Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 09.07.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:Herr Polizeipräsident Lutz (Polizeipräsidium Stuttgart I),
der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Bericht der Stadtverwaltung zur Sicherheitspartnerschaft

OB Kuhn begrüßt sehr herzlich den Polizeipräsidenten, Herrn Lutz, und weist auf die im Ältestenrat getroffene Vereinbarung hin, wonach zunächst Herr Lutz und er zur Sicherheitspartnerschaft als Reaktion auf die Krawallnacht vom 20.06 auf den 21.06.2020 Stellung nehmen. Anschließend erhalten die Vertreter*innen der Fraktionen und Fraktionsgemeinschaften die Gelegenheit, sich zu äußern.

Die Ausführungen von Herrn Lutz sind wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut:

"Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren Bürgermeister, meine Damen und Herren, die Nacht vom 20. auf 21. Juni dieses Jahres in Stuttgart hängt auch der Polizei in Stuttgart immer noch ganz massiv in den Kleidern. Und da würde ich jetzt mal als erstes berichten wollen, um Sie, was die Ermittlungen betrifft, auf Ballhöhe zu bringen - wobei dort immer auch ein Konjunktiv dabei ist, weil sich im Prinzip diese Daten und Fakten doch ständig ändern. Ich mache es nachher an zwei, drei Beispielen deutlich.

Die Ermittlungen meiner Ermittlungsgruppe Eckensee laufen auf Hochtouren. Wir haben, wenn Sie sich erinnern, unmittelbar in der Tatnacht, am Sonntag, 21. Juni, 25 Tatverdächtige ermittelt gehabt und wir haben seither 15 weitere Tatverdächtige ermittelt, sodass wir derzeit, nachdem bei einer der Personen der Tatverdacht mittlerweile ausgeräumt wurde, von 39 Tatverdächtigen ausgehen. Sie sehen hier die klassische kriminalpolizeiliche Arbeit, dass wir natürlich sowohl Belastendes als auch Entlastendes feststellen, und so wurde bei einer Person mittlerweile der Tatverdacht auch ausgeräumt. Momentan haben wir 19 Haftbefehle, davon sind 14 aktuell in Haft, 4 davon sind außer Vollzug, da sind die Haftbefehle zwar vorhanden, aber der jeweilige Betroffene befindet sich nicht in Haft, und wie ich es gerade reflektiert habe, gegen eine Person hat sich das aufgehoben, auch ein Haftbefehl wurde zwischenzeitlich aufgehoben. Das ist der Moment jetzt gerade um 16:30 Uhr. Es laufen gerade zwei Vorführungen, also Sie sehen, um 18 Uhr wird sich beispielsweise an dieser Zahl wiederum bereits etwas verändert haben können.

Was wissen wir noch von den Tatverdächtigen, die wir bislang festgestellt haben? Wir haben 12 Erwachsene, wir haben 16 Heranwachsende und wir haben 11 Jugendliche. Also 27 von den 39 Tatverdächtigen, gegen die sich der Tatverdacht immer noch richtet, wenn Sie so wollen, also rund zwei Drittel sind Jugendliche und Heranwachsende. Wo kommen diejenigen her, die wir bislang ermittelt haben? Also 24 von denen haben Wohnort Stuttgart. Dann 12 von ihnen wohnen in Baden-Württemberg. Das sind im Wesentlichen die Landkreise um uns herum bis Richtung Schwäbisch Hall, und 3 von ihnen haben keinen festen Wohnsitz.

Ich würde ganz kurz ein paar Ausführungen machen zu dem, was wir bisher zur Staatsangehörigkeit der von uns ermittelten Tatverdächtigen wissen. 24 der 39 Tatverdächtigen sind deutsch. Ein Migrationshintergrund wird definiert, wenn mindestens ein Elternteil ausländischer Nationalität wäre oder der Betroffene selber als ausländischer Staatsangehöriger geboren würde. Deswegen meine weiteren Ausführungen dazu: 11 von diesen 24 haben gesichert einen Migrationshintergrund. Davon im Übrigen 4 eine doppelte Staatsangehörigkeit: Türkei, Sri Lanka, Mosambik und Griechenland. Bei weiteren 11 deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund steht dieser Migrationshintergrund noch nicht gesichert fest. Ich habe Ihnen gerade die Definition genannt. Und das bedeutet Recherchen bundesweit bei den Standesämtern, um letztendlich diese Frage festzustellen. Das ist nicht primär polizeiliche Aufgabe in Ermittlungsverfahren, sondern ist jetzt im Prinzip genau diesem Verfahren hier in Stuttgart geschuldet, dass diese Ermittlungen so geführt werden. Es hat darüber hinaus 15 Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Davon sind 6 EU-Bürger, das geht von Polen über Kroatien bis Rumänien und Griechenland, und es sind 9 Nicht-EU-Bürger darunter unter diesen Tatverdächtigen, davon 4 Afghanen, 2 Iraki, 2 Somalier und einer aus Bosnien-Herzegowina. Das zur Staatsangehörigkeit.

Wir haben im Moment Erkenntnisse, dass der Ausgangspunkt der Krawall- und Gewaltnacht, wie Sie sie ja in den Medien und auch sonst erlebt haben, dass der Ausgangspunkt eine Drogenkontrolle war meiner Kollegen im Schlossgarten. Diese Drogenkontrolle, da ging es um Handel wie um Besitz bzw. Konsum von Drogen. Und dies hat dann letztendlich dazu geführt, dass eine Gruppe von jungen Menschen, die dort am Eckensee sich aufgehalten haben, dort getrunken haben, dort wie auch immer ihre Freizeit verbracht haben, dass sich diese solidarisiert haben mit den solchermaßen kontrollierten Festgenommenen und gegen die Polizei.

