Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
284/2012 mit Ergänzung
GZ:
OB 8155-04.08
Sitzungstermin: 06.12.2012
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:Herr Dr. Porsch (Kanzlei Dolde Mayen & Partner)
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Bürgerbegehren "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart"
Entscheidung über die Zulässigkeit

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 09.05.2012, öffentlich, Nr. 114
Gemeinderat vom 10.05.2012, öffentlich, Nr. 67

jeweiliges Ergebnis: Vertagung

Verwaltungsausschuss vom 23.05.2012, öffentlich, Nr. 142
Ergebnis: ohne Votum in die Sitzung des Gemeinderats verwiesen

Gemeinderat vom 24.05.2012, öffentlich, Nr. 81
Ergebnis: Zurückstellung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 26.04.2012, GRDrs 284/2012, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Antrag auf Zulassung eines Bürgerentscheids über die Energie- und Wasserversorgung Stuttgart ist unzulässig.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, den Vertrauensleuten der Antragsteller die Feststellung der Unzulässigkeit bekannt zu geben.

Der Niederschrift angeheftet ist die Ergänzung zur GRDrs 284/2012 vom 28.11.2012.

Die Wortbeiträge der Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen werden teilweise durch laute Unmutsäußerungen von Besucherinnen und Besuchern auf der Zuhörertribüne gestört.

EBM Föll verweist einleitend auf die o. g. Ergänzung zur GRDrs 284/2012, die eine Änderung in der Ziffer 2.1 der Begründung der genannten Drucksache enthält, dass alle Vertrauensleute des Bürgerbegehrens in Stuttgart wahlberechtigt sind und das Bürgerbegehren auch unterschrieben haben. In der Vorlage sei dies falsch dargestellt. Er entschuldige sich für diese unzutreffende Darstellung ausdrücklich bei Frau Bund, die davon persönlich betroffen gewesen sei.

Nachdem die Initiatoren des Bürgerbegehrens gebeten haben, nunmehr eine Entscheidung über die rechtliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu treffen, weist der Vorsitzende darauf hin, dass die Verwaltung bei ihrer Auffassung, nicht zuletzt gestützt auch auf das Rechtsgutachten von Herrn Dr. Porsch, bleibe, dass das Bürgerbegehren rechtlich nicht zulässig ist. EBM Föll betont, dass der Gemeinderat heute ausschließlich über die Frage der rechtlichen Zulässigkeit zu entscheiden habe und nicht darüber, wer die Konzession bekommt. Es handle sich um eine wichtige Entscheidung, die sich im Rahmen der Rechtsordnung bewegen müsse. Der Gemeinderat sei verpflichtet, die bestehenden Gesetze entsprechend rechtmäßig anzuwenden, um zu verhindern, dass rechtswidrige Entscheidungen zustande kommen.

Er begrüßt Herrn Dr. Porsch und bittet ihn um eine nochmalige kurze Darlegung, warum das Bürgerbegehren zur Energie- und Wasserversorgung Stuttgart insgesamt rechtlich nicht zulässig ist.

Herr Dr. Porsch erinnert an die ausführliche Beratung dieser Problematik in der Sitzung des Gemeinderats am 24.05.2012 (vgl. Niederschrift Nr. 81) und wiederholt die Aussage, dass die rechtliche Stellungnahme das Ergebnis erbracht habe, dass das Bürgerbegehren die formalen Voraussetzungen für die Zulässigkeit allesamt erfüllt. Das erforderliche Quorum sei gegeben, die Einreichungsfrist sei eingehalten worden und ein Kostendeckungsvorschlag sei enthalten. Insoweit gebe es keine Probleme.

Jede verlangte Maßnahme müsse aber, wie von EBM Föll bereits dargelegt, mit der Rechtsordnung vereinbar sein, da das Bürgerbegehren die Wirkung eines endgültigen Gemeinderatsbeschlusses habe. Ein Bürgerentscheid gelte für drei Jahre und könne vom Gemeinderat nicht mehr abgeändert werden. Es bestehe kein Anspruch auf Zulassung eines Bürgerentscheids, der im Fall seiner Annahme rechtswidrig wäre und die Gemeinde zu rechtswidrigem Handeln zwingen würde.

Weiter führt Herr Dr. Porsch aus (leicht gekürzter, überarbeiteter Wortlaut):
"Das Bürgerbegehren fordert: 'Sind Sie dafür, dass die Stadt Stuttgart die Konzession und den Betrieb der Netze für Wasser, Strom, Gas und Fernwärme spätestens ab 01.01.2014 selbst übernimmt und sind Sie gegen einen Gemeinderatsbeschluss, der dem nicht entspricht?' Eigentlich ein glasklarer Wortlaut. Diese vier Bereiche Wasser, Strom, Gas und Wärme, muss die Stadt selbst übernehmen. Ein bisschen Spielraum lässt der Beschluss hinsichtlich des Wie: durch Stadtwerke, die 100 % Tochter der Stadt sind oder durch die Stadt, einen Eigenbetrieb, selbst. Aber im Übrigen gibt es keinen Spielraum. Es gibt also keine Möglichkeit für Kooperationen mit anderen privaten Unternehmen, die nicht Stadt sind. Und auch jeder Gemeinderatsbeschluss, der dem nicht entspricht, also z. B. ein Beschluss, der jetzt ein wettbewerbliches Verfahren eröffnen würde oder solche Kriterien für eine Vergabe im wettbewerblichen Verfahren formulieren würde, wäre unzulässig, weil er theoretisch auch zum Ergebnis haben könnte, dass sich ein anderes Unternehmen in diesem Wettbewerb durchsetzt.

Wie sieht es mit der rechtlichen Zulässigkeit eines solchen Vorgehens aus? Mittlerweile sind wir alle Experten im Energiewirtschaftsrecht und im Kartellrecht. Für das Strom- und Gasnetz gibt es den § 49 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), der letztlich vorschreibt, dass Konzessionen in einem fairen diskriminierungsfreien und durchaus auch ergebnisoffenen Verfahren zu vergeben sind. Sie sind also auszuschreiben. Ein Vergabeverfahren könnten Sie nicht einleiten und fortführen, wenn der Bürgerentscheid Erfolg hätte, da er eine Inhouse-Vergabe, ein Durchreichen der Konzessionen für Strom und Gas auf die Stadt selbst vorsieht.

Mit der Wasserversorgung liegen die Dinge anders. Hier gilt der § 46 EnWG nicht. Wir können uns hier Möglichkeiten vorstellen, die mit der Rechtsordnung vereinbar sind, wenn die Stadt die Wasserversorgung selbst übernimmt. Hier haben wir nur die Besonderheit: Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart hat genau das beschlossen, nämlich dass er die Wasserversorgung selbst übernehmen will. Und aus diesem Grund entfällt dann ein Bürgerentscheid nach § 21 Abs. 4 Satz 2 GemO. Den Aufwand für die Durchführung kann man sich sparen, sagt letztlich das Gesetz, wenn der Gemeinderat das so beschlossen hat.

