Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 15.07.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: "Vorziehen des Klimaneutralitätsziels Stuttgarts von 2050 auf 2030!"
- Antrag Nr. 228/2021 vom 24.06.2021 (Die FrAKTION
LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei)

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) begründet eindringlich den o.g. Antrag und wirbt um die Zustimmung der anderen Ratsfraktionen.

StR Boy (90/GRÜNE) dankt für das Anstoßen der Diskussion. Er sieht Einvernehmen dahingehend, dass schneller gehandelt werden muss und dass auch in Stuttgart die Klimaziele neu überdacht werden müssen. Bund und Land hätten dies bereits vorgemacht. Jedoch würde man diesem so wichtigen und so weitreichenden Thema nicht gerecht werden, wenn man es am Ende der heutigen Sitzung als Nachtrag abhandeln würde. Deshalb schlage man - sofern die Antragsteller dem zustimmen - vor, den Antrag im Rahmen der Generaldebatte des Gemeinderats zur Klimapolitik zu thematisieren. Hierfür schlage man den 23.09.2021 vor.

Auch für StR Kotz (CDU) ist unstrittig, dass auf die Klimaveränderungen reagiert werden muss. Er verweist auf das 200 Mio. €-Klimapaket, das der Gemeinderat beschlossen und auf den Weg gebracht hat und findet, die Landeshauptstadt Stuttgart sei mit diesen ambitionierten Zielen auf einem richtigen und guten Pfad unterwegs. Die Klimaveränderungen aufzuhalten oder deutlich zu verlangsamen werde nur gelingen, wenn die Bevölkerung dabei mitgenommen und der Bogen nicht überspannt wird. Dies sei der Fall mit der momentanen Beschlusslage, weshalb seine Fraktion den Antrag ablehnen werde.

StRin Schanbacher (SPD) bestätigt, es gehe um eine der zentralsten und wichtigsten Fragen des Jahrhunderts und darum, welche Weichen jetzt konkret gestellt werden. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil habe nicht zuletzt das Thema Klimagerechtigkeit angeprangert. Sie verweist hierzu auf den Antrag Nr. 176/2021 ihrer Fraktion. Für das weitere Verfahren schlägt sie vor, die Diskussion im Ausschuss für Klima und Umwelt zu führen und die Ziele mit Maßnahmen zu unterfüttern. Auch hierzu habe ihre Fraktion einen Antrag (Nr. 219/2021) gestellt, der in der morgigen Sitzung des Ausschusses für Klima und Umwelt verhandelt werde. Sie spricht sich dafür aus, diese Debatte in aller Breite, die dafür nötig ist, im zuständigen Ausschuss zu führen und mit konkreten Maßnahmen zu untermauern, anstatt hier nur "Luftnummern" zu diskutieren.

StR Dr. Oechsner (FDP) zweifelt die Ernsthaftigkeit dieses Antrags an und erinnert an den Vorschlag im gestrigen Verwaltungsausschuss, das Thema vernünftig in einem angemessenen Rahmen zu diskutieren. Darauf zu bestehen, ihn im Nachtrag zur heutigen Tagesordnung durchzudrücken, sei darauf angelegt, morgen in der Zeitung als die einzig Guten dazustehen. "Nein, Sie sind nicht die einzig Guten, sondern die Guten sitzen auch im ganzen Gemeinderat. Wir können das diskutieren. Machen Sie einen vernünftigen Vorschlag, wie man ordentlich damit umgeht, dann machen wir mit. Aber so geht es nicht!"

StR Zaiß (FW) unterstreicht, auch seine Fraktion wolle darauf hinarbeiten, klimaneutral zu werden. Man halte es jedoch für überzogen, unrealistisch und unlauter, nun die Zahl 2030 in den Raum zu stellen.