Was jetzt abging war so noch nie erlebt, also, dass wir jetzt beleidigt werden als Polizei, dass Respektlosigkeiten stattfinden, das sind die Kollegen leider mittlerweile gewöhnt. Was sie jetzt allerdings erlebt haben, das war auch für sie etwas völlig Neues. Sie wurden nämlich jetzt an dieser Stelle von vielen, vielen Menschen mit Flaschen und mit Steinen beworfen, mit Steinen beworfen, die die Täter, die der Mob im Prinzip, aus dem Straßenbelag herausgerissen hat, mit so Stelzen, wie man Absperrungen macht, und haben das auf die Kolleginnen und Kollegen geworfen. Die waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal mit der entsprechenden Schutzausstattung ausgestattet, und haben zu diesem Zeitpunkt auch eine Rettungswagenbesatzung des Deutschen Roten Kreuzes schützen müssen, die nämlich aufgrund der Verletzung von einem angerückt sind und im Prinzip geschützt werden mussten von der Polizei. Dies konnte dann anschließend mit einer, sagen wir, mit einer Beweismittel- und Festnahmeeinheit der Polizei wieder unter Kontrolle gebracht werden, und dann kam es zu massiven Angriffen auch auf einzelne Polizeibeamte. Ihnen sind die Bilder bekannt eines Dienstgruppenführers meines 6. Polizeireviers, der in Kung-Fu-Methodik angesprungen wurde. Und dieser Kollege hatte, Gott sei Dank, schon die gesamte Schutzausstattung an, sodass die Verletzungen gering sind. Ich möchte im Moment gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn er diese Schutzausstattung nicht angehabt hätte. Ein vergleichbarer Vorfall, allerdings nur ein Einzelfall, hat es, legen Sie mich nicht ganz genau fest, vorvergangene Woche im Bereich des Polizeipräsidiums Ravensburg gegeben, da hat ein solchermaßen von jemand angesprungener Polizeibeamter mittlerweile einen gebrochenen Halswirbel. Das war diese Situation.

Von dieser Situation ausgehend, auch dies ganz offen und transparent, überprüfen wir derzeit auch Hinweise, dass dieses möglicherweise Personen gewesen sein könnten aus dem linksautonomen Umfeld in unserer Stadt. Dies überprüfen wir gerade, wir haben aber keine gesicherten Erkenntnisse, dass dies so war. Wohlgemerkt, das sind - im Konjunktiv -, Hinweise, die auf eine mögliche Täterschaft in dieser Richtung hindeuten. Ansonsten, zu dieser Thematik, kann ich Ihnen sagen, dass wir im Moment keine Hinweise haben für ein organisiertes Auftreten beispielsweise des linksautonomen Potenzials in unserer Stadt. Sie waren allerdings, eindeutig, sie waren unterwegs. Es waren Personen aus dieser Klientel in der Stadt unterwegs. Das dürfen sie eigentlich vom Grundsatz auch. Und den Rest müssen die Ermittlungen ergeben.

Einen Versuch einer soziologischen Zuordnung würde ich mir jetzt einfach ersparen, weil wir ganz unterschiedliche Personengruppen haben. Ich habe vorher einmal die Tatverdächtigen, die wir momentan haben, festgelegt. Wir haben im ersten Abschnitt, rund um den Eckensee, haben wir die Klientel, die da am Eckensee unterwegs ist, und wir haben ganz am Ende, nein nicht am Ende, aber wenn Sie sich die Sachbeschädigungen sowohl an Polizeifahrzeugen als auch an Ladengeschäften anschauen, wenn Sie sich die Plünderungen anschauen, und wenn Sie sich die Videos anschauen, dann wird dort - es sind auch sehr viele Tonaufnahmen dabei -, wie soll ich es jetzt formulieren? Schwäbisch hören Sie da wenig, um es mal einfach so zu formulieren. Wie sich das auch immer dann am Ende des Tages zusammengesetzt hat.

Wir haben vergangene Woche eine Sicherheitspartnerschaft zwischen der Stadt Stuttgart und dem Innenministerium, respektive dem Polizeipräsidium Stuttgart, unterschrieben. In der Historie, in der Polizeihistorie, in der Polizeiorganisation, gibt es, nachdem letztendlich die Polizei 1973, 73/74, verstaatlicht wurde, in der Historie gibt es gerade in der Landeshauptstadt Stuttgart, aber auch in Städten wie Mannheim und Karlsruhe, schon immer traditionell eine extrem und sehr gute Zusammenarbeit zwischen Polizei und, Sie gestatten mir den Begriff, die Begrifflichkeit, Rathaus und Oberbürgermeister und Bürgermeister bzw. Sicherheitsbürgermeister, eine sehr enge Zusammenarbeit. Und die Dinge werden immer besprochen, auch Demonstrationsgeschehen etc. pp., werden immer besprochen und eine wenn möglich einvernehmliche Lösung der entsprechenden Probleme dann letztendlich auch erzielt und erreicht. Wir haben eine aus meiner Sicht hervorragende Zusammenarbeit, und das sehen Sie letztendlich auch an den Inhalten des Zehn-Punkte-Plans der Sicherheitspartnerschaft zwischen Stadt Stuttgart, zwischen Ihnen auch, und dem Innenministerium, respektive der Polizei.

Nehmen wir mal das Thema brennpunktorientierte Präsenz und Kontrollmaßnahmen, dann wissen Sie, dass wir seit 2006 ständig, etwa mit der Sicherheitskonzeption Stuttgart, 70 zusätzliche Beamte in der Stadt haben, also genau diese Präsenz- und Kontrollmaßnahmen, werden hier noch einmal beschrieben, und natürlich kann man dies weiter intensivieren.