Bei der Fernwärmeversorgung liegen die Dinge ähnlich. Auch hier meinen wir, dass das Bürgerbegehren auf ein rechtmäßiges Ziel gerichtet ist. Man könnte sich also auch hier Lösungswege vorstellen, indem ein Eigenbetrieb der Stadt oder eine Stadtwerke AG bzw. GmbH die Konzession vergaberechtsfrei übernimmt.

Ergebnis: Für Strom und Gas ist das Bürgerbegehren unzulässig. Für Wasser ist es zwar zulässig, aber entbehrlich durch den entsprechenden Beschluss des Gemeinderats. Für die Fernwärme ist das Bürgerbegehren zulässig. Es ist insgesamt, und das hat auch Herr Böhler im Mai bestätigt, als Einheit gestellt worden. Es ist nicht teilbar, und damit ist es insgesamt unzulässig.

Dies sind die wesentlichen Gründe in unserem Gutachten, über die wir auch schon gesprochen haben. Die spannende Frage ist: Gibt es etwas Neues, was die Bewertung vielleicht infrage stellt? Es gibt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom Juli 2012, das durchaus kommunalfreundlich ist. Dazu aber ein wichtiger Punkt. Auch in diesem Verfahren in Oldenburg wurde ein wettbewerbliches Verfahren durchgeführt. Es gab keine Direktvergabe ohne jede Ausschreibung, ohne jedes Vergabeverfahren, sondern eine Vergabe im Wettbewerb. Nur hatte die Gemeinde die Kriterien geschickt so formuliert, dass am Schluss der Sieger eben eine kommunale Gesellschaft war. Dieses Urteil rechtfertigt nicht den Schluss, man könnte eine Vergabeentscheidung entgegen § 46 EnWG ohne Wettbewerb zulassen. Der zweite wesentliche Punkt an dem Urteil: Es ist keine Entscheidung eines Zivilgerichts. Zuständig für Klagen unterliegender Bewerber sind die Zivilgerichte, die Kartellsenate. Im Fall des VG Oldenburg ging es um eine aufsichtliche Verfügung des Landratsamts, also eine Beanstandungsverfügung gegenüber dem Beschluss, die Versorgungsaufgabe der kommunalen Gesellschaft zu übertragen. Vom Verwaltungsgericht ist im Eilverfahren der Sofortvollzug der Beanstandungsverfügung aufgehoben worden. Es bleibt letztlich der Beschluss eines Gerichts, das für unser Vergabethema nicht zuständig ist.

Jetzt zum Artikel 28 Grundgesetz (GG). Er formuliert in der Tat das kommunale Selbstverwaltungsrecht, d. h. die Gemeinde darf ihre eigenen Angelegenheiten regeln. Aber - eine gewichtige Einschränkung - im Rahmen der Gesetze. Und § 46 EnWG schreibt auch einen wichtigen Grundsatz fest, nämlich den Wettbewerb, und dass die Gemeinde im Wettbewerb die Konzession dem besten und günstigsten und insgesamt besten Anbieter erteilen soll. Es ist letztlich europarechtlich vorgegeben, dass die Gemeinde das im Wettbewerb machen muss. Daran ist sie gebunden. Und genau deshalb ist auch das kommunale Selbstverwaltungsrecht hier eingeschränkt.

Ganz aktuell gibt es neue Beschlüsse vom Oberlandesgericht Schleswig. Also diesmal sozusagen von der zuständigen Gerichtsbarkeit, die sehr klar gesagt hat, dass die Gemeinden ihre Konzessionsverträge ausschreiben und im Wettbewerb vergeben müssen, also den § 46 EnWG beachten müssen. Wenn sie das nicht tun, wie in dem Fall des OLG Schleswig, wenn sie also die Konzession ohne Vergabeverfahren direkt an sich selbst vergeben, können sie auch nicht die Begünstigungen des § 46 Abs. 2 EnWG in Anspruch nehmen. Das heißt: Der Rechtsanspruch auf Rückübertragung der Netze greift dann nicht. Wenn der Bürgerentscheid positiv ausginge und die Stadt sich selbst die Konzession vergeben würde, würde das bereits eingeleitete Vergabeverfahren abbrechen. Dann käme man zu dem Ergebnis, dass man dann keinen Rechtsanspruch auf Übertragung der Netze hätte."

EBM Föll dankt Herrn Dr. Porsch für seine Ausführungen und bittet um Wortmeldungen der Sprecherinnen und Sprecher der Gemeinderatsfraktionen. Die Wortmeldungen werden jeweils im überarbeiteten, leicht gekürzten Wortlaut wiedergegeben.

StR Stopper (90/GRÜNE):

"Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister, sehr geehrter Herr Dr. Porsch, wir haben diese Vorlage, die Thematik des Bürgerbegehrens zur Energie- und Wasserversorgung, im Mai sehr ausführlich hier besprochen. Wir haben dort sehr intensiv auch mit der Seite der Initiatoren des Bürgerbegehrens die rechtlichen Fragen diskutiert, im Verwaltungsausschuss und auch hier im Gemeinderat. Wir, die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, haben damals uns der rechtlichen Auffassung, die von der Stadtverwaltung und dem Gutachter vertreten wurde, angeschlossen. Auch wir haben sehr eindeutig erkannt, dass die rechtliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht gegeben ist. Wir haben es in der Diskussion damals mit zwei Diskussionssträngen zu tun gehabt. Und die betreffenden Vertrauensleute des Bürgerbegehrens, die jetzt heute auf die endgültige Klärung der Frage gedrängt haben, waren ja genau die, die damals die Auffassung vertreten haben, das Bürgerbegehren ziele darauf ab, direkt inhouse zu vergeben. Das war ein Unterschied zu einem anderen Teil der Vertrauensleute. Insofern ist die Rechtslage hier doch sehr eindeutig. Und es war damals und es ist heute klar, wenn wir das Bürgerbegehren zuließen, dass dann in dem Moment, in dem die Stadt ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren eröffnen würde nach § 46 Energiewirtschaftsgesetz, sie gegen das Bürgerbegehren verstoßen würde und gegen einen entsprechenden Bürgerentscheid - und damit eben das Konzessionsverfahren gegen den eigenen Beschluss der Stadt verstoßen würde. Wir müssen aber ein solches diskriminierungsfreies und transparentes Verfahren durchführen. Insofern ist die Rechtslage hier auch aus unserer Sicht sehr klar.

