Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz:
GRDrs 1509/2019
Neufassung
Stuttgart,
02/05/2020



5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart - Anhörung



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Gemeinderat
Beratung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
04.02.2020
06.02.2020



Beschlußantrag:

Die Verwaltung wird beauftragt, zum Entwurf der 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart im Rahmen des öffentlichen Anhörungsverfahrens folgende Stellungnahme abzugeben:



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Zu 1.: Kenntnisnahme des Entwurfs der 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans

Ausgangslage und Entwicklung

Die positive Wirkung der jahrelangen und vielfältigen Aktivitäten der Landeshauptstadt Stuttgart sowie vieler Partner zur Verbesserung der Luftsituation im Stuttgarter Stadtgebiet ist in den letzten Jahren immer deutlicher erkennbar geworden.

Die Zahl der gesetzlich zulässigen Überschreitungstage (insgesamt 35 pro Jahr) bei Feinstaub PM10 werden seit 2018 an allen Messstellen im Stadtgebiet eingehalten. Während es im Jahr 2017 noch 41 Überschreitungstage gab, waren es im Jahr 2018 nur noch 20 Überschreitungstage. Auch im Jahr 2019 wurden die Grenzwerte an der Messstelle Am Neckartor eingehalten. Die exakte Zahl der Überschreitungstage (gravimetrische Auswertung) wird derzeit durch die zuständige Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) ermittelt und im Anschluss veröffentlicht. Die zulässigen Jahresmittelgrenzwerte bei PM10 werden bereits seit 2011 an sämtlichen Stationen erreicht.

Auch beim Luftschadstoff Stickstoffdioxid (NO2) sind deutliche Verbesserungen zu verzeichnen. So wurde im Jahr 2019 die Anzahl der zulässigen Überschreitungsstunden (maximal 18 pro Jahr) zum dritten Mal in Folge an allen Messstellen im Stadtgebiet eingehalten. Auch konnten bezogen auf den Jahresmittelwert von NO2 an den Messstationen der stark belasteten Straßenabschnitte Rückgänge der Werte erreicht werden. So liegen die vorläufigen Mittelwerte der NO2-Konzentrationen (Stand 02.01.2020) an der Messstelle Arnulf-Klett-Platz bei 43 µg/m3 Luft (2018: 46; 2017: 56), an der Messstelle Hohenheimer Straße bei 50 µg/m3 Luft (2018: 65; 2017: 69) und an der Messstelle Am Neckartor bei 53 µg/m3 Luft (2018: 71; 2017: 73).

Nachdem am 18. November 2019 die 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt Stuttgart öffentlich bekannt gemacht wurde, legt das Regierungspräsidium Stuttgart nun die 5. Fortschreibung vor. Hintergrund ist die derzeit noch bestehende Überschreitung des Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid im Jahresmittel und die Urteile des Verwaltungsgerichts Stuttgarts und des Bundesverwaltungsgerichts sowie das übergeordnete Ziel, die Luftqualität in Stuttgart zu verbessern. Dabei gilt: Aufgrund der positiven Entwicklung der Werte im Jahr 2019 gibt es die berechtigte Hoffnung, dass der gesetzliche Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid im kommenden Jahr auch ohne die Einführung eines zonalen Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotor unterhalb der Euronorm 6/VI eingehalten wird.

Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG müssen die zuständigen Behörden einen Luftreinhalteplan aufstellen, wenn ein Immissionsgrenzwert für einen Luftschadstoff überschritten wird. Mit einem Luftreinhalteplan soll durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Luftschadstoffbelastungen dauerhaft so verbessert werden, dass die Grenzwerte eingehalten werden bzw. der Zeitraum der Überschreitungen verringert wird. Für die Erstellung von Luftreinhalteplänen in Baden-Württemberg sind die Regierungspräsidien zuständig.

Gegenwärtig gilt die 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart vom November 2018, die Ergänzung zur 3. Fortschreibung vom Juni 2019 sowie die 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart vom November 2019. Der Entwurf der 5. Fortschreibung ist Gegenstand dieser Vorlage. Zum Hintergrund der 3. Fortschreibung, der kurze Zeit später vorgelegten Ergänzung dieser 3. Fortschreibung und der 4. Fortschreibung wird auf GRDrs 758/2018, 270/2019 und 848/2019 verwiesen.