Die Argumente, heute nicht auf den Antrag einzugehen, teilt StR Goller (AfD). Er führt die Gründe, weshalb die geforderte zeitliche Verkürzung außerhalb jeglicher Verhältnismäßigkeit zu allen anderen Projekten wäre, weiter aus und verweist auf mehrere Studien, wonach es begrenzte wissenschaftliche Beweise gebe für Effekte der Klimaerwärmung auf extreme Wetterereignisse, sondern diese sogar weniger extrem seien.

StRin Schumann (PULS) würde hingegen dem Antrag sehr gerne zustimmen. Man sehe jedoch, dass es schon viel zu spät ist, das Klimaneutralitätsziel auf 2030 zu setzen. Denn der Gemeinderat habe sich ein Ziel gesteckt, ohne einen Plan zu machen, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Im Rahmen der Haushaltseckdaten habe man gehört, dass viel Geld bereitsteht, das nicht richtig genutzt wird. Vor allem, wenn es um eine Mehrere-Jahrhundert-Aufgabe geht, dass es Klimagerechtigkeit auch über die Generationen hinweg gibt, stimme dies nicht nur traurig, sondern auch furchtbar wütend. Sie sei furchtbar sauer und frustriert mit der Situation. "Warum haben wir da nicht schon viel öfter viel detaillierter dazu eine Generaldebatte geführt und einen konkreten Plan gemacht?"

Sie beantragt mündlich, dass der Gemeinderat für die Landeshauptstadt Stuttgart das Ziel der Klimaneutralität auf 2035 beschließen möge. Dies sei ein Zeitraum von mehr als zehn Jahren, so dass ein sehr guter Plan gemacht werden könne, der im anstehenden Doppelhaushalt abgesichert werden kann, indem klare Vereinbarungen getroffen werden, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Dies sei zweifellos ambitioniert und progressiv, doch schließlich sei es in der Verantwortung des Gemeinderates. Man könne mit gutem Beispiel vorangehen und mit den Geldern und Ideen auch Möglichkeiten für die Bürger*innen schaffen, selbstständig weiter daran zu arbeiten, nicht nur von der Stadt her klimaneutral zu werden, sondern auch als Privathaushalte und möglicherweise dann auch die ansässigen Firmen. Sie lädt alle Fraktionen dazu ein, dieses Ziel aktiv zu beschließen.

OB Dr. Nopper erinnert an den vor kurzem gefassten Beschluss, das Klimaneutralitätsziel der SWSG auf das Jahr 2035 vorzusetzen. Er schlägt vor, das im Antrag der FrAKTION aufgeworfene Thema nach der Sommerpause intensiv im AKU zu beraten.

StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) freut sich sehr, dass viele Redner*innen klar gesagt haben, wir müssen schneller werden was die Bekämpfung des Klimawandels angeht. Man begrüße daher den Vorschlag, den Antrag im Rahmen einer Generaldebatte gleich nach der Sommerpause aufzugreifen. Die Ebene des Ziels mit geeigneten Maßnahmen zu füttern, werde dann die harte Arbeit im Ausschuss für Klima und Umwelt sein. Mit der Zusage zu dieser Vorgehensweise ziehe man den Antrag für heute zurück. StRin Schumann schließt sich, was ihren mündlichen Antrag angeht, dem an.

Der Vorsitzende hält fest, die beiden Anträge werden für heute zurückgestellt und nach der Sommerpause im AKU beraten. Dem widerspricht StR Rockenbauch, der wünscht, über das Thema als solches in einer Generaldebatte in der Vollversammlung zu sprechen, geeignete Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels aber im AKU zu erarbeiten.

StR Körner (SPD) wirbt für die Diskussion im eigens für solche Fragen eingerichteten Ausschuss für Klima und Umwelt. Er glaubt, dass es in der Generaldebatte eine schöne politische Auseinandersetzung geben kann. Um sich aber tatsächlich darüber zu verständigen, mit welchen Maßnahmen ein ambitionierteres Ziel in der Zukunft umgesetzt werden kann, sei erstmal eine Diskussion im Ausschuss nötig. "Um dann über eine Verständigung und das Gespräch suchen auch mit anderen Fraktionen zu einem guten Beschluss zu kommen", wirbt er für den Verfahrensvorschlag von StRin Schanbacher, den Antrag in den AKU zu verweisen und dort die Diskussion fortzusetzen.