Der Gemeinderat hat damals aber nicht entschieden, sondern er hat gesagt, er stellt die Entscheidung zurück, ausdrücklich aus Respekt vor den 27.000 Bürgerinnen und Bürgern, die das Bürgerbegehren unterschrieben haben und die damals sehr klar ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben, dass die Stadt bei der Energie- und Wasserversorgung das Heft wieder selbst in die Hand nehmen soll. Aber wir haben gesagt, wir schieben die Entscheidung.

Jetzt steht heute die Entscheidung an auf Antrag der beiden Vertrauensleute, Frau Kern und Herr Jochimsen, die jetzt beantragt haben, der Gemeinderat soll endlich entscheiden. Für uns ist, Herr Dr. Porsch, Sie haben es ausgeführt, auch durch die neuen Argumente, die herangeführt wurden, die Rechtslage nicht anders geworden. Die rechtliche Zulässigkeit beurteilen wir jetzt nicht anders. Aber ich möchte auf einen Aspekt hinweisen, der in der damaligen Diskussion im Mai etwas untergegangen ist. Wenn man sich den Diskussionsverlauf im Gemeinderat über die Jahre, beginnend 2009, 2010, noch einmal vor Augen führt, dann konnte durchaus am Anfang der Eindruck entstehen, dass der Gemeinderat auch selbst, und die Stadtverwaltung, die Auffassung vertritt, man ist hier bei der Konzessionsvergabe ziemlich freihändig unterwegs und man ist durchaus in der Lage, freihändig zu vergeben. Das hat sich in einer frühen Phase dann doch recht klar anders dargestellt. Spätestens mit dem gemeinsamen Leitfaden der Bundesnetzagentur und des Kartellamtes war dann auch hier im Haus eindeutig klar, in welche Richtung wir gehen müssen, nämlich in ein wettbewerbliches Verfahren. Und seitdem ist die Diskussion eindeutig.

Aber ich gebe zu, dass in der Anfangsphase insgesamt bei der Verwaltung und im Gemeinderat die Diskussion offener war. Insofern besteht hier auch kein Grund, vom hohen Ross herab auf die Initiatoren herunterzublicken, sondern sie haben ihre Rechtsauffassung sehr begründet dargelegt. Aber aus unserer Sicht ist dieses Bürgerbegehren nicht zulässig.

Ich möchte aber zum Konzessionsverfahren sagen, dass wir an den Papieren, die erstellt wurden, an den Verfahrensbriefen und an dem Musterkonzessionsvertrag, der Grundlage des Verfahrens ist, doch sehen können, dass wir auf einem sehr guten Weg sind. Wir haben einen Konzessionsvertrag beschlossen hier im Gemeinderat als Grundlage des wettbewerblichen Verfahrens, der sehr ambitioniert ist, der der Kommune unabhängig davon, wie dieses Verfahren ausgehen wird, eine wesentlich bessere, wesentlich stärkere Stellung geben wird. Deswegen gehen wir guter Dinge weiter in diesem Verfahren voran und glauben auch, dass am Ende dieses Verfahrens für die Stadt eine sehr gute Lösung herauskommen wird. Vielen Dank."

StR Kotz (CDU):

"Herr Erster Bürgermeister, als wir am 24.05. dieses Jahres die Vorlage diskutiert haben, war es für uns sehr anerkennend, dass wir gesagt haben, 27.000 Menschen in dieser Stadt beschäftigen sich mit dieser Thematik, haben ein Interesse daran, wie das Thema Netze, wie das Thema Energieversorgung im Ganzen in dieser Stadt funktioniert und wie wir uns hier zukünftig aufstellen wollen. Das ist anzuerkennen, das freut uns, dass wir ein so großes bürgerschaftliches Engagement in dieser Stadt haben.

Umso mehr hat es uns damals gestört und stört es uns heute, dass die Vertrauensleute dieses Bürgerbegehrens diese 27.000 Mitbürgerinnen und Mitbürger mit einer rechtlich nicht zulässigen Fragestellung in eine Situation gebracht haben, die wir nicht für richtig halten. Der normale Bürger, der auf der Straße gebeten wird, eine Unterschrift zu leisten, kann diese rechtliche Einschätzung nicht haben. Das erkennen Sie daran, dass 27.000 Leute das unterschrieben haben, obwohl es rechtlich nicht zulässig ist. Da mache ich den 27.000 Mitbürgerinnen und Mitbürgern auch keinen Vorwurf; aber diesen Vorwurf müssen sich die Vertrauensleute gefallen lassen, die diese Listen gefertigt haben und die dafür geworben haben.

Und weil wir das Engagement dieser 27.000 Menschen und diese Möglichkeit der Mitsprache und des Engagements in dieser Stadt würdigen wollten, haben wir auf Antrag der CDU-Fraktion damals im Mai gesagt, wir möchten nicht, dass der Gemeinderat jetzt entscheidet und dieses Bürgerbegehren ablehnen muss, weil es rechtlich nicht zulässig ist. Es handelt sich hier nicht um eine politische Entscheidung, sondern um eine rechtliche Entscheidung. Wir haben hier keinen Gestaltungsspielraum. Deswegen haben wir damals die Brücke bauen wollen als CDU-Fraktion und haben uns gefreut, dass auch überwiegend der Gemeinderat unserem Vorschlag gefolgt ist, die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zulassung des Bürgerbegehrens auf Eis zu legen, weil ja durchaus die Chance besteht, dass am Ende des Prozesses, den wir gerade betreiben - der Kollege Stopper hat es ja beschrieben -, am Ende dieses diskriminierungsfreien Verfahrens in einem Wettbewerb eventuell ja sogar das Ergebnis genau das ist, was das Bürgerbegehren auch erreichen möchte.

Insofern wollten wir dieses Bürgerbegehren nicht ablehnen, sondern es so lange aussetzen, bis das Verfahren, das wir hier zur Vergabe der Konzession durchführen, abgeschlossen ist. Uns war allen bewusst, dass aber die Vertrauensleute jederzeit den Anspruch und das Recht haben, eine Entscheidung des Gemeinderats herbeizuführen. Und umso mehr finden wir es heute zum wiederholten Mal nicht gut und nicht richtig und nicht angemessen, dass Sie jetzt die Verwaltung und den Gemeinderat aufgefordert haben, diese Entscheidung heute durchzuführen. Weil Sie genau wissen, dass wir dieses Bürgerbegehren nur ablehnen können, weil es gar keine andere Zulässigkeit hat.