Sie sehen darüber hinaus ein konsequentes Vorgehen gegen die Intensivtäter. Das richtet sich an das Polizeipräsidium Stuttgart, auch das haben wir auf dem Plan und machen wir natürlich. Wir haben ein Haus des Jugendrechts. Haus des Jugendrechts - die Vorgespräche sind so weit, die Organisation steht so weit schon vor dieser Sicherheitspartnerschaft, dass es am Ende des Tages eigentlich nur noch an einer geeigneten Liegenschaft und Büroräumen haperte, um es letztendlich zu realisieren. Ein Haus der Prävention, ich weiß gar nicht, wann ich mit Dr. Schairer dieses Thema zum ersten Mal besprochen habe. Auch hier ist es in dieser Stadt mit ihren Problemen auch in der Frage von Liegenschaften letztendlich genau diese Frage.

Wir haben im Schlossgarten mit dem zuständigen Finanzministerium die Fragen der Ausleuchtung, der Möblierung des gesamten Schlossgartens besprochen. Auch hier war es letztendlich nur noch eine Frage der Finalisierung, die wir da durchführen. Und dann städtischer Vollzugsdienst, Stichwort Vermüllung etc., das ist ja auch von Ihrer Seite bereits auf den Weg gebracht. Und dann gibt es jetzt zwei Punkte, über die wir dann noch intensiv diskutieren werden, wo ich aber einfach ein Stück weit um Besonnenheit werben möchte. Das wären die Themen Videoüberwachung, Alkoholkonsum-Verbot.

Ich wollte Ihnen in dem Moment aus Sicht der Polizei, aus Sicht des Polizeipräsidenten deutlich machen, dass wir eine sehr gute Sicherheitspartnerschaft in Stuttgart haben und dass dies, was jetzt mit dem Land als Sicherheitspartnerschaft unterschrieben wird, als Erweiterung, als wenn Sie so wollen auch Vertiefung gesehen wird, aber nicht per se als eine Situationsbeschreibung, als dass wir bislang keine Sicherheitspartnerschaft miteinander gepflegt hätten. Vielen Dank."

OB Kuhn dankt für den Bericht und bestätigt, es gebe bereits seit langem mit der Polizei des Landes Baden-Württemberg in allen Fragen eine sehr gute Zusammenarbeit - über BM Dr. Schairer, aber auch sehr oft mit ihm. Die bestehende Sicherheitspartnerschaft habe dazu geführt, dass die Quote an schweren Gewaltdelikten in Stuttgart in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Prävention, entschlossene Repression und alles, was zwischen diesen beiden Begriffen stattfindet, sei in Stuttgart gut gemacht worden, wenngleich diese Zahlen sich nicht unbedingt mit dem subjektiven Sicherheitsempfinden der Bevölkerung decken. Dieses hänge von ganz vielen Faktoren ab, bis hin zu solchen Dingen, wieviel Abfall herumliegt. Auch aus diesem Grund habe man das erneuerte Abfallkonzept mit einem Finanzvolumen von 10 Mio. € zusätzlich gemacht, in der Erkenntnis auch 'littering' usw. bekämpfen zu müssen, damit die Leute ein besseres, der Wirklichkeit mehr entsprechendes Sicherheitsbewusstsein haben.

Die Nacht vom 20. auf den 21. Juni habe gezeigt, dass diese Sicherheitspartnerschaft erneuert und vertieft werden muss, so wie dies in anderen Städten in Baden-Württemberg wie Freiburg und Heidelberg erfolgreich praktiziert wurde. Deswegen habe er mit dem Innenminister zusammen diese Sicherheitspartnerschaft ausgerufen und unterschrieben. Von den Gewaltverbrechen in Stuttgart fänden 30 % im Stadtbezirk Mitte statt, davon fanden in den Stadtteilen Eckensee, Schlossplatz, Kleiner Schlossplatz und Bahnhof des Stadtbezirks Mitte 87 % dieser Gewaltverbrechen statt. Diese Zahlen habe Herr Berger, stellvertretender Polizeipräsident, heute im Lenkungskreis dargestellt. Somit sei diese Gegend ein Schwerpunktbereich und man habe einen starken Bedarf, die Angst-Räume dort zu reduzieren. "Denn wir haben Bereiche in S-Mitte, die habe ich genannt, wo nicht mehr alle Bürgerinnen und Bürger sich trauen können und trauen, sich da durchzubewegen. Vor allem nicht in der Nacht, am Tag ist es ja doch deutlich anders. Und dies werden wir und müssen wir ändern."

Weiter informiert er, die Sicherheitspartnerschaft arbeite wie folgt: Es gebe ein Leitungsgremium, angeführt vom Polizeipräsidenten und ihm, darunter wurden drei Arbeitsgemeinschaften installiert:

1. Die AG Integrierte Jugendarbeit, wo die Prävention angesiedelt ist und die von BMin Fezer zusammen mit dem Zuständigen von der Polizei geleitet wird,

2. die AG Sicherheit im öffentlichen Raum, an der sehr viele Referate beteiligt sind und die von BM Dr. Schairer und seiner polizeilichen Entsprechung geleitet wird, und

3. die AG Gesellschaftliche Integration, die von BMin Dr. Sußmann und dem dafür zuständigen Vertreter der Polizei geleitet wird.

Darüber hinaus gebe es Runde Tische. Man werde in den zuständigen städtischen Gremien laufend berichten, sodass der Gemeinderat einbezogen sei in die Arbeitsgruppen und deren Ergebnisse auch beeinflussen könne.