Diese Vorgehensweise findet die Unterstützung von StR Kotz. Zuerst müsse die Verwaltung vorstellen, was würde das für die Stadtverwaltung, die Liegenschaften etc. bedeuten, was würde diese Beschleunigung für die Unternehmen in der Stadt bedeuten und was würde es z. B. für den privaten Gebäudebestand in Stuttgart bedeuten und was wird es für den Verkehr bedeuten. Darüber könne man im AKU diskutieren und, sollte es die Notwendigkeit geben, zum Ergebnis eine Generaldebatte in der Vollversammlung machen.

StR Goller hält es für vollkommen absurd, über Zieltermine zu reden, solange man keinen Plan hat, mit welchen Maßnahmen man da hinkommt. Wenn man geeignete Maßnahmen benennen will, dann müsse vorher auch die Zielsetzung und die Kriterien und die Art, sie zu messen, definiert sein. All dies sei nicht erfolgt. Diese ganze Klimadebatte sei ideologisch auf den Kopf gestellt und eigentlich eine reine Schaudiskussion.

Es gehe um die Ziele, die sich der Gemeinderat für die nächsten Jahre setzen will, betont StR Boy. Seine Fraktion habe Ziele benannt und auch schon konkrete Maßnahmen beschlossen. Deshalb habe man auch den Antrag Nr. 256/2021 gestellt, den er zusammengefasst vorstellt. Seine Fraktion sei offen, ob man darüber im AKU oder im Gemeinderat diskutiert. Für wichtig hält er, eine große Öffentlichkeit zu schaffen, denn die Klimaneutralität könne nur gelingen, wenn alle Einwohner*innen mitziehen. "Wir brauchen erstmal die Fakten der Verwaltung auf diesen Treibhausgas-Emissions-Pfad und dann eine breite Diskussion unserer Ziele und dann natürlich auch über Maßnahmen!"

OB Dr. Nopper schlägt daraufhin vor, zuerst in den AKU zu gehen, und wenn der Gemeinderat dies dann wünscht und der Ältestenrat dies auch wünscht, werde man den Tagesordnungspunkt gerne auch auf die Tagesordnung des Gemeinderates setzen.

StR Rockenbauch hält dies nur dann für sinnvoll, wenn die Verwaltung schon im AKU konkret sagt, was das Vorziehen der Klimaneutralität bedeutet, und zwar nicht nur für 2038, sondern dann auch 2030 und 2035, wie in den Anträgen dazu nachgefragt. Nur dann sei die Vorberatung im AKU wirklich sinnvoll, denn aufsetzend auf diesem Erkenntnisgewinn könne eine Generaldebatte geführt werden, wo jede Fraktion dann sagt, "ich lehne dieses Szenario ab, und sehe in diesem meine Prioritäten".

Der Vorsitzende sagt zu, dass die Verwaltung wie beantragt für die Vorberatung im AKU die Auswirkungen darstellen wird für 2030, 2035, 2038. Wenn der Gemeinderat und der Ältestenrat dies wünschen, werde man mit dem Thema danach auch in die Vollversammlung gehen. StR Goller geht nochmals auf die Absurdität dieser Diskussion ein.


OB Dr. Nopper verweist auf die Möglichkeit zur weiteren Stellungnahme im AKU und gegebenenfalls in der Vollversammlung. Er bittet, die heutige Sachdebatte zu beenden und bittet um Abstimmung über den Verfahrensvorschlag. Er stellt die einmütige Zustimmung des Gemeinderats dazu fest, das Thema im Ausschuss für Klima und Umwelt nach der Sommerpause aufzurufen, dort seitens der Verwaltung die Auswirkungen der Umsetzung 2030, 2035 und 2038 darzustellen sowie die Möglichkeit offenzuhalten, eine Generaldebatte zu führen.
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