Für uns wäre es richtig gewesen, dieses weiterhin in einem ruhenden Verfahren zu haben und dann darüber zu entscheiden, wenn das Verfahren der Vergabe entsprechend abgeschlossen ist. Wir müssen dieses Recht auf Entscheidung jetzt heute umsetzen, da führt kein Weg daran vorbei, und in der Zeit seit 24. Mai haben sich weitere Schritte auch im Bereich weiterer Verfahren ergeben, die unsere Rechtsauffassung - die der Verwaltung, des Gemeinderats und der CDU-Gemeinderatsfraktion - bestärken, und ich möchte einen noch ganz aktuellen, heute tagesaktuellen Punkt, ansprechen: Das Bundeskartellamt hat heute Morgen eine Pressemitteilung herausgegeben zur Untersagung der Konzessionsvergabe der Stadt Mettmann für Strom und Gasnetze - genau das, worüber wir uns unterhalten. 'Bonn, den 6. Dezember d. J. Das Bundeskartellamt hat der Stadt Mettmann untersagt, die Wegerechte für den Betrieb des Strom- und Gasnetzes ohne ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren inhouse an ihr eigenes Tochterunternehmen zu vergeben.' Genau das war das, auf was das Bürgerbegehren abgezielt hat und just heute an diesem Tag hat das Bundeskartellamt wieder bestätigt, es ist rechtlich nicht zulässig, was dieses Bürgerbegehren fordert. In der gleichen Pressemitteilung führt das Bundeskartellamt weiterhin aus: 'Darüber hinaus begleitet das Bundeskartellamt auch laufende oder bevorstehende Auswahlverfahren in mehreren Großstädten (Berlin, Hamburg, Stuttgart und Leipzig), um darauf zu achten, dass die Auswahlkriterien diskriminierungsfrei sind sowie nur wettbewerbs- und verbraucherbezogene Ziele für den Netzbetrieb berücksichtigt werden.'

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können nicht diesen Weg hier einschlagen, dieses Bürgerbegehren zuzulassen, weil es auf eine Entscheidung womöglich hinführen würde, die rechtlich nicht zulässig wäre, wo die entsprechenden Gesetze dagegenstehen, und deswegen bleibt uns hier gar keine andere Wahl, als dieser Beschlussvorlage zuzustimmen und das Bürgerbegehren abzulehnen.

Lassen Sie mich noch einen letzten Satz sagen zu dem Werbematerial, das hier gerade vor der Tür ausgeteilt worden ist: Wenn ein Dracula und die EnBW auf einer Postkarte dargestellt werden mit den entsprechenden Texten, wer so mit einem Unternehmen in dieser Stadt umgeht, wer so mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in dieser Stadt umgeht, die über viele, viele Jahre die Energieversorgung in dieser Stadt aufrecht erhalten haben, die mit ihrer Arbeit zu Tag- und Nachtzeiten dafür gesorgt haben, dass die Wirtschaft hier funktioniert, dass wir Licht und Strom in unseren Wohnungen haben, dass unsere Kindergärten entsprechend versorgt sind, die wie die EnBW sich in unterschiedlichsten kulturellen und sportlichen Bereichen, im Bereich Sponsoring und sonstigem engagiert haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei aller fachlicher Diskussion und aller sachlichen Diskussion, für die ich stehe und wo wir auch miteinander ringen und was wir auch sehr gut im Gemeinderat zur Zeit machen im entsprechenden Unterausschuss, so kann man mit Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht umgehen. Und nachdem da unten draufsteht 'Die Linke in Bad Cannstatt' erwarte ich doch von der entsprechenden Fraktionsgemeinschaft hier im Rat, dass sie sich nachher deutlich von diesem Werbematerial distanziert. Herzlichen Dank."

StR Kanzleiter (SPD):

"Herr Erster Bürgermeister Föll, meine Damen und Herren, auch meine Damen und Herren im Publikum, es ist eigentlich festzuhalten am Anfang, dass durch Zeitablauf diese Entscheidung im Grunde genommen überholt ist. Ich verhehle nicht, dass die Zielsetzung der Antragsteller, möglichst viel kommunale Selbstverwaltung durchzusetzen, möglichst viel eigene Entscheidungsmöglichkeiten der Stadt zu postulieren und auch in Wirkung zu setzen, uns sehr sympathisch ist. Wir sind schon der Meinung, dass kommunale Selbstverwaltung auch in der Lage sein müsste und wäre, eine richtige Entscheidung zu treffen. Aber es ist das eine der Wunsch, es selbst tun zu wollen, und es ist das andere die Rechtslage, die uns eben verpflichtet, bestimmte Vorgehensweisen einzuhalten. Und diese Rechtslage ist vorhanden. Und es ist heute auch schon mehrmals dargelegt worden, wie sie gestaltet ist.

Ich will nur noch einmal darauf hinweisen, dass neben dem Grundgesetz, das die kommunale Selbstverwaltung in Artikel 28 postuliert, eben auch das Energiewirtschaftsgesetz gilt, dass die Regelungen des Wettbewerbs von europäischer Ebene gelten, dass wir die Kartellbehörden haben, die uns überwachen, und es ist gerade auch darauf hingewiesen worden, was sich tatsächlich in der Praxis derzeit abspielt. Und ich will noch eines ergänzen: Der Bundestag hat am 28. November in 3. Lesung bei der Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes es erneut abgelehnt, eine Klarstellung vorzunehmen insoweit, den Kommunen bei den Kriterien für die Vergabe von Konzessionen einen größeren Spielraum einzuräumen, als er bisher im Energiewirtschaftsgesetz ohnehin gegeben ist. Er ist gegeben, das ist klar, wir haben einen eigenen Entscheidungsspielraum, aber dieser ist umstritten, und das wissen wir aus der aktuellen Rechtsprechung. Darum sage ich, dass dieses Bürgerbegehren im Prinzip auch von der zeitlichen Dimension her überholt ist.
Ich darf festhalten: Erstens, bei der Wasserversorgung sind wir an dem Punkt, dass wir uns im Prinzip ja einig sind, auch mit der abgebenden EnBW, wie diese Wasserversorgung in der Zukunft gestaltet sein soll, nämlich als städtischer Eigenbetrieb zusammen mit der Stadtentwässerung Stuttgart zu 100 % in kommunaler Hand. Darüber sind wir uns einig. Die Frage ist nur, wie kommen wir an dieses Eigentum, über dessen Inhalt wir uns einig sind? Dazu hat der Gemeinderat in der letzten Woche beschlossen, die Klage gegenüber der EnBW auf Herausgabe dieses Eigentums an die Stadt Stuttgart vorzubereiten. Das zeigt die Ernsthaftigkeit unseres Vorgehens und zeigt auch, dass wir es wirklich ehrlich meinen und das auch umsetzen wollen, was wir als Gemeinderat beschlossen haben, nämlich die kommunale Wasserversorgung zu 100 % in die kommunale Hand zu nehmen. Insoweit ist dieses Bürgerbegehren und dieses, was hier gewollt wird, überholt und ist auch durch unsere Praxis, denke ich, bestätigt.

