Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
268/2022 Neufassung
GZ:
OBM
Sitzungstermin: 27.10.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Vorkaufsrecht Eberhardstr. 28/Steinstr. 4 in S-Mitte, Vergleichsverhandlungen mit der SIGNA-Gruppe

Vorgang: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen und Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik vom 18.10.2022, öffentlich, Nr. 329

Ergebnis: mehrheitl. Zustimmung nach Modifizierung des Beschlussantrags


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 13.10.2022, GRDrs 268/2022 Neufassung, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Vom aktuellen Stand der Vergleichsverhandlungen zur Beilegung des Rechtsstreits über die Ausübung des mit Bescheid vom 13.03.2020 ausgeübten Vorkaufsrechts an den Grundstücken der
Gemarkung Stuttgart-Mitte
wird Kenntnis genommen.

2. Die Landeshauptstadt Stuttgart hält weiterhin uneingeschränkt an ihren städtebaulichen Zielen für das Gebiet, in dem die Objekte Eberhardstraße 28/Steinstraße 4 liegen, fest. Aus prozessökonomischen Gründen und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits vor dem am Verwaltungsgericht Stuttgart über die Ausübung des mit Bescheid vom 13.03.2020 ausgeübten Vorkaufsrechts (AZ: 2 K 6319/20) soll folgende Vereinbarung mit der SIGNA-Gruppe getroffen werden:

3. Die Verwaltung wird beauftragt dem Gemeinderat baldmöglichst Grundstückskaufverträge und Verträge zur Absicherung der städtebaulichen Ziele zur Beschlussfassung vorzulegen. Zwingende Voraussetzung für den Rücktritt vom Vorkaufsrecht ist eine vertragliche Vereinbarung zur Absicherung der Realisierung der Ersatzmaßnahme zum Wohnungsbau.

4. Für die künftige Nutzung des Grundstücks Eberhardstraße 28 wird zeitnah ein Realisierungswettbewerb mit Ideenteil für die Steinstraße 4 und den öffentlichen Raum ausgelobt, dessen Ergebnis in das laufende Bebauungsplanverfahren übernommen wird.


Weitere Beratungsunterlage ist der Antrag Nr. 337/2022 der PULS-Fraktionsge-meinschaft vom 21.10.2022.



Einführend wiederholt OB Dr. Nopper seine Ausführungen anlässlich der gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen und des Ausschusses für Stadtentwicklung und Technik vom 18.10.2022. Sein Beitrag ist nachstehend wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut.

"Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben die Wahl:
Erste Variante: Wir setzen den Rechtsstreit mit der SIGNA-Gruppe über die Rechtmäßigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Landeshauptstadt Stuttgart über mehrere Jahre durch mehrere Instanzen und mit ungewissem Ausgang fort. Wir setzen den Rechtsstreit fort, obwohl auch im Falle unseres Obsiegens die SIGNA-Gruppe auf die Erfüllung des bis zum Jahr 2045 laufenden Mietvertrages für Warenhaus und Parkhaus bestehen könnte.

Oder - zweite Variante -: Wir streben eine gütliche Einigung mit der SIGNA-Gruppe an, die folgende Kerninhalte hat:
1. Das Teilprojekt Eberhardstr. 28 verbleibt bei der SIGNA-Gruppe und wird für die zukünftige Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank für Baden-Württemberg sowie im Erdgeschoss für Einzelhandel genutzt.
2. Das Grundstück Steinstr. 4 geht an die Stadt über. Über die zukünftige Nutzung wird zu einem späteren Zeitpunkt baldmöglichst entschieden. Die Verwaltung wird die Eignung dieses Areals für ein Haus der Kulturen, für ein Haus der Jugend oder für ein städtisches Verwaltungsgebäude fachlich prüfen. Es ist vorgesehen bei allen Nutzungsvarianten 20 % der Bruttogrundflächen/Bruttogeschossflächen Wohnbauzwecken zuzuführen.
3. Da das Teilprojekt Eberhardstr. 28 ohne Wohnnutzung realisiert werden soll, wird im Umkreis von einem Kilometer durch die SIGNA-Gruppe eine Bruttogrundfläche von mindestens 5.790 m² Wohnraum und damit für um die 60 Wohnungen geschaffen. Möglicherweise wird sogar eine Bruttogrundfläche von 7.100 m² Wohnraum zur Verfügung gestellt.
4. Es wird ein Realisierungswettbewerb für das Areal Eberhardstr. 28 mit Ideenteil für das Areal Steinstr. 4 und den öffentlichen Raum durchgeführt.

