Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 25.06.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende, BM Fuhrmann
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Aktueller Sachstand Haushaltslage
- mündlicher Bericht -

Natürlich habe man auch in Stuttgart hohe Schäden durch Corona, sowohl auf der Seite der Einnahmen als auch durch zusätzliche, durch Corona-Folgen entstehende Kosten, führt OB Kuhn ins Thema ein. Für das Haushaltsjahr 2020 könne die Stadt durch die Hilfen von Bund und Land - für die er ganz herzlich dankt - rund 290 Mio. € erwarten, vor allem für die Ausfälle bei den Gewerbesteuern und bei den Kosten der Unterkunft. Hinzu kämen noch Zuweisungen im Sozialbereich. Die Verluste im Haushalt belaufen sich auf eine Größenordnung von 300 Mio. € plus zusätzliche Mehraufwendungen, die durch Corona entstehen. Betrachte man den Jahresüberschuss 2019, der im Juli beschlossen werde und der natürlich in den Nachtragshaushalt gehöre, so erwarte man einen Jahresüberschuss von ca. 300 Mio. €. Wenn es nur um das Jahr 2020 ginge, käme man somit mit den Unterstützungszahlungen und dem Jahresüberschuss zurecht und müsste - Stand heute - keine weiteren zusätzlichen Einsparungen vorsehen. Dies sei jedoch nur möglich, weil der Jahresüberschuss dafür verwendet werden kann, doch sei dies sei der letzte Jahresüberschuss in dieser Größenordnung, betont er.

Die Verwaltung werde dem Gemeinderat einen Nachtragshaushalt für 2020 vorschlagen, der nicht pauschale Einsparungen von 15 oder 20 % vorsieht, weil man nicht in den erhofften Aufschwung hineinsparen will. Für 2021 könne man noch keine solche Aussage treffen, sondern dabei komme es sehr auf die November-Steuerschätzung an und darauf, ob die Wirtschaft 2021 wieder schnell genug anzieht. Der Vorschlag werde also sein, die zusätzlichen Ausgaben, die der Rat beschlossen hat, auch zu tätigen samt Investitionen und Personalaufbau, um die Stadt funktionsfähiger zu machen, Investitionen in den Klimaschutz, in die Kultur und vieles andere mehr zu machen.

BM Fuhrmann stellt anschließend die aktuellen Zahlen zur Finanz- und Haushaltslage vor. Seine Ausführungen sind wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine lieben Stadträtinnen und Stadträte, liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Bürgermeisterbank, meine Damen und Herren, der Oberbürgermeister hat eigentlich das Wesentliche schon gesagt, ich kann das jetzt nur noch ein bisschen mit konkreteren Zahlen untermauern.

Wir hatten Ihnen damals, als wir die Haushaltssperre, Haushaltsbremse, so haben wir es bezeichnet, vorgestellt haben, Ihnen schon die wesentlichen Auswirkungen auf die Einbrüche der Erträge geschildert. Und daran hat sich im Wesentlichen nicht viel geändert. Wir sind weiterhin der Meinung, dass im Bereich der Gewerbesteuer hier mit einem Minus von 350 Mio. € zu rechnen ist, netto ist das, wenn man die Gewerbesteuerumlage gegenrechnet, bei 321 Mio. € weniger. Wir gehen weiterhin davon aus, dass der Einkommensteueranteil sich reduzieren wird, und zwar merklich, um 43 Mio. €, ebenfalls der Umsatzsteueranteil um 7,6 Mio. € und die Vergnügungssteuer um 10 Mio. €. Das heißt insgesamt allein bei dem Bereich Steuern und ähnliche Abgaben rechnen wir mit einem Minus von 384 Mio. €.

