Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
25/2022
GZ:
OBM
Sitzungstermin: 20.01.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:die Herren Kohlmeyer (S/OB), Dr. Rexhausen (McKinsey), Staritzbichler (Jugendrat)
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: a) Generaldebatte Klimaschutz
b) Beratung und Beschlussfassung zum Klima-
neutralitätsziel für Stuttgart

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 17.01.2022, GRDrs 25/2022, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Verwaltung wird beauftragt, zu prüfen, mit welchen Maßnahmen die Klimaneutralität für Stuttgart bis zum Jahr 2035 erreicht werden kann.
2. Die Verwaltung wird beauftragt, bis zur Sommerpause 2022 einen realistischen, sozial- und wirtschaftsverträglichen Klimafahrplan - mit dem Ziel einer Klima-neutralität für Stuttgart bis zum Jahr 2035 - auszuarbeiten. Dieser soll konkrete Maßnahmenvorschläge für die einzelnen Emissionsquellen enthalten.
3. Der Gemeinderat trifft vor der Sommerpause 2022 auf der Basis dieses Klimafahrplans die finale Entscheidung über das Klimaneutralitätsziel für Stuttgart.

Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen folgende Anträge vor:

- Nr. 228/2021 vom 24.06.2021 (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutz-partei) "Vorziehen des Klimaneutralitätsziels Stuttgarts von 2050 auf 2030!"
- Nr. 256/2021 vom 14.07.2021 (90/GRÜNE) "Jetzt handeln für morgen! Klimaneutralität für Stuttgart"
- Nr. 278/2021 vom 16.08.2021 (SPD) "Klimaneutral bis 2035! Doch was braucht es dafür?"
- Nr. 300/2021 vom 21.09.2021 (PULS) "Klimaneutralitätsziel Paris-konform fixieren"
- Nr. 5/2022 vom 19.01.2022 (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) "Stuttgart bewirbt sich ..."

Diese Anträge sind ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die von den StRen Winter (90/GRÜNE) und Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRA-TEN Tierschutzpartei) sowie der Verwaltung gezeigten Präsentationen sind dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Aus Datenschutzgründen werden sie nicht im Internet veröffentlicht. Dem Originalprotokoll sind sie in Papierform angehängt.

OB Dr. Nopper weist zu Beginn darauf hin, dass sich die Fraktionen im Vorfeld auf jeweils zwölf Minuten Redezeit verständigt hätten. Auch OB Dr. Nopper hat für seine Stellungnahme zwölf Minuten, ebenso die Vertreter des Jugendrats, der Verwaltung und der Unternehmensberatung McKinsey, die das Wort - so wird vereinbart - nach der Fraktionsrunde ergreifen werden. Für die sich gegebenenfalls anschließende Diskussionsrunde wird eine Redezeit von jeweils drei Minuten vereinbart. Die Stellungnahmen von OB Dr. Nopper, den Sprecher*innen der Fraktionen und die Ausführungen von Herrn Kohlmeyer, Herrn Dr. Rexhausen und Herrn Staritzbichler sind im leicht redigierten Wortlaut wiedergegeben.

OB Dr. Nopper:
"Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren Stadträte, liebe Stuttgarterinnen und Stuttgarter, meine sehr geehrten Damen und Herren, Klimaschutz gehört zu den fundamentalen Herausforderungen dieses Jahrhunderts, Klimaschutz ist eine große globale Gemeinschaftsaufgabe aller Länder Europas und der Welt. Klimaschutz ist eine große nationale Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Klimaschutz ist eine große kommunale Gemeinschaftsaufgabe von Stadt, Wirtschaft und Stadtgesellschaft. Stuttgart kann, soll und muss einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Aber dieser Beitrag ist eingebettet und muss eingebettet sein in das, was in Deutschland, Europa und der Welt in Sachen Klimaschutz geschieht. Und das, was bei der Stadtverwaltung mitsamt ihren Eigenbetrieben und Beteiligungsgesellschaften geschieht, muss eingebettet sein in das, was gesamtstädtisch in Sachen Klimaschutz sich tut. Anders formuliert: Klimaschutz funktioniert nicht in Stuttgart allein, Klimaschutz funktioniert nur gemeinsam in Baden-Württemberg, Deutschland und der Welt.

Die größte Durchschlagskraft für den weltweiten Klimaschutz hätte im Übrigen eine Klimapolitik mit einer möglichst umfassenden und einheitlichen Bepreisung von Treibhausgasemission. Das zentrale Ziel des globalen Klimaschutzes ist die Einhaltung der auf der UN-Klimakonferenz in Paris im Jahr 2015 festgelegten Begrenzung der weltweiten Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad gegenüber den vorindustriellen Werten. Um dieses zentrale Ziel zu erreichen oder sogar unter 1,5 Grad Erderwärmung zu bleiben, will Stuttgart eine Vorreiterrolle einnehmen. Stuttgart setzt sich deswegen ein neues Klimaneutralitätsziel. Stuttgart will, wenn irgend möglich, gesamtstädtisch bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden. Dies würde eine schrittweise erfolgende Treibhausgasreduktion gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 bis zum Jahr 2035 in Höhe von 95 % bedeuten. Klimaneutralität in diesem Sinne bedeutet, dass innerhalb Stuttgarts schrittweise immer weniger Energie aus fossilen Energieträgern verbraucht wird. Zur Erinnerung: Vor gerade einmal zwei Jahren, im Dezember 2019, hat sich der Stuttgarter Gemeinderat auf eine Klimaneutralität für Stuttgart bis zum Jahr 2050 verständigt. Mit diesem Klimaneutralitätsziel, vor allem aber mit dem Klimaaktionsprogramm und mit dem Treibhausgas-Reduktionspfad war man damals weit vorne. Die Stadt Stuttgart hat die angestrebten Ziele auf ihrem bisherigen Reduktionspfad sogar etwas übertroffen.

Mittlerweile hat sich in Sachen Klimaschutz und Klimaneutralitätsziel sehr viel verändert. Wir haben es beim Klimaschutz mit einem unglaublich dynamischen Prozess zu tun, der Bund hat das Klimaneutralitätsziel für Deutschland mittlerweile auf das Jahr 2045, und das Land hat das Klimaneutralitätsziel für Baden-Württemberg auf das Jahr 2040 vorgezogen. Und wir wollen Ihnen nunmehr ein noch ambitionierteres Klima-neutralitätsziel vorschlagen, jedenfalls die Prüfung eines noch ambitionierteren Klimaneutralitätsziels. Zunächst nur die Prüfung, weil wir Ihnen heute noch nicht sagen können, was dies konkret für Bürgerschaft und Wirtschaft bedeuten würde. Wir schlagen Ihnen vor, dass die Verwaltung beauftragt wird zu prüfen, mit welchen Maßnahmen die Klimaneutralität für Stuttgart bis zum Jahr 2035 erreichbar ist. Bis zur Sommerpause soll die Verwaltung dann einen realistischen, einen sozial- und wirtschaftsverträglichen Klimafahrplan für Stuttgart ausarbeiten, mit konkreten Maßnahmenvorschlägen für die einzelnen Emissionsquellen. Auf der Basis dieses Klimafahrplans soll dann die finale Entscheidung über das Klimaneutralitätsziel für Stuttgart getroffen werden.

Im Übrigen haben wir auch geprüft, ob es Sinn macht, dass Stuttgart sich als sogenannte Klimaschutz-Pionierstadt bei der Europäischen Kommission bewirbt. Ein derartiges Förderprogramm hat die EU Ende 2021 ausgelobt mit der Möglichkeit zur Interessensbekundung bis Ende Januar 2022. Wir sind nach intensiver Prüfung zur Einschätzung gekommen, dass die sehr hohen Anforderungen an eine Pionierstadt von uns realistischerweise nicht erfüllt werden können. Pionierstadt bedeutet nämlich nach unserem Verständnis der EU-Bedingungen, dass bis zum Jahr 2030 eine Treibhausgasreduktion gegenüber 1990 von einhundert Prozent gegeben sein müsste, ausgenommen hiervon könnten nur unvermeidbare, ganz unvermeidbare Treibhausgasemissionen, wie etwa in Hamburg der Hafen oder in Ludwigshafen die BASF, werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Klimaschutz geht nur gemeinsam. Und Klimaschutz geht auch nicht losgelöst von anderen Lebensbereichen. Klimaschutz muss verbunden sein mit der Gesamtverantwortung für alle Bereiche unserer Gesellschaft. Wir brauchen eine Gesamtverantwortung für eine florierende Wirtschaft mit sicheren Arbeitsplätzen, für die sozialen Bedürfnisse an Wohnen und Mobilität sowie für eine intakte Umwelt. Deswegen müssen unsere Maßnahmen zur Erreichung des Klimaneutralitätsziels realistisch sowie sozial- und wirtschaftsverträglich sein. Wir müssen Ökonomie und Ökologie verbinden. Greta Thunberg hatte recht, als sie vor einem Jahr von den reichen Ländern einen überdurchschnittlichen Einsatz für den Klimaschutz gefordert hat. Dies gelingt nur dann, wenn wir gerade auch im Interesse des Klima- und Umweltschutzes wirtschaftlich stark bleiben. Bei allen technischen Innovationen müssen wir in der Stadt der Erfinder und Tüftler, in der Stadt von Robert Bosch, von Gottlieb Daimler, von Ferdinand Porsche, immer technologieoffen an der Spitze der Bewegung stehen. Hierzu gehört die Transformation zu ressourcenschonenden und emissionsarmen Automobilen, hierzu gehört auch die Ausschöpfung aller energetischen Möglichkeiten zur Reduktion des CO2-Ausstoßes. Hierzu gehören auch viele E-Ladepunkte im Öffentlichen und im Privaten. Hierzu gehören auch Modellprojekte für synthetische Kraftstoffe, für die Bestandsflotte, für Spezialfahrzeuge, für den Flugverkehr. Hierzu gehört die zügige Umsetzung von digitalen Zugsteuerungssystemen, die zu mehr Attraktivität des ÖPNV durch mehr Taktverdichtung und mehr Pünktlichkeit führen. Viele Unternehmen in unserer Stadt gehen beim Klimaschutz mit gutem Beispiel voran. Bis zum Jahr 2030 will Porsche über die gesamte Wertschöpfungskette und den Lebenszyklus der neuverkauften Fahrzeuge hinweg bilanziell CO2-neutral sein. Alle großen Standorte von Porsche sind bereits CO2-neutral, übrigens auch bei Mercedes. Die Mercedes-Benz-Autowerke in Deutschland produzieren ab 2022 CO2-neutral. Daimler hat ein ambitioniertes Strategie-Update vorgelegt und will den Wandel zu 'Electric only' bis 2030 abschließen. Dies alles ist mutig und zukunftsweisend. Auch unsere städtischen Beteiligungen sind da vorne dabei, das Stadtbahnsystem der SSB wächst seit Jahrzehnten. Es wird schon seit einigen Jahren mit Strom aus erneuerbarer Energie betrieben und bietet mit über 200 Fahrzeugen ein hervorragendes Angebot. Der Busbereich soll auf emissionsfreie E-Antriebe umgestellt werden, erstes Etappenziel sind die Buslinien in der Innenstadt, die bis 2027 auf emissionsfreie Antriebe umgestellt werden. Hierzu wurden bereits im aktuellen Haushalt Mittel eingestellt. Eine von der SSB beauftragte Studie hat gezeigt, wie die SSB-Busflotte bis Mitte der 30er-Jahre praktisch komplett auf emissionsfreie Antriebe umgestellt werden kann.

Ein weiteres Beispiel: Unsere Stadtwerke sind Motor der Energiewende. Unsere einhundertprozentige Tochter ist der zentrale Hebel für den Klimaschutz, ein Hebel, den die Stadt direkt steuern kann. Ob Solar, Wärme oder Mobilität - die Stadtwerke haben die Produkte, die Industrie, Gewerbe und Haushalte benötigen.

Drittes Beispiel: Dies SWSG hat im Jahr 2021 eine hochambitionierte Klimastrategie beschlossen mit dem Ziel, bis 2035 die gebäudebezogenen Voraussetzungen für Klimaneutralität zu schaffen. Dafür erhöhten wir die energetische Sanierungsrate schrittweise auf 4 %, ein absoluter Spitzenwert im Branchenvergleich. Übrigens arbeiten SWSG und Stadtwerke auch bestens zusammen. Am heutigen Tag, die Tinte ist noch nicht trocken, haben SWSG und Stadtwerke eine Rahmenvereinbarung unterzeichnet, dass auf allen geeigneten SWSG-Dächern Photovoltaik genutzt wird. Das jährliche Mindestausbauziel entspricht dem Strombedarf von mehr als 1.000 SWSG-Woh-nungen. Sie sehen, hier in Stuttgart passiert viel, und es soll künftig noch mehr geschehen. Im Rahmen der Solaroffensive wurden binnen eines Jahres 580 Anträge entgegengenommen und damit Förderungen in Höhe von 2,5 Mio. € für 489 PV-Anlagen, 433 Stromspeicher, 7 Balkonmodule und 360 Ladepunkte bewilligt. Durch das Wärmepumpenprogramm wurden bereits 5,7 Mio. € Investitionen in erneuerbare Wärmeversorgung ausgelöst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur Klima- und Umweltschutz hängen an der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft. Wir brauchen die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und in der Folge auch die der Stadt auch für andere elementare Aufgaben, wie etwa für Bildung und für sozialen Ausgleich, und wir müssen die Stadtgesellschaft überzeugen und mitnehmen, vielleicht sogar begeistern. Das geht, wenn wir uns an den Menschen und an ihren Bedürfnissen, auch ihren Mobilitätsbedürfnissen orientieren. Das geht, wenn wir die Menschen nicht mit Verboten überziehen, sondern wenn wir Wege aufzeigen und Möglichmacher sind. Das geht, wenn wir die Menschen in ihrer Entscheidungsfreiheit stärken. Lassen Sie uns Klimaschutz nicht mit Verbissenheit und moralischem Imperativ vorantreiben. Wir können es uns nicht leisten, die Stadtgesellschaft beim Klimaschutz zu spalten nach dem Motto 'hier sind die Guten, dort sind die Schlechten'. Auch beim Klimaschutz gilt das Motto 'versöhnen statt spalten'. Ohne ein Miteinander wird Klimaschutz nicht funktionieren. Für die Industrie- und Automobilstadt Stuttgart heißt das: 'keine De-Industrialisierung und keine De-Automobilisierung, aber ein klares Bekenntnis zur Transformation der Industrie und ein klares Bekenntnis zu klimaschonender Mobilität und Automobilität'. Wir brauchen beides. Stuttgart soll ein starker Wirtschaftsstandort bleiben, und Stuttgart soll auch schnell klimaneutral werden. Die Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 ist sehr ambitioniert und sehr sportlich. Sie erfordert, um im Bild zu bleiben, Höchst- und Rekordleistungen im Klimaschutz. Die Dinge sind so stark in Bewegung, dass wir sicher mit neuen Erkenntnissen ausgestattet noch einige Male in Sachen Klimaschutz im Gemeinderat beraten werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mich hat in den letzten Tagen immer mal wieder die Furcht beschlichen, dass das Ziel 2035 zu ambitioniert sein könnte. Aber frei nach dem deutsch-schweizerischen Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Hermann Hesse gilt: Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen. Herzlichen Dank."

StR Winter (90/GRÜNE):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen - Entschuldigung, ich darf von hier aus ohne Maske sprechen und werde das auch gerne nutzen. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, das ist ein besonderer Tag für Sie heute, und dass Sie gleich mit diesem Thema einsteigen, hat vielleicht auch eine besondere Bedeutung für Sie. Wir beraten heute darüber, welches Ziel wir uns setzen, um gemeinsam mit Stadtverwaltung unter Hinzuziehung von Expertise Impulse auch geben zu können, die Sie vielleicht in Ihrem Beitrag auch aufnehmen. Und vielleicht ist da das eine oder andere dabei, weil wir den Bogen vielleicht doch nochmals auf andere Dinge auch setzen wollen und zeigen wollen.

In den nächsten Schritten gilt es, den Pfad und Zwischenschritte zu definieren, damit wir dieses Klimaziel, die Klimaneutralität bis 2035, tatsächlich erreichen können. Herr Oberbürgermeister, Sie sagten, es ist ambitioniert, aber in unseren Augen geht es nicht um die Frage ob, sondern um die Frage, wie wir das erreichen können. Und genau darüber geht es in der heutigen Beschlussvorlage, die, wie ich auch sehe, ein Produkt einer gemeinsamen Näherung von Anträgen ist, bis es dann zu einer Vorlage kam. Und das war auch eine Näherung zwischen den Fraktionen und Ihnen, und Gespräche unter den Fraktionen. Und ich finde es gut, dass wir heute über so ein Produkt auch diskutieren können, das versucht, eine Breite des Rates auch mitzunehmen auf diesem Weg, der uns auch manches - Herr Oberbürgermeister, es wird kein einfacher Gang - abverlangen wird.