Wir plädieren für die Variante 2 und für eine gütliche Einigung, weil eine gütliche Einigung schnellstmöglichst klare Verhältnisse schafft und den städtebaulichen Stillstand beendet, weil eine gütliche Einigung schnellstmöglichst die dringend notwendige städtebauliche Aufwertung herbeiführt, weil eine gütliche Einigung die städtische Nutzung des Grundstücks Steinstr. 4 eröffnet, weil eine gütliche Einigung innerstädtisch gerade auch bezahlbaren Wohnraum in beachtlichem Umfang schafft und nicht zuletzt auch deswegen, weil die gütliche Einigung einen ausgewogenen Kompromiss darstellt.

Die SIGNA war, wie Sie alle wissen, in den letzten Tagen Gegenstand von medialer Berichterstattung und hat uns hierzu Folgendes mitgeteilt - Zitat:
'Die in Österreich in den vergangenen Tagen kolportierten Vorwürfe, die Sie sicherlich den Medien entnommen haben, betreffen weder SIGNA Real Estate noch unsere Projektentwicklungen in Stuttgart und haben auf die Tätigkeit der SIGNA-Gesellschaften keinen Einfluss. Sie richten sich zudem gegen kein Organ eines SIGNA-Rechtsträgers. Wir selbst haben größtes Interesse daran, dass allfällige Fragestellungen rasch aufgeklärt werden. Und ergänzend: Das Projekt Eberhardstraße ist ein Projekt der SIGNA Prime Selection AG. Dieses ist gesellschaftsrechtlich vollkommen eigenständig und nicht verbunden mit der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH. Gesellschafter der SIGNA Prime Selection AG sind neben der SIGNA Holding - ca. 55 % Gesellschaftsanteil -, namhafte institutionelle und private Investoren. Hierzu gehören die R+V-Versicherung, die LVM-Versicherung, die RAG-Stiftung, die Kühne Holding Hamburg, die Peugeot Family Office und weitere. Am Projekt Eberhardstraße ist zudem die Commerz Real, eine der größten deutschen Fondsgesellschaften mit 20 % beteiligt.'
Soweit das Schreiben oder die Informationen der SIGNA-Gruppe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir verfolgen die aktuellen Entwicklungen sehr aufmerksam und werden, falls erforderlich, vertragliche Absicherungsmaßnahmen vorschlagen und vereinbaren. Soweit und so viel von meiner Seite."

StRin Rühle (90/GRÜNE) übt Kritik an der Ausübung des Verhandlungsmandats durch OB Dr. Nopper. Bei der Ursprungsfassung der Vorlage habe dieser noch erklärt, dass die Stadt auf Wohnungsbau in diesem Projekt vollkommen und ohne Ausgleich verzichten solle und auch die städtebaulichen Ziele waren nicht erfüllt. Erst durch den mehrheitlich gefassten Antrag des Gemeinderats konnte zumindest die Verbesserung erwirkt werden, dass die konkreten Vorgaben des Stuttgarter Innenentwicklungsmodells SIM erfüllt werden müssen. Den dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, sei kein Zugeständnis, sondern eine Grundvoraussetzung für neues Baurecht. Trotzdem werde die Vorlage den städtebaulichen Zielen, die für dieses Sanierungsgebiet definiert wurden, und auch dem Innenstadtkonzept nicht im Mindesten gerecht. Diese sehen eine Nutzungsmischung vor, eine nachhaltige Stärkung und Entwicklung der City, unterschiedliche Nutzungen mit Büro- und Handelsflächen, mit Angeboten aus der Kultur und aus dem Freizeitbereich sowie Wohnen im Projekt. Zudem widerspreche der Satz in der Vorlage "Die Lage des Grundstücks an der Eberhardstraße spricht für eine typische Kerngebietsnutzung" den Sanierungszielen in diesem Gebiet und widerspreche gemeinschaftlich gefassten Beschlüssen.