Und jetzt wurden die Rettungspakete, die ja damals noch nicht bekannt waren, bereits erwähnt, von Bund und Land. Und hier rechnen wir insgesamt Stand heute mit Mehrerträgen in Höhe von 208 Mio. €. Das sind etwa 150 Mio. € zum Ausgleich der Gewerbesteuerminderung. Das ist das Ihnen bekannte Soforthilfeprogramm des Landes von 14,8 Mio. €, das sind 40 Mio. € für Unterkunft und 45,3 Mio. € im Sozialbereich, wobei hier dem größten Teil wiederum Mehraufwendungen gegenüberstehen. Das sind also in Summe dann bloß 3,2 Mio. € mehr. In Summe können wir 208 Mio. hier einbringen.

Neben den Steuer-Mindererträgen haben wir ferner Corona-bedingte sonstige Ertragsausfälle. Das sind 13 Mio. € öffentlich-rechtliche Entgelte, private Leistungsentgelte, Mieten, sonstige ordentliche Erträge wie Straßenbenutzungsgelder, Bußgelder usw. Also hier auch noch mal ein Ertragsausfall von 13 Mio. €. Und wir haben natürlich zu berücksichtigen weitere Mehraufwendungen, hier vor allem Corona-bedingte Mehraufwendungen in der Pandemiebekämpfung. Hier reden wir von aktuell 12 Mio. €. Das ist die Schutzkleidung, Ausrüstung, Schutzunterkünfte, vieles, was Sie schon wissen.

Wir haben sonstige Aufwendungen, das sind die Erstattung von Elternbeiträgen an freie Träger, wir haben die Kultur-, die Sporthilfen eingesetzt mit der GRDrs 250/2020. Und ein großer Bereich auch hier, das war uns sehr wichtig: Für unsere Eigenbetriebe und Beteiligungen haben wir vorgesehen 50 Mio. € als Reserve, weil wir da noch nicht wissen, was letztendlich auf uns zukommt. Insgesamt noch mal also 89 Mio. €. Bei den Beteiligungen, das muss man auch der Vollständigkeit dazusagen, haben wir nicht die SSB mit eingerechnet. Gleichermaßen haben wir aber auch nicht die Rettungsschirme im Bereich des ÖPNV hier mit eingerechnet.

Das heißt, im Ergebnis rechnen wir Corona-bedingt mit Mehraufwendungen in Höhe von 290 Mio. €, wie gesagt, der Rettungsschirm ist hier mit eingerechnet. Und diese Entwicklungen, und das haben wir auch mehrfach Ihnen schon gesagt, machen letztendlich einen Nachtragshaushalt zwingend erforderlich. Und da wir diese Entwicklung relativ früh am Anfang der Corona-Krise auch abgesehen haben, wollten wir natürlich vorbereitet sein. Ich habe die Haushaltssperre, -bremse bereits erwähnt: 15 %, ich wiederhole es noch mal, im Bereich des Ertragshaushalts war damals im Gespräch, ohne den Finanzhaushalt, keine Einschränkungen im Bereich des Personals und mit diversen Einschränkungen teilweise in einigen Teilhaushalten.

Zwischenzeitlich, und das muss man an dieser Stelle sagen, haben sich wirklich neue Erkenntnisse ergeben, die auch zu wirklich guten Veränderungen geführt haben. Die Rettungsschirme habe ich erwähnt, 208 Mio. €, und, wie der Oberbürgermeister auch schon erwähnt hat, den Jahresabschluss 2019. Die Kämmerei ist momentan mit Hochdruck daran, diesen zu finalisieren. Wir rechnen momentan mit 306 Mio. € Jahresüberschuss, der uns natürlich in dieser besonderen Situation besonders hilft.

Und dann kommt das zum Tragen, was der Oberbürgermeister bereits skizziert hat, wie wir Ihnen auch inhaltlich den Nachtragshaushalt für 2020 präsentieren wollen. Vorgesehen ist hier die Beschlussfassung am 23.07. im Gemeinderat. Das heißt, keine Reduzierung der Haushaltsansätze für 2020, keine Kreditermächtigungen, keine Verwendung der Rücklagen, d. h. die davon-Positionen, das heißt natürlich in dem Fall keine Einschränkungen bereits geplanter Maßnahmen. Und wir haben eingeplant, ich habe es erwähnt, einen Puffer von 50 Mio. € ohne den ÖPNV.