Wir können das 2035er-Ziel ja unserer Meinung nach vertreten, weil sich in den letzten zwei Jahren viel bewegt hat. Da sind die Beschlüsse der Landesregierung, Sie haben es gesagt, der Bundesregierung, das Vorziehen des Kohle-Ausstiegs, für uns ein ganz wichtiges Zeichen, und aber auch die Aussagen zur Klimaneutralität der hiesigen Schlüsselindustrie und ein Wandel des gesellschaftlichen Bewusstseins und die zunehmende Bereitschaft vieler einzelner Menschen, einen persönlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dass wir uns heute gemeinsam auf diesen Weg machen können, zeigt auch den Bewusstseinswandel hier im Rat, denn noch im Juli 2018 haben wir GRÜNEN ein Klimapaket von damals 55 Millionen aus Jahresüberschüssen beantragt und eine krachende Niederlage eingefahren. Und wer mich kennt, weiß, dass ich das überhaupt nicht gut finde. Aber damals war es so, es waren andere Themen da, und wir haben aber für viele Bereiche und Sektoren schon mal hier 5 Mio. €, hier 10 Mio. €, hier 15 Mio. € eingestellt. Die Sektoren sind gar nicht so anders wie das, was wir in den letzten Jahren dann doch gemacht haben. Damals haben wir geschrieben, ganz besonders möchten wir aber einen Schwerpunkt auf ein Thema legen, das lange nicht die Aufmerksamkeit findet, die ihm gebührt, obwohl kaum ein anderes wichtiger wäre. Schon heute nehmen weltweit extreme Wetterereignisse, wie Stürme, Starkregenereignisse, Hitze und Dürren, stark zu. Der Meeresspiegel steigt an, Gletscher schmelzen ab. Trotzdem wird dem Klimawandel nicht energisch genug begegnet. Es gibt in jeder Stadt und der Welt immer etwas Aktuelleres und Wichtigeres zu behandeln. Der Text hat an Aktualität eher dazugewonnen.

Umso wichtiger, dass wir jetzt gemeinsam auf einen Weg uns machen, die jetzt vorliegende Vorlage, die inhaltlich ja noch einige Themen nur anreißt, mit Leben und substanziell so zu füllen, dass wir einen Fahrplan miteinander entwickeln mit Zwischenzielen und diesen auch diskutieren. Deswegen brauchen wir auf dem Weg zum Sommer intensive Beratungen, wie ich vorschlagen will, sowohl in Gesprächen, wie wir es auch vereinbart haben, zwischen Verwaltung, zwischen Referat, auch unter Hinzuziehung von McKinsey. Aber wir brauchen auch die Diskussionen im Ausschuss für Klima und Umwelt, die hierzu ebenfalls stattfinden müssen. Und wir sollten gemeinsam mit den Akteuren in der Stadtverwaltung, mit den Stadtwerken, mit den Berater*innen diese Sitzungen gestalten. Und wichtig ist auch, dass wir die einzelnen Sektoren dabei betrachten und uns wirklich Ziele setzen.

Klimawandel hat nicht eine Ursache. Er ist nicht monokausal, sondern hat, wenn wir ihn wirklich bekämpfen wollen, viele, viele Bereiche. Ich will einige Bereiche kurz ansprechen und komme zu einem Bereich, den wir im Haushalt sehr stark bewertet haben. Wir haben aufgebaut auf dem 200 Mio. €-Paket mit OB Kuhn. Vieles ist noch nicht abgeflossen. Und wir haben jetzt noch mal ein Paket zur energetischen Sanierung beschlossen, Herr Oberbürgermeister, das uns auch eine Grundlage sein kann, die nächsten Schritte zu tun. Und ich freue mich sehr, dass wir hier auf die nächsten zehn Jahre ein Paket von einer halben Milliarde beschließen konnten zur energetischen Sanierung von Gebäuden.

Aber auch z. B. bei der SWSG haben wir drauf gedrungen, ich denke an den Antrag von Kollegin Fischer, hier noch ambitioniertere Ziele zu entwickeln. Und ich freue mich, Herr Oberbürgermeister, dass Sie diese Ideen auch aufgenommen haben und sie auch in Ihren Reden schon bestätigt haben.

Dass wir aber auch beim Neubau, bei Sanierungen die Wärmewende durch entsprechende Quartierskonzepte voranbringen müssen, ist nicht nur wichtig, sondern schlicht notwendig. Und die Rahmenbedingungen gilt es natürlich so zu gestalten, dass die Investitionen am Ende nicht auf dem Rücken der sozial Schwachen, auf dem Rücken der Mieter*innen passieren, sondern dass wir es so ausgestalten, dass hier sozialverträglich auch gehandelt wird.

Im Bereich Mobilität, Herr Oberbürgermeister, sehen wir große Potenziale, die es zu heben gilt, nicht nur im Bereich der Antriebe, sondern auch im Bereich der Frage, welche Vehikel nutzen wir zu welchen Zwecken? Ich will mal ganz vereinfacht sagen: Wir transportieren ein Lebendgewicht von etwa 80 kg in einem umfassenden Gefäßgewicht von 2 t. Das ist bei E-Autos auch nicht viel weniger. Und jetzt zeige ich ein kleines Bild, und vor allem deswegen habe ich das hier auch gemacht, was mehr spricht als viele Worte. Es ist nicht nur die Frage, wir können das neu gestalten, neue Antriebe, sondern wir müssen die Menschen dazu bekommen, darüber nachzudenken, wie sie in ihrem eigenen Verhalten, wie sie in täglichen Angewohnheiten Klimaschutz betreiben können. Und vielleicht tut es gar nicht weh, sich in den Bus, in die Bahn zu setzen, die vielleicht parallel genau die Strecke fährt, die sie mit dem Auto fahren wollen. Dieses Bild zeigt ganz anschaulich und ganz wichtig, manches ist ganz einfach, man muss es tun.

Und dazu brauchen wir, Herr Oberbürgermeister, eine Klimakampagne, die die Leute mitnimmt und sagt, ihr alle könnt euren Beitrag dazu leisten. Wir wissen ganz genau, im Bereich Gebäudesektor 4 % direkter Zugriff der Stadt. Das ist gut, dass wir auch EBZ-Mittel hier noch mal deutlich erhöht haben, dass wir die Menschen in der Stadt wirklich mitnehmen können. Ein anderes ist, dass wir viele Zielbeschlüsse schon, Herr Oberbürgermeister, vor Ihrer Zeit gemacht haben, die uns jetzt helfen können. Die lebenswerte Innenstadt, und das ist kein Kampf gegen Autos, sondern es ist ein Ziel, das wir erreichen wollen in der Stadt, leiser, emissionsfreier zu sein. Und drüber nachdenken, was sind die wirklich notwendigen Fahrten, wie sieht das aus? Und hier nicht nur mit Angeboten, sondern auch mit Maßnahmen, wie wir es bei der B14 gemacht haben, zu sagen, wir verringern den Platz für den privaten motorisierten Individualverkehr um 50 %. Das war ein kluger Beschluss, meine Damen und Herren, ein zielführender Beschluss, das so zu machen und die Menschen mitzunehmen, indem wir einfach schauen, Stuttgart muss lebenswerter werden.

Und wir haben schon längst Frieden gemacht mit vielen, die da sehr kritisch waren, bei der lebenswerten Innenstadt. Der Zielbeschluss war knapp umrissen. Und jetzt haben wir das mit einer deutlichen Mehrheit bestätigt. Auch gegenüber dem Handel, der plötzlich entdeckt hat, jawohl, es ist gut, wenn wir die Stadt auf diese Art und Weise beleben und die Aufenthaltsqualität nach oben bringen.

Ein großes Kapitel, Sie haben gar nicht drüber gesprochen, ist die Frage des Umgangs mit den Ressourcen der Landwirtschaft, die letztendlich auch mit der Ernährung zu tun hat. Und es ist interessant zu überlegen, welche Auswirkungen es auf den Flächenverbrauch hat, ob ich z. B. ein Steak aus Argentinien - da kommen Transporte noch dazu - kaufe, ein Hähnchen aus dem Remstal, eine Karotte aus Ditzingen, eine Kartoffel aus Weilimdorf, eine Paprika - mag sie auch bio sein - aus Israel oder ein Apfel aus Neuseeland. Wir müssen über solche Dinge nachdenken. Und wir müssen auch mit den Bürger*innen in der Stadt über solche Dinge reden und Kampagnen machen. Vielleicht überlegen, dass aus dem einfachen Grundsatz 'regional und saisonal' für den Klimaschutz wirklich etwas bewirkt werden kann. Und alle, die dann sagen, das hat doch gar nichts mit Klimaschutz zu tun, große Emissionen, allein der Landverbrauch, den ich überlege, durch einen zu hohen Fleischkonsum. Und unser Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, hier kein Unbekannter, hat, glaube ich, zu Recht darauf hingewiesen, dass eines der größten Probleme zu Schleuderpreisen verkauftes Fleisch ist, das bei uns auf den Tellern landet. Und vielleicht können wir auch hier drüber reden, dass die Menschen ein Bewusstsein schaffen, hier nachhaltiger weiterzugehen.

Apropos Nachhaltigkeit, ich möchte am heutigen Tag der Stuttgarter Liederhalle gratulieren. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind die großen Aufgaben unserer Zeit. Das betrifft auch die Eventbranche. Und die Liederhalle ging in einen weiteren Schritt der Nachhaltigkeit und hat sich hier beworben auf einem neuen Weg. Herzlichen Glückwunsch, Sie geben da ein gutes Beispiel ab. Und genau diese Beispiele brauchen wir. Genauso wie ich es begrüße, wie die Wirtschaft hier auch angezogen hat und gehandelt hat.

Die Stadt Stuttgart hat mit der Globalen Agenda 2030 auf lokaler Ebene, also frei nach 'think global act local' oder wie Fritz Kuhn es formulierte 'mit nachhaltiger Stadtentwicklung in Stuttgart die weltweiten Ziele der Agenda 2030 stärken' die Basis geschaffen, mit der wir uns im letzten Jahr als Rat auch darauf verständigt haben, die 17 Ziele, die Sustainable Development Goals für nachhaltige Entwicklung, als Grundlage finanzpolitischer Entscheidung zu sehen. Das wird kein einfacher Weg, den wir vor uns haben. Wir müssen an viele Bereiche ran und offen auch über die vielen Bereiche sprechen. Ich erwarte auch von uns allen, und heute werden wir das ein paar Mal noch hören, es soll keine Denkverbote geben in Richtung auf Antriebe und sonst was: Lasst uns auch ohne Denkverbote an Angewohnheiten und an unser eigenes Verhalten rangehen. Wir brauchen auch das, sonst werden wir ganz alleine durch Antriebe und ein paar Umstellungen, die wir als Stadt machen, das nicht schaffen.

Sie sagten, es sei ganz schwierig, und Stuttgart alleine könne es nicht lösen. Das ist vollkommen richtig. Aber wenn wir nicht anfangen und das in jeder Stadt getan wird, dann passiert gar nichts. Also wir müssen, und alle Kommunen haben die Verpflichtung auch, kommunal etwas zu tun.

Robert Habeck hat über die Freiheit gesprochen, über die Freiheit von uns und über die Freiheit künftiger Generationen, Lebensgrundlagen zu haben, die ein lebenswertes Leben auf diesem Planeten möglich machen. Wir empfinden die Demonstrationen in den letzten Jahren - schon vor der Coronakrise - von Fridays for Future nicht als Rückenwind, sondern als Verpflichtung, als Mahnung und als Selbstverständlichkeit. Wenn wir die Freiheit kommender Generationen achten wollen, sie schützen wollen, auf einem lebenswerten Planeten zu leben, müssen wir jetzt handeln. Und jetzt handeln, heißt für uns, heute diesen Beschluss zu fassen. Und im Sommer müssen wir bis dahin diese ganzen Maßnahmen mit Zielen, mit Klimapfaden beschließen. Und unsere Anträge dokumentieren, ob sie von uns sind, ob sie von PULS sind, das hohe Interesse und den hohen Willen, hier zu verändern und konkret zu werden mit Zielen, mit Kampagnen, das zu fassen. Auf diesem Weg wünsche ich uns ein gutes Zusammenbleiben in diesem Ziel und eine Offenheit, über alle Möglichkeiten zu reden. Ich verspreche mir sehr viel davon, dass wir das zusammen mit einer Expertise von außen machen. Aber auch das Amt für Umweltschutz hat viel getan. Wir sind auf einem guten Weg, und wir müssen das jetzt sehr, sehr ernsthaft anpacken. Ich wünsche mir ein gutes Zusammengehen. Vielen Dank."

StR Kotz (CDU):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Nopper, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Vertreter des Jugendrats unserer Stadt, sehr geehrte Damen und Herren, der Klimawandel und daraus resultierend der Klimaschutz ist das globalste Thema überhaupt. Während wir viele globale Vorgänge wie den Welthandel oder das Reisen theoretisch und - Corona hat es uns ja leider gelehrt - auch praktisch regulieren können, das Klima und seine Veränderungen können wir alle nicht einmal gemeinsam regulieren, zumindest nicht ohne an den Ursachen zu arbeiten.

Das Klima hat wie kein anderer Bereich grenzüberschreitende Auswirkungen, die vor keiner Kontinents- oder gar Staatsgrenze haltmachen. Daher fragen sich viele, macht das überhaupt Sinn, lokal hier in Stuttgart große Anstrengungen zu erbringen und Einschränkungen hinzunehmen, wenn in China oder Indien nichts oder deutlich zu wenig für den Klimaschutz getan wird, und während hier bei uns die Kohlekraftwerke stillgelegt werden dort neue in Betrieb gehen? Deutschland liegt mit knapp 2 % des weltweiten CO2-Ausstoßes auf Platz 6 in der Welt. Das klingt nach ganz großer Menge und großer Verantwortung. Allerdings – und das gehört zur Wahrheit auch - liegen vor uns fünf Länder auf dieser Liste mit in Summe knapp 60 % des weltweiten Ausstoßes. Das relativiert die Verantwortung natürlich in der Betrachtung vieler.

Oder wieder andere fragen, wie viel des Klimawandels ist denn wirklich menschengemacht? Und auf wie viel hat die Menschheit womöglich gar keinen Einfluss? Es gab ja in der langen Geschichte unseres Planeten schon extreme Klimaveränderungen, denken Sie an die Eiszeiten, ohne dass der Mensch damals dazu beigetragen hat. Und trotz beider berechtigter Fragen kann die Antwort nur lauten: Auch Deutschland, auch Stuttgart muss einen Beitrag dazu leisten, die Klimaerwärmung zu verringern, diesen unseren knapp 2 %-Anteil in realen Tonnen CO2 zu reduzieren und auch, falls es noch andere Faktoren jenseits der Menschheit für den Klimawandel gibt, diesen menschengemachten Teil zumindest abzubremsen. Und auch wer will, dass es in Europa keine Flüchtlingsströme wie 2015 mehr gibt, muss aktiv durch Klimaschutz mit daran arbeiten, dass die Lebensbedingungen z. B. auf dem afrikanischen Kontinent in Jahrzehnten noch akzeptabel sind und dadurch Massenfluchten gen Norden verhindert werden können.

Zwei Themenbereiche sind uns als CDU bei der heutigen Diskussion besonders wichtig. Erstens, wenn das ganz große Menschheitsziel ist, den CO2-Ausstoß weltweit zu reduzieren, dann muss das mit absoluter Technologieoffenheit geschehen. Die Herausforderung der CO2-Reduktion ist so groß für jeden Menschen auf dieser Welt ganz individuell in seiner Situation und Ausprägung, dass für ideologische Fantasien oder sonstige Weltverbesserungstraumtänzereien kein Platz sein kann. Und deshalb wollen wir für unsere externen Berater von McKinsey, die den Maßnahmenplan für Stuttgart entwickeln sollen, wie wir bis 2035 klimaneutral werden können, eben keine einschränkenden Vorgaben machen. In den Vorberatungen gab es ja bereits aus anderen Fraktionen des Gemeinderats die Aussage z. B., grüner Wasserstoff dürfe bei der städtischen Strategie zur Klimaneutralität keine Rolle spielen. Einen größeren Blödsinn und etwas dem Thema Unangemesseneres habe ich schon lange nicht mehr gehört. Wenn das große Menschheitsziel ist, den Treibgasausstoß zu reduzieren bzw. auf Null zu bringen, dann kann und muss natürlich aus Ökostrom hergestellter Wasserstoff eine zentrale Rolle für die Mobilität, für die Beheizung von Gebäuden und die industrielle Produktion sein. Alles andere würde zur Deindustrialisierung Stuttgarts und zum Verlust unseres Wohlstands und unserer Lebensqualität führen.

Das ist im Übrigen auch der Grund dafür, dass unsere französischen Freunde die Atomenergie in dieser besonderen Herausforderung als Brückentechnologie weiter einsetzen wollen. Ich finde, im Sinne des Klimaschutzes gibt es durchaus auch gute Gründe dafür.

