Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
208
8
VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 28.07.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:Herr Stingele (Projekt StolperKunst / Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber)
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: "Die doppelte Lücke" - Antrag Nr. 153/2021 vom 19.04.2021 (90/GRÜNE, FrAKTION, SPD, FDP)

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Der im Rahmen dieses Tagesordnungspunkts gezeigte Film "Die doppelte Lücke" kann über die Homepage des Projekts StolperKunst abgerufen werden (http://www.stolperkunst.de).

OB Dr. Nopper schickt voraus, die Premiere des Films "Die doppelte Lücke" finde auf vielfachen Wunsch aus der Mitte des Gemeinderats im Rahmen einer Gemeinderatssitzung in Anwesenheit der Filminitiatorinnen und -initiatoren statt. In der Tat gebe es im Stuttgarter Rathaus Lücken der Erinnerung: Zum einen eine Lücke der Erinnerung in der Galerie zwischen den vom Volk gewählten Oberbürgermeistern Karl Lautenschlager und Arnulf Klett - außer Acht gelassen wurde der von den Nationalsozialisten ohne Wahl eingesetzte Oberbürgermeister Karl Strölin -, zum anderen eine Lücke der Erinnerung, da nirgendwo an die Absetzung von gewählten Stadträten und die Gleichschaltung des Gemeinderats sowie an die Entlassung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen erinnert werde. Man werde daher intensiv darüber nachdenken und diskutieren, wie diese doppelte Lücke geschlossen wird. Er begrüßt anschließend ganz herzlich Herrn Stingele, einer der Initiatoren des Films, der für eine Einführung ums Wort gebeten habe.

Herr Stingele (Projekt StolperKunst) dankt für die Möglichkeit, in der Vollversammlung des Stuttgarter Gemeinderats den Film "Die doppelte Lücke" zeigen zu dürfen, der die Geschichte des Stuttgarter Rathauses, des Gemeinderats und der Stadtverwaltung unmittelbar betrifft. Der Film sei entstanden im Kontext des Projektes StolperKunst, das mit Mitteln der Kunst Erinnerung beleben will. In diesem Projekt wirken Akteure der Erinnerungsarbeit mit Künster*innen zusammen. In den letzten Jahren seien so rund 20 Produktionen entstanden. Auch bei dem Film "Die doppelte Lücke" kam es zur Zusammenarbeit der "Hotel Silber-Initiative" mit den Schauspieler*innen Julianna Herzberg und Jan Uplegger vom Theater La Lune, dem Regisseur Christian Werner und dem Filmemacher Adrian Schmidt und der Ausstatterin Sonja Hoyler, die heute ebenfalls anwesend sind. Man habe diesen Film für eine Gegenwart gemacht, in der demokratische Institutionen angegriffen werden, beispielsweise letzten Sommer der Reichstag in Berlin, im Januar, das Kapitol in Washington D.C. An die Fragilität der Demokratie zu erinnern, die Gedächtnislücken zu schließen, sei daher höchst aktuell und ein Beitrag zur Verteidigung der demokratischen Institutionen.

Herr Stingele dankt EBM Dr. Mayer, der im März 2021 die Dreharbeiten im Rathaus ermöglicht hat, und den Mitarbeiter*innen im Rathaus, die das Filmteam dabei unterstützt haben, stellvertretend Frau Knorr. Bedanken wolle er sich auch bei den Fraktionen, die die Premiere in diesem Rahmen beantragt haben. Man sei gespannt, was aus diesem Impuls an den Gemeinderat entstehen wird.

In den folgenden ca. 10 Minuten wird der Film "Die doppelte Lücke" abgespielt, der großen Beifall erhält.

StR Winter (90/GRÜNE) geht davon aus, dass alle anwesenden Stadträtinnen und Stadträte von dem Film ähnlich stark beeindruckt sind wie er selber, denn dieser bringe im Kontext der Umgebung, in der die Mitglieder des Gemeinderats sich fast täglich aufhalten, eine Zeit nahe, wo die Demokratie entmachtet wurde, wo der Oberbürgermeister und die Stadträt*innen entmachtet wurden und der Nationalsozialismus das Stuttgarter Rathaus besetzt und die Macht an sich gezogen hat. Sehr dankbar sei er auch dafür, dass die Idee, die Premiere dieses Filmes in der Vollversammlung des Stuttgarter Gemeinderats zu zeigen, gemeinschaftlich entwickelt wurde und heute nun in die Tat umgesetzt werden konnte.