Das Aktionsfeld dieser Sicherheitspartnerschaft reiche von Prävention bis hin zu Repression, "also zu dem, was die Polizei im Einsatz noch verändern kann, Stichworte: polizeiliche Maßnahmen, Präsenzstreifen, Schwerpunkte in der Ermittlungsarbeit, Vorgehen gegen Intensivtäter. Wir haben von der Stadt starken Wert daraufgelegt, dass wir das erfolgreiche Projekt Haus des Jugendrechts in Bad Cannstatt ausdehnen können auf die ganze Stadt, weil gerade Jugendliche den Grundsatz wissen müssen, dass der Zeitraum zwischen Tat und Verurteilung sehr schnell ist, und dies von ganz besonderer Bedeutung ist." Zweitens erarbeite man das Konzept für ein Haus der Prävention in der Innenstadt, welches man zusammen mit dem Land einrichten wolle und das ein bundesweit einmaliges Projekt wäre. Dort soll es polizeiliche und soziale Beratung geben und der Jugendarbeit/den Streetworkern ein Zentrum bieten, von dem aus sie agieren können. Auch Jugendliche, die einen ruhigen Raum brauchen oder die das Gespräch suchen mit den Behörden, können in dieses Haus der Prävention kommen. Es sei daher wichtig, bald eine geeignete Immobilie dafür zu finden. Das Konzept für das Haus der Prävention werde man, wenn es erarbeitet ist, mit dem Rat gemeinsam diskutieren. Es gehe dabei auch noch um die Finanzierung.

Seit langem werde zwischen dem Finanzministerium und der Stadtverwaltung diskutiert über ein Beleuchtungskonzept am Eckensee. Der Bereich Eckensee sei in der Zuständigkeit des Landes, das dort das Hausrecht habe. Es sehe nun danach aus, als käme das Thema Beleuchtung durch die Initiative der Polizei, die bereits letztes Wochenende entsprechend praktisch agiert habe, sehr rasch in die Umsetzung. Dadurch werde sich die Situation verbessern.

Mit dem Land habe man auch vereinbart, das Thema Videoüberwachung zu diskutieren und dafür einen Vorschlag zu machen. Die Polizei halte eine partielle Videoüberwachung in der Freitag- und Samstagnacht für ein wichtiges Instrument, um Gewalt sofort vor Ort zu verhindern. "Das ist keine Videoüberwachung, um in erster Linie im Nachhinein Straftäter zu ermitteln, sondern in erster Linie, um im Polizeieinsatz schneller zu sein und Täter leichter aufgreifen zu können." Die Arbeitsteilung in allen Städten, die so etwas machen, sei so, dass Ausrüstung und Kameras von der Stadt finanziert werden, die Auswertung erfolge durch die Polizei. OB Kuhn erinnert an das Jahr 2001, als die Rotebühlpassage ein besonderer Kriminalitätsschwerpunkt war und eine Videoüberwachung stattgefunden hat - immer nach der Einschätzung der polizeilichen Lage. Die Videoüberwachung sei damals sehr erfolgreich gewesen und wurde danach wieder abgebaut. 2016 habe es am Arnulf-Klett-Platz die Idee gegeben, etwas Derartiges zu machen. Die Polizei habe damals verneint, dass dies ein besonderer Kriminalitätsschwerpunkt ist und deswegen sei diese Maßnahme unterblieben, "obwohl viele ein mulmiges Gefühl dort hatten. Die Lage bei diesem Thema ist also differenziert wie die polizeiliche Lageeinschätzung ist, und dann sollten wir es aber auch machen und wieder lassen, wenn es nicht nötig ist und wenn es sich erledigt hat. Aber wichtig ist, es ist ein Instrument, das man nur dann macht, wenn es notwendig ist, also in den beiden Nächten und fertig. Und nicht werktags und werktagnachts und untertags, wenn die Leute unterwegs sind."

Weil der Gemeinderat dem natürlich zustimmen müsse, habe er diesen Punkt unter Vorbehalt gestellt. Der Innenminister und der Ministerpräsident sagen jedoch sehr deutlich, dass sie so etwas brauchen am Eckensee, Schlossplatz, vielleicht am Kleinen Schlossplatz usw. Die Verwaltung werde also eine Vorlage vorbereiten, um darüber im zuständigen Ausschuss ausführlich zu diskutieren. Darüber hinaus habe die Stadt sich verpflichtet, Sicherheitskonferenzen mit den Bürgerinnen und Bürgern durchzuführen, um mit denjenigen, die daran interessiert sind, das Thema Sicherheit in allen Aspekten zu diskutieren. Die Bürger müssen bereits einbezogen sein in die Analyse "Wie empfinden Sie die Situationen vor Ort?" und in die Frage: "Was sind denn die besten Mittel?"

Diskussionen habe man natürlich auch über das Thema Alkoholkonsumverbot. Das Finanzministerium habe für den Eckensee ein solches Verbot erlassen, welches jedoch bisher nicht umgesetzt worden sei. Dies habe sich jetzt "ein bisschen geändert". Das Verbot sei speziell, denn es gehe nicht darum, einer Einzelperson zu verbieten, eine Flasche Bier zu trinken, "sondern richte sich an solche Leute, die mit fünf Flaschen Wodka, einer Decke und ein paar Kumpanen sich niederlassen, sich volllaufen lassen und dann irgendwie Zoff machen." Er betont, egal welcher Herkunft, Gewalt gehöre sich einfach nicht und sei nicht rechtens. Man hoffe daher, dass das Alkoholkonsumverbot am Eckensee jetzt umgesetzt wird und werde dann im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft am Ende mit dem Rat gemeinsam die Frage erörtern, "ob wir sowas ausdehnen müssen vorübergehend, bis die Situation deeskaliert ist". Es gebe dazu ganz verschiedene Stellungnahmen auch in seiner Partei.