Es heiße nun bei der SIGNA-Gruppe, das Teilprojekt Eberhardstraße 28 sei unter den gegebenen planungsrechtlichen Rahmenbedingungen ausschließlich mit dem Nutzungskonzept aus Handel und Büro realisierbar, ansonsten wäre das Raumprogramm der Deutschen Bundesbank, deren Anforderungen eine Wohnortnutzung am Standort ausschließen, nicht umsetzbar. Aus Sicht ihrer Fraktion sei es gerade andersrum: Das Raumprogramm der Deutschen Bundesbank passe dann nicht in ein Gebäude wie die Eberhardstraße 28, denn da sei Wohnraum und sei mehr Einzelhandel nötig. Die geplante räumliche Neuordnung stelle zwar eine Verbesserung dar, die angedachte Nutzung tue dies aber keineswegs. Auch die Neuordnung der Verkehrsflächen, insbesondere die Zu- und Abfahrten ließen schwer zu wünschen übrig, ganz abgesehen davon, dass ein Parkhaus mit einer gleich großen 1:1-Tiefgarage zu ersetzen, nicht gerade zu einer verkehrsberuhigten Innenstadt und auch nicht zu den Klimazielen beitrage.

Hinzu komme, dass der Investor den Hauptteil des Grundstücks behält, die dort für ihn profitabelste Nutzung durchsetzt und die Stadt dann auf dem kleineren Grundstück die Bedarfe abbilden kann, die der Investor auf dem Hauptgrundstück nicht möchte. Somit werde auf Jahrzehnte ein unbefriedigender Zustand zementiert, anstatt eine Riesenchance für eine Weiterentwicklung in diesem Bereich zu nutzen. Trotz der vom Vorsitzenden zitierten Aussagen der SIGNA sehe man weiterhin, dass noch weit größere Probleme folgen könnten. "Das SIGNA-Geschäft ist hochgradig fremdfinanziert, auf den Finanzmärkten sieht es mittlerweile für Anleihen der SIGNA Development Selection schlecht aus, bei anderen wird es sich nicht ändern. Die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof ist schon lange in Schieflage. Da beruhigen uns die jetzigen Aussagen nicht wirklich. Soll die Stadt ihre städtebauliche Zukunft wirklich Benko und SIGNA überlassen und dieses große Risiko eines städtebaulichen Stillstands eingehen?"

Darüber hinaus betreffe es nicht nur die Eberhardstraße 28, sondern durch die baulichen Zusammenhänge und die geplante Herstellung des Gebäudes Steinstraße 4 durch die SIGNA Group hänge auch die städtische Fläche mit dran. Es bleibe daher weiterhin nötig, die städtebaulichen Ziele der Stadt weiterzuverfolgen. Der Vorschlag zur Beilegung sei nicht ausreichend, um den Rechtsstreit zu beenden, zumal ein Rechtsgutachten vorliege, das der Stadt große Erfolgsaussichten bescheinige.

StR Kotz (CDU) betont dagegen, seine Fraktion freue sich, dass diese Vorlage heute zur Abstimmung im Gemeinderat vorliegt, da man nicht den besten Weg darin sehe, als öffentliche Hand alle Dinge selber zu machen. Vielmehr bevorzuge man die Kombination zwischen Privaten und der öffentlichen Hand, da dies aus Erfahrung der erfolgversprechendste Weg sei. Auch in diesem Fall halte man diesen Weg für richtig. Die Beschlussvorlage sei in erster Linie ein Verhandlungsmandat für die Verwaltung, um in Detailverhandlungen einzutreten und so die Möglichkeit zu bekommen, "im Herzen der Stuttgarter Innenstadt weitere Stadtentwicklung zu betreiben an entscheidender Stelle und in einer wahrnehmbaren Dimension". Man könne daher den Vorschlag von OB Dr. Nopper sehr gut nachvollziehen.

Zum Thema Wohnen verweist der Stadtrat auf seinen Wortbeitrag in der gemeinsamen Sitzung von WA und STA in Bezug auf die Lärmproblematik in einem Innenstadtquartier, wo Lebendigkeit und Veranstaltungen ja durchaus erwünscht sind. Deswegen halte seine Fraktion es nicht für zwingend notwendig, dass in der Eberhardstraße 28 und in der Steinstraße 4 gewohnt wird, sondern glaube, dass sogar eher mehr Belebung stattfinden kann, wenn dies nicht der Fall ist, weil man manche Dinge aufgrund der Lärmemissionen nicht verbieten muss.

Was das Thema Steinstraße 4 angeht, so bekäme man Zugriff auf dieses Grundstück und könne dort eine Nutzung entscheiden für ein Gebäude, wie es Gemeinderat und Verwaltung sich dort vorstellen. Die CDU-Fraktion sei weiterhin - gerade nach den Beratungen im Internationalen Ausschuss gestern - der Meinung, dass es ein nahezu perfekter Standort für ein Haus der Kulturen ist. Bei einem Haus der Kulturen sei Größe nicht alles, sondern es komme darauf an, was darin stattfindet "und wie der rote Faden und der Geist und die Seele dieses Hauses ist". Vielleicht könne man mit dem Baubürgermeister doch noch darüber diskutieren, wie die Kubatur in einem neuen Bebauungsplan aussehen kann, was die Steinstraße 4 angeht.