Das Zweite ist: Wir haben derzeit ein laufendes Verfahren zur Vergabe der Konzessionen, das ist im Gange, das ist vorbereitet worden vor der Sommerpause. Alle diejenigen, die es verfolgen wollten und verfolgt haben, wissen, dass wir hier im Gemeinderat über die Kriterien beschlossen haben, die anzuwenden sind bei der Vergabe der Konzessionen. Und da haben wir die Bürgerinnen und Bürger mit einbezogen. Wir sind in Veranstaltungen mit ihnen die Texte durchgegangen, und da waren die Initiatoren dieses Antrags auf ein Bürgerbegehren mit am Tisch und haben mitgearbeitet in einer konstruktiven Weise und haben auch Beiträge gebracht, die wirklich auch in die Kriterien eingeflossen sind. Dafür bedanken wir uns auch heute noch und wir meinen, wir hätten hier eine aktive Bürgerbeteiligung betrieben. Deshalb ist das ein weiterer Beweis dafür, dass dieser Antrag zum heutigen Zeitpunkt auch überholt ist vom zeitlichen her, ganz abgesehen vom rechtlichen. Die rechtlichen Gründe jetzt nochmals darzulegen erspare ich mir und verweise insoweit auf das, was in der Vorlage ausgeführt ist und auch auf das, was schon bereits vor der Sommerpause hier im Hause besprochen und diskutiert worden ist. Wir waren auch bereits vor der Sommerpause der Auffassung, dass von der rechtlichen Seite aus betrachtet dieses Bürgerbegehren nicht zulässig sein wird und haben im Hinblick auf die laufende Bürgerbeteiligung die Entscheidung zurückgestellt. Heute ist der Zeitpunkt gekommen auf Antrag der Bürgerinitiativen, dass wir entscheiden, und deshalb bleibt uns gar nichts anderes übrig, als heute der Vorlage, so wie sie vorliegt, zuzustimmen."

StR Zeeb (FW):

"Herr Erster Bürgermeister, Herr Dr. Porsch, meine Damen und Herren, ich erinnere mich noch gut, dass nach Absprache mit den damaligen Antragstellern wir im Mai dieses Begehren zurückgestellt haben. Damals gab es sehr gute Redebeiträge von allen Seiten, die den Sachverhalt gewürdigt haben und die hier im Gemeinderat auch von den Initiativen vorgetragen wurden. Ich erinnere mich auch noch in dieser ganzen Zeit von damals bis heute, dass viele Anregungen der Bürgerinitiativen bisher in diesen Prozess eingeflossen sind. Das ist dankenswert. Aber als gewählter Stadtrat müssen ich und meine Fraktion zum Wohl der Stadt uns nach Recht und Ordnung richten. Das tun wir einfach, indem wir die Zulässigkeit des Bürgerentscheids - wie die Gerichte - verneinen. Wir halten uns an die gesetzlichen transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahren. Somit können wir einfach, das ist schlicht in diesen wenigen Worten gesagt, dem Bürgerbegehren nicht zustimmen, und stimmen der Verwaltungsvorlage zu. Vielen Dank."


StR Klingler (FDP):

"Herr Erster Bürgermeister, meine Damen und Herren, man hat jetzt eine Schleife von einem halben Jahr gedreht, das war sicherlich auch gut so. Wir haben seinerzeit sehr viele gute Beiträge gehört, und es ist auch schön, wenn 27.000 Leute hier ein Thema weiterbringen. Nur stellt sich die Frage, wie man mit Bürgerbegehren grundsätzlich umgeht. Denn wenn man wegen verschiedenen Dingen immer wieder Bürgerbegehren hochzieht, dann wird etwas irgendwann auch zum inflationären Begriff.

Es ist für mich eine Frage, die Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen. Ich denke, wenn man genau das macht, was beispielsweise hier auf dem Zettel steht, dass außer der Fraktion SÖS und LINKE alle anderen das ablehnen, dann stellt sich für mich die Frage, wieso macht man ein Bürgerbegehren gegen die LBBW, wo es heißt, die Stadt soll sich unternehmerisch nicht beteiligen. Und hier ist man der Meinung, man braucht unbedingt Stadtwerke, wo man mit 178 Anbietern in einem Wettbewerb steht, wo die Stadt sehr viel Geld in die Hand nehmen muss und ein erhebliches unternehmerisches Risiko für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt besteht.

Es geht aber heute gar nicht darum, die Risiken der Stadtwerke darzustellen. Die Stadtwerke sind gegründet, die Stadtwerke sind da. Deswegen ist ja im Prinzip auch der Wunsch und Wille der Begehrensbetreiber hier soweit eingegangen. Man muss klar sehen, man hat es mehrheitlich so gemacht. Wir waren dort immer schon dagegen, wir werden das kritisch begleiten. Aber wir sind der Meinung, dass wir mit dem Geld unserer Bürgerinnen und Bürger sehr sorgfältig umgehen müssen.

Wenn jetzt gerade der Einwand kam, wir langen in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger, dann muss man nur mal vergleichen, dass die Preissteigerung bei der guten alten TWS 9,4 % im Jahr war. Und als danach die EnBW die Dinge übernommen hat, waren wir bei gut 2 %. Ich bin nicht der Meinung, dass die Stadt den besseren Unternehmer darstellt. Aber deswegen brauchen wir gute Kooperationslösungen. Deswegen wurde auch festgelegt, dass wir transparente, objektive, ergebnisoffene Konzessionsgespräche führen müssen. Deswegen müssen wir schauen, dass wir das Risiko für uns als Stadt und für die Bürgerinnen und Bürger hier nach Möglichkeit minimieren können.

Es wurde gerade gefragt, wie kommen wir ans Eigentum? An Eigentum kommt man, indem man einen Preis bezahlt. Der Preis wird demnächst auch festgelegt sein. Und dann wird man sehen, was wir erst mal an Vorleistung bringen. Dann hoffe ich zumindest, dass die 27.000 Unterschreibenden alle sehr schnell Kunde der Stadtwerke werden. Denn nur, wenn wir hier möglichst viele Kunden haben, kann auch dieses Unternehmen Gewinne schreiben. Und dann bringen wir die Sache dementsprechend weiter.

Die Flyer, die hier verteilt worden sind, das muss ich auch sagen, die sind grundsätzlich unsäglich, denn niedrigere Preise gab es früher nicht bei der TWS. Es ist nicht so, dass Unternehmertum alles nur verteuert, ganz im Gegenteil. Und demokratische Verwaltung und Kontrolle ist definitiv in vielen Bereichen gegeben. Aus meiner Sicht hat alles insoweit mit der EnBW als Partner immer funktioniert.