Der Film solle Mahnung sein, aber gleichzeitig möge sich der Rat dieser Lücke stellen, indem im Rahmen der Aufarbeitung, im Rahmen der Erinnerungskultur, im Rahmen des Runden Tisches, der eingesetzt wird, überlegt wird, wie diese Lücke gefüllt wird. Dies könne erfolgen über einen Gestaltungswettbewerb, über eine Installation, über weiterführende Hinweise, die dazu führen sollen, dass im Rathaus nicht einfach nur eine Lücke ist, sondern dazu, sich mit dieser Zeit immer wieder zu beschäftigen. Dies war für seine Fraktion mit die Intention für den Inhalt und die Ausgestaltung und für das, was das Hotel Silber heute ausmacht, immer wieder zu kämpfen. Dieses vor einigen Jahren eröffnete Hotel Silber sei nicht nur eine Gedenkstätte, sondern ein lebendiger Lernort, der nach der Geschichte schaut, im Jetzt lebt, aber auch nach der Zukunft schaut - ein Ort des politischen Diskurses gegen Diskriminierung und Ausgrenzung, der lebendig bespielt wird.

Der Stadtrat dankt all denen, die an dem Film mitgearbeitet haben, für die Idee, insbesondere aber Herrn Stingele, der vor kurzem das Amt, das Gesicht des Hotel Silber zu sein, abgegeben hat. Ihm gebühre auch für diese Aufbauarbeit und für diese Zeit im Hotel Silber ein ganz besonderer Dank. An Herrn Stingele, den Mitstreiter*innen für den Film, den Regisseuren und Schauspieler*innen gewandt betont er, man werde die heutige Filmvorführung zum Anlass nehmen, in der Arbeit des Runden Tisches zur Erinnerungskultur, sich auch diesem Thema zu widmen und gemeinsam zu überlegen, wie können wir diese Lücke im Rathaus zu schließen. "Nicht Mut zur Lücke, sondern wirklich Umgang mit der Lücke, sodass wir auch da ein Denkmal haben, das zu uns spricht. Nicht im Sinne eines Denkmals, sondern es eine lebendige Erinnerung auch im Rathaus selber wird."

Ein herzliches Dankeschön an Herrn Stingele und den Mitinitiatoren "für diese sehr besonderen Minuten dieses Films" richtet auch StR Kotz (CDU). Es gebe immer weniger Zeitzeugen dieser Zeit, weshalb es sehr beeindruckend war, wenn diese Zeit anhand von praktischen Geschichtselementen - hier das Rathaus, Gemeinderat und Oberbürgermeister - vor Augen geführt wird. Es sei heute unvorstellbar, dass der Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin von Stuttgart anders als durch demokratische Wahlen eingesetzt wird. Ebenso unvorstellbar sei es, dass der Gemeinderat einfach aufgelöst und durch andere Personen ersetzt werden würde. Sehr ans Herz gegangen sei auch die Aufzählung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die aus ihren Positionen entfernt wurden, obwohl ganz viele davon Handwerker waren und keine Arbeit im Sinne politischer Wegweisung gemacht haben. Dies veranschauliche, wie tiefgreifend der Wille dieser Politik damals war, alle und alles bis ins Letzte hinein in eine Linientreue zu bringen.

Was das Thema Umgang mit der doppelten Lücke angeht, so spreche er sich dafür aus, sich dieser Thematik gemeinsam zu stellen. Vielleicht könne es auch eine Möglichkeit sein, das Thema im Rahmen von Studienarbeiten entsprechender Wissenschaftler, Studenten, zu erarbeiten. Die Botschaft, die heute aus dieser Gemeinderatssitzung herausgehen sollte, sei die Wahrnehmung: "Es gibt diese Lücke. Es ist nicht gut, dass sie nicht wahrgenommen wird, wenn man von ihr nichts weiß. Und dass wir miteinander eine gemeinsame Art und Weise finden, wie wir diese Lücke schließen. Vielen Dank."