Im Hinblick auf den Beitrag seiner Vorrednerin was die SIGNA und die Finanzmärkte angeht, so wolle man natürlich auch, dass die Verwaltung ein Auge darauf hat und Verträge so abgefasst werden, dass sie für alle Eventualitäten, die im Geschäftsleben eintreten können, eine entsprechende Lösung bereithalten. Dennoch mache man sich zu dieser Frage keine großen Sorgen und stimme der Vorlage heute zu.

StRin Meergans (SPD) dankt im Namen ihrer Fraktion für den vorliegenden Kompromiss zur Beilegung eines Rechtsstreits, mit welchem die Landeshauptstadt Stuttgart einigen Risiken entgehe und der vor allen Dingen die städtebauliche Situation an dieser Stelle sehr kurzfristig verbessern könne. Noch im Frühjahr habe man sich nicht arg mit dem Kompromiss anfreunden können, weil das Wohnen gefehlt hat. Festzuhalten sei, dass das Wohnen im Verhandlungsauftrag, den der Gemeinderat der Verwaltung erteilt hat, nie explizit enthalten war. Jedoch sei es natürlich verankert in den städtebaulichen Zielen für dieses Gebiet. Nachdem die Verwaltung zunächst einen Vorschlag vorgelegt hatte, der kein Wohnen enthielt, nehme sie für die Zukunft die Frage mit: "Muss der Gemeinderat auf der einen Seite bei so einem Auftrag vielleicht besser aufpassen oder müssen vielleicht bei solchen Verhandlungen die städtebaulichen Ziele des Gemeinderats ernster genommen werden?"

Nichtsdestotrotz freue man sich sehr, dass es dank ihrer Fraktion gelungen ist, einen Kompromiss zu erzielen, der es ermöglicht, mindestens 5.790 m² Wohnraum in unmittelbarer Nähe zu diesem Projekt zu realisieren. "Wir waren diejenigen, die eine Größenordnung vorgelegt haben orientiert an SIM. Dies haben wir durchsetzen können, weswegen wir dieser Vorlage heute und an dieser Stelle auch zustimmen."

Im Hinblick auf die aktuelle Debatte und der Frage zur Durchsuchung bei der SIGNA-Gruppe ist ihrer Fraktion die Zusicherung des Oberbürgermeisters wichtig, dass die Verwaltung ein Auge darauf hat. Selbstverständlich werde ihre Fraktion in der Verfolgung der öffentlichen Debatte ebenso darauf achten. Auch im Fortgang, wenn über Verträge etc. entschieden wird, werde der Rat eingebunden. Die Aussage von OB Dr. Nopper betreffend, wonach die Stadt, falls erforderlich, vertragliche Absicherungsmaßnahmen vornehmen werde, so gehe die SPD-Fraktion davon aus, "dass Sie in jedem Fall vertragliche Absicherungsmaßnahmen vornehmen, damit das, was hier auf dem Tisch liegt, auch umgesetzt wird". An ihren Vorredner gewandt merkt sie abschließend an, ihre Fraktion hatte eine andere Wahrnehmung der Diskussion im Internationalen Ausschuss. Man freue sich auf die konzeptionelle Auseinandersetzung, was die beste Nutzung ist für die Steinstraße 4.

StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) kritisiert aufs Schärfste die Vorlage und die sich andeutende Gemeinderatsmehrheit, "die erneut einen Ausverkauf unserer Stadt beschließt". Seit 2015 setze seine Fraktionsgemeinschaft sich ein für eine kooperative Entwicklung des Rathausquartiers, in welchem man wunderbare Potenziale für öffentliche Nutzungen gesehen habe und für mehr bezahlbaren Wohnraum und auch für Einzelhandel. Deswegen habe man sich gefreut, als die Stadtverwaltung vor mehr als zwei Jahren das Vorkaufsrecht gezogen hat. Als einzige Fraktion habe man gegen eine Vergleichssuche mit Benko gestimmt, weil man die Wahrung des öffentlichen Allgemeinwohls als die dringendste Aufgabe sehe, angesichts der enormen Probleme, vor denen die Stadt - gerade jetzt - stehe. Strategische Bodenvorratspolitik sei ein Grundsatz dieses Rats. Daher kritisiere man die SPD scharf dafür, "das heute für ein bisschen Wohnung aufzugeben".