Wichtig sei ihm, die Haltung "entweder bist du für Prävention und für Streetworker oder du bist für die Polizei" aufzugeben, denn so einfach bekomme man die Sicherheit in Stuttgart nicht hergestellt. Er sei nach vielen Gesprächen tief davon überzeugt, beides machen zu müssen. Er bittet darüber hinaus darum, nicht auf den scheinbaren Gegensatz von Freiheit und Sicherheit hereinzufallen. "Denn damit die Freiheit als Selbstbestimmung der Individuen gelebt werden kann, braucht sie natürlich ein Mindestmaß an Sicherheit. Sicherheit ist eine der Voraussetzungen, dass die bürgerliche Freiheit in Anspruch genommen werden kann … . Und trotzdem gilt, Du musst immer aufpassen, dass die Sicherheitssachen nicht an sich so aufgebaut werden, dass sie Freiheit dauerhaft einschränken und gefährden. Also das richtige Verhältnis von Freiheit und Sicherheit ist das, was wir anstreben. Und damit komme ich zum Schluss und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit."

StRin Nuber-Schöllhammer (90/GRÜNE) schickt voraus, natürlich gehe es überhaupt nicht, dass die Polizei in dieser Weise angegriffen oder angeklagt und persönlich verletzt wird. Irritiert sei sie allerdings, dass der Polizeipräsident Worte wie "Mob" in seinem Bericht verwendet hat. Sie spricht sich dafür aus, dass die Politik sowie die Personen, die berufsmäßig damit zu tun haben, einen Schritt zurücktreten und professionell betrachten, was passiert da, anstatt sprachlich aufzurüsten. Stuttgart sei für die GRÜNEN weiterhin eine sichere Stadt mit einer geringen Kriminalitätsrate, einer großen Liberalität und einer großen Weltoffenheit. Nach den verstörenden Ereignissen vom 21. Juni 2020 könne man dennoch sehen, dass die Bürgerinnen und Bürger sich verstärkt unsicher fühlen und dass Unsicherheit subjektiv da ist. Daher begrüße man ausdrücklich die eingegangene Sicherheitspartnerschaft Innenstadt in dem von OB Kuhn beschriebenem atmenden Konzept und lege dabei das Hauptaugenmerk auf die Jugendarbeit und die gesellschaftliche Integration, flankiert und unterstützt von der Arbeit der Polizei.

In erster Linie brauche es aus Sicht ihrer Fraktion ein Konzept für die mobile Jugendarbeit in der Innenstadt, die von den Fachleuten dann aufgebaut wird mit Einbeziehung der Jugendlichen. Dabei brauche es eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, zu der die Polizei gehöre und andere erfahrene Akteure aus der Jugend- und Suchthilfe. Diese Partnerschaft könne sehr von den langjährigen Erfahrungen der mobilen Jugendarbeit profitieren. Dabei dürfen jedoch keinesfalls Personen aus anderen Gebieten in der Stuttgarter Jugendarbeiterszene abgezogen werden. Sehr gut und richtig finde man auch die Einrichtung eines Hauses der Prävention und eines Hauses des Jugendrechts. Es sei wichtig, dass es auch in den Abend- und Nachtstunden eine Anlaufstelle für polizeiliche Beratung und für sozialarbeiterische Beratung gibt.

Was das Thema Integration anbelangt, so wisse man, dass eine gelungene Integration mühsame Arbeit ist, die langen Atem braucht. Für schlichtweg falsch halte man es jedoch, die Ursache der Ausschreitungen allein am Migrationshintergrund festzumachen, so wie es gerade zu erleben sei. Die GRÜNEN stünden weiter für eine offene Gesellschaft und lehnen ein Auseinanderspielen von verschiedenen Gruppen, von verschiedenen Nationalitäten ab. Es seien Jugendliche und junge Erwachsene in der Stadt, auf die man den Blick werfen müsse. Nach der von Herrn Lutz genannten Definition haben 50 bis 70 % aller Kinder und Jugendlichen in Stuttgart einen Migrationshintergrund. Bei den unter 6-Jährigen seien es 68 %. Schaue man nun auf die Tatverdächtigen, dann entspreche dies dem ziemlich genau. Wer dies nicht so sieht, aber explizit Schuld zuweist, ignoriere nach ihrem Verständnis die gesellschaftliche Realität in dieser Stadt. Man freue sich daher, dass in Stuttgart aktiv und konstruktiv an Lösungen herangegangen wird, und die Sicherheitspartnerschaft dabei hilft: "Ein professionelles Zusammenspiel, nämlich auf verschiedenen Ebenen, das kurzfristig wirken kann, das aber auch mittel- und langfristige Konzepte entwirft, das auf die Ursachenforschung geht und dann eine Lösung findet, die längerfristig bei uns in der Stadt hält."

StR Dr. Reiners (CDU) geht zunächst ein auf das subjektive, von verschiedenen Faktoren beeinflusste Sicherheitsgefühl. Auffällig sei trotzdem, dass das subjektive Sicherheitsgefühl und die objektive Sicherheit immer mehr auseinanderklaffen. Für gut, begrüßenswert und notwendig halte seine Fraktion, dass bei der bestehenden Stuttgarter Sicherheitspartnerschaft nach diesen Ereignissen nachgesteuert wird. Es gebe schon lange Strukturen der Kriminalprävention in der Landeshauptstadt, wo diverse Akteure auf verschiedenen Säulen fußend zusammenarbeiten. Ein solches Konstrukt müsse man außerdem durch verschiedene Maßnahmen städtebaulicher Art/beleuchtungs-technisch mit Leben füllen. Seine Fraktion habe daher im letzten Haushalt 100 Stellen im städtischen Vollzugsdienst gefordert und präventive Videoüberwachung an neuralgischen Plätzen und Punkten. Das Thema Alkoholverbot sehe man etwas kritisch, sehr wichtig hingegen seien andere Aktivitäten in der Prävention in der Jugendarbeit.