Und zweitens darf Folgendes in diesen nächsten, so wichtigen Jahren für das Klima, aber auch für unsere Stadt eben nicht passieren. Wenn dieser Prozess schon weitreichende, oft auch negative Auswirkungen auf das Leben aller hat, dann müssen wir immer nach den Wegen zum Ziel suchen, die diese Auswirkungen und Veränderungen so gering wie irgendwie möglich halten. Das soll z. B. heißen, wenn wir die Technologie zum emissionsfreien oder emissionsarmen Fliegen haben werden, spricht auch weiterhin nichts gegen Flugreisen in die Welt hinaus. Und wenn wir mit neuen Antriebsarten, ob Batterie oder Brennstoffzelle oder auch eine ganz neue Technologie, die wir noch nicht kennen, die Möglichkeit haben, emissionsfrei mit dem eigenen Auto zu fahren wann und wohin wir wollen, dann spricht auch dagegen überhaupt nichts. Und nicht zuletzt unsere hochgeschätzten Automobilhersteller in Stuttgart sind ja auf einem sehr schnellen Weg unterwegs, der Oberbürgermeister hat das erwähnt, ihre Autos sowohl in der Produktion inklusive aller Zulieferer, aber eben auch im Betrieb der Fahrzeuge klimaneutral auf den Markt zu bringen. Was bitte soll gegen eine solche klimaneutrale Mobilitätsart sprechen?

Was wir verhindern müssen, ist, dass traditionell linke und grüne Ziele zur mehr oder weniger Abschaffung der individuellen Mobilität jenseits des Fahrrads im Windschatten des Klimaschutzes durchgedrückt werden. Und, Herr Kollege Winter, weil Sie gerade im Rahmen Ihrer Präsentation dieses Bild gezeigt haben mit den ungefähr 100 Autos, ich habe es kurz gezählt, und diesem einen Bus: Es wäre natürlich auch schon noch mal eine Möglichkeit gewesen darzustellen, wie viele Arbeitskräfte notwendig sind in Deutschland, auch in Stuttgart, um diese 100 Autos herzustellen, und wie wenige es wären, um diesen einen Bus herzustellen. Daher kommt nicht der Wohlstand, mit dem Sie heute Ihre Klimamaßnahmen auch finanzieren können.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen heute hier gemeinsam das Ziel beschließen, 2035 in Stuttgart klimaneutral zu sein. Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich, was das überhaupt bedeutet. Darf dann in Stuttgart keine Heizung mehr betrieben werden, die aus einer Gasleitung bisher mit Erdgas versorgt wird? Darf dann in Stuttgart kein Auto oder Lkw mehr mit Diesel- oder Benzinmotor fahren? Darf dann in Stuttgart kein Fleisch mehr gegessen werden, bei dem das Rind auf einer Stuttgarter Weide stand? Diese und viele weitere Fragen treiben unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger deutlich mehr um als die Frage, ob dieser Zustand 2030, 2035 oder erst 2040 erreicht werden soll. Ich merke zumindest, dass meine Inhalte zur Diskussion anregen, vor allem bei den Teilen, die sonst nicht so gern drüber diskutieren. Das animiert mich. Und wer nur einigermaßen logisch denken kann und die Augen vor der Realität nicht verschließt, der kann nur zu der Überzeugung und zur Einsicht kommen, ja, 2035 wird es noch Heizungen mit Brenner und Gasversorgung geben. Es werden Autos mit Verbrennungsmotoren auf unseren Straßen fahren, und es werden im Sommer 2035 weiter große Steaks auf Stuttgarts Grills liegen. Aber sicher in all diesen Bereichen weniger als heute. Weil wir es bis dahin schaffen, Technik zu erneuern, und Gewohnheiten ändern sich ohnehin dauernd. Die noch vorhandenen Gasheizungen werden mit einer nachhaltigen Mischung aus grünem Wasserstoff und Biogas betrieben werden, die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren hoffentlich mit klimaneutralen E-Fuels fahren, und die Zahl der freiwilligen Vegetarier wird vermutlich weiter steigen.

Es wird eine zentrale Aufgabe des Prozesses zum Stuttgarter Klimafahrplan in den nächsten Monaten sein, der Stadtgesellschaft verständliche und klare Antworten auf all ihre berechtigten Fragen zu liefern. Nur so werden wir es schaffen, die Stadtgesellschaft, die Unternehmen und Organisationen, zum Mitmachen beim Klimaschutz zu motivieren, denn, und auch das sagt die Vorlage der Stadtverwaltung ja ganz klar und eindeutig, im Entscheidungsfeld des Gemeinderats und der Stadtverwaltung liegen nur vier, oder lassen Sie es von mir aus auch zehn Prozent sein. Der größte Teil auf dem Weg zur Klimaneutralität muss außerhalb des Rathauses entschieden, finanziert und umgesetzt werden. Wir wollen als Gemeinderat aber dazu motivieren und auch Anreize schaffen. Motivation und Anreize stehen für die CDU immer deutlich vor Verboten und Regulierung. Natürlich kann eine so weitreichende Zielsetzung nur aufgrund einer umfassenden Datenlage beschlossen werden. Daher war es der CDU-Fraktion besonders wichtig, dass heute das Jahr 2035 nur als Zielmarke für den Auftrag zur Erstellung eines Klimafahrplans beschlossen wird. Ob dieser Fahrplan die Prämissen, die wir heute auch gemeinsam beschließen werden, erfüllt, nämlich, ich zitiere: 'ein realistischer sozial- und wirtschaftsverträglicher Fahrplan' zu sein, entscheiden wir, wenn dieser in wenigen Monaten vorliegt. Und erst dann entscheiden wir auch, ob das Ziel Klimaneutralität 2035 unter diesen von uns gemeinsam beschlossenen Prämissen wirklich erreicht werden kann oder eben womöglich auch nicht. Deshalb ein herzlicher Dank an Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Nopper, dass Sie dieses zweistufige Verfahren zur Grundlage Ihrer Vorlage gemacht haben. Wir werden als CDU-Fraktion der Vorlage, und damit dem Arbeitsauftrag an die Verwaltung und an McKinsey heute zustimmen, herzlichen Dank."

StRin Schanbacher (SPD):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, lieber Jugendrat, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie leben wir in Zukunft? Was bedeuten die Veränderungen, vor denen wir stehen für mich, für meine Kinder, für meine Familie? Geht das alles gut für uns aus? Wird das Richtige getan? Diese Fragen stellen sich viele Menschen und sie sind sich nicht sicher, wie die Antwort darauf lautet. Sie machen sich Sorgen um ihre Jobs, um das, was sie im Leben aufgebaut haben, wie Stuttgart zukünftig aussehen soll, ob sie sich das Leben hier überhaupt noch leisten können, ob sie ihr Auto abgeben müssen und wie sie zukünftig zur Arbeit kommen. Menschen machen sich Sorgen um die Zukunft, wie sie die Hitzesommer in Stuttgart ertragen sollen, wieviel heißer es überhaupt noch wird, was das für unsere Kinder bedeutet, wie teuer unsere Energie, unser Benzin noch werden wird und warum die Klimawende nicht viel leichter und vor allem viel schneller gehen kann. Das alles sind Sorgen und Ängste, die Menschen haben und die müssen wir ernst nehmen, wir hier alle zusammen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen diese Ängste nicht nur ernst nehmen, sondern wir müssen hier auch Antworten darauf finden. Antworten, wie es gehen kann. Wir müssen aufzeigen, wie wir klimaneutral werden können und dabei niemanden vergessen. Wir müssen aufzeigen, wie Stuttgart ein Industriestandort mit einer starken Wirtschaft, guten und gutbezahlten Arbeitsplätzen bleiben kann und gleichzeitig ambitionierte Klimaziele verfolgt.

Wir müssen zeigen, drittens, dass Stuttgart seinen Beitrag zu den Pariser Klimazielen ernst nimmt, denn wir als Stadt müssen hier die Infrastruktur stellen, damit die Menschen überhaupt klimaschützend leben können. Und wir müssen alle auf diesem Weg mitnehmen bei der Klimawende - Rentnerinnen, Studenten, den Autofahrer, die Fußgängerin, den Bandarbeiter und die Professorin. Das hat für uns als Sozialdemokratie mit Respekt zu tun, mit gegenseitiger Wertschätzung vor den Lebensentwürfen und Lebenswegen von Menschen, die hier in Stuttgart leben. Das betont unser Kanzler Olaf Scholz an dieser Stelle immer wieder, und ich finde, er hat recht. Und auch nur so, mit Respekt, schaffen wir diese Jahrhundertaufgabe, vor der wir stehen. Nur mit Respekt gelingt uns die Klimaneutralität in weniger als fünfzehn Jahren, nur mit Respekt und Zusammenhalt gelingt uns die Einhaltung der Pariser Klimaziele. Das ist für mich roter Klimaschutz, sehr geehrte Damen und Herren.

Sehr geehrte Klimaschützerinnen und Klimaschützer und liebe Energiewendler*innen auf den Rängen oben, schön, dass Sie heute da sind und uns auf die Finger schauen. Denn das, was heute hier gesagt wird, das darf nicht aus leeren Willensbekundungen bestehen, nein, es muss die Weichen stellen für die Jahrhundertaufgabe, vor der wir stehen. Es ist an uns, hier dafür zu sorgen, dass Stuttgart seinen Beitrag zur Klimaneutralität leistet. Bis 2035 klimaneutral zu werden, und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, davon geht der Sachverständigenrat für Umweltfragen aus. Und das muss auch unser Anspruch hier in Stuttgart sein, in der Landeshauptstadt. Das haben wir als SPD-Fraktion im Stuttgarter Rathaus deswegen mit unserem Antrag Nr. 278 im Sommer 2021 beantragt. Das 2019 verabschiedete Ziel, 2050 klimaneutral zu werden, ist längst überholt. Es widerspricht den Anstrengungen für eine klimagerechte Welt, die das Bundesverfassungsgericht zu Recht einfordert. Und wir freuen uns, dass die Mehrheit im Rat hier das ebenfalls so sieht und sich mit uns hinter dieses gemeinsame Ziel stellt, das Ziel, das auch Eingang in den Antrag des Oberbürgermeisters für den heutigen Tag gefunden hat und dem - mehrheitlich getragenen Antrag - wir natürlich auch zustimmen werden. Doch neben dem Ziel, 2035 klimaneutral zu werden, müssen wir auch Antworten darauf geben, wie uns das gelingen kann, und zwar maximal effizient und sozial gerecht. Denn die Zeit läuft uns davon. Nur ein Bruchteil unseres CO2-Abbaupfads ist bislang mit konkreten Maßnahmen hinterlegt. Bilanziert man den Konsum der Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit ein oder etwa die Bundesstraßen, die unsere Stadt queren, rücken wir noch weiter von der Klimaneutralität weg. Doch genau diese Fragen müssen wir ehrlich beantworten, um die Klimawende auch erfolgreich zu meistern. Und unser Beitrag muss sich messen lassen. Wir dürfen nicht mit dem Finger auf Land und Bund zeigen, sondern müssen hier selbst handeln. Ja, es gibt Einschränkungen und Abhängigkeiten, wie so oft im Leben. Dennoch dürfen wir nicht bereits jetzt anfangen und Erklärungen finden, warum es vielleicht doch nicht klappt mit 2035. Lasst uns, lassen Sie uns gemeinsam entschlossen die Klimawende vorantreiben und über jede Unterstützung, die wir auf diesem Weg bekommen, sei es aus Berlin oder Brüssel, sind wir natürlich dankbar.

Mit der Festlegung, 2035 klimaneutral werden zu wollen, ist heute ein wichtiger Tag für die Klima- und Energiewende in der Landeshauptstadt. Dennoch müssen wir auch heute schon über den weiteren Prozess sprechen. Was passiert bis zum Sommer? Wie binden wir die Bürgerinnen und Bürger ein, die wichtiger Teil dieses Projekts sein sollen und müssen? Wie setzen wir die beschlossenen Maßnahmen um? Wie fließt das beschlossene Geld ab? Wie überprüfen wir, viertens, dass wir unsere Zielmarke auch erreichen? Und, schlussendlich, wie finanzieren wir das eigentlich alles? Zu allererst geht es um Transparenz, das betrifft die CO2-Bilanzierung, aber auch die Sektorziele, die wir uns setzen müssen. Sie müssen überprüfbar sein und für alle nachvollziehbar. Es gilt hier nicht, das Rad neu zu erfinden, ganz im Gegenteil. Wir brauchen vergleichbare Maßstäbe mit Bund und Land. Daran sollten wir uns auch orientieren. Wir müssen die Menschen mitnehmen. Die, die sich aktiv an der Klimawende beteiligen, indem sie die PV-Anlagen aufs Dach bauen oder eine Wärmepumpe in den Keller, wir müssen sie darin bestärken, am besten noch die Nachbarschaft und das Quartier mit Energie mitzuversorgen. Wir müssen die vielen Klimaschützerinnen und Klimaschützer mitnehmen, daran mitarbeiten zu wollen, dass sie möglichst schnell viel CO2 einsparen. Lassen Sie uns eine gemeinsame Einwohner*innenversammlung machen und den Klimafahrplan diskutieren. Lassen Sie uns darüber sprechen, wie die Landeshauptstadt klimaneutral werden soll, wie uns das gelingt. Lassen Sie uns mit den Stuttgarterinnen und Stuttgartern gemeinsam anpacken. Lassen Sie uns alle mitnehmen, Maßnahmen beschließen, die alle mittragen können und wollen, mit Respekt.

Wir können mit Recht und Stolz sagen, dass wir vor Kurzem die Einrichtung des ersten Kommunalen Klimabürger*innenrats beschlossen haben. Auch hier erarbeitete Ergebnisse müssen in unseren Klimafahrplan einfließen, denn nur so nehmen wir die Arbeit wirklich ernst. Und das haben wir über alle Fraktionen hinweg versprochen. Wir brauchen Maßnahmen, dringend, die maximal effizient und sozial verträglich sind. Deshalb haben wir uns schon 2019 für ein energetisches Sanierungsprogramm verkämpft, das saniert, aber nicht gentrifiziert und das Warmmietenneutralität garantiert. Und das muss unser Anspruch sein. Und hieran müssen wir weiterarbeiten.

Und der Schatz, den es in Stuttgart für die Klimawende zu heben gilt, sind die Wärmenetze. Hier zitiere ich den Chef der Landes-Energie-Agentur KEA, Dr. Kienzlen, im Ausschuss für Klima und Umwelt im Juni 2021: 'Hierzu zählen dezentrale Wärmenetze in den Quartieren, die bei uns, in unseren Stadtwerken, aufgebaut und vorangetrieben werden müssen.' Warmmietneutral, versteht sich. Wer weiß, dass wir von mehreren hundert Quartieren in Stuttgart sprechen, der ahnt schon, vor welcher Herkulesaufgabe wir hier stehen. Doch für diese Milliardeninvestitionen in erneuerbare Wärme aus Stuttgart, die auf die Stadtwerke in den nächsten Jahren zukommen, müssen wir die nötige Finanzierung liefern. Lassen Sie uns die Stadtwerke zu dem machen, was sie auch sein sollen - der Motor der Energiewende, und vor allem der Motor der Wärmewende. Zum Stuttgarter Schatz zählt aber ebenso die Fernwärme, die bekanntlich ja noch nicht in städtischer Hand ist. Und den Anspruch, das Fernwärmenetz zu übernehmen, es auszubauen und klimaneutral zu machen, müssen wir gegenüber der EnBW und damit gegenüber dem Miteigentümer, dem Land Baden-Württemberg, klar formulieren und immer, immer wieder einfordern. Von oberster Stelle mit beherzter Führung, Herr Oberbürgermeister Dr. Nopper. Seit 2019 sind aus dem Klimapaket gerade mal 5 % abgeflossen. Das darf uns nicht wieder passieren. Das ist wertvolle Zeit, die uns verlorengegangen ist. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Maßnahmen auf die Straße kommen und Fördergelder abfließen.

Sehr geehrte Damen und Herren, auf der Tagesordnung heute steht die Generaldebatte Klima, doch das heißt nicht, dass wir danach nie wieder über diese Jahrhundertaufgabe sprechen werden, ganz im Gegenteil. Es ist der Anfang einer jahrelangen Debatte um Klimaneutralität, und damit möchte ich überhaupt nicht drohen, sondern eigentlich will ich motivieren, denn wir brauchen Ausdauer und Mut für diese Aufgabe. Lassen Sie uns einen mutigen Fahrplan verabschieden, aber ebenso mutig immer wieder überprüfen, ob unsere Beschlüsse ausreichend sind, ob sie sozial verträglich und effizient sind. Und lassen Sie uns Fehlentwicklungen offen diskutieren und trotzdem weitermachen. So gelingt uns die Klimawende, so handeln wir am Ende auch klimagerecht für uns, für unsere Kinder und auch die Kindeskinder. Und, sehr geehrte Damen und Herren, so werden wir bis 2035 klimaneutral - mit Mut und Respekt. Vielen Dank."

StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei):
"Wer mich kennt, der weiß, dass ich selten um Worte verlegen bin, aber das passiert mir durchaus mal. Und neulich ist es mir wieder passiert. Meine Töchter haben mich gefragt, ja Papa, wo bist du denn aufgewachsen? Also bin ich mit ihnen in die Straße meiner Kindheit gegangen. Und ich bin erschrocken. Diese menschenleere Stille, dieses vertrocknete Grau und diese unerträgliche staubige Hitze. Kein Wunder hatten vor vielen Jahren schon die, die es sich leisten konnten, Stuttgart verlassen. Ich erinnerte mich, und so kam es mir vor wie in einem dieser Endzeitfilme meiner Jugend, die ich so geliebt hatte, da war immer irgend so ein Virus, und der hat die halbe Menschheit ausgerottet. Aber diesmal war es anders, dieses Mal waren wir selber schuld daran. Und mir war klar, in diese Welt dürfen meine Töchter keine Kinder setzen. Die schauten mich traurig an und sagten: 'Ja, Papa, warum habt ihr uns das angetan?' Mit einem Kloß im Hals habe ich mich erinnert, erinnert an das Jahr 2022, an den 20.01., an den Zeitpunkt, wo wir es noch alle in der Hand hatten, wo wir alle hier vorne standen und über das Klima debattiert haben. Ich habe mich erinnert an einen Oberbürgermeister, der alles zur Chefsache machte, nur nicht das Wichtigste, das Klima. Ich erinnerte mich an eine Verwaltung, die, aufgeteilt in unterschiedliche Referate mit unterschiedlichen Bürgermeistern - jeder ein König für sich -, eher ihre Schäfchen zusammenhielt als zusammenzuarbeiten. Ich erinnerte mich an eine Verwaltung, die es gewöhnt war, wenn sie sagte: 'Wir brauchen mehr Personal für Radwege', dieses Personal nicht bekam, zur Hälfte bekam, oder nur nach langen Kämpfen bekam, weil man sagte, es sei doch nicht realistisch, die Stellen zu schaffen. Man könnte doch am Arbeitsmarkt die Menschen gar nicht finden, und wenn man sie fände, dann könnte man sie nicht hinsetzen, unterbringen, und dann würden die Tische und die Bildschirme fehlen. Ich erinnerte mich an eine Verwaltung, die zwar den Auftrag gekriegt hat, ein Amt für Digitalisierung zu schaffen mit 200 bis 300 neuen Stellen, und das in ein paar Jahren. Aber eben auch eine Verwaltung, wo gar nicht klar war, wer jetzt beim Klimaschutz den Hut aufhat. Irgendwo gab es eine kleine Stabsstelle Klimaschutz beim Oberbürgermeister in einem ganz anderen Referat, in einem anderen Amt, in einer anderen Abteilung, die Energiewirtschaft, und irgendwo - einen Stadtklimatologen. Weiter weg ein Energieberatungszentrum, kleingehalten bis jetzt. Und Stadtwerke. Ein frisches junges Unternehmen, nie mit dem nötigen Kapital ausgestattet. So hat es 2022 mich nicht verwundert, dass wir überall, wo es um Rankings ging - beim Photovoltaikausbau oder bei der Verkehrswende -, auf den hintersten Rängen waren.

Ich erinnerte mich gut an die politische Arena, an uns politische Akteure, irgendwie alle ineinander verhakt und gegenseitig blockiert. Da waren die, die das Klima geleugnet haben, die waren nicht relevant, die Minderheit. Schon eher die, die irgendwie permanent meinten, diesen Job müssen irgendwie andere für uns machen, die EU, der Bund, die müssen nur für grünen Strom sorgen - neuerdings auch mit Atom - oder für grünen Wasserstoff, oder mal eine gescheite CO2-Bepreisung machen, Herr Oberbürgermeister, dann würde der Markt das schon richten. Die aber vergaßen, dass, wenn das Leben zu teuer wird, die Menschen sich wehren. Da gab es die Akteure, die sagen, eigentlich müssen wir nicht viel machen, die Technik wird es schon richten, die aber dabei vergessen hatten, dass jeder technische Fortschritt in unserer Gesellschaft von Konsum, größeren Produkten und mehr Produkten aufgefressen wird. Eigentlich hätten sie alle das wissen müssen, weil, wir konnten es 2022 schon in unserer Stadt beobachten, wie der öffentliche Raum von diesen SUVs überschwemmt wurde. Aber am meisten haben mich die fasziniert, die eigentlich schon 2022 wussten, so kann es nicht weitergehen. Keine kluge Idee - auf einer endlichen Welt unendliches Wachstum -, das kann nicht funktionieren. Und die waren an diesem 20.01. irgendwie seltsam euphorisch, ich weiß auch nicht warum. Weil, was sie wirklich gemeinsam beschlossen haben, war, das Thema Klimaschutz zu vertagen. Ich weiß noch, genau erinnere ich mich an diese Situation, wie mich das vor Rätsel stellt, dass man erst einmal sagt, und wenn man gerade einen Klimabürger*innenrat beschlossen hat, jetzt brauchen wir da noch ein zusätzliches Gutachten, das uns sagt, was wir zu tun haben. Wir brauchen einen Fahrplan, weil, in Deutschland macht man ja nichts ohne Fahrplan. Wir brauchen einen Fahrplan, der uns sagt, was realistisch ist, was sozial- und wirtschaftsfreundlich ist. Ich meine, irgendwie hat es mich nicht gewundert, dass keiner eigentlich gefragt hat, was wir unter diesen Begriffen - ich habe jetzt gelernt - Prämissen -, was wir unter diesen Prämissen jetzt eigentlich verstehen, und dass sich auch keiner fragt, warum eine global agierende Unternehmensberatung da irgendeine Kompetenz drin haben sollte, solche Begriffe zu definieren. Ich meine, wirtschaftsfreundlich kann ich mir bei McKinsey noch wirklich gut vorstellen, ja also schwarze Zahlen mit grüner Technologie schreiben, ist nichts Neues, hat OB Kuhn schon gesagt. Kann ich mir gut vorstellen. Aber es geht doch nicht um Wirtschaftsverträglichkeit, sondern es geht doch eigentlich darum, was uns die Wissenschaft sagt, ist nichts anderes, als die Ökonomie so umzubauen, dass sie klimagerecht wird. Also den Bereich, den wir selber regeln können, und das ist die Ökonomie, so zu regeln, dass sie Naturgesetzen und der Physik folgt. Das ist die Aufgabe. Nicht wirtschaftsfreundlich zu sein oder -verträglich. Naturverträglich, das ist das, was wir sein müssen.

Bei sozialverträglich und McKinsey wird es schon schwieriger, aber offensichtlich nicht für den Rat im Jahr 2022. Ich meine, da hätte man die Bürger gut fragen können, was sie sozialverträglich finden. Aber ich bin mir ziemlich sicher, McKinsey versteht unter sozialverträglich eben nicht, den Reichen das Geld wegzunehmen. Aber genau das müsste man tun, wenn man Entwicklungsorganisationen wie Oxfam ernst nimmt. Weil, die haben doch ganz klar gesagt, es geht nicht nur darum, die Sektoren sich anzuschauen, sondern es geht darum, sich die Hauptemittenten anzuschauen, die, die den größten CO2-Footprint haben. Und das sind nun mal die reichsten 10 % der reichsten Bevölkerung auf der Welt, die haben von 1995 über 50 % des CO2-Ausstoßes erzeugt. Und 1 % der Weltbevölkerung, dazu gehören wir, 1 % der Weltbevölkerung, die hat doppelt so viel CO2 ausgestoßen wie die ganze andere arme Hälfte der Weltbevölkerung. Doppelt so viel CO2 wie die arme Hälfte der Weltbevölkerung. Und deswegen gehören eben Umverteilung und Klimagerechtigkeit zusammen. Wir müssen gerade die, die in der Pandemie so unsäglich profitiert haben und so unsäglich reich geworden sind, zur Kasse bitten, damit wir das Geld - nach dem Motto 'es ist genug für alle da, es ist nur falsch verteilt' - auch haben für die klimagerechte Stadtentwicklung hier in Stuttgart. Ich bin gespannt, welche Vorschläge hier von einer Unternehmensberatungsagentur kommen.

Aber der schillerndste und schwierigste Begriff ist von allen 'realistisch'. Ich meine, realistisch, wer definiert denn das eigentlich? Kollege Kotz? Kollege Rockenbauch? McKinsey? Ich meine, was ist realistisch denn eigentlich überhaupt für eine politische Kategorie? Das Einzige, das realistisch ist, ist doch, wenn wir nicht alles Menschenmögliche tun, um den Klimawandel, die Klimakrise zu verhindern, dass dann die Prognosen, die auch im Jahr 2022 schon klar sind, und die sind verheerend, und da geht es um viele, um richtig viele Menschenleben, dass die dann eintreten. Das ist das einzige Realistische, wenn wir nicht alles tun.

Und ich merke schon, wie da der Zorn in mir hochkommt in dieser Situation, wo ich mich erinnere, da sagte eine singende Stimme: Und als Nächster spricht Herr Rockenbauch, wenn ich das richtig sehe. Danke, Herr Oberbürgermeister, dass Sie mich aus diesem Alptraum befreit haben. Und während ich jetzt hier nach vorn gegangen bin, konnte ich kurz durchatmen. Mir sind zwei Dinge klargeworden, erstens, ich wünsche Ihnen im Namen der Fraktion DIE FrAKTION einen schönen Abend. Und zweitens kann ich Ihnen hier eigentlich nur Mut machen. Mut, heute hier das zu tun, was notwendig ist, Mut zu machen, das vielleicht bis jetzt noch Unrealistische zu wagen.

Das, was notwendig ist, ist eigentlich klar. Berechnet aus dem noch zur Verfügung stehenden CO2-Restbudget, dem globalen, heruntergebrochen nach Gerechtigkeitsgesichtspunkten, dass die, die schon viel emittiert haben, die reichen Länder, heute weniger emittieren dürfen und größere Anstrengungen machen müssen, als die anderen Länder, weil sie es sich ja auch leisten können, ist völlig klar, dass Deutschland bis im Jahr 2032, spätestens 2035 klimaneutral sein muss.
Und bei dieser Betrachtung ist noch kein Kippelement wie die Permafrostböden oder sonst etwas berücksichtigt. Wenn die noch dazukommen, dann muss es noch schneller gehen. Und wenn man sich dann Deutschland anguckt und feststellt, dass wir in einer der reichsten und energieverbrauchendsten Regionen Deutschlands leben, dann ist doch klar, dass wir hier in Stuttgart noch schneller sein müssen. Das, was notwendig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, dass Stuttgart bis 2030 klimaneutral ist. Und genau das werden wir heute beantragen. Wir werden heute beantragen, dass Stuttgart nicht nur 2030 klimaneutral ist, sondern wir wollen auch, dass Stuttgart eine der Pionierstädte in Europa wird, eine der Modellstädte, Herr Oberbürgermeister, weil wir durch dieses Netzwerk und diese finanziellen Unterstützungen eben noch mehr Möglichkeiten erhalten.

Aber wir glauben auch, dass wir die besten Voraussetzungen dazu haben, dass wir das Unmögliche möglich machen. Ich meine, das mit dem Mut machen, 60 Jahre ist es jetzt her, 60 Jahre, da hat John F. Kennedy seine berühmte Moon Speach gehalten. Und er hat gesagt, wir haben uns diese Aufgabe nicht ausgesucht, weil sie einfach ist. Wir haben sie uns ausgesucht, weil sie schwer ist. Und ich sage, liebe Kolleginnen und Kollegen, was gibt es Schwereres, als die Welt zu retten Das größte Abenteuer der Menschheitsgeschichte ist doch, genau das zu probieren, sich da auf den Weg zu machen. Ja natürlich wird das uns alles abverlangen. Ja natürlich wird das nicht leicht werden, unsere Wissenschaft herausfordern, unsere Unternehmen herausfordern und uns als Menschen herausfordern bei diesem Unternehmen. Es wird uns herausfordern, über uns hinauszuwachsen, das Beste in uns allen und gemeinsam zu suchen.

Und wir von der FrAKTION sind zutiefst überzeugt, dass wir das schaffen können. Weil wir glauben an die Innovationskraft unserer Unternehmen, an die Kompetenz unserer Wissenschaft, an die Klugheit unserer Bevölkerung, an ihre Kraft, Kreativität, an ihre Kompetenz. Wir haben im Land der Tüftler und Erfinder auch das nötige Geld dazu, um hier vorauszugehen und beispielhaft wirken zu können.

Während ich jetzt so darüber nachdenke, stehe ich plötzlich wieder in den Straßen meiner Kindheit. Ich erkenne, dass meine Töchter Kinder an der Hand haben, die plötzlich auf den Straßen meiner Kindheit spielen. Ich sehe eine Stadt, durch die ein frischer Wind weht, wo nicht nur die Hänge grün sind, sondern der Talkessel durchgrünt ist, wo überall Wasser plätschert und die Kinder eben sicher spielen, wo früher parkende Autos standen. Ich sehe aber auch eine Stadt, wo sich die Menschen das Wohnen leisten können, wo sie genug zu essen und zu trinken haben, natürlich alles regional und saisonal und bio. Aber wo sie sich das alles auch leisten können, weil eben nicht mehr der Markt die Preise diktiert, genauso wenig wie bei Bildung oder bei Gesundheit, sondern wir Menschen das solidarisch untereinander regeln. Ich sehe eine Stadt, die von und mit der Sonne lebt, in der die Stadtwerke zusammen mit Bürgerkraftwerken die Energiewende ganzheitlich angehen und die Quartier für Quartier saniert hat zum Wohle aller. Ich sehe eine Stadt mit mehr Lebensqualität und eine Stadt, wo keiner mehr das Auto vermisst, weil man mit Fuß und Rad schneller überall hinkommt, als mit dem Auto. Und wenn es mal länger dauert, dann haben wir einen kostenlosen Nahverkehr. Der bringt uns auch an den Neckar. Da können wir wieder baden. Ich sehe eine Stadt, wo wir das Leben in Freiheit feiern, und unsere zukünftigen Generationen in Freiheit feiern können ohne schlechtes Gewissen. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, was gibt es Wertvolleres, als das Leben gemeinsam zu feiern? In diesem Sinne: Lassen Sie uns den Mut heute haben, lassen Sie uns realistisch sein und das Unmögliche versuchen, Stuttgart bis 2030 klimaneutral zu machen. Noch haben wir es in der Hand. Noch."
StR Dr. Oechsner (FDP):
"Manchmal bin ich ja schon froh, dass ich nicht von der Zukunft zurückblicken kann und eine so düstere Zukunft betrachten muss, wie ich sie gerade eben gehört habe. Denn ich bin per se ein Optimist. Und als Optimist stehe ich jetzt mal hier. Vielen Dank, Herr Oberbürgermeister, dass ich hier reden darf, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Stuttgarterinnen und Stuttgarter, eine Debatte verstehe ich als eine Sammlung am Anfang der Möglichkeiten und Wünsche. Und als eine Sammlung dessen, was können wir und was wollen wir machen.

Herr Oberbürgermeister, Sie haben ein Zitat gebracht 'das Unmögliche wagen, um das Mögliche zu erreichen'. Wenn wir so rangehen, dann müssen wir nachher dem Antrag von der FrAKTION zustimmen, weil es unmöglich sein wird, 2030 klimaneutral in Stuttgart zu werden. Selbst bei aller Liebe, aber das Mögliche zu wagen, finde ich schon richtig. Und das heißt, wir gehen es an, 2035. Wir gehen es gemeinsam an. Es ist nicht der Platz, sich bei so einem Thema in Kleinigkeiten gegeneinander zu verrennen. Und es ist auch nicht der Platz, sich in Streitigkeiten zu begeben. So leid es mir tut, liebe SPD, es ist dem Klima völlig egal, ob die EnBW die Fernwärme betreibt oder wir. Das ist dem Klima völlig egal. Wichtig ist, dass wir es definieren, was wir in Zukunft mit der Wärmewende machen. Es ist völlig richtig, dass ein Punkt die Wärmewende ist. Lasst uns definieren, was unsere Ämter, was unsere Stadtwerke in diesem Bereich zu tun haben. Und lasst uns nicht definieren, was die anderen schon tun und wir dann machen könnten. Diese Kapazitäten haben wir in den nächsten 13 Jahren nicht. Diese Kapazitäten haben wir nicht. Wir sollten uns lieber überlegen, wie können unsere Betriebe dafür sorgen - vorhin ging es draußen in einem kurzen Gespräch darum -, dass die Ölgebiete in Stuttgart keine Ölgebiete bleiben, dass wir Angebote an die Bürger machen, dass sie neue Energieformen bekommen. Es gibt ganze Landstriche in Stuttgart, die nicht klimaneutral betrieben werden können, außer die Menschen wollen dort frieren. Und ich glaube kaum, dass es einer hier im Raum möchte, dass wir kalte Häuser haben, weil wir keine Angebote machen.

Und da komme ich darauf, was ist eigentlich das, was wir als Gemeinderat zu verantworten haben? Da wird viel gesagt, ja, wir haben nur 4 % als eigene und dann haben wir vielleicht noch mal 5% mit Durchfahrtsstraßen, dann machen wir ein bisschen Mobilitätswende, die zu Recht nicht nur eine Antriebswende sein kann, sondern eine echte Mobilitätswende. Dazu gehören Angebote, die wir machen müssen im ÖPNV, das ist alles klar. Das ist alles von vornherein klar. Aber was ist denn nicht klar? Nicht klar ist, haben wir denn definiert, wie wir den Bürger mitnehmen? Haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir unsere 200 Mio. € so investieren, dass wir eben nicht nur die 4 % beeinflussen, sondern dass wir vorangehen als Vorbild, als Stadt? Wir haben die 50 Mio. €, der Herr Winter hat es gesagt, jedes Jahr für unsere eigenen Immobilien. Da haben wir zugestimmt. Und wir haben deswegen zugestimmt, dass wir als Kommune als Vorbild dienen. Und als nächsten Schritt brauchen wir Programme, dass die anderen, nämlich der ganz normale Häuslebesitzer, dass der ganz normale Mieter, dass die mitgehen können und das Ihre dazutun. Das machen sie aber nicht, wenn sie keine Anleitung, keinen wirklichen Anreiz haben. Das ist unsere Aufgabe als Stadt Stuttgart. Hier liegt das Eigentliche verborgen. Hier liegen die Potenziale, die wir als Gemeinderat, als Stadt Stuttgart, als Verwaltung haben, verborgen, bei den anderen 90 %.