Neben den Stadtentwicklungsfragen gebe es bei diesem "Benko-Deal" das persönliche Engagement des Oberbürgermeisters zu würdigen. Heute werde klar, welche Interessen OB Dr. Nopper in diesem Rat vertritt, nämlich "die eines vorbestraften Immobilienspekulanten, die eines Milliardärs". Der Oberbürgermeister habe mit dramatischen Bildern den Rat zu einem Kompromiss hingetrieben, anstatt die klare Ansage zu machen: "Mit solchen Leuten macht man keine Geschäfte. Das Allgemeinwohl geht über private Profitinteressen!" OB Dr. Nopper habe jedoch heute das Gegenteil getan und sich selbst zum Pressesprecher von Benko gemacht, indem er dessen Pressemitteilung im Gemeinderat verlesen hat.

Der Vorsitzende weist mit allem Nachdruck und mit aller Entschiedenheit zurück, er würde vor dem Gemeinderat die Interessen irgendeines Investors vertreten. Nach seiner festen Überzeugung ist es im Interesse des Allgemeinwohls, schnellstmöglich eine städtebauliche Aufwertung an dieser Stelle hinzubekommen und dies sei sein Ziel. Es sollte auch das Ziel der FrAKTION sein, weswegen er diese Ausführungen nicht im entferntesten Ansatz nachvollziehen könne. Weiter hält er fest, dass es kein Ausverkauf sei, weil die Stadt bisher gar nicht Eigentümer dieser Immobilien war. Sondern sie werde zukünftig Eigentümer eines Teilprojekts.

StR Dr. Oechsner (FDP) teilt die Definition des Vorsitzenden zum Thema Ausverkauf und weist darauf hin, wenn der Vergleich zustande kommt, so kaufe die Stadt etwas dazu und habe danach mehr als zuvor. Aus seiner Sicht bringt die vorgesehene Entwicklung die Innenstadt eher voran. Er teile die Analyse von StRin Rühle in vielen Punkten, jedoch nicht was die Bewertung betrifft. Heute nämlich stehe man an einem Punkt, wo ein nachgebesserter Neubau für die Bundesbank und ohne Wohnen realisiert werden könnte. Zutreffend sei, dass auch Wohnen in dieses Gebiet passen würde, doch stelle sich da die andere Frage, ob man es dann auch so erstellen könnte. "Hätte man dann noch genügend andere Mieter, die das Gesamtprojekt tragen?" So nun passe aber auch die Nutzung durch die Bundesbank unter den Voraussetzungen, dass im Umkreis von einem Kilometer in nennenswertem Umfang Wohnungen erstellt werden. Innerstädtisches Wohnen müsse das Ziel sein, denn eine Stadt lebe auch von Menschen, die in der Innenstadt wohnen. Wenngleich es natürlich immer wieder Konflikte zwischen Veranstaltungs-Locations und im Quartier Wohnenden geben werde, könne man beides nicht komplett voneinander trennen. "Urbanität muss man auch aushalten!"

Nach der Beschlussfassung der Vorlage heute werde die Verwaltung die Verhandlungen aufnehmen auf dieser Grundlage. Sie werde selbstverständlich ihr Augenmerk auf die Möglichkeiten und die Liquidität des Investors stellen. Danach sei das Projekt mit einem Privaten gemeinsam zu entwickeln in einem Zeithorizont von 3 bis 5 Jahren. Er halte dies für ein gutes Ergebnis, insbesondere, weil die Landeshauptstadt Stuttgart danach im Besitz der Steinstr. 4 ist. Darüber, dort etwas Vernünftiges zu entwickeln könne man sich noch lange unterhalten, möglichst in einer konstruktiven Art und Weise.

StR Puttenat (PULS) unterstreicht, seine Fraktionsgemeinschaft stehe von Anfang an klar dafür, dass die Stadt an so zentralen Orten die Gestaltungshoheit hat und die städtische Souveränität auch behält. Deswegen könne ein solcher Deal, wie er heute beschlossen werden soll, nicht eingegangen werden - insbesondere, wenn man sieht, mit wem dieser Deal eingegangen werden soll. Das Ganze sei für PULS deswegen "nichts anderes als ein Kuhhandel". Man hätte es vorgezogen, den gerichtlichen Weg zu gehen, weil die Stadt gute Chancen gehabt hätte, das Vorkaufsrecht zu erlangen. Dem unzählig oft geäußerten Argument des Oberbürgermeisters, man müsse unbedingt den Stillstand an dieser Stelle stoppen, hält er entgegen, dass - wenn man einmal die Deutsche Bundesbank an dieser Stelle hat, diese Nutzung noch viel länger bestehen bleibe als die Möglichkeit, die man evtl. dann gehabt hätte, selber zu gestalten.