In Bezug auf die gestern im Verwaltungsausschuss erfolgte Diskussion über das Haus des Jugendrechts erwähnt der Stadtrat die "bizarre" Aussage von StR Rockenbauch, wonach die Polizei ein Teil des Problems in diesem Zusammenhang sei und betont: "Nein, die Polizei ist nicht Teil des Problems, sondern unsere top ausgebildete Polizei ist wesentlicher Teil zur Lösung des Problems!" Er spricht erneut vor allem den Polizeikräften in Stuttgart seinen Dank aus: "Wir sind stolz auf euch, wir sind stolz auf eure Arbeit, wir stehen hinter euch und wir bitten nochmals den Herrn Oberbürgermeister, darüber nachzudenken, ob er nicht doch ein Banner am Rathausturm aufhängen lässt mit dem Hashtag '#wirsindPolizei', das die Solidarität der Stadtgesellschaft mit ihrer Polizei zum Ausdruck bringt."

Was den CDU-Antrag Nr. 273/2020 angeht, der mündlich schon jetzt in Teilen beantwortet wurde, bittet er darum, die Antworten in Gänze nachzuliefern, um für die weitere Bearbeitung der Thematik richtige Diagnosen stellen zu können. Dies wiederum sei ganz entscheidend, um die richtigen Folgerungen zu schließen und Maßnahmen zu treffen. Dieser Antrag sei ein Frageantrag zur Aufklärung hinsichtlich der Gewalttäter mit und ohne Migrationshintergrund vom 20./21.06.2020. Ungefähr zwei Drittel der Tatverdächtigen haben einen Migrationshintergrund, seien Männer, die schlecht integriert sind. Hier gelte es anzusetzen, präventiv, aber auch repressiv.

Nach Einschätzung seiner Fraktion haben sich die Geschehnisse über längere Zeit entwickelt: "Respektlose, aggressive Jugendliche und Heranwachsende mit überwiegend Migrationshintergrund versammeln sich seit längerer Zeit u. a. am Eckensee, um relativ ungehindert Drogen und Alkohol zu konsumieren. Die Ausschreitungen sind überdies in letzter Konsequenz gegebenenfalls auch Ergebnis und Folge der permanenten Rassismuskeule gegen unsere Polizei, die mit den problematischen Polizeistrukturen anderenorts - ich sage USA - nichts, aber auch gar nichts zu tun hat." Jeder, der bei solchen Gewalttaten die Täter anstachelt oder applaudiert, mache sich mitschuldig. Er könne der Forderung des Innenministers, dies unter Strafe zu stellen, nur zustimmen. Der Stadtrat betont, man lehne jede Form von Extremismus und Gewalt ab. In den letzten Wochen sei viel über Rechtsextremismus diskutiert worden. Man interessiere sich in diesem Kontext im Fragekatalog aber auch für linksextremistische Gruppierungen, weil man befürchte, dass im Hintergrund linksextremistische Strukturen und die Antifa eine Rolle spielen könnten. Die gewaltorientierte linksextremistische Szene in Stuttgart nutze nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz und des Landeskriminalamts Baden-Württemberg zunehmend körperliche Angriffe und schwere Gewalttaten zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Auch wenn erklärt werde, dass die Straftaten keinen politisch motivierten Hintergrund haben, so sei es doch nicht gänzlich auszuschließen, dass die Vorkommnisse im Laufe der Zeit und besonders im Wiederholungsfall eine politisch motivierte Dimension bekommen könnten. Daher gelte es, Aufmerksamkeit zu bewahren.

Er sehe mit Sorge auf die Stadt, so StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei), beobachte man doch Entwicklungen, die das liberale Stuttgart und das Erbe eines OB Manfred Rommel und auch eines OB Dr. Schuster infrage stellen. Auch sehe man mit Sorge Entwicklungen an ganz anderer Stelle, "die nicht erst mit diesen unsäglichen Gewalttaten in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni begonnen haben, bei der Stadt z. B. mit dem Abbau von Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum, damit, dass erfolgreiche Projekte, City-Streetwork genau für diese Szene von der Fachverwaltung gewünscht", nicht beschlossen wurden. Vom Land erlebe man eine weitere Verschärfung des Polizeigesetzes, "mit Überwachungsmethoden, die wir kritisieren", und man erlebe, wie die Krawallnacht instrumentalisiert wird von Law-and-Order-Politikern, die mit ihren Forderungen nach Verboten, Überwachung und Repression eine Bedrohung für ein weltoffenes und liberales Stuttgart darstellen.

Wie geschickt sei es für die CDU-Fraktion im Stuttgarter Rathaus nun, die Diskussionen um strukturelle Gewalt und um Rassismus in Behörden in Deutschland nicht mehr führen zu müssen, sondern die aufkeimende Debatte unter dem Stichwort "Rassismuskeule" abzutun. Es wäre in Ordnung, nach den Elternhäusern dieser Straftäter zu fragen und danach, "was haben diese Kids für Männlichkeitsbilder, für Alkoholeinstellungen/-probleme, für eigene Gewalterfahrung in der Familie? Was haben die Eltern für Brüche in ihrer Biografie? Welche Diskriminierung, welche soziale Situation haben diese Eltern? Wie sind diese Kinder aufgewachsen? In welcher Situation befinden sich diese Jugendlichen? Woher kommt Wut und Frust bei denen? Ihre Erfahrung mit struktureller Gewalt, mit Diskriminierung, mit Kontrollen, mit Überwachung?" Nach all dem könnte man fragen, ohne die Frage nach Migrationshintergrund stellen zu müssen. Aus Einzelfällen unglaublicher krimineller Energie sollte man nicht die Gesamtstadt in Haftung nehmen und schon gar nicht Mitbürgerinnen und Mitbürger, die eine Einwanderungsgeschichte haben.