Der Film habe es in wenigen Minuten geschafft, das Rathaus, in dem er sich seit 16, 17 Jahren so häufig aufhalte, mit anderen Augen zu sehen, so StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei). Der Film habe die damalige Zeit lebendig gemacht und vor Augen geführt. Schockierend habe er die Geschwindigkeit empfunden, in der ein Gemeinderat gleichgeschaltet wurde. Dies gebe allen Mitgliedern des Gemeinderats, die den Film gesehen haben, die Verantwortung zu überlegen, wie diese doppelte Lücke zu einem sichtbaren Punkt wird, der daran erinnert, wie fragil Demokratie sein kann. Etwas, was nicht nur erinnert, beeindruckt und sprachlos macht, sondern auch mahnt und auffordert, dass es da etwas zu verteidigen gibt. Es sei nicht so abstrakt, weit weg und vergangen, dass man sich nur erinnern kann - Herr Stingele habe die Angriffe aufs Kapitol und in Berlin erwähnt -, auch gebe es AfD-Anfragen, "die gerne Namen hätten, wo im Staatstheater ausländische Mitarbeiter*innen sind. Ich meine, so was geht nur so schnell, wenn irgendwelche Listen angelegt werden, wenn man das Ausmisten nicht nur in Rhetorik vor sich herträgt, sondern wenn man es vorbereitet. Wenn man genau weiß, wo welcher Handwerker wie sich einmal geäußert hat oder wo er Mitglied ist. Das ist das Erste."

Man müsse also Acht geben auch im Voraus und ernst nehmen, dass so was irgendwann anfängt. Insofern finde er es beeindruckend, dass die Bundesregierung gerade dabei sei, durch ein "kaltes Parteiverbotsverfahren der DKP wieder Kommunisten im Endeffekt ihrer politischen Arbeit eine demokratische Basis zu entziehen". Auch liefen jetzt schon Prozesse, wo andere ökonomische Vorstellungen unserer Gesellschaft für ein anderes friedliches Zusammenleben heute verboten, kriminalisiert, überwacht werden und auch der Marxismus strukturell wieder vom Staat überwacht und verfolgt werde. Dies mache ihn nachdenklich, weil zum Erinnern auch eine Solidarität gehöre, "dass wir hier mit solchen Sachen verdammt noch mal aufpassen müssen in unserem Staat, auch wenn sie hier angeblich unter formalen Finanzrechenschaftspunkten gehen". Solche Einschränkungen von demokratischen Rechten, könne man sich, wenn es um Demokratie geht, in diesen Situationen nicht leisten. Auch dazu mahne dieser Film, klar zu sagen: Stopp und Nein. Die FrAKTION sei gerne bereit, die doppelte Lücke sichtbar zu machen. Es müssten zusätzlich auch klare Forderungen erhoben werden, damit Demokratie und freie Gedanken und politische Arbeit auch in Deutschland möglich bleiben.

StR Körner (SPD) dankt den Initiatoren und allen Mitwirkenden für den Film. Herrn Stingele sagt er vielen Dank für die jahrelange Arbeit und seine Initiative in der Erinnerungsarbeit in Stuttgart. Anschließend berichtet er von Besuchen als SPD-Ortsvor-sitzender in Stuttgart-Ost anlässlich runder Geburtstagen und Parteijubiläen. Er schildert die eindrückliche Erinnerung eines Ehepaars, das am 04.03.1933, am Vorabend der Reichstagswahl, an einer SPD-Versammlung in der Stuttgarter Stadthalle teilgenommen hatte. Die Veranstaltung war nur unter Auflagen genehmigt worden. So war es beispielsweise nicht erlaubt, politische Reden zu halten. Erwin Schöttle habe einen Todestag benutzt, um dann doch eine politische Rede zu halten. Der junge Reichstagsabgeordnete Kurt Schumacher hielt im Februar 1932 im Deutschen Reichstag auf Joseph Goebbels eine harte Gegenrede und musste dafür büßen. Er wurde verhaftet, in das Polizeigefängnis Stuttgart überführt und dann auf den Heuberg gebracht, wo bereits mehrere Stadträte der SPD in Haft waren.

