Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
92
3
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 29.06.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Westhaus-Gloël fr
Betreff: "Feinstaubalarm", Vorhersage präzise, aber Bezeich-
nung schlecht - notwendige Änderung umsetzen
- Antrag Nr. 39/2017 (CDU, FW, FDP) v. 13.02.2017

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 30.05.2017, öffentlich, Nr. 218

Ergebnis: Verweisung der Entscheidung in die Vollversammlung


StR Kotz (CDU) begründet den Antrag der CDU-Gemeinderatsfraktion, der Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion sowie der FDP, den Begriff "Feinstaubalarm" durch die Bezeichnung "Luftreinhaltetag" zu ersetzen. Er führt aus, der Begriff "Feinstaubalarm" überzeichne völlig die Situation, ebenso wie die von OB Kuhn vorgeschlagene Alternative "Schadstoffwarnung". Die Begriffe schreckten ab und schädigten nachhaltig das Image der Stadt. Der Begriff "Luftreinhaltetag" habe hingegen das Ziel im Auge und nicht das Problem und sei positiv besetzt. Warum dieser Begriff von manchen abgelehnt werde, könne er nicht nachvollziehen, es gebe immerhin einen Luftreinhalteplan, der als Maßnahme ein Luftreinhaltenetz beinhalte, und VVS und SSB planten, im nächsten Winter ein Luftreinhalteticket anzubieten. Den Namen "Feinstaubalarm" habe OB Kuhn eingeführt, nie sei es zu einer formalen Abstimmung über den Begriff gekommen. Daher sei es gut, unabhängig von dem Ergebnis, wenn der Gemeinderat für die politische Klarheit auch in der Öffentlichkeit sorge, wer am Ende den nach Einschätzung seiner Fraktion falschen Begriff "Feinstaubalarm" weiter mittrage.

StR Winter (90/GRÜNE) betont, man solle die Dinge so benennen wie sie sind. Es liege ein Unterschied darin, ob man von Maßnahmen rede, die das Ziel der Luftreinhaltung in Stuttgart voranbringen, oder ob man eine Warnung ausgebe an Tagen mit erhöhten Luftschadstoffen. In Stuttgart sei das der "Feinstaubalarm". Der Begriff sei ein wichtiges Zeichen an die Bevölkerung, aber auch an die Automobilindustrie. Er habe zu einer Sensibilisierung gegenüber dem Problem beigetragen, sodass auch verkehrsbeschränkende Maßnahmen eher akzeptiert würden. Seine Fraktion lehne den Antrag ab.

StR Körner (SPD) ist der Auffassung, dass der vor zwei Jahren eingeführte Begriff "Feinstaubalarm" der Stadt nicht gutgetan hat, weil er an anderen Orten häufig die erste Assoziation mit Stuttgart sei. Wenn der Begriff Druck aufbauen sollte, um Dinge zu bewegen, habe die Stadt einen hohen Preis dafür zahlen müssen. Das Kind sei aber schon in den Brunnen gefallen. Mit einem Beschluss des Gemeinderats, den Begriff in "Luftreinhaltetag" zu ändern, mache er sich nur lächerlich. Seine Fraktion lehne den Antrag ebenfalls ab.

StR Pantisano (SÖS-LINKE-PluS) glaubt, dass sich Stuttgart allein durch den Antrag auf Umbenennung, der hauptsächlich von der CDU ausgehe, und die Diskussion darüber schon lächerlich gemacht habe. Den Begriff "Feinstaubalarm" in "Luftreinhaltetag" umzubenennen sei genauso absurd, als wenn der Vorschlag eingebracht würde, "Terroralarm“ in "Sicherheitstag" umzubenennen. Der Kompromissvorschlag von OB Kuhn, "Schadstoffwarnung", sei sinnvoll, weil er nicht nur das Feinstaub-, sondern auch das Stickoxidproblem umfasse. Den Antrag werde die Fraktionsgemeinschaft ablehnen.

Wie viele andere Städte in Europa habe Stuttgart ein Problem, die Grenzwerte bei Feinstaub und Stickoxiden einzuhalten, bemerkt StR Zeeb (FW). Es biete sich aber auch die Chance, zu zeigen, wie die Stadt dieses Problem innovativ lösen werde, und zwar ohne Fahrverbote, mit dem Engagement der hiesigen Autoindustrie, das man einfordern müsse. Er halte nichts davon, beim Thema Luftreinhaltung den Bürgern Angst zu machen. Deshalb sei für seine Fraktion der Begriff des Luftreinhaltetags keine Schönfärberei, sondern pragmatisches Umgehen mit einem lösbaren Problem.

Für StR Prof. Dr. Maier (AfD) hat die Stadt Stuttgart mit dem Begriff "Feinstaubalarm" ihr Image beschädigt. Den Begriff "Luftreinhaltetag" halte seine Fraktion allerdings auch nicht für besonders glücklich. Er sei missverständlich und könne den Eindruck erwecken, dass nur an solchen Tagen die Luft reingehalten werden soll. Um von dem Begriff "Feinstaubalarm“ wegzukommen, werde seine Fraktion dem Antrag aber zustimmen.