Und Herr Kotz, Sie haben natürlich völlig recht. Wie viel ist menschengemacht am Klimawandel? Was machen unsere 2 % an CO2-Ausstoß? Ja, die machen ganz schön viel. Wenn wir es angehen, beginnend hier in Stuttgart als Vorbild dann in Richtung Deutschland auszustrahlen, mit neuen Technologien, die wir in die Welt exportieren, um dort die anderen 98 % zu reduzieren, ist das aller Ehren wert. Das ist unsere Aufgabe als reiche Stadt. Wir müssen vorangehen, bei uns die Reduktion einleiten. Wir müssen hier vorangehen, die Technologien entwickeln, dass wir dann hinausstrahlen. Ich bin überzeugter Stuttgarter, und ich weiß, wir können strahlen. Wir können es machen. Wir haben die Automobile erfunden und sie in die Welt gebracht. Jetzt haben wir unseren Ärger damit, jetzt erfinden wir eben neue Automobile, nämlich welche, die klimaneutral sind. Das hat man übrigens vor 100 Jahren einfach nicht gewusst. Das ist nichts Böses gewesen von der Autoindustrie, sondern das hat man einfach nicht gewusst. Wir stehen doch heute in einem Spannungsdreieck zwischen drei Sachen. Zum einen, wir wollen aus der Atomenergie aussteigen, und wir wollen aus der Kohleverstromung aussteigen. Das ist die eine Seite. Dann gibt es aber auf der anderen Seite den unendlichen Energiehunger unserer Gesellschaft. Das ist nicht nur Energiehunger nach viel Beleuchtung oder so, sondern auch nach dem Wunder der Digitalisierung. Hat sich jemand schon Gedanken gemacht, was für eine Energiemenge wir hier brauchen, um die Digitalisierung so durchzusetzen, dass wir nachher auch funktionierende Schulen haben? Und die andere, dritte Seite ist, wir wollen das klimaneutral machen, CO2 reduzieren, und wir wollen das CO2-Budget, das wir noch haben, nicht überschreiten, weil es unser, glaube ich, gemeinsames Ziel ist, tatsächlich Paris einzuhalten. Mein Ziel, das Ziel meiner Fraktion ist das.

Aber wie das erreichen? Da brauchen wir gute Ideen. Und wir brauchen Hilfe von außen. Ich möchte eines nennen. Bis vor Kurzem war es, weil wir immer von der Solarenergie sprechen, bis vor Kurzem war es für einen gewillten Wohnungseigentümer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht möglich, eine Solaranlage ohne die Zustimmung der anderen zu machen. Die Bundesregierung - übrigens die alte, nicht die neue, also ich kann es mir nicht auf die eigenen Fahnen schreiben - hat das geändert, sodass jetzt die Möglichkeit für alle besteht, wenn sie es wollen, auch auf einem Haus, in mehrere Parteien sind, eine Solaranlage zu installieren. Das ist der richtige Schritt. Hier muss die Gesetzgebung auch von außen uns unterstützen. Aber als Stadt Stuttgart können wir trotzdem sagen, wir versuchen das. Wir zeigen, was sind denn die Defizite auch in der Landes- und Bundesgesetzgebung. Und hier heißt es für uns am Schluss, was sind unsere Aufgaben? Lassen Sie uns gemeinsam endlich vernünftig die Aufgaben der unterschiedlichen Akteure definieren. Was ist wirklich die Aufgabe unserer Stadtwerke? Was ist die Aufgabe des Energieberatungszentrums? Was ist die Aufgabe des Klimakoordinators? Das müssen wir definieren, damit es nicht Überschneidungen gibt, die am Ende nur Zeit kosten. Denn Zeit, Herr Rockenbauch, das wissen Sie so gut wie ich, die haben wir nicht mehr. Dazu muss man kein Weltuntergangsfanatiker sein. Das ist schlicht und ergreifend einfach eine Tatsache. Die braucht man auch nicht wegzuleugnen. Also Zeit haben wir nicht. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere 4 %, die wir direkt beeinflussen können durch vernünftige Definitionen, durch vernünftige Programme zu 95 % Beeinflussbarkeit werden. Dann sind wir auf dem richtigen Weg, dann werden wir 2035 auch erreichen. Wir sind dabei, ich hoffe, Sie alle auch. Vielen Dank."

StR Ozasek (PULS):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Kolleg*innen, welche Verantwortung erwächst für eine der reichsten Städte Europas, die sich als industrieller Motor, als Weltstadt und Wissenschaftszentrum begreift, aus dem Wissen, dass die Biosphäre unseres Planeten irreparablen Schaden erfährt? Schaden durch ungezügeltes Wachstum, durch Steaks, SUV und Thailandurlaub. Durch den Raubbau an endlichen Rohstoffen. Schaden, der unweigerlich zur Verkettung globaler Krisen führt. Das Zeitfenster schließt sich, während das Thermometer unvermindert steigt. 'Mit der Physik kann man keine Deals machen.' Mit diesem Satz legt Greta Thunberg den Finger in die Wunde der Politik. Wir alle sind es gewohnt, Kompromisse zu suchen. Doch der Klimanotstand verzeiht keine Deals. Hungerkatastrophen, Artensterben, der Anstieg des Meeresspiegels mit Fluchtbewegungen in unvorstellbarem Ausmaß, Kriege um fruchtbaren Boden, schwindende Frischwasservorkommen, das sind bereits heute die Preise des Zögerns. Die Preise für eine Mischung aus Technologieoffenheit und purer Ignoranz gegenüber der Klimakrise. Das Weltklima ist in Not. Zumindest diese Feststellung war hier im Rat nach zähem Ringen mehrheitsfähig. Doch zu einer ernsthaften Klimapolitik fehlte lange der politische Wille. Das von Alt-Oberbürgermeister Fritz Kuhn ausgerufene Minimalziel, Stuttgart bis 2050 klimaneutral zu machen, wurde mitsamt der Klima-Agenda der großen Koalition vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Klimaschutz hat nun endlich Verfassungsrang, ist zwingende Bedingung für den Schutz der Freiheitsrechte künftiger Generationen und damit ein Gesellschaftsvertrag, der uns alle bindet. Heute können wir Verantwortung übernehmen und ein politisches Signal in die Stadtgesellschaft senden: Die Landeshauptstadt Stuttgart verpflichtet sich zu einem ambitionierten, aber realistischen Ziel - Klimaneutralität 2035.

Herr Oberbürgermeister, es ist ein gutes Zeichen, dass Sie diese Zielsetzung aus dem Antrag der PULS-Fraktionsgemeinschaft in Ihre eigene Vorlage übernommen haben. Und dass sich auch die Grünen heute auf diese Konsensposition hinbewegen. Aber wir wollen heute dieses Ziel setzen und keinen ergebnisoffenen Prüfauftrag verabschieden, der uns erneut sechs wertvolle Monate kostet. Wir wollen Teil sein einer Städtekoalition für das Klimaabkommen von Paris und als Industriestadt beweisen, dass diese Transformation gelingt. Denn das Flammeninferno in Australien, Wirbelstürme, die ganze Großstädte verschlingen, und die anhaltenden Dürren in den Kornkammern der Industrieländer sind schmerzhafte Vorboten des globalen Notstands, des neuen 'normal', sollte das Klimaabkommen von Paris scheitern. Bereits 2030 wird sich, so der Weltklimarat in seinem jüngsten Sachstandsbericht, die Atmosphäre um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen. Mehrere Kippelemente im Klimasystem sind bereits aktiviert, und weitere drohen in Gang gesetzt zu werden. Das Abschmelzen des Eisschilds an den Polkappen ist gesetzter Fakt. Die größten Ballungsräume auf der Weltkarte werden ein Raub des Meeres. Die Klimakrise nimmt Deutschland nicht von ihren katastrophalen Folgen aus. Intensität und Häufung von Extremwetter nehmen zu. Und sie werden vor Stuttgart nicht haltmachen, wie die urbane Sturzflut im letzten Sommer zeigt. Allein die gewaltige Jahrhundertflut im Ahrtal erfordert Wiederaufbauhilfen von 30 Mrd. €. Das ist der Preis für das Wegsehen. 30 Mrd. €. Die von PULS geforderte Klimaanpassungsagenda hin zu einer resilienten, klimagerechten Stadt ist überfällig. Aufgrund der topografischen Kessellage wird Stuttgart vielfach härter von Klimarisiken betroffen sein als andere Städte. Deshalb werbe ich nochmals eindringlich für die Ausarbeitung eines Hitzeaktionsplans. Denn andauernde Hitzewellen werden bereits in den kommenden Jahren viele Leben kosten. Vor allem Alte, Kranke und Arme gilt es im Ernstfall zu schützen.

Es ist ein Gebot der Vernunft, dass uns künftig ein klimapolitischer Imperativ leitet. Jeder Beschluss des Rates sollte daraufhin überprüft werden, ob er mit dem Ziel der Klimaneutralität und dem Ziel, die Stadt gegenüber Klimaveränderungen widerstandsfähig zu machen, kompatibel ist. Einige Vorredner und auch Sie, Herr Oberbürgermeister, suggerieren heute, es sei bereits viel erreicht worden. Dem muss ich leider widersprechen. Wir sind in allen Bereichen unverzeihlich im Rückstand. Die auf den ersten Blick gute Klimabilanz beruht aber vor allem auf der buchhalterischen und leistungslosen Vereinnahmung des Erneuerbaren-Energie-Ausbaus im bundesdeutschen Strommix. Außerdem auf der Verlagerung bilanzierbarer Emissionen durch den Strukturwandel hin zur Dienstleistungs- und Wissensökonomie, durch Verlagerung unserer Konsumgüterproduktion in die Peripherie der Weltwirtschaft, vor allem nach China, durch die Nichtbeachtung der Klimafolgen aus der Rohstoffgewinnung für unsere ressourcenhungrige Stadt, wie z. B. seltene Erden, Bausande, Stahl. Hinzu kommt, dass Infrastrukturen mit riesigem ökologischen Rucksack wie der Flughafen oder das Autobahnnetz in der Region in der Territorialbilanz nicht auftauchen. Kurzum, Stuttgart hält sich bei eigenen Leistungen für den Klimaschutz vornehm zurück.

Können wir ernsthaft von einer Urbanisierung der Energiewende sprechen, wenn weniger als 2 % des Primärenergiebedarfs der Stadt über erneuerbare Energien aus dem Stadtgebiet gedeckt werden? Laut Modellrechnungen des Umweltamtes könnten es 70 % sein, sofern es gelingt, den Energiehunger der Stadt zu halbieren. Deshalb beantragen wir von PULS, einen realistischen Ausbau der erneuerbaren Energien zum Zielbeschluss zu erheben. Mindestens 30 % des Primärenergiebedarfs der Stadt sollen bis 2035 aus erneuerbaren Energien im Stadtgebiet stammen. Und mindestens 50 % aus erneuerbaren Energien in der Region, vor allem über die Projektierung von Windparks durch unsere Stadtwerke. Da neuerdings selbst die Landtags-CDU ihr Herz für Windräder entdeckt hat, vermutlich um ihren Koalitionspartner vorzuführen, darf man zu hoffen wagen, dass die konservative Windblockade im Südwesten endet. PULS will die erneuerbaren Energien hier vor Ort entfesseln für nachhaltige Wertschöpfung und gute Jobs. Das Know-how haben wir an unseren Hochschulen, in unseren Fabriken, im Handwerk. Aber alle müssen mitziehen. Es kann nicht sein, Herr Kollege Kotz, dass das Handwerk weiterhin vorwiegend Gasheizungen verbaut statt hocheffizienter Wärmepumpen. Selbst Neubauten werden im Regelfall noch immer mit einer Erdgasheizung ausgerüstet. Unsere Stadtwerke werben in Flyern sogar für den Gasbrennwertkessel. PULS sagt ganz klar, das fossile Zeitalter im Heizkeller muss ein Ende finden.

Im Gebäudebestand der SWSG und bei den kommunalen Liegenschaften müssen wir beweisen, dass es geht. Und mit dem von PULS initiierten interfraktionellen Antrag zur Entwicklung intelligenter Wärmenetze in den Stadterneuerungsgebieten wollen wir mit den Stadtwerken, mit dem EBZ die urbanen Energiesysteme in die Quartiere bringen. Dazu gehört die Hinwendung zur Sonne, denn auf dem Dach beginnt die Energierevolution. Solarmodule könnten laut Umweltamt die Hälfte des Primärenergiebedarfs der Stadt decken. Kollege Körner weist häufig in der Debatte darauf hin, dass die Kraftwerke entlang der Wärmeachse die größte Klimahypothek sind. Zustimmung. Doch die Privatisierung der Energie- und Wasserversorgung vor 20 Jahren führt dazu, dass uns ein entscheidender Hebel zur Wärmewende fehlt. Das Vorziehen des Kohleausstiegs ist deshalb ein wichtiger Schritt aus Berlin und zeigt, wie notwendig ein ordnungspolitischer Rahmen für den Klimaschutz ist. Aber der von der EnBW forcierte Fuel-Switch von Kohle zu Erdgas zementiert einen falschen fossilen Systempfad. Das Hochtemperatur-Fernwärmesystem hat keine Zukunft. Und Wasserstoff ist keine Alternative für die Wärmewende.

Herr Oberbürgermeister, wer Vorreiter beim Klimaschutz sein will, kommt an der Verkehrswende nicht vorbei. Nie war Stuttgart so sehr eine Autostadt wie heute. Nie war die Kfz-Quote höher. Von einer De-Automobilisierung kann überhaupt nicht die Rede sein. Das Gegenteil ist der Fall. Wir von PULS stehen für eine neue Mobilitätskultur. Wir wollen Flächengerechtigkeit herstellen, Stuttgart zur echten Fahrradstadt machen, geplant aus Fußgängerperspektive mit klimaneutralem ÖPNV und einer starken, solide finanzierten SSB. Deshalb brauchen wir die Nahverkehrsabgabe und keine 80 Mio. € Defizitobergrenze, Herr BM Fuhrmann, die notwendige Investitionen verhindert.

Auch die Klimabilanz der Bauwirtschaft findet zu wenig Beachtung. Weder wird die kommunale Ressourcenstrategie systematisch angewandt, um Rohstoffe in nachhaltigen Stoffkreisläufen zirkulieren zu lassen, noch hat die Verwaltung die Beschlussvorlage zur Klimabilanzierung von Infrastrukturvorhaben finalisiert. Auch hier muss mehr passieren, damit wir zu einer Kultur des klimagerechten Planens und Bauens finden. Dazu gehört, wie wir in unserem Antragspunkt 1 einfordern, ein pariskonformes CO2-Restbudget für Stuttgart. Stahlbetonkolosse können wir uns in der Klimabilanz schlicht nicht mehr leisten.

Lassen Sie mich mit ein paar Worten zum Klimafahrplan abschließen, den die Unternehmensberatung McKinsey im Auftrag der Stadt bis zum Sommer ausarbeiten wird. Ich bin nicht überzeugt, dass eine auf Shareholder Value ausgerichtete Beratungsgesellschaft der richtige Partner ist, deren Modelle auf höchst kritikwürdigen Greenwashing-light-Technologien wie CCS, Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen beruhen. Klimaschutz heißt Suffizienz und nicht Shopping. Deshalb rufen wir heute auch den zweiten Punkt unseres Antrags zur Abstimmung auf. Wir wollen eine auf Dauer angelegte Kommunikationskampagne, die auf dem kulturellen Leitbild der Ressourcenleichtigkeit fußt. Eine Kampagne, die verdeutlicht: Unser aller materieller Rucksack muss schmelzen, sonst schmilzt mit dem Eis an den Polkappen auch die Hoffnung auf eine klimagerechte Zukunft. Deshalb runter vom Gas, rauf aufs Pedal, übernehmen wir Verantwortung, schaffen wir ein kulturelles Leitbild für die klimagerechte Stadt 2035, und das ohne schuldhaftes Zögern. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."

StR Zaiß (FW):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, liebe Kollegen, liebe Stuttgarter, wir beschäftigen uns heute mit einer durchaus schwierigen Frage, wann wie unter welchen Bedingungen wir die Klimaneutralität in der Landeshauptstadt Stuttgart mit ihren rund 600.000 Einwohnern erreichen können. Für uns Freie Wähler gilt hierbei der Grundsatz: Je früher desto besser, aber es muss machbar sein, und wir müssen die Bürger mitnehmen. Die GRDrs 25/2022, die der Oberbürgermeister vorgelegt hat, umreißt, was wir in den vergangenen Jahren erreicht haben und was in den nächsten Monaten getan werden kann und getan werden muss, um die nächsten Schritte in Richtung Klimaneutralität zu gehen. Der Sinn des heutigen Beschlusses ist, bis zur Sommerpause Klarheit darüber zu erlangen, mit welchen Maßnahmen die Klimaneutralität für Stuttgart bis zum Jahr 2035 erreicht werden kann. Dazu soll ein Klimafahrplan ausgearbeitet und aufgestellt werden, auf dessen Grundlage die finale Entscheidung über das Klimaneutralitätsziel für Stuttgart getroffen werden soll.