Weiter liest er aus einem Buch, wo Fritz Bauer, der ebenfalls inhaftiert war auf dem Heuberg, als Augenzeuge Szenen der Folter beschreibt gegen Kurt Schumacher, gegen ehemalige Landtagsabgeordnete, Bürgermeister und Stadträte, darunter der letzte SPD-Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Gemeinderat im März 1933, Christian Härle. StR Körner bittet um Verständnis für diesen Redebeitrag zur Erinnerung an diese Stadtratskolleginnen und -kollegen und an diese Genossinnen und Genossen.

Zur Frage, was heißt das denn jetzt heute, schlägt er erneut den Bogen zu Kurt Schumacher, der in seiner Gegenrede auf Joseph Goebbels im Februar gesagt hatte: "Wenn wir irgendetwas beim Nationalsozialismus anerkennen, dann ist es die Tatsache, dass ihm zum ersten Mal in der deutschen Politik die restlose Mobilisierung der menschlichen Dummheit gelungen ist." Dies sei brandaktuell, wenn man sich anschaut, was in den sozialen Medien stattfindet. Bildungsarbeit, Erinnerungsarbeit und Aufklärung seien daher die erste Lehre, die daraus zu ziehen ist.

Zur Veranschaulichung des Zweiten, was aus seiner Sicht heute wichtig ist, zitiert er erneut aus der Rede Kurt Schumachers: "Die ganze nationalsozialistische Agitation ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund im Menschen". Er interpretiere dies so, dass man die Menschen so sehen soll, wie sie sind, und sie nicht zu diskriminieren. Jeder Mensch habe respektvollen Umgang und menschlichen Umgang verdient. Im Grundgesetz sei dies verankert in Artikel 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Es sei wichtig, die Lücken zu schließen und zu erinnern an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und an die Stadträte, die die Demokratie verteidigt haben. Es werde viel erinnert an die Widerstandskämpfer der Gruppe um den 20. Juli, doch vermisse er manchmal, dass diejenigen, die in der ersten deutschen Demokratie, in der Weimarer Verfassung, für diese Demokratie eingestanden und sie verteidigt haben gegen die Kommunistische Partei, ein bisschen zu kurz kommen. Zwar gebe es in Stuttgart eine Kurt-Schumacher-Straße, aber er könnte sich ein bisschen mehr vorstellen, weil es etwas Positives ist und weil wir auch heute in der Demokratie leben.

Für ihn heiße dies somit auch: "Wir alle, nicht nur wir, sondern jeder Mensch trägt Verantwortung für ein menschliches Gemeinwesen. Und dieses menschliche Gemeinwesen fällt nicht vom Himmel, sondern da müssen wir jeden Tag hart dafür arbeiten, weil das nämlich in Gefahr ist, und zwar immer!"

Oft nutzen Menschen Gebäude, Orte, Plätze, ohne sich wirklich Gedanken darüber zu machen, was sich an diesen Orten in der Vergangenheit ereignet hat und was ihre Geschichte ist, so StRin Yüksel (FDP). Gerade deshalb sei Erinnerungskultur, Erinnerungsarbeit, insbesondere, wenn sie in Verbindung mit Orten erfolgt, so unglaublich wichtig. Denn die furchtbaren Ereignisse in der deutschen Geschichte bleiben so nicht abstrakt, sondern werden konkret mit Orten verbunden, die man kennt, an denen man sich wohl- bzw. zuhause fühlt, oft ohne zu realisieren, welche Verbrechen sich in der Vergangenheit hier ereignet haben. In Stuttgart habe man viele sehr gute Initiativen und Ausstellungen, die StolperSteine, das Hotel Silber, die Dauerausstellung beim Landgericht Stuttgart. Seit dieser Dauerausstellung sei ihr bewusstgeworden, dass im Hof des Gebäudes im Dritten Reich Menschen hingerichtet wurden, darunter jüdische Rechtsanwälte, die einfach nur ihre Arbeit machen wollten.

Ihre Fraktion und sie persönlich seien sehr dankbar für diesen Film, der vergegenwärtigt, wie fragil Demokratie sein kann und dass auch das Stuttgarter Rathaus früher Zeiten hatte, in denen Demokratie- und Menschenfeinde das Sagen im Haus hatten. Man greife daher sehr gerne den Impuls von Herrn Stingele auf: "Lassen Sie uns die doppelte Lücke im Rathaus füllen und aufzeigen, was in dieser Zeit im Stuttgarter Rathaus geschehen ist, damit uns wirklich allen bewusst bleibt, dass Demokratie, Menschenrechte keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern wirklich jede/jeder von uns sich täglich hinstellen und diese Errungenschaften aktiv verteidigen muss. Heute mehr denn je, in Zeiten, in denen unsere Demokratie wieder offen angegriffen wird!"