Heute entscheiden wir aber nur über die rechtliche Zulässigkeit. Und in einem Rechtsstaat ist es so, dass man sich an eine Rechtsordnung halten muss. Ein Bürgerbegehren, das einer Rechtsordnung nicht standhält, kann eben auch nicht durchgeführt werden. Das ist auch ein ganz wichtiger Faktor eines Rechtsstaates. Da muss man einfach sagen, entweder muss jemand, der ein Bürgerbegehren macht, es so gestalten, dass es rechtlich korrekt ist. Oder er muss es einfach lassen, sonst gibt es hier permanent 'blaue Augen'. Und die 27.000 Leute, die hier motiviert waren, die unterschrieben haben, wundern sich dann und stellen fest, dass eigentlich ihre Meinung auch nicht rüberkommt und dass sie womöglich irgendwo verschaukelt wurden. Und das macht doch auch keinen Sinn.

Wir als Stadträte und als FDP-Gemeinderatsfraktion prüfen täglich, wie wir für unsere Bürgerinnen und Bürger das Beste machen können, wie wir hier möglichst das Risiko minimieren. Deswegen, wie gesagt, gibt es die Stadtwerke mit einer guten konstruktiven Konzessionsentscheidung dann.

Aus heutiger Sicht muss man ganz klar sagen, das wurde auch von Herrn Dr. Porsch nochmals dargestellt, das Bürgerbegehren ist unzulässig aus rechtlicher Sicht. Deswegen werden wir der Beschlussvorlage heute zustimmen. Ich bin auch froh, dass wir das im alten Jahr noch machen, denn etwas noch ins neue Jahr mitzunehmen, was völlig chancenlos ist, und die Leute weiterhin hier mit irgendwelchen Wunschvorstellungen ins neue Jahr zu schicken, das macht auch keinen Sinn. Bürgerbegehren ja, aber dann bitte richtig."

StR Rockenbauch (SÖS und LINKE):

"Sehr geehrte Damen und Herren, es sind gerade keine guten Zeiten für Bürgerbegehren und für eine neue demokratische Kultur hier in Stuttgart. Wir stellen fest, dass die Versprechen von einigen hier vertretenen Fraktionen, dass man aus Stuttgart 21 gelernt hätte und man einen neuen demokratischen Umgang miteinander pflegen würde und für mehr Demokratie sorgen würde, nicht wirklich ernst genommen werden.

Heute und morgen sollen gleich zwei Bürgerbegehren, die uns sehr am Herzen liegen und wofür wir auch viel gekämpft haben, für unzulässig erklärt werden. Und beide Male ist es wieder das Problem, dass man an die Formulierung von Bürgerbegehren und gleichzeitig an das, dass Bürgerbegehren keine aufschiebende Wirkung haben - so z. B. morgen für unser Bürgerbegehren - Anforderungen stellt und gesetzliche Rahmenbedingungen zur Kenntnis nehmen muss, die die direkte Demokratie, die ja von Bürgerinnen und Bürgern ehrenamtlich auch bei Bürgerbegehren gemacht wird, 'verunmöglicht', erschwert und wie in diesem Fall hier in einen Konflikt bringt zur geltenden Rechtsprechung, der hier formuliert wird.

Wir haben im Mai als Fraktionsgemeinschaft das Bürgerbegehren für zulässig gehalten. Und wir tun das auch weiterhin. Wir kommen zu einer anderen juristischen Einschätzung als Sie, Herr Porsch. Wir sehen, dass das Grundgesetz inzwischen in Konflikt geraten ist, im Speziellen der Artikel 28 der kommunalen Selbstverwaltung permanent unterhöhlt wird durch die Angriffe, die von der EU kommen, die hier alles und immer mehr und gerade die öffentliche Daseinsvorsorge in Wettbewerbsverfahren zerren will. Und auch die Einmischungen von Kartellbehörden sind für uns keine legislativen Veranstaltungen, sondern sind eigentlich nur für das Marktgeschehen zuständig. Und wir bezweifeln eben gerade dieses: 'Öffentliche Daseinsvorsorge darf nicht im Wettbewerb verhandelt werden.' Wir haben also als Stadträte und Hüter des Gemeinwohls und der Daseinsvorsorge hier auch die Pflicht unserer Meinung nach, dafür zu sorgen, dass diese Angriffe abgewehrt werden. Deswegen kommen wir zu einer anderen juristischen Einschätzung, als sich jetzt hier mit den existierenden Rechtsprechungen schon auf den Rücken zu legen und zu sagen, jetzt können wir nichts machen, tut uns leid, liebe Bürger.

Wir haben damals leider für unsere Auffassung, dass das Bürgerbegehren zulässig ist, keine Mehrheit gefunden und haben dann zähneknirschend auch einer Vertagung zugestimmt. Das holt uns jetzt bitter ein, das muss ich zugeben. Weil natürlich inzwischen das Verfahren weiterging. Und ohne ein Bürgerbegehren im Rücken blieb uns auch als Fraktionsgemeinschaft nichts anderes übrig, als das Verfahren, das die Verwaltung und die Mehrheit hier vorgegeben haben, dass man eben doch ausschreibt, so gut wie möglich mitzugestalten. Darin waren wir auch erfolgreich. Doch ich will heute betonen, Herr Kanzleiter, und das ist ein Unterschied: Wir sind an einem Punkt, wo in diesem Verfahren nichts irreversibel ist. Also auch das begonnene Verfahren führt unserer Meinung nach heute nicht dazu, dass irgendwie das Bürgerbegehren jetzt unzulässig wäre oder zu spät kommen würde oder ins Leere laufen würde.

Ganz im Gegenteil, wir sind weiter der Meinung, dass das Ziel, das das Bürgerbegehren formuliert, dass wir die Konzessionen und den Betrieb für unser Wasser, Strom und Gas und Fernwärme selber übernehmen als Stadt, doch eigentlich das Ziel von allen Fraktionen hier ist. Wir haben es immer wieder erklärt, außer der FDP. Die FDP kann auch nicht unterscheiden, dass zwischen Daseinsvorsorge bei Wasser, Energie und Strom und Nahrungsmittelspekulation bei der LBBW ein eklatanter Unterschied ist. Das ist die Sonderrolle der FDP. Aber das beeindruckt uns wenig. Die anderen Fraktionen haben hier deutlich erklärt, dass eigentlich das hier angestrebte Ziel des Bürgerbegehrens in unser aller Sinne ist. Und auch, und da unterscheiden Sie ja, Herr Porsch, der Satz 2 widerspricht doch überhaupt nicht irgendetwas, was wir bis jetzt beschlossen haben, auch nicht einem wettbewerblichem Verfahren. Er widerspricht wenn, dann einer eventuellen, von Ihnen vielleicht unterstellten oder spekulativen Entscheidung, dass wir dann doch die Konzession nicht vergeben an ein Unternehmen, bei dem die Stadt beteiligt ist. Dann, in dem Fall, ganz am Ende der Prozedur, könnten wir in Konflikt mit dem hier Formulierten gelangen. Aber nicht heute und hier.