Im Ergebnis kann man also sagen, dass wir Stand heute dank des guten Jahresabschlusses und der Rettungsschirme von Bund und Land zumindest im Jahr 2020 mit einem blauen Auge davonkommen. Allerdings muss man auch an dieser Stelle erwähnen, dass natürlich der Jahresüberschuss, der erfreuliche Jahresüberschuss von 306 Mio. € nach unserem Vorschlag vollständig in die Corona-bedingten Aufwendungen verwendet wird und nicht wie in den früheren Jahren in neue Projekte - Investitionen oder Rücklagen, davon-Positionen - geht. Das gehört der Vollständigkeit halber dazu. Wir halten dies aber in der besonderen Situation, in der heutigen Zeit für angemessen und sogar für geboten.

Herr Oberbürgermeister hat ebenfalls schon einen Ausblick für 2021 gemacht. Da sehen wir tatsächlich ein sehr hohes Risiko auf uns zukommen. Wir werden weiterhin davon ausgehen, dass sich im Bereich der Gewerbesteuer geringere Erträge erzielen lassen. Wir werden nicht auf einen guten Jahresabschluss 2020 hoffen können. Und wir werden auch nicht damit rechnen können, dass es weitere Rettungsschirme des Bundes oder des Landes gibt. Ich zumindest will darauf momentan, in der jetzigen Zeit nicht vertrauen. Das heißt, wir werden letztendlich nicht darum herumkommen, auch im Jahr 2020, Ende 2020 noch einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 zu beschließen. Was uns seitens der Finanzverwaltung hier wichtig ist, weil der Doppelhaushalt ja beschlossen ist, dass wir Stand heute nicht über Maßnahmen und Verfügungen aus dem Jahr 2021 bereits heute verfügen. Das heißt, so ähnlich wie bei der Haushaltsbremse sollte natürlich jetzt auch die Bremse gelten für das Jahr 2021, damit wir oder Sie am Jahresende, und dann sind wir in richtigen Haushaltsberatungen, natürlich auch die erforderliche Priorisierung dann vornehmen können.

Ich möchte abschließend noch eines klarstellen, dass eben viele unserer Zahlen momentan vorläufig sind, dass sie geschätzt sind. Die Finanzverwaltung aktualisiert diese Zahlen regelmäßig, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben, und arbeitet diese auch in die Vorbereitung des Nachtragshaushalts 2020 ein bzw. natürlich auch in die Vorbereitung des Nachtrags 2021. Und selbstverständlich werden wir Sie als Gemeinderat regelmäßig über aktuelle Entwicklungen informieren. Die Vorlagen zum Jahresabschluss 2019 und auch zum Nachtragshaushalt 2020 werden Sie in etwa zwei Wochen erhalten. Da sind alle Zahlen natürlich detailliert drin, und dann werden wir im Rahmen der Nachtragshaushaltsberatungen im Einzelnen darüber sprechen können. Soweit mein aktueller Finanz- und Haushaltsbericht, Zwischenbericht Stand heute. Vielen Dank."

