Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Städtebau und Umwelt
Gz: StU
GRDrs 451/2012
Stuttgart,
07/02/2012



Erhaltungssatzung gemäß § 172 (1) BauGB
Erweiterung des Gebiets der Erhaltungssatzung O 11 Wagenburg-/Pflasteräckerstraße




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Umwelt und Technik
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
nicht öffentlich
öffentlich
17.07.2012
19.07.2012



Beschlußantrag:

Aufgrund von § 172 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) in der derzeit gültigen Fassung und § 4 Abs. 1 Gemeindeordnung Baden-Württemberg (GemO) in der derzeit gültigen Fassung wird folgende Satzung zur Erweiterung des Gebiets der Erhaltungssatzung O 11 Wagenburg-/ Pflaster-äckerstraße beschlossen:


§ 1
Festlegung des Satzungsgebietes

Im Stadtbezirk Stuttgart-Ost wird das Gebiet der Erhaltungssatzung O 11 Wagenburg-/Pflasteräckerstraße um den Bereich der Gablenberger Hauptstraße 1, Talstraße 2 und 4, Wagenburgstraße 142, 144 und 149 bis 153 sowie um die Baumreihe und die stadtbildprägende Mauer vor dem Gebäudekomplex Wagenburgstraße 149 bis 153 erweitert.

Maßgebend ist der Lageplan des Amts für Stadtplanung und Stadterneuerung vom 31.05.2012. Der Lageplan ist Bestandteil der Satzung.

§ 2
Genehmigungspflichten

In dem in § 1 bezeichneten Erweiterungsbereich zur Erhaltungssatzung O 11 Wagenburg-/ Pflasteräckerstraße bedürfen – zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt – die Errichtung, der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der vorherigen Genehmigung.

§ 3
Inkrafttreten

Die Satzung tritt am Tage nach der Bekanntmachung in Kraft.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Die bisherige Erhaltungssatzung O 11 Wagenburg-/Pflasteräckerstraße endet an der Kreuzung Wagenburgstraße/Gablenberger Hauptstraße. Die städtebauliche ortstypische Eigenart der Wagenburgstraße, deren Orts- und Straßenbild, erstreckt sich jedoch bis zur Klingenstraße. Die für die Wagenburgstraße charakteristische mittige Baumallee bildet in der geradlinig weiter gezogenen einseitigen Baumallee vor dem Gebäudekomplex Wagenburgstraße 149 bis 153 eine markante Grünverbindung zur Klingenbachanlage. Die Gebäude Gablenberger Hauptstraße 1, Talstraße 2 und 4, Wagenburgstraße 142, 144 und 149 bis 153 sowie die Baumreihe und die stadtbildprägende Mauer vor dem Gebäudekomplex Wagenburgstraße 149 bis 153 weisen eine schützenswerte Qualität auf - analog der bisher geschützten Gebäude und Baustruktur in der Wagenburgstraße, bestehend aus angebauten Einzelhäusern mit überwiegender Wohnnutzung in den Obergeschossen. Aus diesem Grund soll das Gebiet der Erhaltungssatzung O 11 Wagenburg-/Pflasteräckerstraße um oben genannten Bereich erweitert werden.

Mit Antrag vom 27.04.2012 haben Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft und SPD-Gemeinderatsfraktion die Neuaufstellung einer Erhaltungssatzung für das Gebäude Wagenburgstraße 149 bis 153 beantragt. Der Bezirksbeirat Ost hat in seiner Sitzung am 16.05.2012 diesem Antrag mehrheitlich zugestimmt, sodass sich eine Behandlung dieser Vorlage dort erübrigt. Da für den unmittelbar angrenzenden Bereich Wagenburgstraße 81 bis 147 mit ähnlicher Baustruktur bereits 1988 eine Erhaltungssatzung nach § 172 (1) BauGB (O 11 Wagenburg-/Pflasteräckerstraße) beschlossen wurde, erscheint es sinnvoller, diese zu erweitern als eine eigenständige neue Satzung, lediglich ein Gebäude umfassend, aufzustellen. Zudem bietet es sich an, die Gebäude Gablenberger Hauptstraße 1, Talstraße 2 und 4 und die Gebäude Wagenburgstraße 142 und 144 mit ebenso schützenswerter Bausubstanz in die Satzung mit einzubeziehen.


