zu unterhalten, und zeigt sich darüber erfreut, dass es gelungen sei, mit dem Grundstück an der Heßbrühlstraße eine geeignete Fläche zu finden und dass die Mehrheit des Rates diese Lösung unterstütze. Der Vorsitzende macht deutlich, von welch großer Bedeutung für ganz Stuttgart der Erhalt der 4.500 Arbeitsplätze sei, nicht zuletzt auch, weil es sich um Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor handle. Zudem sei die Allianz ein wichtiger Gewerbesteuerzahler für die Stadt Stuttgart.

Ferner verweist OB Kuhn ebenfalls auf die gute verkehrliche Anbindung des geplanten Standortes direkt am ÖPNV-Knotenpunkt und künftigen Regionalbahnhalt. Vor diesem Hintergrund müsse es das Ziel sein, dass die Mehrheit der künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Arbeitsstätte mit dem ÖPNV erreichen könnten. Wo dies nicht möglich sei, müsste über eine Ertüchtigung der anderen Verkehrsarten nachgedacht werden.

Anschließend bekräftigt StR Rockenbauch noch einmal seine Ablehnung gegenüber dem Vorhaben. Er spricht sich in diesem Zusammenhang auch für eine strategische Bodenvorratspolitik der Stadt im Umgang mit Investoren aus.

Danach stellt OB Kuhn die GRDrs 1044/2019 zur Abstimmung und hält fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 5 Gegenstimmen und 5 Enthaltungen mehrheitlich wie beantragt.

Die Abstimmung über die GRDrs 1041/2019 findet im Rahmen des Tagesordnungspunktes 6 (siehe heutige NNr. 35) statt.
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