Der nun vorliegende Entwurf der 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart umfasst nur die Maßnahme M1. Sie wird in dieser Begründung bewertet bzw. kommentiert.

Verfahrensablauf und Organisatorisches

Die in den Entwurf der 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart aufgenommene Maßnahme hat das Regierungspräsidium Stuttgart mit dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg abgestimmt.

Der Planentwurf wurde am 16. Dezember 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt und lag von diesem Tage bis zum 15. Januar 2020 öffentlich aus. Bis zum 29. Januar 2020 kann zu dem Planentwurf gegenüber dem Regierungspräsidium Stuttgart Stellung genommen werden.

Die Landeshauptstadt Stuttgart hat auf frühzeitigen und begründeten Antrag vom Regierungspräsidium Stuttgart eine einmalige Fristverlängerung bis zum 07. Februar 2020 genehmigt bekommen. Im Rahmen dieser öffentlichen Auslegung äußert sich die Landeshauptstadt Stuttgart als Trägerin öffentlicher Belange zu dem Planentwurf auf Basis des Gemeinderatsbeschlusses dieser Gemeinderatsdrucksache.

Der vollständige Text des Entwurfs der 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans ist als Anlage beigefügt sowie online abzurufen unter https://rp.baden-wuerttemberg.de/rps/Abt5/Ref541/Luftreinhalteplan/541_s_stutt_LRP_5_FS_2019.pdf

Zu 2 & 3.: Anmerkungen zur Maßnahme M1

Die im Entwurf vorliegende 5. Fortschreibung enthält als Maßnahme M1 ein optionales Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotor unterhalb der Euronorm 6/VI ab 1. Juli 2020 in einer verkleinerten Umweltzone bestehend aus dem Stuttgarter Talkessel und den Stadtbezirken Feuerbach, Zuffenhausen und Bad Cannstatt. Gemeinsam mit den bereits bestehenden Maßnahmen zur Luftreinhaltung soll die Belastung mit Stickstoffdioxid reduziert und der gesetzliche Grenzwert im Jahresmittel in Höhe von 40 µg/m³ im Stadtgebiet von Stuttgart schnellstmöglich eingehalten werden.

Lässt die Entwicklung der Immissionssituation im April 2020 die Prognose zu, dass der Grenzwert im Jahr 2020 eingehalten wird, unterstützt die Landeshauptstadt Stuttgart die Zusage des Landes, das zonale Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotor unterhalb der Euronorm 6/VI aufgrund der positiven Entwicklung der Werte nicht einzuführen.

Des Weiteren gibt die Landeshauptstadt Stuttgart folgende Anmerkungen:

a) Anwohnerinnen und Anwohner mit einem Dieselfahrzeug der Abgasnorm Euro 5/V, die in der kleinen Umweltzone leben, wird eine Übergangsfrist von zwei Jahren eingeräumt. Das gefahrene Fahrzeug muss mit einer grünen Plakette gekennzeichnet sein. Die Ausnahme wird im Wege der Allgemeinverfügung erteilt.

b) Mit dem vorliegenden Planentwurf der 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart wird der Geltungsbereich einer „kleinen Umweltzone“ definiert. Auf Grundlage der textlichen Definition sowie der Abbildung 17 werden die Fachämter der Landeshauptstadt Stuttgart die exakten Standorte der erforderlichen Beschilderung festlegen und dem Regierungspräsidium vorlegen. In Kapitel 5.5 Räumliche Abgrenzung ist daher zu ergänzen: „Die kleine Umweltzone umfasst – vorbehaltlich einer detaillierten, straßengenauer Grenzfestlegung – den Bereich des Talkessels sowie der Stadtbezirke Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen.“

c) Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der sogenannten „kleinen Umweltzone“ ist daher zwingend eine Abstimmung zwischen Stadt und Land zur straßenscharfen Ausgestaltung erforderlich. Die Landeshauptstadt Stuttgart regt an, dass die Straßenzüge B10-B27 zwischen Anschlussstelle Zuffenhausen und Kornwestheim, der Knotenbereich B10-B14 im Neckartal sowie der Kappelbergtunnel vom Remstal kommend zur B10 Richtung Neckar/Esslingen ausgenommen werden.