Finanzielle Auswirkungen

Für die Landeshauptstadt Stuttgart sind keine finanziellen Auswirkungen ersichtlich.


Beteiligte Stellen

Referat WFB

Vorliegende Anträge/Anfragen

Keine

Erledigte Anträge/Anfragen

Nr. 134/2012 Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft, SPD-Gemeinderatsfraktion vom 27.04.2012



Matthias Hahn
Bürgermeister


Anlagen

1. Ausführliche Begründung
2. Lageplan vom 31.05.2012



Ausführliche Begründung

Am 30.09.1988 ist in der Landeshauptstadt Stuttgart die Erhaltungssatzung gemäß § 172 (1) BauGB für 93 städtebauliche Gesamtanlagen in Kraft getreten. In den Gebieten der Erhaltungssatzung bedürfen – zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des jeweiligen Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt – die Errichtung, der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der vorherigen Genehmigung. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die baulichen Anlagen allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägen oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung sind. Die Genehmigung zur Errichtung baulicher Anlagen darf nur versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt der Gebiete durch die beabsichtigten baulichen Anlagen beeinträchtigt wird.

Ziel der Erhaltungssatzung ist es, in den städtebaulichen Gesamtanlagen darauf hinzuwirken, dass bauliche Anlagen die ortstypische Eigenart bzw. die Gestaltung des Orts- und Straßenbildes nicht beeinträchtigen. Durch die Erhaltungssatzung sollen Beeinträchtigungen, Minderung oder gar Beseitigung höherwertiger architektonischer Substanz und prägender Milieuwerte verhindert werden.

Die städtebauliche Gesamtanlage O 11 Wagenburg-/Pflasteräckerstraße beinhaltet Teile der Gablenberger Hauptstraße, der Wagenburgstraße und der Pflasteräckerstraße. Wesentliche architektonische Merkmale der städtebaulichen Gesamtanlage sind, nach der Beschreibung zur Aufstellung der Satzung 1988, die 2- bis 5-geschossige Bebauung, je nach Straßenbreite, die unterschiedlichen Baustile an der Gablenberger Hauptstraße und Pflasteräckerstraße, Backsteinmauerwerk mit eingearbeiteten Ornamenten sowie vielfältig gestaltete Dachaufbauten. Typische Merkmale der Wagenburgstraße sind Natur-, Backstein- und Putzfassaden mit Erkern sowie ausgeformte Dachaufbauten.

Die bisherige Erhaltungssatzung O 11 Wagenburg-/Pflasteräckerstraße endet an der Kreuzung Wagenburgstraße/Gablenberger Hauptstraße. Die städtebauliche ortstypische Eigenart der Wagenburgstraße, deren Orts- und Straßenbild, erstreckt sich jedoch bis zur Klingenstraße. Die für die Wagenburgstraße charakteristische mittige Baumallee bildet in der geradlinig weiter gezogenen einseitigen Baumallee vor dem Gebäudekomplex Wagenburgstraße 149 bis 153 eine markante Grünverbindung zur Klingenbachanlage. Die Gebäude Gablenberger Hauptstraße 1, Talstraße 2 und 4, Wagenburgstraße 142, 144 und 149 bis 153 sowie die Baumreihe und die stadtbildprägende Mauer vor dem Gebäudekomplex Wagenburgstraße 149 bis 153 weisen eine schützenswerte Qualität auf - analog der bisher geschützten Gebäude und Baustruktur in der Wagenburgstraße, bestehend aus angebauten Einzelhäusern mit überwiegender Wohnnutzung in den Obergeschossen. Aus diesem Grund soll das Gebiet der Erhaltungssatzung O 11 Wagenburg-/ Pflasteräckerstraße um oben genannten Bereich erweitert werden.