StR Dr. Oechsner (FDP) hält den Begriff "Feinstaubalarm“ für übertrieben und schädlich für die Stadt. Am ehesten könne er sich noch eine "Schadstoffwarnung" vorstellen. Er kündigt an, dass die Gemeinderatsmitglieder der FDP unterschiedlich abstimmen werden. Er selbst werde sich enthalten, weil er weder "Feinstaubalarm" für weiterhin tragbar, noch einen so abgeschwächten Begriff wie "Luftreinhaltetag" der Problematik für angemessen halte.

StR Dr. Schertlen (STd) teilt mit, dass er es für wichtiger hält, sich auf Inhalte zu konzentrieren als auf Begriffe, und er sich bei Diskussion und Abstimmung enthalten wird.

Für OB Kuhn geht es in der Diskussion nicht nur um Begrifflichkeiten, sondern auch um Inhalte. Das Problem für die Stadt sei nicht die Bezeichnung, sondern der Feinstaub. Er halte den Begriff "Feinstaubalarm" nach wie vor für richtig. Der Begriff habe aufgerüttelt und zu einer intensiven Debatte geführt. Alle wüssten nun, dass man am Feinstaub-alarmtag, der ja prognosemäßig durch den Deutschen Wetterdienst auch für den übernächsten Tag ausgerufen werde, etwas tun könne und müsse. Es handle sich um ein elementares gesundheitliches Problem, das die Menschen, die an den belasteten Straßen wohnten, besonders treffe. Nur wer offen über bestehende Probleme spreche, könne sie lösen. Stuttgart gelte als Stauhauptstadt. Solle man jetzt das Wort Stau ersetzen durch "Vorübergehende Fahrunterbrechung im Verbund mit anderen Verkehrsteilnehmern"? Wer offen über seine Probleme rede, gewinne auch Glaubwürdigkeit.

Der Begriff "Feinstaubalarm" habe allerdings die Schwäche, dass er andere Schadstoffe wie Stickoxide nicht mit einbeziehe. Deswegen habe er den Begriff "Schadstoffwarnung" vorgeschlagen, der von der CDU-Gemeinderatsfraktion, die auf einer Abstimmung über den Begriff "Feinstaubalarm" bestehe, aber abgelehnt worden sei. Weil die Bezeichnung etabliert sei, darauf habe StR Körner hingewiesen, bestehe die Gefahr, sich mit einer Namensänderung lächerlich zu machen.

Natürlich gebe es im Bereich der Maßnahmen der Abhilfe - Luftreinhalteplan, Luftreinhalteticket - die Möglichkeit, das Positive, das mit der Maßnahme bewirkt werden soll, in dem Namen der Maßnahme zum Ausdruck zu bringen. Da stimme er StR Kotz zu. Der Luftreinhalteplan sei aber ein Maßnahmenpaket, wenn das Problem Feinstaub auftritt. Der Alarm beziehe sich auf die Ursache, und warne vor den Schadstoffen in der Luft. Er habe das Image der Stadt im Blick, glaube aber, dass der "Feinstaubalarm" das richtige Wort gewesen sei. Wenn die Stadt die Grenzwerte einhalte, könne Entwarnung ausgerufen und dargestellt werden, dass man das Problem mit Innovationen technischer und politischer Art gelöst hat.

StR Kotz (CDU) kritisiert die Äußerungen von OB Kuhn. Dieser habe die Thematik und den Antrag ins Lächerliche gezogen. Die Schwäche beim Feinstaubalarm liege tatsächlich darin, dass der Begriff und auch die Freiwilligkeit überhaupt keine Wirkung hinsichtlich einer Luftreinhaltung gehabt hätten. Die Unterstellung, der Gemeinderat oder die CDU-Fraktion vernachlässige mit der Diskussion über den Begriff die inhaltliche Arbeit, weise er entschieden zurück. Für die Zukunft mache es für das Image der Stadt schon einen Unterschied, ob weiterhin auf allen Schildern an der Autobahn und auf der Homepage der Stadt Stuttgart der Begriff "Feinstaubalarm“ zu lesen sei. Deswegen sage die CDU-Fraktion in dieser Frage ganz klar: "Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende", der Begriff "Feinstaubalarm" müsse weg.

StR Dr. Fiechtner (AfD) spricht von "alarmistischem Wortgeklüngel", das die Menschen verängstigen solle. Die Stadt werde mit dem Begriff "Feinstaubalarm" weltweit in Misskredit gebracht. Er stelle sogar infrage, dass überhaupt eine Intervention nötig wäre. Die ganze Feinstaubdebatte scheine "eine einzige Chimäre" zu sein. Die Stadt müsse sich schnell des Begriffs entledigen, damit ihr Ruf nicht länger Schaden nehme.

Nachdem keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, lässt OB Kuhn abstimmen und stellt fest:
zum Seitenanfang