Es brauche klare Analyse, Ursachenforschung und Aufarbeitung. Dass solche Zustände nie wieder entstehen, sei Aufgabe der Politik. Deswegen halte man den Ausbau der Sicherheitspartnerschaft nicht für den richtigen Schritt. Selbstverständlich wolle er in Stuttgart sicher leben. Zum sicher leben gehöre auch die Polizei dazu und auch die Strafverfolgung. Zur Sicherheit gehöre aber auch die Sicherheit am Arbeitsplatz, die Sicherheit, einen guten Bildungsabschluss zu haben, die Sicherheit, dazuzugehören und die Sicherheit, nicht von struktureller Gewalt und nicht von Rassismus permanent in dieser Stadt konfrontiert zu sein. Von dieser Sicherheit sei in dieser Partnerschaft jedoch nur vage die Rede, an der Stelle, wo es um das Haus der Prävention geht. Prävention müsse vorher anfangen, so dass Gewalttaten gar nicht erst stattfinden. Dazu brauche es Räume ohne Polizei, gerne auch Gespräche mit der Polizei. Nach dem Präventionsbegriff der FrAKTION sei ein Haus der Prävention in erster Linie keines, was unter dem gleichen Dach noch die Polizei beherbergt. In den Fachausschüssen müsse man sich über die unterschiedlichen Definitionen von Präventionsarbeit in der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit auseinandersetzen. Man müsste dazu kommen, nicht nur die Überwachung aufzustocken und Verbote auszudehnen, sondern zu sagen, auf jeden zusätzlichen Polizisten, der freitags und samstags unterwegs ist, kommt mindestens ein Sozialarbeiter, eine Bildungsarbeiterin, denn sonst werde dieses Konzept hinken. Es sei daher schade, dass OB Kuhn diese Sicherheitspartnerschaft am Rat vorbei unterzeichnet hat. "Wir glauben, dass die Sicherheitspartnerschaft sicher leben in Stuttgart breite, grundsätzliche, gesellschaftliche Füße braucht, den Dialog mit den Jugendlichen - auch diesen Jugendlichen - an der Stelle." Dazu helfe weder der CDU-Antrag noch diese Partnerschaft.

Er sehe zudem eine Schieflage beim Thema Alkoholverbot. Dank Corona habe kein Frühlingsfest stattgefunden und auch das Volksfest sei nicht sicher. Sicher sei er sich hingegen, "dass durch den Ausfall dieser Art von Massenbesäufnis, das zu sexueller Belästigung, sexuellen Übergriffen und viel Gewalt führt, die Gewaltstatistik in Stuttgart grundlegend verändert wird." Vom Rat erwarte man, sich dem Erbe von Manfred Rommel als liberale Stadt zu stellen, und diese Jugendlichen nicht einfach so zur Seite zu schieben, als wären sie nicht Teil der Stadt. Er ruft dazu auf, sich vom CDU-Antrag zu distanzieren, denn dies sei "das Fischen am rechten Rand", was in dieser Stadt nicht akzeptiert werden dürfe.

Von einem spontanen, sehr guten und respektvollen Gespräch zu diesem Thema mit fünf jungen Leuten, die mehrheitlich Migrationshintergrund haben, aber alle in Stuttgart geboren sind, berichtet StR Körner (SPD). Er habe sich selbst hinterher die Frage gestellt, mit welchem Recht er, der nicht in Stuttgart geboren ist, dazu kommt, sich mehr als Stuttgarter zu fühlen als diese fünf. Er dankt Herrn Lutz für seinen Bericht der weiterentwickelten Sicherheitspartnerschaft und unterstreicht, die Polizei habe voll verdient, dass "wir alle ihr den Rücken stärken angesichts von gewalttätigen Angriffen auf die Frauen und die Männer, die für unsere Sicherheit sorgen". Er halte es für Quatsch, weiter in Kategorien wie "Deutsche mit Migrationshintergrund" zu denken, denn diese Debatte führe zu gar nichts. Es seien Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Es gehe darum, das zu tun, was in der Sicherheitspartnerschaft steht, "Hausaufgaben" zu machen und Grenzen zu zeigen.

Positiv an den zehn Punkten sei, dass Stadt und Land gemeinsam vorgehen, dass das Haus des Jugendrechts stadtweit ausgedehnt werden soll und dass neben der Verbesserung der Beleuchtung momentan mehr Leute vom Ordnungsdienst und der Polizei Präsenz zeigen. Für die Zukunft halte er für wichtig, die Polizei insbesondere personell zu stärken. Was das Haus der Prävention angeht, so habe er die in der mobilen Jugendarbeit tätigen Streetworker*innen immer so verstanden, dass es nicht funktioniert, wenn Streetwork und Polizei unter einem Dach sitzen. Da die Formulierung im 10-Punkte-Programm nicht ganz eindeutig sei, bittet er um Klarstellung dieses Ansatzes.

Auch aus seiner Sicht muss die Streetwork ausgebaut werden, und zwar nicht zu Lasten der Streetwork in den Außenbezirken, sondern zusätzlich. Natürlich müsse man schwerpunktmäßig jetzt in der Innenstadt, Schlossplatz, Eckensee, etwas tun, dennoch seien die Themen Grenzen aufzeigen, Littering, Ordnungsdienst auch ein Thema in vielen Stadtbezirken und müssten weiter in den Blick genommen werden. Gespräche geführt habe man mit außerdem mit Mitarbeiter*innen vom Haus des Jugendrechts und mit den Oberbürgermeistern der Städte Mannheim und Freiburg, wo schon Erfahrungen mit einigen Dingen gesammelt wurden. Demzufolge sei ein Alkoholkonsumverbot nicht das erste Mittel der Wahl. Was die Videoüberwachung angeht, so dankt er für die Erläuterungen des Oberbürgermeisters. Die SPD-Fraktion begrüße die Weiterentwicklung der Sicherheitspartnerschaft, unterstütze die Verwaltung dabei und bittet um die Aufnahme der von ihm genannten Punkte in der Weiterentwicklung.