Den Beschlussantrag der GRDrs können wir Freien Wähler ohne Schwierigkeiten zustimmen. Wir sind uns dabei im Klaren darüber, dass Klimaneutralität nicht von heute auf morgen zu erreichen ist und ihr Gelingen, wie in der Vorlage des Oberbürgermeisters richtig dargestellt, auch von Faktoren abhängig ist, auf die die Stadt keinen oder nur geringen Einfluss hat. Deshalb möchte ich in meiner Rede anhand von einigen Beispielen aufzeigen, welche Maßnahmen wir für richtig halten, wo wir Freien Wähler große Herausforderungen sehen und wo die Stadt aus unserer Sicht besser werden kann. Richtig war sicher, das 200 Mio. € schwere Klimapaket für Stuttgart zu beschließen und Geld für Energieeinsparmaßnahmen, für den Auf- und Ausbau erneuerbarer Energien und die Maßnahmen zur Klimaanpassung bereitzustellen. Problematisch ist allerdings, dass bisher nur wenig Geld aus dem Klimaschutzfonds abgeflossen ist. Hier müssen wir besser und schneller in die Umsetzung kommen.

Gut sind natürlich auch die Förderprogramme, die die Stadt anbietet, die Anreize schaffen und in einem gewissen Umfang dabei helfen, die Bürger für die Themen Energiewende und Klimaschutz zu gewinnen und zu aktivieren. Zu einem Selbstläufer wird die Erreichung der Klimaneutralität dadurch aber noch lange nicht. Aus unserer Sicht wird es deshalb weiterhin darum gehen, die Bürger zu bewegen, auf freiwilliger Basis dabei mitzuwirken, die Klimaneutralität in Stuttgart zu erreichen. Es liegt an uns als Gemeinderat und an der Verwaltung, die Bürger davon zu überzeugen, dass die zu beschließenden Maßnahmen für die Stadtbevölkerung Vorteile bringen. Aber welche greifbaren Vorteile können wir denn aufzeigen? Sind es nicht vor allem Nachteile, die hier im Raum stehen, wie etwa höhere Energiekosten, teurere Mieten, kleinere Wohnungen, Fahrverbote, Einschränkungen unserer Mobilität, höhere Kosten für die Mobilität, Einschränkungen bei Freizeitaktivitäten und bei Urlaubsreisen oder die Steigerung der allgemeinen Teuerungsrate? In den Energiespartipps der Stadtwerke Stuttgart wird analysiert, dass Informationstechnik, TV und Audio 28 % des Stromverbrauchs im Privathaushalt ausmachen. Ja glauben Sie denn, meine Damen und Herren, dass Handys, Fernseher und Informationstechnik künftig weniger genutzt werden? Dass die weiter fortschreitende Digitalisierung ohne höheren Energieverbrauch umgesetzt werden kann? Glauben Sie, dass wir mit kleineren Wohnungen und anderem Urlaubsverhalten die Bevölkerung für die Klimaneutralität begeistern werden?

Uns Freien Wählern ist klar, dass das Erreichen der Klimaneutralität viel Geld kostet und mit dem Verzicht an Komfort einhergehen wird. Schon allein, diese Botschaft an den Mann oder die Frau zu bringen, wird eine riesige Aufgabe sein. Nur zur Größenordnung, jeder, aber auch jeder einzelne Gemeinderat muss 10.000 Mitbürger von den angedachten Maßnahmen überzeugen. Wenn ich dabei an die jetzige Corona-Pandemie denke und daran, wie sich unsere Gesellschaft selbst in dieser Gesundheitsfrage spaltet, will ich mir nicht ausmalen, wie es bei Einschränkungen auf freiwilliger Basis sein wird und welchen Widerstand Zwangsmaßnahmen hervorrufen würden. Kinder und Jugendliche, die sich ohne Sorgen und Geldnöte mit Handys und Tablets ausstatten, einen freien Schultag erkämpfen und für Fridays for Future auf die Straße gehen, bilden sicher nicht die Stimmung in der Gesamtbevölkerung ab, wenn sie sich bei allen möglichen Dingen einschränken soll. Deshalb werden hier im Gemeinderat besonders radikale Maßnahmen und Einschnitte gefordert. Es muss auch so ehrlich sein und deutlich gesagt werden, dass es dann um Verbote und um verordneten Verzicht geht. Und nicht mehr um Freiwilligkeit. Die Maßnahmen, die wir ergreifen, müssen auf jeden Fall sozial gerecht sein. Wenn wir die Menschen überfordern oder mit Verboten überziehen, wird das nichts werden.

Und wir müssen an dieser Stelle auch bedenken, dass nicht jeder, der ein Haus sein eigen nennt, auch das Geld hat, einen Kredit zu bekommen, um es energetisch auf den neuesten Stand zu bringen. Der gute Wille in der Bevölkerung ist aus unserer Sicht also ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Es sind aber auch noch viele weitere Bausteine erforderlich, um das Ziel zu erreichen.

Seit 1990 haben wir in 30 Jahren 40 % CO2-Einsparung erreicht. Das ist ein Ergebnis, das sich bis 2035 in der Zeit halbieren und in der Ausführung verdoppeln muss. Zwingend erforderlich wird deshalb sein, dass wir technologieoffen sind, dass rasch noch energieeffiziente Verfahren für die verschiedensten Bereiche gefunden werden und dass uns die entsprechenden Rohstoffe und Materialien zur Verfügung stehen. Einer der wichtigsten Faktoren für das Gelingen wird nach unserer Überzeugung aber sein, genügend Fachkräfte für die Erreichung unserer Ziele zu finden. Wir stellen uns die Frage, woher die vielen Ingenieure und qualifizierten Handwerker kommen sollen, die wir so dringend für die praktische Umsetzung der Energiewende und des Klimaschutzes brauchen. Ohne gut ausgebildete Handwerker, die Photovoltaik- und Solaranlagen auf die Dächer bringen, Fassaden und Dächer dämmen, Wärmepumpen und energiesparende Heizungsanlagen installieren, Geometriesonden in den Boden einbringen und anderes mehr wird es nicht gehen. Dieses Flaschenhalses bei der Umsetzung müssen wir uns bewusst sein.

Hinzu kommt, dass sich selbst die Stadt oft bei der Umsetzung von Projekten schwertut, weil z. B. der Denkmalschutz, die Statik von Gebäuden oder andere Rahmenbedingungen wünschenswerten Maßnahmen entgegenstehen. Wenn wir dann auch noch sehen, dass die Stadt auf den Großteil der Gebäude in der Stadt gar keinen Einfluss hat, weil sie ihr nicht gehören, dann können unsere hochgesteckten Ziele schnell in weite Ferne rücken. Eine wichtige Aufgabe wird deshalb sein, dass wir uns nicht im Klein-Klein verlieren, sondern zuerst die großen Stellhebel anpacken, die am meisten CO2-Einsparungen versprechen. Das Geld muss vor allem dort eingesetzt werden, wo jeder einzelne Euro, den wir ausgeben, größtmögliche Effizienz bringt. Das heißt nicht, dass wir nicht auch kleine Maßnahmen umsetzen sollen, aber wir müssen Prioritäten setzen. Wir hoffen und gehen davon aus, dass der Klimafahrplan in diesem Punkt für Klarheit sorgen wird.

Die Stadt wird an der einen oder anderen Stelle auch in Vorleistung gehen müssen. Als Beispiel will ich den Aufbau von Nahwärmenetzen nennen. Es reicht aus unserer Sicht nicht, die Immobilieneigentümer in einem bestehenden Wohn- oder Gewerbegebiet danach zu fragen, ob sie Interesse daran haben, sich an ein mögliches Nahwärmenetz anzuschließen. Es reicht nicht, einfach abzuwarten, ob genügend Interessenten zusammenkommen, damit sich das Projekt wirtschaftlich darstellen lässt. Ein solches Vorhaben wird nur dann gelingen, wenn die Stadt, die Stadtwerke oder ein anderer Energieversorger ein konkretes Angebot machen kann und es den Immobilieneigentümern einfach gemacht wird, sich an ein Nahwärmenetz anzuschließen.

Von großer Bedeutung ist aus unserer Sicht zudem, dass die Stadt mit allen Akteuren, die zum Gelingen von Energiewende und Klimaschutz beitragen können, gut zusammenarbeitet. Was wir nicht verstehen, ist die im Gemeinderat leider weit verbreitete ablehnende Haltung gegenüber der EnBW. Wir sind der Meinung, dass die EnBW viel mehr in die Vorhaben der Stadt einbezogen werden muss, denn bei allen Anstrengungen werden unsere eigenen, noch jungen Stadtwerke es wohl kaum schaffen, die Energiewende, insbesondere die Wärmewende und den Aufbau von Nahwärmenetzen im Alleingang und in kürzester Zeit zu stemmen. Da ist mehr Power gefragt. Die EnBW befindet sich zu nahezu 100 % in öffentlichem Eigentum. Sie ist seit vielen Jahrzehnten ein erfolgreicher Netzbetreiber, Energieproduzent, Anbieter und Lieferant. Die Versorgungssicherheit ist sehr hoch, das Know-how ist vorhanden. Warum also sollen wir auf Expertise und die Kraft dieses Unternehmens verzichten? Warum beenden wir nicht endlich alte Streitigkeiten, um neues Vertrauen aufzubauen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen, liebe Kolleginnen und Kollegen?

Zum Schluss meiner Rede ist es mir wichtig, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass unsere Nachbarn in der Region, das Land, der Bund, die ganze EU beim Klimaschutz mitmachen müssen, am besten mit einer gemeinsamen Strategie und einem aufeinander abgestimmten Konzept. Städte wie Tübingen, Konstanz oder Freiburg haben ihr Klimaneutralitätsziel vorgezogen. Große Unternehmungen wie die EnBW, Bosch, Daimler und Porsche haben sich ebenfalls ehrgeizige Ziele zur Erreichung der Klimaneutralität gesetzt. Das Land Baden-Württemberg will 2040 klimaneutral sein. Stuttgart will besser als das Land sein und peilt 2035 als Ziel an. Als wirtschaftsstarke und prosperierende Stadt können wir uns die Erreichung dieses ambitionierten Ziels trotz der immer noch andauernden Coronakrise vornehmen. Den Wunsch der Menschen nach Stabilität und Lebensqualität sowie das Unbehagen der Menschen vor Veränderungen dürfen wir dabei aber nicht aus den Augen verlieren. Zudem dürfen wir nicht enttäuscht sein, wenn wir am Ende im Jahr 2035 keine Punktlandung hinbekommen haben. Wir sind gerade dabei, uns eine große Aufgabe vorzunehmen, die Ausdauer und Durchhaltevermögen fordert. Hoffentlich können wir diese Aufgabe gut meistern. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."

StR Köhler (AfD):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeisterinnen, sehr geehrte Bürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch da draußen überall sehr geehrte Damen und Herren, das Klimaproblem ist bekanntlich ein globales Problem mit der netten Eigenschaft, dass unser CO2 sozusagen immer auch das CO2 der anderen ist. Das gilt natürlich auch umgekehrt. Das gibt einem die Gelegenheit, die Probleme gewissermaßen in weltpolitischem Maßstab zu betrachten und dem naturgemäß etwas beengten Rahmen einer kommunalen Debatte zu entfliehen, handelt es sich hier doch auch noch um eine Grundsatzdebatte.

Ich bin also selbst Jahrgang 1968, ich bin aufgewachsen mit den Vorhersagen des Club of Rome, der das Ende der Energiereserven ungefähr für das Jahr 2000 vorhergesagt hat ebenso wie - ganz dick aufgetragen - Weltkriege und die letzten fossilen Brennstoffreserven ungefähr für denselben Zeitraum. Davon ist nichts eingetroffen, ebenso wenig sind Wälder gestorben etc. Keine der apokalyptischen Vorhersagen ist eingetroffen, aber umso mehr wurden die Zweifler an den umweltpolitischen Großvorhersagen pathologisiert, und Jahr für Jahr wurden im Übrigen die Katastrophenszenarien, was ihre Eintrittsjahre angeht, nach hinten verschoben.

Weltweit, das muss man auch sagen, wächst im umgekehrten Fall, von der Umgebung her mal gesehen, wenn man mal die weltweite Umgebung betrachtet, dass die Bevölkerung wächst, die Lebenserwartung steigt weltweit so zuverlässig wie die Ertragsquote des Bodens. Das ist weltweit der Fall, allen apokalyptischen Unkenrufen zum Trotz. Weltweit sinkt auch die Zahl der Katastrophentoten. Und wenn Sie hier das Ahrtal, diese Tragödie hier politisch instrumentalisieren, dann gehört auch zur ganzen Erzählung dazu, dass es einfach ein Tal ist, wo sozusagen in einem unglücklichen Rhythmus von Jahrhunderten solche Fluten regelmäßig auftauchen. Man kann jetzt auch mit irgendwelchen Studien von Rückversicherern kommen, das habe ich hier auch schon erlebt im Gemeinderat, die haben naturgemäß ein Geschäftsinteresse an Schwarzmalerei. Kurz und gut, nehmen Sie mir bitte erst mal, ich komme dann gleich noch zum Punkt, nehmen Sie mir bitte erst mal nicht übel, wenn ich eine grundlegende Skepsis gegenüber überzogenen düsteren Prophezeiungen jedweder Art entwickelt habe. Denn mit denen ist man mehr oder weniger aufgewachsen.

Nichtsdestotrotz, das Problem existiert, es wird nicht geleugnet. Und die Verringerung des fossilen Energieverbrauchs ist ein hehres Ziel. Wenn aber jetzt beispielsweise der derzeitige amerikanische Präsident oder besser das amerikanische Regierungsregime, das ja jeder Klimaleugnung gänzlich unverdächtig ist, wenn die die OPEC anflehen mit einem Brief, doch endlich mehr Öl zu produzieren, wie im August geschehen, dann zeigt das schon den etwas reduzierten Stellenwert, was die Reduzierung fossiler Brennstoffe angeht in der ganzen Präferenzhierarchie, die wir hier haben. Das kann ja jeder nachvollziehen. Offenbar rechnet man nicht wirklich mit einer unbewohnbaren Erde, jedenfalls nicht allzu schnell.

Und das ist insofern relevant für uns Stuttgarter, insoweit man sich natürlich immer fragen muss, inwieweit unsere Ziele hier auch die Ziele der anderen sind. Oder besser, überhaupt sein können. Wie gesagt, das ist ein globales Problem. Denn offenbar steigt man weltweit nicht so wirklich aus den fossilen Brennstoffen aus. Hier und da steigt zwar der Anteil der Erneuerbaren, das ist klar, die sind auch billiger geworden. Den fossilen Hunger der ehemaligen Schwellenländer gleicht das aber bei Weitem nicht aus. Wir kriegen ja nicht mal den flächendeckenden Kohleausstieg in der EU hin. Bereits auf EU-Ebene ist Deutschland im Wesentlichen sich selbst ein leuchtendes Beispiel. Ein Deutschland, für das globale Verantwortung im Wesentlichen auch Alleingänge bedeutet, denen dann irgendwie auch andere auf irgendeine Weise folgen sollen. Das Motto lautet, einer muss ja anfangen. Oder, um hier auch wirklich aus dem Klimaschutz eine der Beraterinnen irgendeiner GmbH, die war im Klimaausschuss letztes Mal aufgetreten, um die mal zu zitieren wortwörtlich: 'Wenn nicht wir, wer denn dann?' Ja dann vielleicht niemand, möchte man dieses energiewendepolitische Mantra ergänzen. Ein energiewendepolitisches Mantra, mit dessen moralischer Unterstützung man auf dem Rücken der Bürger sich hier selbst den Orden der Klimaneutralität 2035 an die Brust heften möchte. Da machen wir nicht mit.

Ich möchte auch keine Stadt, die ein leuchtendes Beispiel für irgendetwas hergibt. Ich möchte die Stadt als leuchtendes Beispiel für Vernunft. Wir brauchen keinen Weg zur glorreichen Totalneutralität, sondern einen Weg, möglichst effiziente Energieeinsparmaßnahmen zu realisieren. Und das entlang eines vernünftigen Optimums. Wir dürfen nicht in einer überhitzten Debatte statt eines optimalen Ziels ein überzogenes Maximalziel setzen. Allein die energetische Ertüchtigung der städtischen Gebäude kostet 600 Mio. €. Und das sind relativ wenige Gebäude, wenn man sie ins Gesamtverhältnis zur Anzahl der Gebäude in Stuttgart setzt. Wir machen das alles nicht allein aus finanziellen, sondern aus Umweltschutzgründen. Wir machen es nicht, weil wir sagen, wir wollen jetzt keine Energie mehr, nichts mehr für Energie ausgeben, sondern wir machen das, weil wir mit hohen externen Kosten unseres fossilen Energieverbrauchs rechnen. Kosten, die wir im Übrigen über relativ aufgeblähte Energiepreise abbilden. So kommen wir dann im Übrigen auf die schönen Amortisierungsberechnungen, die uns suggerieren, dass das alles sich wirklich lohnt. Bin ich nicht so von überzeugt. Denn Sie haben, nebenbei bemerkt, wenn Sie die Energiekosten staatlicherseits verzehnfachen, über Steuern geht das ja, da können Sie natürlich mit dieser Denkweise auch mit zehnmal höheren Investitionen rechnen, wenn Sie die Amortisierungsberechnungen anschauen. Also irgendwas stimmt da nicht an dieser Denkfigur, aber das wäre ein weitergehendes volkswirtschaftliches Thema.