Die viergeschossigen Gebäude Gablenberger Hauptstraße 1 und Wagenburgstraße 142 zeichnen sich durch einen Natursteinsockel, teilweise verzierte Erker, Klappläden und einem Walmdach mit Dachgauben aus. Das weniger auffällige angebaute viergeschossige Gebäude Wagenburgstraße 144 schließt die Gesamtanlage mit einem Walmdach nach Osten ab.

Der Gebäudekomplex Wagenburgstraße 149 bis 153 wurde vom Architekten Karl Beer in den Jahren 1928 bis 1930 für den Bau- und Heimstättenverein errichtet. Es entstanden hundert 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen. Bei dem Bauwerk handelt es sich um ein langgestrecktes fünfgeschossiges Gebäude entlang der Wagenburgstraße. Dieses wird von viergeschossigen, schräg ansetzenden Flügelbauten an der Tal- und Klingenstraße zur unregelmäßigen Blockrandbebauung ergänzt; alle Gebäude sind mit flachen Walmdächern gedeckt. An der Ecke Tal- und Wagenburgstraße werden die beiden Flügel mit einem eingeschossigen Flachbau zusammengebunden. Die Fassade des Hauptgebäudes wird durch kleine halbrunde Balkone in den Achsen der drei Hauseingänge wirkungsvoll rhythmisiert. An den Außenkanten sind Balkone um die Ecke herumgeführt – ein Motiv, das sich auch an Beers bekanntestem Gebäude, dem Turmhaus des Friedrich-Ebert-Hofs, findet. Wenige effektvoll eingesetzte Details, wie die sorgfältig gestalteten Balkonbrüstungen oder die schwungvolle Abrundung des Ladenanbaus, verleihen der Wohnanlage eine expressive Note. Als der Arbeiterbewegung nahe stehender Architekt baute Beer bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges außer einer Reihe von Geschosswohnungsbauanlagen auch das Gewerkschaftshaus (Willi-Bleicher-Straße 20; 1930 – 1933). Aufgrund seines politischen Engagements musste er 1935 in die Schweiz emigrieren, wo er weiter im gemeinnützigen Wohnungsbau tätig war.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Gebäudekomplex Wagenburgstraße 149 bis 153 teilweise beschädigt. Nach den vorhandenen Bauakten der Stadt wurde der Seitenflügel an der Klingenstraße vollständig, jedoch nicht mehr im Originalstil, neu aufgebaut und ist deswegen nicht Bestandteil der Erweiterung der Erhaltungssatzung. Die Wagenburgstraße 151 wurde innen, bei Erhalt der Außenwände, ab dem 3. OG neu errichtet und die Bauteile Talstraße 2 und 4 sowie die Bauteile Wagenburgstraße 149 bis 153 erhielten ein vom ursprünglichen Entwurf abweichendes flach geneigtes Ziegeldach. Das ursprüngliche Dach war noch flacher geneigt mit einer ca. 1,6 m tieferen Firstlinie. Auch der eingeschossige Flachbau am Gebäudeeck Talstraße/Wagenburgstraße wurde mit einer Planung des Architekten Hermann Schad in einer von der ursprünglichen Planung abweichenden Form und Fassade instand gesetzt.

Der Gebäudekomplex Wagenburgstraße 149 bis 153 prägt trotz seines teilweise leicht veränderten Wiederaufbaus die Stadtgestalt. Wegen der Bedeutung seines Architekten Karl Beer für den Mietwohnungsbau der Vorkriegsjahre in Stuttgart, seiner gestalterischen Details und seiner Bedeutung als gutes Beispiel für den genossenschaftlichen Mietwohnungsbau der Zwischenkriegsjahre, hat das Gebäude neben der städtebaulichen Bedeutung auch eine geschichtliche und künstlerische Bedeutung. Durch die Erweiterung der Erhaltungssatzung sollen Beeinträchtigungen, Minderung oder gar Beseitigung der höherwertigen architektonischen Substanz des Gebäudes verhindert werden.


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Anlage 2.pdfAnlage 2.pdf