StR Winter (90/GRÜNE) zeigt sich erleichtert von der Botschaft, in 2020 Haushaltsvollzüge nicht stoppen zu müssen oder erst gar nicht vollziehen zu können. Auch angesichts der unter TOP 1 geführten Diskussion, wo nochmals klargeworden sei, dass Investitionen ins Zusammenleben und Miteinander der Stadtgesellschaft sinnvoll und notwendig sind und auch in der Jugendhilfe, sei man sehr froh zu hören, dass 2020 alle diese Haushaltsbeschlüsse umgesetzt werden können. Gleichzeitig wisse man, dass der Aufschwung mit vielen Risiken behaftet ist und die Wirtschaft lange brauchen werde, um sich zu erholen. Er halte es daher für richtig, zu investieren und nicht in den Aufschwung hinein zu sparen. Für 2021 sei es wichtig, von der Verwaltung immer die Schätzungen und aktuellen Zahlen zu bekommen. Man werde sich dem stellen, zu überlegen, wie können wir weiter aus der Krise kommen, und hoffe sehr, dass die Wirtschaft sich erholt und auch Lebensfreude zurückkommt in die Stadt. Denn dies werde vielen in Stuttgart guttun, die ihr Geld durch Einnahmen und durch Umsätze erwirken müssen.

Auch StR Kotz (CDU) ist erfreut über diese zwei guten Nachrichten - einen guten Jahresabschluss 2019 und kräftige Unterstützungen aus den Programmen von Bund und Land. Er stellt jedoch für den Moment die Ableitung infrage, 2020 weiterzufahren als gäbe es Corona nicht. Denn 2021 werde es keinen Jahresüberschuss aus dem Vorjahr geben und vielleicht auch keine so dicken Hilfsprogramme mehr und vielleicht auch noch keine im ausreichenden Maße anspringende Wirtschaft. Er stelle sich daher die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre - ohne 2020 den Aufschwung kaputtzusparen - nach Potenzialen im Haushalt zu schauen, um dann für den Haushalt 2021 etwas mehr Sicherheit zu haben und nicht dann vielleicht ein ganz großes Sparpaket fahren zu müssen. Er bittet auch um eine Aussage zum weiteren Terminplan.

Ihm fehle in den letzten Wochen und Monaten und auch schon davor der Blick nach vorne: "Wir sind zu sehr nach hinten aufgestellt, auch als Verwaltung, ist auch mit Selbstkritik an den Gemeinderat aus unserer Sicht." Beispielhaft verweist er auf Entwicklungen, die auch auf Stuttgart zukommen werden, wie den beschleunigten Strukturwandel und damit verbundenen Arbeitsplatzabbau. OB Kuhn erinnert er daran, dass die CDU-Gemeinderatsfraktion schon im Herbst 2019 um ein Gespräch mit den Wirtschaftsspitzen dieser Stadt gebeten habe, jedoch bis heute noch nicht einmal ein Termin dafür vereinbart wurde. Auch vermisse er Szenarien im Hinblick auf die Diskussion um den Abzug der US-Amerikaner. Für solche Situationen wolle der Rat besser vorbereitet sein. Seine Bitte an den Oberbürgermeister laute daher, in den verbleibenden Monaten seiner Dienstzeit Zukunftsarbeit für diese Stadt zu machen und dabei noch eine ordentliche Schippe draufzulegen.

OB Kuhn weist die Kritik entschieden zurück. Der heutige Vorschlag gehe von den Fachleuten der Kämmerei aus und man habe lange darüber diskutiert und abgewogen, ob schon für 2020 Einsparungen greifen sollen. Die Alternative dazu habe er ebenfalls genannt, nämlich jetzt schon 15 % oder 20 % einzusparen und quasi für das Jahr 2021 vorauszusparen. Auch habe er die Gründe vorgetragen, warum man sich dagegen entschieden habe, einen solchen Vorschlag zu machen.

Bisher habe er sich geweigert, Szenarien zu entwerfen für den Abzug der US-Amerikaner aus dem Grund, weil er nicht einer amerikanischen Regierung ins Blatt spielen wolle, die mit dem Thema spiele, "jetzt muss man Frau Merkel bestrafen, jetzt muss man den Polen irgendwelche Belohnungen aussprechen und Trump ist irgendwie sauer". Zudem sei dieser Vorschlag von Präsident Trump auch in den USA hoch umstritten. Aus diesem Grund habe er sich diesem Thema nicht genähert und halte dies für richtig.

StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) begrüßt den Vorschlag der Verwaltung, den mit einer breiten Mehrheit beschlossenen Haushalt unverändert zu lassen. Es sei wichtig für die Zukunft, dass Kommunen die Stabilitätsanker sind in der Krise. Die Basics der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen in Zukunft vielleicht sogar noch besser funktionieren, weshalb mehr Geld investiert werden müsse,
z. B. bei der Pflege und Altenpflege. Viel wichtiger, als weiteres Papier zu produzieren, sei es, die bereits erarbeiteten Strategien und Konzepte auch umzusetzen. Zur Umsetzung und um die großen Transformationen anzugehen, brauche es noch mehr Personal. Richtig sei auch, in Alternativen darüber nachzudenken, was sonst noch kommt. Aus seiner Sicht werde das Transatlantische Bündnis auch ohne Soldaten funktionieren, weshalb er es begrüßen würde, im Rat über das Thema zu diskutieren.


Was die Wirtschaft angeht, so suche er seit Jahren die Diskussion mit der CDU, dass es so nicht weitergehen kann mit der einseitigen Ausrichtung auf den Verbrennungsmotor, so der Stadtrat weiter. Egal, was die Automobilkonzerne in Zukunft an Geschäftsfeldern entwickeln, müssten Stadt und Gemeinderat ihre Rolle klarziehen und mit genug Personal im Sozialen wie im Ökologischen stark dastehen. Selbst für den kommenden Strukturwandel würde es sich seines Erachtens nicht lohnen, Geld zurückzulegen, "weil genug Geld in dieser Stadt vorhanden ist und man es noch immer nicht ausgeben kann, weil Personal fehlt". Die CDU versuche jetzt, den Haushalt, den sie abgelehnt hat, mit der Ausrede Corona wieder in ihre Richtung zu korrigieren. Dies werde man nicht zulassen. Man freue sich darauf, im Herbst für 2021 zu diskutieren, wo noch ökologische Zusatz- und Personal- und Sozialinvestitionen notwendig sind, um auch für die Zukunft gewappnet zu sein.

StR Körner (SPD) freut sich über die guten Nachrichten, die OB Kuhn und BM Fuhrmann heute überbracht haben. Erfreulich seien u.a. auch die Hilfen bei den Kosten für die Unterkunft und die Unterstützungen für die SSB von Bund und Land und für das Klinikum vom Bund. Der Stadtrat findet es problematisch, wie momentan mit der Liquidität dieser Stadt umgegangen wird und hält es für unklug, 2,5 Milliarden Euro auf der hohen Kante zu haben. Es sei nicht die Aufgabe der Landeshauptstadt Stuttgart, Geld in Aktien und Rentenpapieren anzulegen. Es gebe Positionen in der Liquidität, die noch nicht für bestimmte Zwecke gebunden sind oder die für solche Zwecke derzeit reserviert sind, wo es wenig sinnvoll ist, beispielsweise Darlehen zu vergeben an AWS, SES und SWS, um die freie Liquidität zu reduzieren, damit die Spielräume für den Gemeinderat kleiner werden, oder Rücklagen zu bilden für Ausgaben, die in den nächsten fünf Jahren nicht angerührt werden. Der größte Teil des Geldes, das auf der hohen Kante liegt, sei gebunden durch schon beschlossene Investitionen, vor allem im Schulbereich. Hier müssten Wege gefunden werde, die Umsetzung zu beschleunigen, gerade in dieser Situation.