Auch frage er sich, worin der Mehrwert eines solchen massiven Verwaltungsgebäudes mitten in der Innenstadt für die Menschen in Stuttgart besteht. Einerseits beschließe der Gemeinderat die Lebenswerte Innenstadt, andererseits führe man mit der heutigen Vorlage diesen Beschluss ad absurdum - auch wenn es um das Thema Verkehr geht. Denn mit der Nutzung durch die Bundesbank werden sehr viele dort Beschäftigte mit ihrem Auto in die Tiefgarage einfahren.
Im Laufe des unglaublich langen Prozesses sei er sich über lange Zeit sehr sicher gewesen, dass die Mehrheit des Rates nicht auf diesen Kuhhandel eingehen wird. Zu befürchten sei nun, dass ein ähnlicher Fehler begangen wird wie in der Vergangenheit Stuttgarts an fast der gleichen Stelle mit der Geschichte um das Kaufhaus Schocken. Überhaupt nicht einleuchtend für ihn sei die Aussage von StR Kotz, wonach die CDU den Mehrwert einer Bundesbankzentrale an dieser Stelle beim Stichwort "lebendige Innenstadt" sieht. Was die Steinstraße 4 angeht, so warte man bei PULS den Suchlauf der Verwaltung bezüglich des Hauses der Kulturen ab. Für PULS sei heute ein sehr trauriger Tag, falls der Beschluss hier heute so gefällt wird, weil es eine Frage der Grundhaltung sei und wie man die Stadt sieht und welchen Mehrwert man für die Bürger*innen haben möchte in Stuttgart.

StR Zaiß (FW) hingegen erklärt, seine Fraktion sehe den Sinn in dem Vorschlag des Oberbürgermeisters und werde dem so zustimmen. Sie wolle die Deutsche Bundesbank in der Stadt haben, denn diese sei ein großer Gewerbesteuerzahler. Stuttgart brauche Arbeitsplätze, um die Steuereinnahmen der Stadt auch langfristig abzusichern. Wer glaubt, dass die Stadt alles selber machen kann, der befinde sich auf einem Irrweg. Es brauche private Investoren, damit die Stadt lebendig bleibt. Weil das Baurecht an der Stelle keine höhere Nutzung durch weitere Stockwerte zulässt, um Wohnungen zu realisieren, sei die SIGNA bereit, die geforderten Wohnungen im Umkreis von einem Kilometer zum Projekt zu realisieren - und zwar kurzfristig. Seine Fraktion werde weiter um jede Wohnung kämpfen. StR Rockenbauch habe dagegen deutlich gemacht, dass 60 Wohneinheiten für ihn offenbar nichts sind.

Gleichzeitig komme die Stadt ins Eigentum der Steinstraße 4, sodass sie die Möglichkeit habe, dort Dinge zu forcieren, die sie für nötig hält. Welche Dinge das sein werden, darüber entscheide der Gemeinderat zu einem späteren Zeitpunkt. Die Freien Wähler werden der Vorlage zustimmen und seien dankbar, dass an dieser Stelle der Stadt endlich etwas passiert ohne zuvor einen großen Rechtsstreit führen zu müssen, dessen Ausgang nicht vorhersehbar sei. Dem vorgelegten Kompromiss heute zustimmen zu können, halte man für einen großen Erfolg für die Stadt.

Nach Meinung von StR Köhler (AfD) dient die gütliche Einigung mit der SIGNA dem, dass das Risiko des städtebaulichen Stillstands an diesem "prominenten Hinterhof des Rathauses verhindert wird und sorgt für eindeutige Verhältnisse. Sie sorgt dafür, dass der heutige Schandfleck städtebaulich aufgewertet wird und auch dafür, dass man die Steinstraße 4 vernünftig bebauen kann". Auch sei dies ein Vorankommen in Sachen Wohnungsbau und sei zuletzt eine strategische Entscheidung für einen Finanzstandort. Für seine Fraktion sei es daher eindeutig eine zustimmungsfähige Entscheidung.