StRin von Stein (FW) schließt sich dem Dank für den Film an. Sie schildert Ereignisse familiärer Betroffenheit in dieser Zeit. Ihr persönlich sei daher sehr wichtig, das Thema des Rechtsstaats und das Aufrechterhalten einer unabhängigen Jurisdiktion aufrechtzuerhalten und wertzuschätzen. Genauso müsse man Eintreten für die demokratischen Regeln, die Meinungsfreiheit und respektvoll mit anderen Meinungen umgehen. Es dürfe nicht sein, dass Unrechtsgedanken Fuß fassen. Gleichzeitig sei es wichtig, dass Mut zum Widerspruch da ist. Sie sehe es als einen Bildungsauftrag, zu ermutigen, die eigene Meinung zu sagen. Die Erlebnisse ihrer Großeltern und Eltern sehe sie nach wie vor als Aufforderung, für den Rechtsstaat und für die Einhaltung der demokratischen Grundregeln einzutreten.

Was die Aufarbeitung der doppelten Lücke angeht, hält sie es für richtig, beide Stränge deutlich darzustellen: Einerseits die Entwicklung im Rathaus von 1933 bis nach dem 2. Weltkrieg, andererseits, wie mit den Menschen, die eine andere Einstellung, eine andere Meinung hatten, die Juden waren oder aus sonstigen Gründen verfolgt wurden, umgegangen worden ist. Dies dürfe sich auf keinen Fall wiederholen.

"Vielem zuzustimmen - nicht allem" hat StR Köhler (AfD). Seine Fraktion sei sehr dafür, auch angesichts dieses Films, den Ereignissen während der betreffenden zwölf Jahre ein würdiges Gedenken zu verschaffen im Rathaus. Mit Blick auf den Wortbeitrag seiner Vorrednerin merkt er an, die freie Rede sei ein wichtiges Gut. Sie habe auch Beschränkungen: "Es kann nicht jeder alles sagen, auch nicht hetzen. Aber mir ist es wirklich ein Anliegen, hier klarzumachen, dass wir das Anliegen dieses Films unterstützen, ganz dezidiert, aber dass wir aufpassen müssen, dass wir hier nicht in so eine parteipolitische Instrumentalisierung hineingeraten, was bei manchen vielleicht droht." Man sei daher gespannt, was und in welcher konzeptuellen Form dann ins Rathaus kommt, und werde dies interessiert begleiten.

StR Puttenat (PULS) bedankt sich im Namen der Fraktionsgemeinschaft bei den Filmschaffenden für dieses eindrückliche und filmisch sehr gut gemachte Dokument der Erinnerung. Gerade als jetzige Mitglieder des Gemeinderates und der Verwaltung sollte man sich vor Augen halten, dass diese dunkle Phase der Geschichte vor gar nicht allzu langer Zeit stattfand - in Stuttgart und auch im Stuttgarter Rathaus. Als bunte Fraktion namens PULS sei man deshalb froh, dankbar und demütig, in einer Zeit zu leben, diese Buntheit in aller Freiheit ohne Furcht vertreten zu dürfen. Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, zeige auch dieser Film. Gleichwohl sollte klar sein, dass Vergangenheit auch immer Gegenwart und Zukunft bedeuten kann. "Deshalb ist es an uns allen, wachsam zu sein und zu bleiben, den Pluralismus und unsere Demokratie zu hegen, zu pflegen, zu stärken und zu verteidigen. Und selbstredend stehen auch wir hinter der Idee, das Stuttgarter Rathaus zu einem Zeichen dieser Erinnerung zu machen, um die angesprochenen Lücken mit Sinn, Haltung, Herz und Aufklärung zu schließen."

OB Dr. Nopper schließt den Tagesordnungspunkt verbunden mit einem herzlichen Dankeschön an die Initiatorinnen und Initiatoren dieses Filmprojekts und dem Hinweis, dass der Film ab 18:00 Uhr des heutigen Abends auf der Homepage des Projekts StolperKunst abgerufen werden kann.
zum Seitenanfang