d) Die Zufahrt zu den P+R Plätzen innerhalb der sogenannten kleinen Umweltzone soll analog der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans möglich sein, insbesondere die Zufahrt zum P+R Sommerrain.

e) Der Zeitplan zur Umsetzung des vorgesehenen Verkehrsverbots ist aufgrund eines hohen Planungsaufwandes ausgesprochen ambitioniert. Dies gilt nicht zuletzt, da im Sinne der Vorwegweisung zur frühzeitigen Information der Verkehrsteilnehmer zahlreiche Standorte für Ankündigungsschilder an den Entscheidungspunkten zur Umfahrung geplant und umgesetzt werden müssen. Die Landeshauptstadt Stuttgart weist darauf hin, dass zudem die personellen Ressourcen bei der Landeshauptstadt Stuttgart zur Beschilderung eines solchen kleineren zonalen Verkehrsverbots derzeit ausgeschöpft sind, da im gleichen Zeitraum auch noch die Umsetzung von Maßnahmen aus der 4. Fortschreibung stattfindet.


f) In Bezug auf die Ausnahmekonzeption wird empfohlen, Fahrten zu Kfz-Werkstätten für Reparatur- und Wartungszwecke zu gestatten und diese Wartungszwecke auch explizit in die Konzeption aufzunehmen.

g) Weiterhin fehlt im Luftreinhalteplan die Möglichkeit, Busse über den Einsatz von synthetischem Kraftstoff (GTL) in den NOx-Emissionen zu verbessern. Diese Möglichkeit wird aus der europäischen CVD-Richtlinie („Clean Vehicle Directive“) abgeleitet, deren Umsetzung in nationales Recht vor kurzem angestoßen wurde (Alternative Kraftstoffe im Sinne Artikel 2 Nr.1 und 2 der Richtlinie 201/94/EU).


h) Gemäß Kapitel 5.6.1.1 ist für Fahrzeuge mit anerkannten und nachgewiesenen Softwareupdates eine Übergangsfrist von zwei Jahren vorgesehen. Die Landeshauptstadt Stuttgart geht davon aus, dass diese Zwei-Jahresfrist ab dem 01. Juli 2020 beginnt.

i) Bezüglich der prognostizierten Wirkung der Maßnahme (Kapitel 5.5) des vorliegenden Entwurfs der 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans wird die Einschätzung geteilt, dass es mit der Einführung einer „kleinen Umweltzone“ zu Verkehrsverlagerungen kommen kann. Die Ankündigung, dass „eventuell auftretende Verlagerungsverkehre untersucht“ werden, ist in Form einer verkehrlichen Untersuchung (Modellberechnung) durch das Regierungspräsidium zu konkretisieren.

Die Landeshauptstadt Stuttgart unterstützt mit obigen Anmerkungen diese Maßnahme im Rahmen des Gesamtkonzepts der 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans.



Zu 4: Folgende Maßnahmen sollten in die 5. Fortschreibung mit aufgenommen werden:

M2 Regionalweite Zuflussregulierung

Die Landeshauptstadt Stuttgart fordert das Land auf, eine regionalweit abgestimmte Zuflussregulierung für Stuttgart auf den Weg zu bringen und dies auch als Maßnahme in die 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart mit aufzunehmen. Dazu soll das Land in Absprache mit der LHS sowie den umliegenden Kommunen und Landkreisen ein Konzept erarbeiten, um die Menge an Fahrzeugen, die über die Gemarkungsgrenze in die Landeshauptstadt einfahren, aktiv in den Spitzenstunden reduzieren zu können. Dies soll unter Einbeziehung des derzeit im Aufbau befindlichen regionalen Verkehrsmanagement unter Federführung des Verbands Region Stuttgart erfolgen. Die Integrierte Verkehrsleitzentrale der LHS soll dabei in die Lage versetzt werden, auf drohende Verkehrsbehinderungen innerhalb der LHS frühzeitig reagieren und den Zufluss aus dem Umland temporär regulieren zu können.
In diesem Kontext weist die LHS auf die Notwendigkeit und Bedeutung eines umfassenden Monitorings hin. In welchem Maß entstehende Verkehrsverlagerungen zu einer Verkehrszunahme auf anderen Streckenzügen führen und evtl. Störungen des ÖPNV bewirken, muss aus Sicht der LHS einer Evaluation unterzogen werden. Die Kriterien für eine solche Evaluation sind mit den Fachämtern der LHS abzustimmen.