Wenn wir also einen Kostenmoloch produzieren, nützt das niemandem. Und noch eine Bemerkung nebenbei, wenn wir Energie einsparen: Für fossile Brennstoffe gibt es bekannterweise Märkte. Und diese eingesparten fossilen Brennstoffe hier in Stuttgart, die sind dann ja nicht weg, sondern sind weiter auf dem Markt. Und Märkte verlieren das Gas und Öl ja nicht irgendwie, sondern die werden von den weltweit prosperierenden Schwellenländern für ihre nachholende Industrialisierung absorbiert. Zumindest soweit es einen Markt für die jeweiligen fossilen Energieträger gibt.

Und noch eine weitere Randbemerkung, es bringt volkswirtschaftlich auch gar nicht viel, wenn wir hier als einzelnes Land oder vielleicht als Länderverbund fossile Energie verteuern, weil dann die Produzenten eher mit einer Fördererhöhung reagieren, um letztlich hier die Gewinne konstant zu halten. Unserem eigentlichen Ziel, der weltweiten CO2-Reduktion, kommen wir so keinen Schritt näher. Die Optimalmaßnahme hat übrigens der Oberbürgermeister gleich am Eingang seiner Rede zu diesem Thema genannt, das wäre im Grunde ein weltweiter Emissionshandel. Das ist aber im Augenblick nicht durchsetzbar. Unserem eigentlichen Ziel kommen wir nicht näher, wenn wir hier in Stuttgart - koste es was es wolle - plakative Zielsetzungen verfolgen, die in der Welt da draußen keine Nachahmer in nennenswerter Zahl finden werden. Sie müssen sich mit der Tatsache anfreunden, dass Sie ganz offensichtlich weltweit sehr häufig keine geteilte Wahrnehmung dieser Problemlage haben. Und ganz besonders nicht, was die Dringlichkeit von Maßnahmen angeht. Danke."

Wie zuvor vereinbart, sprechen im Anschluss an die Fraktionen noch der Vertreter des Jugendrats sowie Herr Kohlmeyer (S/OB) und Herr Dr. Rexhausen (McKinsey), letztere unter Verwendung einer Präsentation.

Herr Staritzbichler (Jugendrat):
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Nopper, sehr geehrte Bürgermeister*innen, sehr geehrte Stadträt*innen, sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für die Möglichkeit, heute hier reden zu können, wir schätzen es sehr.

Ich bin Leo Staritzbichler, 17 Jahre alt und einer der Sprecher*innen des Jugendrats Stuttgart. Es ist das Jahr 2050. Ich bin mittlerweile 46, ähnlich alt wie die meisten von Ihnen jetzt. Deutschland ist vor fünf Jahren, im Jahr 2045, klimaneutral geworden. Die Erde ist mehr als 2 Grad wärmer. Stuttgart spürt die Veränderungen des Klimas deutlich. Dem guten Stuttgarter Wein, der schon seit Tausenden Jahren hier wächst, ist es mittlerweile zu warm. Aber das ist eines der kleinsten Probleme. Extremregen ist keine Seltenheit mehr, mehrere Wochen lang gleicht Stuttgart einem Stausee, der Neckar fließt plötzlich mitten durch Bad Cannstatt, und Boote werden zu einem sehr beliebten Verkehrsmittel. An Klimakatastrophen wie im Ahrtal haben die Menschen sich gewöhnt. Zu anderen Zeiten fühlt es sich im Kessel an wie in der Savanne. Es weht kein Wind, und man hört die Grillen zirpen. 40 Grad und mehr sind keine Seltenheit. Auch wenn das heute alles noch abwegig klingen mag, die Realität ist hart. Die Hitze, die extreme Hitze treibt vulnerable Gruppen wie Kinder und Rentner*innen zum Kreislaufkollaps. Ein großes Problem in einer ohnehin alternden Gesellschaft. Menschen ertrinken in Sturzfluten, sie kommen durch abrutschende Hänge um. Es entstehen Milliardenschäden, Ernten vertrocknen oder werden weggeschwemmt. Ist es dann noch ein Wunder, dass viele in meiner Generation keine Kinder mehr in diese Welt setzen möchten? Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Stuttgart jedoch lange nicht so schlimm wie in anderen Teilen der Welt. Menschen, die aufgrund von Armut selber am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, spüren die stärksten Konsequenzen. Diese Menschen leben vor allem im wirtschaftlich ärmeren globalen Süden. Es fehlen soziale Sicherungssysteme und eine Unterstützung der Betroffenen von Klimakatastrophen. Das beliebte touristische Paradies, die Malediven, geht aufgrund des steigenden Meeresspiegels unter und werden vom Ozean verschlungen. Sie hatten nicht so viel Geld wie die Niederlande oder auch Deutschland, die einfach höhere Dämme bauen konnten.

Die Menschen auch auf vielen anderen Inselgruppen und Gebieten nahe dem Ozean sind gezwungen zu emigrieren. Ressourcen werden knapp. Hungersnöte und Durst sind ein ständiger Begleiter, Dürren und Fluten haben sich mehr als verdoppelt, und deren Dauer nahm um vier Monate zu. Das betrifft nicht nur ein paar zehntausend Menschen, Hunderte Millionen von Menschen müssen ihr Zuhause verlassen, und Millionen sterben. Die Weltbank schätzt die Anzahl der Klimageflüchteten auf bis zu 200 Millionen. Und viele dieser Menschen richten ihren Blick gen Westen. Sie suchen stabile Verhältnisse, etwas, was der Westen noch ansatzweise zu bieten hat. Wer kann sie in dieser Position verurteilen? Wir, die Jugend, haben Angst vor dieser Zukunft. Wir haben Angst vor einer Zukunft, die von der Klimakrise dominiert ist und unsere Freiheiten massiv einschränkt, einer Zukunft, die leider nicht unwahrscheinlich ist. Aktuelle Berichte des Weltklimarates, kurz IPCC, zeigen, wenn wir so weitermachen wie bisher, wird die Erde 2,7 Grad wärmer werden. Und wir spüren schon jetzt die Auswirkungen der Klimakrise. Die Feuer in Kalifornien und Griechenland sind nur ein Vorgeschmack. Es ist so, als rasten wir auf eine Klippe zu, und niemand würde bremsen. Angesichts der großen Gefahren, die ein immer weiter voranschreitender Klimawandel etwa durch Hitzewellen, Überschwemmungen oder Wirbelstürme mit sich bringen kann, ist der Staat hierzu sowohl den heute lebenden Generationen als auch objektiv rechtlich im Hinblick auf künftige Generationen verpflichtet. Dieses Zitat stammt aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu der Klimaklage im Jahr 2019. Es zeigt, dass alle Menschen und zukünftigen Generationen ein Recht auf eine lebenswerte Zukunft haben.

Wir haben noch die Möglichkeit abzubremsen und das Schlimmste zu verhindern. Und das geht nur, wenn Stuttgart 2035 klimaneutral wird. Wir, der Jugendrat Stuttgart, fordern unser Recht auf eine lebenswerte Zukunft ein. Wir fordern, dass Sie für unser aller Zukunft stimmen. Wir fordern Stuttgarter Klimaneutralität im Jahr 2035.

Es ist das Jahr 2050. Ich bin mittlerweile 46, ähnlich alt wie die meisten von Ihnen jetzt. Stuttgart ist vor 15 Jahren, im Jahr 2035, klimaneutral geworden. Deutschland ebenso. Die Erde ist 1,5 Grad wärmer geworden, das Schlimmste wurde verhindert. In Stuttgart wächst noch immer der Jahrtausende alte Wein. Stuttgart hat sich in keinen Stausee verwandelt und ist auch nicht zur Savanne geworden. Wir können stolz zu unseren Kindern sagen, die Entscheidung des Stuttgarter Gemeinderats im Jahr 2022 hat dazu beigetragen, dass das Pariser Klimaabkommen eingehalten wurde. Stuttgart wurde zu den Pionierstädten Deutschlands. Durch die wirtschaftliche Bedeutung Stuttgarts folgten nach und nach weitere Städte und schlussendlich ganz Deutschland. In Stuttgart entwickelte sich eine nachhaltige und innovative Unternehmenskultur, geprägt von Start-ups und den großen, nun umweltverträglichen Firmen. Das allgemeine Stadtbild wurde auch besser. Es gibt mehr Grünflächen, Parks sind ein zentraler Aspekt der Innenstadt. Man kann überall schnell mit dem Fahrrad und dem ÖPNV hinfahren. Und Autos stinken nicht mehr. Die Luftqualität hat sich drastisch verbessert. Die altbekannten Smog-Alarme sind ein Ding der Vergangenheit. Das ehemals innovative Rosensteinviertel entspricht nun dem städtebaulichen Standard. Stuttgart ist vernetzter und zu einer Smart-City geworden.

Deutschland erkannte ebenfalls, dass die Klimakrise nur gemeinsam angegangen werden kann. Wirtschaftlich schwache Länder werden unterstützt. Kein Land der Welt muss die Klimakrise alleine auf seinem Rücken tragen. Millionen von Menschenleben rund um den Globus wurden gerettet. Wir appellieren an Sie alle, heute für die Klimaneutralität 2035 zu stimmen. Nur so können wir eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft in Stuttgart und in der gesamten Welt für alle schaffen, eine Zukunft, die nicht auf Kosten der zukünftigen Generationen und uns als Jugend geht. Bremsen wir ab, verhindern wir, dass wir über die Klippe rasen, und schaffen wir eine Perspektive für alle. Gemeinsam. Vielen Dank."

Herr Kohlmeyer (S/OB):
"Sehr geehrte Verwaltungsspitze, sehr geehrter Gemeinderat, sehr geehrte Gäste, es freut mich, dass Sie heute beim Klima eine gemeinsame Position suchen und wir, die Verwaltung, nach Ihren Vorgaben dann einen Klimafahrplan entwickeln dürfen. Dazu tragen wir heute zusammen mit dem Beratungsunternehmen McKinsey & Company vor, ich begrüße Dr. Daniel Rexhausen, der das Stuttgarter Büro leitet und auch das gemeinsame Projekt mit der Landeshauptstadt Stuttgart verantwortlich führt.

Warum sind Ziele wichtig? Wenn man nicht weiß, welchen Hafen man erreichen möchte, dann weiß man auch nicht, wie man die Segel setzen soll. Darum ist es für uns ganz wichtig zu wissen, mit welchem Ziel wir vorgehen. Welche Rolle spielen Städte? Das ist eine wichtige Frage, auf die wir gleich zu sprechen kommen. Wir starten mit den ambitionierten Zielen. Da haben Sie angefangen oder haben Sie den Ball aufgegriffen im Jahr 2019 mit dem Klima-Aktionsprogramm und haben sich bekannt zum Erreichen der Klimaziele von Paris. Sie haben das 1,5-Grad-Ziel bekräftigt, Sie haben die nächsten zehn Jahre als den entscheidenden Zeitraum gewürdigt. Die jüngeren Entwicklungen zeigen Aktualisierungsbedarf für das Zieljahr, darüber haben wir heute schon viel gehört.

Welche Rolle spielen also Städte? Sie sind Zentren des Verbrauchs, das sieht man hier rechts sehr schön auf der Luftbildaufnahme der NASA. Sie sind natürlich auch begrenzt in ihrem kommunalen Handlungsrahmen, denn sie sind eingebettet in ein internationales oder europäisches System. Wir haben also eine vernetzte und komplexe Aufgabe, angefangen vom europäischen Stromnetz über den deutschen Strommix, über den Ausbau der Stromerzeugung, hier bei uns in der Region natürlich den Ausbau der Transportkapazitäten. Und diese europäischen und auch nationalen Entscheidungen sind von großer Wichtigkeit für Stuttgart, denn unsere Hauptaufgabe in Stuttgart, die Klimaneutralität zu erreichen, wird die Elektrifizierung sein. Und zwar die Elektrifizierung im Bereich der Mobilität, vom Auto, vom ÖPNV, natürlich auch im Bereich der Wärme über Wärmepumpen, über die Sektorkopplung, und natürlich auch im Bereich der industriellen Prozesse, die heute noch viel auf fossiler Energie basiert sind.

Diese Aufgabe ist eine Mammutaufgabe für Stuttgart. Gerade im Wärmebereich, wenn wir die Sektorkopplung haben, wenn wir aber auch diese Herausforderung haben, das zentrale Fernwärmenetz und die Nahwärmenetze und die Gebäude insgesamt klimaneutral zu machen, climate neutral ready zu machen. Das ist eine gemeinsame Kraftanstrengung, und insofern ist es auch ganz wichtig, das gemeinsam mit der Stadtgesellschaft anzugehen. Da der Dank, dass Sie dem Bürgerrat Klima zugestimmt haben als einem von verschiedenen Projekten.

Der Bürgerrat Klima ist die letzte Entscheidung zu dem Thema aus dem Dezember gewesen. Sie haben aber auch im AKU, dem Ausschuss für Klima und Umwelt, für eine Weiterentwicklung des Aktionsprogramms Klima gestimmt. Dafür möchten wir uns auch bedanken, denn das ist ja der Auftrag, der jetzt auch von McKinsey ausgeführt wird. Da haben Sie drei Bausteine beschlossen. Das ist genau die Folie, die wir im Dezember gezeigt hatten. Der erste Baustein ist die Recherche und die Analyse, Auswertung aktueller Studien und Maßnahmensets, der Abgleich mit bestehenden Konzepten, sei es intern wie extern, der Transfer und die Konzeption der Maßnahmenpakete, das ist der zweite Baustein, ganz relevant, haben wir heute drüber gesprochen. Und der dritte Baustein, das war ja auch ein Wunsch aus der Politik, die Organisationsstrukturen, die Government-Strukturen, dann eben auch zu bewerten. Das ist nun der Auftrag, den wir mit McKinsey bearbeiten. Insofern freut es mich auch, dass Herr Dr. Daniel Rexhausen jetzt von dem anstehenden Projekt kurz berichtet."

Herr Dr. Rexhausen (McKinsey & Company):
"Vielen Dank, Herr Kohlmeyer, Herr Oberbürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle haben in den letzten Jahren gemerkt, der Klimawandel passiert nicht in fernen Ländern und auch nicht in der Zukunft, sondern er passiert hier und jetzt und betrifft uns alle. Klimaextreme der letzten Jahre waren warme Winter, Dürren und schwere Niederschläge, z. B. wie wir sie im Ahrtal gesehen haben. Auch hier bei uns in Stuttgart hat der Klimawandel erhebliche Auswirkungen. Direkte Auswirkungen, z. B. Überschwemmungen infolge von Starkregen, wie wir sie im letzten Sommer gesehen haben, Auswirkungen auf den Weinbau, die Landwirtschaft usw. Aber auch indirekte Auswirkungen, z. B. auf die Lieferketten der hier ansässigen Unternehmen und zahlreichen Handwerksbetriebe. Und natürlich auch auf die Lebensqualität und letztendlich auch auf die Lebenshaltungskosten von uns allen hier.

Forschung und Studienergebnisse zeigen, das Klima hat sich bereits verändert und wird sich weiter verändern, wenn wir nichts dagegen tun. Wenn wir nichts tun, kann es z. B. zu doppelt so vielen Tagen mit extremer Hitze kommen, mehr als doppelt so vielen Dürren wie in den Jahrzehnten der Vergangenheit, 30 bis 50 % mehr Niederschlägen im Winter und den entsprechenden Konsequenzen. Das heißt, es ist in unser aller Interesse, etwas für den Klimaschutz und gegen den Klimawandel zu tun. Und das jetzt.

In diesem Kontext gilt: Erstens, Netto Null muss zur Stabilisierung der Erderwärmung erreicht werden, und zweitens, wir müssen diese Netto Null erreichen, bevor sich die Erde um 1,5 bis 2 Grad erwärmt, da wir ansonsten an gefährliche Kipppunkte bzw. sich selbst verstärkende Effekte im Erdsystem kommen können, wie z. B. Schmelzen des Arktis-Eises, die den Klimawandel dann nur noch schwer für uns beherrschbar machen.

Wie können wir nun die Klimawende erreichen? Das Gute ist, dass inzwischen weitestgehend bekannt ist, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Emissionen zu reduzieren, und auch die benötigten Technologien dafür bekannt und größtenteils schon erprobt sind. Auf Basis unserer Studie Net-Zero Deutschland, das sehen Sie hier, haben wir das Ganze einmal für Deutschland veranschaulicht. Sie sehen da den Herunterbruch der Treibhausgasemissionen Deutschlands auf die wichtigsten Sektoren, also ca. ein Drittel entfällt auf Energie, ein Viertel auf Verkehr, 20 % auf Gebäude, 8 % auf Landwirtschaft, und der Rest sind noch ca. 1 %. Um mal die Zahl, die da in der Mitte steht, ins Verhältnis zu setzen, die 810 Mio. t CO2-Äquivalente sind ungefähr 10 t pro Einwohner. Um klimaneutral zu leben, müssen wir das auf 1 t pro Einwohner reduzieren.