Bevor OB Dr. Nopper das Wort an StRin Köngeter übergibt, gratuliert er ihr herzlich zum Geburtstag und wünscht alles Gute. Den Glückwünschen schließen sich per Applaus die im Saal Anwesenden an. StRin Köngeter (PULS) dankt hierfür. Sie weist auf den Antrag Nr. 337/2022 vom 21.10.2022 ihrer Fraktionsgemeinschaft hin, argumentiert im Sinne dieses Antrags und wirbt um Zustimmung.

Darauf eingehend führt BM Pätzold aus, für das Gebäude Eberhardstraße 28 soll es einen Realisierungsteil geben, weil es konkret mit Grundrissen zu versehen sei, und einen Ideenteil geben für die Steinstraße 4 und für den öffentlichen Raum. Selbstverständlich werde man einen Wettbewerb durchführen, in den die Stadt eingebunden ist. Vorgesehen sei, dass die Fraktionen wie üblich im Preisgericht vertreten sind und man werde mit einer Vorlage und der Auslobung für diesen Wettbewerb in den STA kommen. Weiter geht er davon aus, bereits im Vorfeld das Thema Rahmenbedingungen öffentlicher Raum, wie weit ist der Umgriff, im STA zu diskutieren, um dies vorab festzulegen. Somit habe der Gemeinderat die Möglichkeit, sich jeweils einzubringen. Am Ende brauche es zudem einen Bebauungsplan, den der Gemeinderat beschließt. Insofern sehe er den PULS-Antrag eigentlich mit aufgenommen mit der Ansage, dass es einen Wettbewerb gibt mit Realisierungsteil in dem Teil, denn auch da sei die Stadt vertreten. Auch werde die Fachverwaltung Gespräche mit der SIGNA führen, wie die Auslobung aussehen kann und natürlich anschließend in den Rat damit kommen.

StR Rockenbauch findet, seit OB Dr. Nopper Oberbürgermeister ist, komme die Diskussion auf: "Wollen wir überhaupt unser Recht wahrnehmen? Sollen wir nicht auf unser Recht verzichten, weil der will ja klagen, da haben wir Sorge, da müssen wir uns doch einigen irgendwie." So habe man das Vorkaufsrecht nicht durchgesetzt, Herr Benko habe noch gar nicht geklagt und es liege ein Rechtsgutachten vor, wonach die rechtliche Lage für die Stadt sehr gut sei. Er habe den freiwilligen Verzicht auf das Vorkaufsrecht der Stadt "Ausverkauf der Stadt" genannt, weil es darauf hinauslaufe: "Zwei Drittel der Fläche werden mit einer Nutzung zum Schaden der Stadt gegen das Allgemeinwohlinteresse in Zukunft bebaut werden. Und wir werden am Ende in einer Wettbewerbsjury in einem Ideenteil über den öffentlichen Raum und Belange in der Steinstraße entscheiden. Aber federführend ist und bleibt - und am Ende baut er es ja sogar dann noch - Benko." Dies sei keine Stadtentwicklung auf Augenhöhe und da retten auch 60 oder 70 Wohnungen in der Hand eines solchen Investors nichts. Er plädiere als langfristige Lösung des Wohnungsproblems für Bodenvorrat und Wohneigentum in städtischer Hand. Dieses Projekt helfe nichts, es gebe kein Allgemeinwohlinteresse, das begründet, dass dort etwas passiert. Es gebe auch nicht das Drohpotenzial, dass dort Stillstand herrschen würde. Aus seiner Sicht hätte man seit 2015 proaktiv handeln können, und nicht erst zwei Jahre Zeit verlieren, weil das Vorkaufsrecht nicht gezogen wird und man einen "Kuhhandel" macht. OB Dr. Nopper sei für diese Zeitverluste mit verantwortlich. Mit Nachdruck appelliere er an die SPD: "Macht keinen Deal mit Benko!"

Der Vorsitzende hält fest, die Formulierung "Ausverkauf" werde nicht richtiger durch ständige Wiederholung. Er verweist auf sein Eingangsstatement und begründet nochmals, weshalb sein Vorschlag aus seiner Sicht die bestmögliche Variante ist.

StR Kotz kritisiert heftig StR Rockenbauch für die Art der Sprache, in welcher dieser seine Ausführungen macht und die insistiert, "dass Ihre Meinung die gesetzlich gegebene ist". Nach der Einschätzung seiner Fraktion dient der Vorschlag von OB Dr. Nopper durchaus dem Allgemeinwohl: So erlebe man in wenigen Jahren dort eine städtebauliche Aufwertung und man sichere Arbeitsplätze in Stuttgart, womit wiederum Kaufkraft in der City gehalten werden kann. Nicht zuletzt werde das künftige Gebäude helfen, 2035 das Klimaziel der Stadt zu erreichen, wohingegen man noch im Rechtsstreit wäre, würde man der Einschätzung über Allgemeinwohl von StR Rockenbauch folgen.