Die Gretchenfrage für die Zukunft werde sein: "Können wir ab 2022 ff. wieder mit Gewerbesteuereinnahmen von 600 Mio. € rechnen oder nicht?" Wenn nur noch mit 300 Mio. € oder 400 Mio. € gerechnet werden kann, so werde man ganz andere Diskussionen führen müssen. Somit müsse man etwas zur Förderung der Wirtschaft in Stuttgart tun, Arbeitsplätze sichern und unterstützend und fördernd agieren. Diskussionen über einen Teilabschnitt einer Fahrradspur an einer Ecke im Synergiepark Vaihingen/Möh-
ringen und der Umgang mit den Plänen einer Firma im Gewerbegebiet Weilimdorf, das dort einen Campus entwickeln will, tragen aus seiner Sicht dazu nicht bei. Vielmehr sei es ausdrücklich zu begrüßen, wenn Firmen sich ansiedeln, denn man brauche die Arbeitsplätze.


Wichtig ist ihm, bei dem Nachtragshaushalt nicht nur besonnen zu reagieren und Lücken zu schließen, sondern einen starken Impuls zu setzen und aktiv und ermutigend zu agieren. Denn Gastronomie, Einzelhandel und Kultur freuen sich zwar, dass sie wieder öffnen können, doch ihr Geschäftsmodell oder die Art, wie sie Kultur machen, sei nach wie vor fundamental infrage gestellt durch die geltenden Auflagen.

StR Dr. Oechsner (FDP) dankt für die Informationen und " für das Positive für dieses Jahr". Aus seiner Sicht darf es ein "weiter so" nicht geben, weshalb er die Bitte von StR Kotz unterstützt, auch für 2020 nach Einsparpotenzialen zu schauen, die man heben kann ohne einen Schaden an den sehr guten Haushalt 2020/2021 zu legen. Normalerweise würde er heute angesichts des verkündeten Jahresüberschusses die Frage stellen, welchen Bürgern zu viel Steuer weggenommen wurde. Jetzt frage er danach, wie man diesen Überschuss in eine nachhaltige Finanzierung der Aktivitäten ohne Überschuss überleiten kann. "Wie können wir also tatsächlich unsere Ziele erreichen, ohne große Einsparungen zu machen?" Vor dieser großen Aufgabe stehe man gemeinsam und müsse, bei all den Dingen, wo man unterschiedlicher Meinung sei, diese Herausforderung gemeinsam schaffen. Dies sei die vordringlichste und wichtigste Aufgabe.

An StR Rockenbauch gewandt weist er darauf hin, dass leider auch im 21. Jahrhundert noch Soldaten gebraucht werden. Darüber hinaus sei es geradezu eine Selbstverständlichkeit, dass der Bund einem Klinikum, das Aufgaben wahrnimmt, die Bundesaufgaben oder zumindest Krankenkassenaufgaben wären und die jetzt von der Kommune geleistet werden, diese Kosten erstattet.

StR Zeeb (FW) erinnert an den Eid, den die neu gewählten Stadträtinnen und Stadträte zu Beginn ihrer Amtszeit im Gemeinderat ablegen. Dieser lautet: "Ich gelobe Treue der Verfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Pflichten. Insbesondere gelobe ich, die Reche der Stadt gewissenhaft zu wahren und ihr Wohl und das ihrer Einwohnerinnen und Einwohner nach Kräften zu fördern." Die Stadträtinnen und Stadträte seien somit für alle Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger da und das politische Handeln habe nicht nur der persönlichen Wählerklientel zu gelten, sondern den Interessen aller Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Bereits in seiner Abschlussrede vor der Verabschiedung des jetzigen Doppelhaushalts habe er vor heranziehenden Gewitterwolken und den sich abzeichnenden wirtschaftlichen Problemen gewarnt. Nun sei die Corona-Pandemie noch hinzugekommen. Er frage sich bei so manchen Entscheidungen des Gemeinderates, wer im Saal eigentlich weiß, was Kurzarbeit bedeutet - für den Arbeitgeber, und leider auch für die Arbeitnehmer und deren Familien.