Wir schlagen aber vor, das wettbewerbliche Verfahren jetzt hier auszusetzen. Und was kann uns denn Besseres geschehen? Wenn dieses Bürgerbegehren trotz der unmöglich hohen Quoren ein Votum kriegt, nur dann sind wir gezwungen als Gemeinderat, einen anderen Weg zu gehen; wenn man dieses Quorum nimmt und sich für die direkte Vergabe entschieden wird, nur dann müssen wir das Wettbewerbsverfahren ganz absagen, sonst machen wir es einfach weiter. Was kann uns denn Besseres passieren, als mit dem Auftrag von hunderttausenden Bürgerinnen und Bürgern hier 'in den Clinch zu gehen' mit der geltenden Rechtsprechung? Und machen Sie sich doch nicht die Illusionen, auch die geltende Rechtsprechung und die geltenden Gesetze, die bewegen sich in einem politischen Raum. Und es ist unser politischer Auftrag, auch diese Gesetze zu bewerten, zu verändern und für neue Rechtsprechungen zu sorgen. Und diesen Weg sind wir bereit zu gehen, wenn ein Bürgerentscheid positiv ausgeht und wir das im Rücken haben. Deswegen werden wir uns heute hier mehrheitlich nicht der Verwaltungsvorlage anschließen, die das Bürgerbegehren für unzulässig erklärt."

StR Dr. Schlierer (REP):

"Herr Erster Bürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Anliegen des Wasserforums im Sinne einer Rekommunalisierung von Netz und Versorgung im Bereich von Gas, Strom und Wasser und Fernwärme haben wir Republikaner immer unterstützt. In der Sache ist das durchaus ein richtiges Ziel. Die Frage, über die wir heute letzten Endes zu befinden haben, ist die, welche Wege dazu beschritten werden können und welche nicht. Ich sage das ganz grundsätzlich vorab: Es geht heute nicht um den Inhalt dessen, was damit in der langfristigen Zielsetzung beabsichtigt ist, sondern es geht hier um den Weg. Hier wird uns ein Bürgerbegehren vorgelegt, über das der Gemeinderat nach der geltenden Gemeindeordnung zu befinden hat, und zwar im Hinblick darauf, ob es nun zulässig ist und damit zu einem Bürgerentscheid führen kann oder nicht. Dabei ist zu prüfen, inwieweit das Ziel, das das Bürgerbegehren vorgibt, mit Recht und Gesetz in Einklang steht. Wir haben hier als Gemeinderat keinen Spielraum, auch nicht den Spielraum, uns aus inhaltlicher Konfidenz über rechtliche Vorgaben hinwegzusetzen, sondern wir haben hier danach zu entscheiden, was Recht und Gesetz vorgeben. Deswegen kann auch dann, wenn das Anliegen befürwortet wird, die Möglichkeit aber auf dem vom Bürgerbegehren vorgeschlagenen Weg nicht zu erreichen ist, keine Zulässigkeit festgestellt werden. Das passt manchen nicht und das passt vor allen Dingen denjenigen nicht, die nicht bereit sind, Recht und Gesetz anzuerkennen, wenn es nicht ihren Zielen entspricht. Das muss man ganz offen feststellen.

Ich will aber jetzt, ohne die Debatte vom 24. Mai nochmals aufzuwärmen, doch noch einmal zwei Punkte herausstellen. Das Stuttgarter Wasserforum hat in einer Pressemitteilung vom 22.05. die Argumentation derer, die hier dieses Bürgerbegehren heute zur Abstimmung stellen wollen, deutlich gemacht. Dort wird darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der Initiatoren des Bürgerbegehrens die Bestimmung in § 46 EnWG einen gewissen Interpretationsspielraum ermögliche, aufgrund dessen man auch zu der Möglichkeit eines Inhouse-Geschäftes käme. Es wird dann allerlei als Begründung angeführt, was aber hier nicht wesentlich ist. Was außer Acht gelassen wird ist Folgendes: In § 46 Abs. 3 EnWG wird ganz klar und deutlich festgelegt, und zwar interessanterweise im Unterschied zu dem früher geltenden § 13 Abs. 3 der Fassung des Energiewirtschaftsgesetzes von 1998, dass hier eine Pflicht zur Bekanntmachung gesetzt wird. Dieses Bekanntmachungsgebot ist die Grundlage und Voraussetzung für Wettbewerb. Zweck des Gesetzes ist es damit, und zwar ganz ausdrücklich nach dem Willen des Gesetzgebers, einen Wettbewerb durch Dritte zu ermöglichen. Und damit ist die Argumentation, der § 46 Abs. 3 lasse hier noch ein Inhouse-Geschäft zu, schon durch das Gesetz selbst widerlegt. Und deswegen sage ich an die Adresse jener, die immer noch glauben, es gebe hier eine rechtliche Zulässigkeit dieses Bürgerbegehrens: Wer das Gesetz genau liest, kann bereits erkennen, dass dieses Bürgerbegehren unzulässig ist.

Zweiter Punkt. Die Regelungsgegenstände der Konzessionsverträge sind nach der geltenden Bestimmung des § 46 Abs. 2 EnWG nur noch das örtliche Verteilnetz, nicht aber die Frage, wer den Strom liefert. Und wenn ich in ein Bürgerbegehren hineinschreibe, dass es das Ziel dieses Bürgerbegehrens sei, bestimmte Stromlieferanten auszuschließen, überschreite ich bereits auch an dieser Stelle die Möglichkeiten, die mir der Gesetzgeber hier überhaupt als Kommune heute noch zur Verfügung stellt. Jetzt kann man trefflich darüber streiten, ob man diese Bestimmungen für richtig hält oder nicht. Aber da möchte ich darauf hinweisen, das sind Gesetze, die der Bundesgesetzgeber erlassen hat. Wir als Gemeinderat haben keinerlei Kompetenz, jetzt darüber zu befinden, ob das richtig ist oder nicht. Das ist so. Das ist übrigens auch so im Bereich des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union. Ich habe selber ja an verschiedener Stelle schon darauf hingewiesen, dass wir in der Tat durch diese einseitige rechtliche Vorgabe, die regelmäßig aus Brüssel gesetzt wird, nämlich im Sinne einer rein wettbewerbsrechtlichen Beurteilung, in der Tat auch Institutionen in der Vergangenheit haben schleifen müssen, die durchaus ihren Sinn und ihre Berechtigung hatten. Aber dann möchte ich mal gerne von denjenigen, die das kritisieren, eine klare Aussage zum Thema Europa hören. Da hören sie nur Jubelchöre. Nur dann, wenn es einmal hier konkret nicht in den Kram passt, wird es kritisiert. Und das ist ein Widerspruch in sich selbst.