M3 Temporeduzierung auf Bundesstraßen im Stadtgebiet (60 km/h)

Im Sinne des Gesundheitsschutzes und einer dauerhaften Reduktion der Stickoxide-missionen hält die Landeshauptstadt Stuttgart eine Temporeduktion auf Bundesstraßen für sinnvoll und empfiehlt die Aufnahme als Maßnahme in die 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans.
Vornehmlich sollte eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der B10/27 auf 60 km/h in Zuffenhausen zwischen der Auffahrt Friedrichswahl und dem Ende der Wohnbebauung erfolgen. Zur Kontrolle der Grenzwerteinhaltung empfiehlt die Landeshauptstadt Stuttgart die Einrichtung einer NO2- und Feinstaub-Messstelle an der B10/27 in Zuffenhausen im Bereich des Kulturzentrums.


Zu 5: Weitere Anregungen der Landeshauptstadt Stuttgart zum Entwurf der 5. Fortschreibung

Wie bereits in der Stellungnahme der Landeshauptstadt Stuttgart zum Planentwurf der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans genannt, fordert die Landeshauptstadt Stuttgart die Landesregierung dazu auf, zur dauerhaften Finanzierung des ÖPNV den Kommunen die Möglichkeit zu eröffnen, eine Nahverkehrsabgabe einzuführen. Künftig soll es Kommunen auf freiwilliger Basis ermöglicht werden, den öffentlichen Verkehr als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge solidarisch zu finanzieren und hierzu eine Nahverkehrsabgabe zu erheben oder das Modell eines Jobtickets für alle zur Finanzierung eines VVS-weit gültigen 365-Euro-Tickets einzuführen. Die Landeshauptstadt Stuttgart stellt sich zudem Land und/oder Bund als Modellkommune zur Verfügung, um die Wirkweise einer solchen Drittnutzerfinanzierung im Rahmen eines Pilotprojekts zu untersuchen.

Die Landeshauptstadt Stuttgart wird in die anstehenden Untersuchungen zu Tempo 30 nachts die Stadtbezirke der geplanten kleinen Umweltzone mit aufnehmen. Zusätzlich sollte die Landesregierung abwägen, ob die Einführung von Tempo 30 nachts für Kommunen auch ohne vorhergehende aufwendige gutachterliche Untersuchungen erfolgen kann.


Finanzielle Auswirkungen

Die tatsächlich erforderlichen Ressourcenbedarfe können erst nach Inkrafttreten des Luftreinhalteplans konkretisiert werden. Im Falle der Umsetzung der Maßnahme M1 werden Planungs-, Investitions- und Personalkosten anfallen.

Gemäß Satzung der Landeshauptstadt Stuttgart über die Erhebung von Gebühren für öffentliche Leistungen (Verwaltungsgebührensatzung) vom 20. Dezember 2018 sind Ausnahmegenehmigungen gem. § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV vom Verkehrsverbot für Kraftfahrzeuge gebührenfrei.

Im Übrigen fordert die Landeshauptstadt Stuttgart vom Land Baden-Württemberg die vollständige Übernahme sämtlicher Kosten, die im Rahmen der 5. Fortschreibung des Luftreinhaltelans Stuttgart durch die Umsetzung der dort festgelegten Maßnahmen entstehen.



Vorliegende Anträge/Anfragen

CDU, Antrag Nr. 15/2020
SPD, Antrag Nr.16/2020
PULS, Antrag Nr. 17/2020
Freie Wähler, Antrag Nr.18/2020





Fritz Kuhn

Anlagen

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