Was sind nun die wichtigsten Maßnahmen, die wir für die jeweiligen Sektoren sehen? Lassen Sie uns das einmal kurz durchgehen: Energiesektor. Da reden wir insbesondere über den Ausbau bereits vorhandener erneuerbarer Energien und gleichzeitig die Flexibilisierung und den Ausbau des Energienetzes. In der Industrie, vor allem auch der Grundstoffindustrie, reden wir über das Stichwort grüne Materialen, d. h. hier brauchen wir eine Reihe von Technologien, wie z. B. Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, Umstellung auf Wasserstoff usw., um hier voranzukommen.

Im Bereich Verkehr reden wir einerseits über die Umstellung der Antriebstechnologie, d. h. Elektrifizierung. Andererseits aber auch über Veränderung im Verhalten der Verkehrsteilnehmer und über die Etablierung kluger Ansätze und Konzepte wie Shared Mobility, Mikro-Mobilität usw.

Kommen wir zum Bereich Gebäude. Hier geht es um die Umstellung der Heiztechnologien, das haben ja auch einige der Vorredner schon anklingen lassen, z. B. Wärmepumpen, verbesserte Isolation. Das ist vor allen Dingen eine Umsetzungsherausforderung, denn die Technologien sind erprobt und sind da.

Im Bereich der Landwirtschaft geht es darum, z. B. Diesel durch Elektro-Traktoren und -maschinen zu ersetzen, aber auch um eine Veränderung der Ernährung, um den Methan-Ausstoß aus der Tierhaltung zu reduzieren.

Wie Sie auf der rechten Seite der Folie sehen, benötigt das Ganze erhebliche Zusatzinvestitionen. Das Gute ist allerdings: Wenn wir das richtig angehen, können diese Zusatzinvestitionen durch Einsparungen von laufenden Kosten wieder hereingeholt werden. Beispielsweise wenn Sie einen Gasboiler durch eine Wärmepumpe ersetzen, kostet das erst mal Geld. Aber die laufenden Kosten werden dann entsprechend geringer sein.

Inzwischen ist der Klimaschutz in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Umfragen belegen, die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger legen mehr Wert auf Nachhaltigkeit, unterstützen den Klimaschutz und befürworten ein entschlosseneres und stärkeres Handeln gegen den Klimawandel. In diesem Zusammenhang ist auch sehr erfreulich und wird uns Rückenwind geben, dass deutsche Unternehmen zum Vorreiter werden und sich selbst sehr ambitionierte Ziele setzen. Hier sehen Sie mal ein paar ausgewählte Beispiele hier aus Baden-Württemberg, beispielsweise hat die SAP ihre Klimaziele in den letzten Jahren um zwei Jahre vorgezogen auf 2023, Porsche plant, bis 2030 entlang der gesamten Wertschöpfungskette CO2-neutral zu sein, die EnBW wird, was Scope 1 und 2 betrifft, bis 2030 die Emissionen um 50 % reduzieren und bis 2035 um 100 %. Auch wenn die dahinterstehenden Ziele teils unterschiedlich definiert worden sind, sie zeigen, dass das Thema Klimaschutz in den Vorstandsetagen der hiesigen Unternehmen angekommen ist und uns auch als Stadt Stuttgart beim gesamthaften Erreichen der Klimaneutralität Rückenwind geben wird.

Vor diesem Hintergrund nun konkret zu unserem gemeinsamen Projekt. Wir werden in den nächsten Monaten gemeinsam mit der Stadt Stuttgart und allen relevanten Akteuren einen praxisorientierten und ambitionierten Fahrplan zur Klimaneutralität für Stuttgart erarbeiten. Wie der Oberbürgermeister gesagt hat: realistisch, wirtschaftsverträglich und sozialverträglich. Dies bedeutet konkret die Entwicklung von Maßnahmenpaketen in zwei Bereichen, zum einen Emissionsreduktion und Emissionsvermeidung und zum anderen Anpassung an den Klimawandel. Dies werden wir tun, neutral und ohne Denkverbote, d. h. alle Maßnahmen werden angeschaut und geprüft. Wir werden das individuell auf die genannten Sektoren heruntergebrochen tun. Wir werden dabei aufbauen auf Konzepten und Maßnahmen, die es schon gibt, bzw. diese integrieren und natürlich auch auf die Vorschläge, die hier und an anderer Stelle kommen, entsprechend eingehen. Wir werden das tun unter Berücksichtigung der Interdependenzen und Vernetzungen der verschiedenen Maßnahmen. Und wir werden das natürlich tun im Einklang und unter Berücksichtigung der aktuellsten Forschungsergebnisse, diese natürlich bezogen und angepasst auf Stuttgart.

Hier mal ein kurzer, nicht erschöpfender Überblick über die vielen Forschungsergebnisse und Veröffentlichungen, die es zu diesem Thema gibt und die wir in unserem Projekt selbstverständlich berücksichtigen werden. Beispielsweise die Erkenntnisse aus Ariadne, aus dem Thinktank Agora Energiewende, vom Umweltbundesamt und dem Wuppertal Institut, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Auch wir als McKinsey, wie sicherlich bekannt ist, haben hier viel investiert und Expertise aufgebaut auf der Ebene der Städte, auf regionaler, auf nationaler und internationaler Ebene, was wir natürlich in die Erarbeitung des Klimafahrplans mit einfließen lassen werden. Als Beispiele seien hier genannt die Ergebnisse aus unserem Studiennetz Zero Europe und Net Zero Deutschland, aber auch aus unserer Arbeit z. B. mit dem Städteverband C 40. Diese Veröffentlichungen werden wir mit den Verantwortlichen der Stadt Stuttgart analysieren und Maßnahmenpakete spezifisch daraus für die Stadt Stuttgart entwickeln und anpassen. Wichtig, die Maßnahmen erarbeiten wir gemeinsam mit allen Akteuren, d. h. im engen Austausch mit der Stadtverwaltung, der Politik, Vertretern aus Wirtschaft und städtischen Interessengruppen, insbesondere um natürlich Akzeptanz und Durchführbarkeit sicherzustellen.

Wie gehen wir nun konkret in den nächsten Monaten vor? Sie sehen hier die vier Phasen unseres Projektes. Bis Ende Februar werden wir die relevanten Studien und Maßnahmen hinsichtlich Anwendbarkeit auf Stuttgart analysieren, führen Interviews mit den verschiedenen Akteuren durch und entwickeln ein integriertes Emissionsmodell, um die Maßnahmen hier für Stuttgart bewerten zu können. Dann werden wir bis April daraus Maßnahmenpakete entwickeln und ermitteln, was die einzelnen Pakete denn bringen werden. Anschließend werden wir diese gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren diskutieren, anpassen und detaillieren. Ein wesentliches Endprodukt dabei wird sein, steckbriefliche Maßnahme und Maßnahmenpaket, die Sie dann konkret bei der Umsetzung der Maßnahme unterstützen durch klare Ziele, durch Zeitpläne, benötigte Aufwendungen und Ressourcen und auch mögliche Projektpartner. Bis Ende Mai wird es dann einen Endbericht geben mit konkreten Handlungsempfehlungen zum Erreichen der Klimaneutralität für die Stadt Stuttgart.

Abschließend bleibt zu sagen, die Klimawende ist eine der größten und komplexesten Transformationen, vor der wir alle je standen. Mit diesem konkreten und ambitionierten Klimafahrplan, den wir nun gemeinsam entwickeln werden, kann Stuttgart eine Vorreiterrolle in Deutschland einnehmen. Ich freue mich, dass wir gemeinsam genau dieses bis Ende Mai erarbeiten werden und angehen. Vielen Dank."

StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) weist anhand seiner Präsentation darauf hin, dass bislang keine Bemühungen der Menschheit um Klimaschutz erkennbar seien. Deutschland und Stuttgart seien hier mitschuldig, denn sie exportierten Verbrennungskraftfahrzeuge mit hohem Verbrauch, und sie importierten Waren, die bei der Herstellung CO2 erzeugten. Die CO2-Emissionen müssten schnellstmöglich gesenkt werden, um die in der Präsentation dargestellte Fläche unterhalb der Kurve möglichst klein zu halten. Dafür müsse man jedoch, im Unterschied zur tatsächlichen Politik, harte Einschnitte machen, z. B. bei Flügen, Privatautos, Düngermissbrauch, Konsum von Fleisch, Textilien etc. Stattdessen müssten die natürlichen Ressourcen, Wälder und Feuchtgebiete wieder gestärkt werden. Seine Fraktion fordere für Stuttgart aufgrund des Vorsorgeprinzips einen schnelleren Abbau der CO2-Emissionen bis 2030.

Zum Abstimmungsverhalten seiner Fraktion erklärt StR Rockenbauch, seine Fraktion werde sich, wenn ihr Antrag, das Klimaneutralitätsziel auf 2030 vorzuziehen, keine Mehrheit erhalte, dem verbindlichen Antrag der PULS-Fraktion anschließen. Er betont, seine Fraktion habe nichts dagegen, externe Unternehmensberatungen mit einer Expertise zu beauftragen, wohl aber, diese Expertise zur Vorbedingung für das Klimaziel zu machen. Vielmehr müssten Großprojekte, die nicht mehr in die Zeit passten, wie z. B. Stuttgart 21, der Tunnel in Zuffenhausen oder die Großeventhalle, diskutiert werden. Seine Fraktion werde die Vorlage ablehnen, da sie zu viele Vorbehalte beinhalte, statt eine wirkliche Veränderung im Sinne der EU-Pionierstädte anzugehen.

Wenn man voraussetze, dass der Klimawandel hauptsächlich durch CO2 verursacht werde, geht es für StR Goller (AfD) darum, CO2 zu reduzieren, und zwar global. China allein emittiere über 30 % des CO2 global, Deutschland unter 2 %. China steigere seit 20 Jahren seine Emissionen - absolut gesehen - um 1,2 %. Unter den Wissenschaftlern herrsche keine Einigkeit, ob Kipppunkte bereits erreicht seien. Falls ja, müsse man CO2 nicht nur reduzieren, sondern zurückholen und auch Methan sammeln. Angesichts begrenzter Ressourcen müsse man die effizientesten Maßnahmen ergreifen, was bedeute, dass man nicht eine halbe Milliarde Euro in die Sanierung von Gebäuden investieren sollte, die im internationalen Vergleich bereits auf hohem Niveau seien. Vielmehr müsse man erkennen, dass die moderne Kernenergie das einzige Instrument sei, mit dem die Klimabilanz verbessert werden könne.

Für eine breite Zustimmung zur Vorlage wirbt StR Winter. Sie enthalte in Beschlussantragsziffer 2 die verbindliche Vorgabe zu untersuchen, mit welchen Maßnahmen das Ziel einer Klimaneutralität für Stuttgart bis 2035 erreicht werden könne.

StRin Schumann (PULS) ruft die anderen Fraktionen dazu auf, den Antrag ihrer Fraktion zu unterstützen. Wenn dieser jedoch keine Mehrheit finde, werde ihre Fraktion der Vorlage der Verwaltung zustimmen.

Als Handwerksmeister aus einer Klimabranche führt StR Kotz aus, eine Luftwärmepumpe sei in einem ungedämmten Gebäude energetisch nicht sinnvoll. Zudem mache sie nur Sinn mit einer Fußboden- oder Deckenheizung. Beides könne man im bewohnten Zustand nicht einbauen. In diesem Zusammenhang bittet er, die Ausbildungsmesse des Stuttgarter Handwerks, die HANDS UP 2022, am 01. und 02.04.2022 in einem großen Zelt auf dem Marktplatz zu ermöglichen.

StR Rockenbauch wendet sich an StR Winter mit dem Hinweis, er könne dessen Argumentation folgen, wenn man Beschlussantragsziffer 3 streiche. Denn diese besage, dass über das Klimaziel erst dann entschieden werde, wenn die Maßnahmen auf dem Tisch lägen. Um nicht weitere Monate zu verlieren, stimme seine Fraktion dem PULS-Antrag zu. Seine Fraktion habe nichts gegen das Gutachten, doch dürfe es nicht Vorbedingung für das Klimaziel sein.

OB Dr. Nopper begründet, warum die Verwaltung eine Interessensbekundung für eine Pionierstadt bei der EU-Kommission nicht für sinnvoll halte. Nach mehrmaligem Lesen der EU-Unterlagen komme man zu der Einschätzung, dass die Stadt bis zum Jahr 2030 eine Treibgasreduktion gegenüber 1990 von 100 % schaffen müsse. Dies sei unrealistisch. Deshalb schlage die Verwaltung vor, den Antrag Nr. 228/2021 der FrAKTION abzulehnen. Seiner Ansicht nach sei auch das Ziel 2035 höchst ambitioniert, wenn man die Stadtgesellschaft und die Wirtschaft mitnehmen wolle. Zum Antrag Nr. 300/2021 von PULS merkt er an, aus diesem habe man im Beschlussvorschlag der Verwaltung die Jahreszahl und das Reduktionsziel übernommen. Weitere Vorschläge, so regt er an, sollte man aber nicht beschließen.

Um eine Begründung, warum 2030 realitätsfern sei, bittet StR Rockenbauch. Hierzu legt Herr Kohlmeyer dar, die Interessensbekundung sei in der Verwaltung sehr intensiv geprüft worden. Natürlich gehe die Teilnahme mit Vorteilen einher, z. B. dem vereinfachten Zugang zu Fördermitteln. Demgegenüber stünden aber Leistungen und ein Mehraufwand bei der Koordination für dieses EU-Programm, was den Fokus von den in Stuttgart umgesetzten Maßnahmen abziehe. Auch würden über dieses Programm keine Personalressourcen gefördert. Die Verwaltung sehe eine realistische Chance, die Klimaneutralität bis 2035 mit der Wirtschaft und der Stadtgesellschaft zu erreichen, was sehr ambitioniert und immer noch mehr sei, als Bund und Land planten.

StR Ozasek (PULS) begründet nochmals den Antrag seiner Fraktion. Er erkenne an, dass die Verwaltung in ihrer Vorlage das Klimaneutralitätsziel 2035 in greifbare Nähe rücke, doch binde der Gemeinderat sie mit diesem Beschluss nicht, in die Strategieprozesse der Beteiligungsgesellschaften, insbesondere der Stadtwerke, die ihre neue Strategie im 1. Quartal 2022 verabschieden wollten, oder auch der SSB, die ebenfalls einen Strategie- und Zieldiskurs führten, einzugreifen. Deshalb halte seine Fraktion eine sofortige Entscheidung für das Klimaziel von Paris für Klimaneutralität 2035 für nötig, wie sie viele Kommunen bereits getroffen hätten. Hier erklärt OB Dr. Nopper, beim Klimaziel von Paris, bei der Jahreszahl und bei der angestrebten Treibhausgasreduktion von 95 % sei man sich doch einig, und man werde auch im Gemeinderat und den Ausschüssen intensiv über die Klimastrategie der Stadtwerke sprechen.

Für StR Rockenbauch ist klar, dass die ursprüngliche Planung, 200 Mio. € für den Klimaschutz auszugeben, nicht mehr zum Ziel der Klimaneutralität passt. Die EU verlange völlig neue Government-Modelle. Hier müsse man nacharbeiten und die Stadtverwaltung umbauen. Es gehe nicht mehr um eine Partizipation, sondern um eine Kooperation mit den Bürger*innen. Geld für Personal bereitzustellen, sei Sache des Gemeinderats. Nach Ansicht seiner Fraktion lohne es sich, dem Programm und den zusätzlichen Ressourcen zuzustimmen und die Auflagen der EU umzusetzen. Er habe in den Ausführungen von Herrn Kohlmeyer inhaltliche Argumente bezüglich 2030 vermisst. An dieser Stelle betont OB Dr. Nopper nochmals, die Verwaltung sei sich einig und sei zu der Einschätzung gekommen, dass Klimaneutralität bis 2030 und eine Treibhausgasreduktion von 100 % nicht machbar seien. Da nehme man die Stadtgesellschaft und die Wirtschaft nicht mit. Abschließend schlägt er das Abstimmungsverfahren vor und stellt fest:

1. Antrag Nr. 5/2022 wird vom Gemeinderat bei 6 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung mehrheitlich abgelehnt.

2. Antrag Nr. 228/2021 wird vom Gemeinderat bei 6 Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

3. Antrag Nr. 300/2021: Ziffer 1a wird vom Gemeinderat bei 11 Ja- und 3 Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt. Ziffer 1b wird vom Gemeinderat bei 10 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt. Ziffer 2 wird vom Gemeinderat bei 11 Ja-Stimmen mehrheitlich abgelehnt. Ziffer 3 hat sich bereits erledigt.

4. Den Beschlussantrag der Verwaltung beschließt der Gemeinderat bei 9 Gegenstimmen und 1 Enthaltung mehrheitlich wie beantragt.
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