Nun lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt ansprechen. Wir haben heute in der Tat ja nicht nur die Pressemitteilung des Bundeskartellamtes, sondern auch den Hinweis in den Zeitungen lesen können, dass weitere Bürgerbegehren, die uns schon angekündigt wurden, rechtlich unzulässig sind, morgen für unzulässig erklärt werden. Das veranlasst mich doch einmal zu folgender Überlegung: Wir sind heute als Mitglieder dieses Gemeinderates in der misslichen Lage, eine Entscheidung zu treffen, zu der wir gezwungen sind, die vielleicht von der inhaltlichen Intention, nämlich dieser Rekommunalisierung der Energie- und Wasserversorgung, gar nicht im eigentlichen Sinne einen Widerspruch erzeugt, die uns aber aus rechtlichen Gründen dazu zwingt, etwas abzulehnen. Mir tun die Bürger leid, die hier in guter Absicht unterschrieben haben und die jetzt den Eindruck vermittelt bekommen, dass 'die da oben' wieder tun, was sie wollen und sich über den Bürgerwillen hinwegsetzen würden. Dabei war - und jetzt mal an die Adresse jener, die dieses Bürgerbegehren initiiert haben - bei sorgfältiger Prüfung von vornherein im Blick auf das EnWG klar, dass das Ziel dieses Begehrens rechtswidrig ist. Wer dennoch ein Bürgerbegehren in Gang setzt, muss sich die Frage stellen, welche Absichten er wirklich hegt. Ich sage Ihnen ganz offen, ich kriege hier zunehmend den Eindruck, dass von bestimmter Seite Bürgerbegehren dazu genützt werden sollen, den Unmut in der Bürgerschaft anzufachen. Dem Gemeinderat wird dann jedes Mal hier sozusagen der schwarze Peter gebracht. Einer macht dann den Guten, lässt sich dafür entsprechend mit Jubelchören bedienen auf der Tribüne, und wenn Sie jetzt in dem Flugblatt, das heute hier verteilt worden ist, nachlesen, dann können Sie ja genau sehen, worum es geht. 'Das Stuttgarter Wasserforum wird die Ablehnung des Bürgerbegehrens nutzen, um juristisch gegen den Versuch vorzugehen, BürgerInnen und Kommunen zu entrechten.' Welch ein Unfug! Hier geht es nämlich heute nicht um die Entrechtung von Bürgern und Kommunen, das ist ein völliger Quatsch, sondern hier geht es darum, diese Missstimmung für sich politisch zu nutzen. Und da sage ich Ihnen ganz offen, das ist ein ganz miserabler Stil und das lehne ich ab. Diese Art und Weise, Bürgerbegehren zu missbrauchen, ist undemokratisch.

Und dazu passt dann noch folgende Schlussbemerkung: Wissen Sie, Herr Rockenbauch, wenn Sie hier darüber philosophieren, dass es keine demokratische Kultur gebe und man nichts aus Stuttgart 21 gelernt habe: Sie haben nichts gelernt, denn Sie haben das Ergebnis des Volksbegehrens als demokratische Beschlussfassung bis heute nicht akzeptiert und das ist undemokratisch und das hat nichts mit demokratischer Kultur zu tun. Ja, das passt manchen nicht und die rufen dann 'Aufhören'. Ich sage Ihnen ganz offen, aufhören sollte der Quatsch oben auf der Tribüne. Vielen Dank."

StR Pätzold zeigt sich verwundert über die Aussagen von StR Rockenbauch, da in der Sitzung des Gemeinderats am 19.07.2012 die Durchführung des Ausschreibungsverfahrens, ausweislich des Protokolls, einstimmig beschlossen wurde. Auch habe StR Rockenbauch an den Kriterien für die Ausschreibung im Unterausschuss mitgearbeitet.

StR Rockenbauch betont, dass durch die morgige Unterzeichnung der entsprechenden Verträge durch Vertreter der Landeshauptstadt das Bürgerbegehren unterlaufen werde. Seines Erachtens könnte das Wettbewerbsverfahren ausgesetzt und ein Bürgerentscheid durchgeführt werden. Mit dem Bürgerentscheid würde "klar ein Zeichen gesetzt für das, was notwendig ist und was weiterentwickelt gehört und wo auch die Rechtsprechung nicht das letzte Wort ist". EBM Föll hält es an StR Rockenbauch gewandt für etwas bedenklich, wenn dieser die Rechtsprechung auf der Grundlage geltender Gesetze nicht mehr grundsätzlich anerkenne. Man könne politisch anderer Meinung sein, in einem demokratischen Rechtsstaat gelten unabhängig davon aber Recht und Gesetz für jedermann.

Zum Bürgerbegehren "Energie- und Wasserversorgung Stuttgart" weist EBM Föll darauf hin, dass es in der Zielsetzung zwischen dem Bürgerbegehren und der überwiegenden Mehrheit des Gemeinderats eine viel größere Nähe gebe, als die heutige Debatte dies zum Ausdruck gebracht habe. Es bestehe ein hohes Maß an Übereinstimmung, was die Zielsetzung der Rekommunalisierung im Bereich Wasser, Strom, Gas und Fernwärme betreffe. Dieses Ziel könne aber nur erreicht werden, wenn ein rechtssicherer und rechtmäßiger Weg eingeschlagen werde. Das wettbewerbliche Verfahren sei das einzig rechtmäßige und rechtssichere Verfahren im Zuge der Konzessionsentscheidung. Der Weg zu einer Veränderung führe nicht über das Bürgerbegehren. Dies sei rechtlich eindeutig, was die Themen Strom und Gas angehe. Er appelliert an den Gemeinderat, sich darauf zu konzentrieren, die gemeinsame inhaltliche Zielsetzung umzusetzen.

StRin Küstler (SÖS und LINKE) erläutert ihre von der Fraktionsgemeinschaft abweichende Meinung. Sie halte den Weg einer Nichtausschreibung und Direktvergabe für äußerst riskant und die Erfolgsaussichten für gering. Dies würde ihres Erachtens zu einer starken Gefährdung der Stadtwerke führen. Sie werde sich bei der Abstimmung heute der Stimme enthalten, kündigt die Stadträtin an, da sie der Ablehnung eines Bürgerentscheids nicht folgen wolle; dem Vorschlag, den Bürgerentscheid "durchzuwinken", würde sie aber auch nicht folgen wollen.


Nach weiteren kurzen Wortmeldungen der StRe Kotz, Stocker (SÖS und LINKE), Rockenbauch, Dr. Schlierer und Klingler zur rechtlichen Situation stellt EBM Föll abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt mit 48 Ja-Stimmen bei 4 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen mehrheitlich wie in GRDrs 284/2012 beantragt.

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