Er persönlich sehe die Situation nicht so entspannt wie teilweise die Vorredner und der Kämmerer, insbesondere nicht für 2021, und könne auch nicht nachvollziehen, dass man die Zahlen und Zeichen einfach nicht registrieren will. Er sehe als Folgen für die nächste Zeit Betriebsschließungen, Kündigungswellen und einen drastischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen in Stuttgart. Anstatt aus dem noch verfügbaren Geld in der Stadtkasse für 2021 Maßnahmen zu ergreifen und Investitionen zu tätigen zur Sicherung von Arbeitsplätzen, stehe vielen in diesem Saal der Sinn in erster Linie nach Radschnellwegen, Radwegverbreiterung oder die Abwicklung des Flughafens und die Streichung von Stellplätzen. Niemand wolle offensichtlich die besorgniserregenden Prognosen des Städtetags zur Situation der Kommunen hören, und niemand interessiere augenscheinlich, welche Schuldenlast wahrscheinlich den zukünftigen Generationen aufgeladen wird. "In welcher Welt leben wir hier denn eigentlich, in welcher Welt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite besonders, leben Sie?" Im Gegensatz zu ihm habe fast niemand der Anwesenden schon schmerzliche Haushaltskonsolidierungsrunden mitgemacht, wo großzügige Wahlversprechen und -geschenke wieder eingesammelt werden mussten. Er appelliert an den Rat, wie vom Regierungspräsidium und BM Fuhrmann vorsichtig gefordert, Zurückhaltung zu üben bei allen anstehenden freiwilligen Ausgaben. Denn wenn eine Haushaltssperre kommen würde, würde dies alles kaputt machen, was gemeinsam erschaffen wurde, um Stuttgart lebens- und liebenswert zu machen. "Glauben Sie mir, die aktuelle Bürgerschaft und die nächsten Generationen werden es uns danken und ich Ihnen auch!"

Was den Haushalt angeht, so findet nach dem Eindruck von StR Dr. Mayer (AfD) "eine gewisse Verleugnung von Zukunftsmöglichkeiten oder -bedrohungen statt. Man begebe sich auf die Wanderung in die Wirtschaftskrise mit der festen Hoffnung, es werde schon alles gut gehen. Vielleicht sei es aber auch so, dass die Verwaltung dem Gemeinderat einfach nicht sagen möchte, wie man sich für die Zukunft wappnen sollte. Dies habe sie nämlich nicht gesagt. "Nun wären wir natürlich schon dankbar, wenn Sie uns das sagen. Wir wären heute auch dankbar gewesen, wenn Sie die großartigen technischen Möglichkeiten hier genutzt hätten, um uns wenigstens in einer Präsentation ein paar Punkte darzulegen, statt nur einfach einen trockenen mündlichen Bericht abzuliefern."

StR Walter (PULS) ruft seine letzte Rede zum Zwischenstand Haushalt vor wenigen Wochen in Erinnerung. Dort habe er zitiert: "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not". In den letzten Wochen nun habe man große Sorgen gehabt, dass der städtische Haushalt in eine Schieflage gerät, Kürzungen bevorstehen und Zusagen an Träger, Projekte und Institutionen nicht eingelöst werden können. Dies habe bei vielen Personen in der Stadt zu großen Unsicherheiten geführt. Jetzt sei man glücklich, dass so gut gewirtschaftet wurde im Jahr 2019 und die zuvor erwähnte Weisheit zum Tragen komme. Er dankt ausdrücklich BM Fuhrmann und der Verwaltungsspitze dafür, dass sie den Rat auf die Risiken hingewiesen hat. Zutreffend sei weiter, dass es Fragezeichen gibt, was die Zukunft der Wirtschaft angeht und inwieweit weitere Hilfen hinsichtlich Corona erforderlich sein werden. Dies werde man im Nachtragshaushalt genauer anschauen müssen. PULS sei offen für die Suche nach Einsparpotenzialen 2020 und vor allem für Einsparungen 2021.


Mit Blick auf die Nachtragsbefassung im Juli 2020 schließt OB Kuhn den Tagesordnungspunkt ab.

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