StRin Rühle erkundigt sich anhand eines konkreten Beispiels, ob der Gemeinderat beim öffentlichen Raum eine bindende Möglichkeit hätte, sich gegen die Meinung der SIGNA durchzusetzen. BM Pätzold stellt klar, dies sei die Frage des Preisgerichtes, weil das jeweilige Architekturbüro den Vorschlag des Wettbewerbsentwurfes machen wird. "Deshalb will man ja den öffentlichen Raum mit hineinnehmen, diesen Zusammenhang zwischen wo liegen die Eingänge, wie sieht der Erdgeschossbereich aus und den öffentlichen Raum herstellen müssen." Auf den Einwand von StRin Köngeter, der Investor könne das Preisgericht so besetzen, dass dieses im Zweifelsfall nach den Vorstellungen des Investors ihr Ergebnis fällt, verweist er darauf, dass immer dann, wenn es sich um einen Wettbewerb mit Dritten handelt, dieser Dritte mit vertreten ist. Er erinnert an den Wettbewerb der LBBW für die Eberhardstraße 22 - 24, wo der Gemeinderat - obwohl es ein Wettbewerb der LBBW war und der Auslober wie auch das Preisgericht den ersten Preisträger umsetzen wollten - den zweiten Preisträger in einer Überarbeitung durchsetzen konnte, weil er den Bebauungsplan in der Hand hatte. Auch hier werde der Gemeinderat im Preisgericht vertreten sein und die Anforderungen für die Auslobung des Wettbewerbs werden auch von der Stadt bestimmt. Somit werde man mit dem Preisgericht hinterher diskutieren müssen, welches die beste Lösung ist. Wichtig ist seines Erachtens, den Umgriff des öffentlichen Raums im STA zu erörtern, "weil dann können Sie auch die Rahmenbedingungen bringen, denn wir sind ja schon in Gesprächen mit der SIGNA was das Thema Auslobung angeht".

StRin Rühle kann den PULS-Antrag sehr gut nachvollziehen, hält jedoch den Vorschlag von BM Pätzold für einen guten Weg. Was die Steinstraße und die Eberhardstraße angeht, so sollte die Steinstraße von der Stadt selbst ausgelobt und selbst entwickelt werden, wenn sie die Steinstraße 4 erworben hat. Extrem bedauerlich sei das Ganze dennoch, weil es für die Deutsche Bundesbank definitiv besser geeignete Standorte gebe und man laut des vorliegenden Gutachtens rechtlich gute Aussichten hatte, was das Vorkaufsrecht angeht. Jetzt müsse es darum gehen, beim Wettbewerb aufzupassen, um nicht die letzten Reste, die städtebaulichen Ziele umzusetzen, zu verlieren.

Auf Nachfrage des Vorsitzenden erklärt StRin Köngeter, PULS verzichte auf eine Abstimmung über ihren Antrag, wenngleich man nicht sehe, dass eine Diskussion im STA dies irgendwie heilt. Sie widerspricht OB Dr. Nopper, der den Grundgedanken des Antrags aufgenommen sieht, weil der Grundgedanke auch den Realisierungsteil betrifft. Da der Antrag aber keine Mehrheit finden werde, brauche man ihn nicht abzustimmen.

Auf Bitte des Vorsitzenden verliest BM Fuhrmann die neue Formulierung der Beschlussantragsziffer 2b und weist darauf hin, dass dies die neue Beschlussgrundlage für diese Ziffer ist.


Abschließend stellt OB Dr. Nopper die GRDrs 268/2022 Neufassung in der Fassung des STA/WA vom 18.10.2022 (modifizierte Beschlussantragsziffer 2b: "Über die Nutzung des Teilprojekts Steinstraße 4 entscheidet der Gemeinderat zu einem späteren Zeitpunkt. Die Verwaltung wird beauftragt, baldmöglichst einen Verfahrens- und Nutzungsvorschlag zu unterbreiten. Es ist vorgesehen, bei allen Nutzungsvarianten 20 % der Bruttogrundfläche Wohnbauzwecken zuzuführen oder in Anlehnung an die SIM-Regeln einen Ausgleich zu schaffen) zur Abstimmung. Er stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt mit 31 Ja- und 25 Nein-Stimmen mehrheitlich wie beantragt.
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