Für die FDP-Gemeinderatsfraktion begrüßt StRin Yüksel die vereinbarte Vertiefung der Sicherheitspartnerschaft von Land und Stadt. Neben München und Nürnberg gehöre Stuttgart zu den sichersten Städten in Deutschland, jedoch habe die Krawallnacht dazu geführt, dass das Sicherheitsgefühl der Stuttgarterinnen und Stuttgarter gelitten hat. Man wolle nie wieder eine solche Krawallnacht in Stuttgart haben, unterstreicht sie. Die meisten der vorgestellten Aktionsfelder dieser Sicherheitspartnerschaft halte ihre Fraktion für zielführend, man lehne jedoch Videoüberwachungen und Alkoholkonsumverbote - auch wenn sie nur an Wochenenden erfolgen sollen - ab.

Insbesondere die Ausweitung der Handlungskompetenz des Hauses des Jugendrechts auf das gesamte Stadtgebiet sei mehr als sinnvoll, "nachdem die verschiedensten Akteure unter einem Dach agieren und das Haus genau der richtige Ort ist, auch dort Präventionsarbeit zu leisten". Die Polizei sei gerade Teil des Erfolgskonzeptes des Hauses des Jugendrechts, weshalb sie die Ausführungen von StR Rockenbauch, man bräuchte polizeifreie Räume, absolut nicht nachvollziehen könne. Ob es daneben ein Haus der Prävention braucht, sei noch zu prüfen - es höre sich auf den ersten Blick aber sehr sinnvoll an.

Insgesamt bedaure man, dass auf politischer Ebene genau das passiert, wovor sie in der letzten Sitzung gewarnt habe, nämlich die Krawalle auf die in das eigene Weltbild passende eine Ursache zu reduzieren und politisch populistisch teilweise auszuschlachten. "In Richtung CDU: Wenn die Richtung Ihrer letzten Anfrage zu den Krawallen tatsächlich Ihre zukünftige Richtung sein soll, so finden wir das nicht nur mehr als bedauerlich. Es ist auch eine populistische Richtung, die vielleicht die AfD, aber niemals wir Freien Demokraten hier im Haus mitgehen werden. Ihre Argumentation, Herr Dr. Reiners, zwei Drittel der jugendlichen Täter hätten einen Migrationshintergrund, ja, das relativiert sich doch schon, wenn man sieht, dass eben die Stadt so zusammengesetzt ist. Zwei Drittel der Jugendlichen in Stuttgart haben eben diese Migrationsgeschichte. Und Herr Körner hat es ja vorhin ausgeführt, diese Migrationsgeschichte, Einwanderungshintergrund, was immer das auch sein mag, was immer auch darunter subsummiert wird, das klebt an einem wie Kaugummi. Da kommt man ja gar nicht mehr davon. Welche Relevanz soll das teilweise haben? Selbstverständlich muss man gucken, inwieweit Männlichkeitsbilder da eine Rolle spielen. Aber pauschal auf die Migrationsgeschichte abzustellen, das halten wir eindeutig für falsch!

In Richtung der Fraktionsgemeinschaft Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei: Hier permanent die Polizei als Teil des gesamten Problems zu sehen, das ist genauso unerträglich. Selbstverständlich ist es so, dass es auch bei der Polizei Probleme gibt. Die Polizei ist ja nicht ein abgetrennter Ort, wo praktisch keiner Rassist ist, jeder sich an alles hält. Selbstverständlich gibt es da auch Probleme. Da kann man einzelne Probleme ansprechen. Aber die Polizei permanent an den Pranger zu stellen, polizeifreie Räume zu fordern, das ist unsäglich. Also das ist etwas, was ich nicht nachvollziehen kann, insbesondere, weil Sie auch nicht kapieren, dass es auch bei der Polizei viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte gibt, die genauso Teil der Polizei sind, die Sie mit Ihren Ausführungen genauso angreifen. Also daran merkt man auch, wie absurd es ist, so zu verallgemeinern insgesamt."

Man sehe die Richtung, die mit dieser Sicherheitspartnerschaft eingeschlagen wird, für durchaus sinnvoll und hoffe, dass hier weniger populistisch die Geschehnisse ausgeschlachtet werden, schließt die Stadträtin.

StR Zeeb (FW) verzichtet darauf, auf die Vorreden einzugehen. Für die Freien Wähler stehe im Vordergrund, der Polizei und der Verwaltungsspitze Respekt zu zollen und dafür zu danken, dass bis jetzt von allen ein sehr besonnenes Vorgehen an den Tag gelegt wurde. Im Vordergrund stehe die Aufarbeitung der Vorgänge, und nicht irgendwelche Schelte nach allen Seiten zu verteilen. Die angedachten Maßnahmen halte man für angemessen. Die Zukunft werde zeigen, welche davon erfolgreich sein werden. "Und jeder von uns ist jetzt gefordert, wo immer er kann, diesen Chaoten entgegenzutreten. Natürlich vielleicht nicht unbedingt körperlich, aber wo es geht, vielleicht mit überlegener Intelligenz, sofern vorhanden." Für ihn die wichtigste Aussage in den letzten Tagen war: "Wir kriegen alle, die Täter dürfen sich nicht sicher fühlen." Er traue der Polizei dies zu und wünsche stellvertretend Herrn Lutz viel Erfolg dabei.

Stuttgart habe "die schwersten Ausschreitungen unseres Landes seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt", so StR Goller (AfD), gleichzeitig werde eine Emotionalisierung der Analyse begonnen in den Reaktionen der Bevölkerung, wo die Rede sei von Angsträumen, sich trauen und mulmigen Gefühlen. Mit solchen Worten werden aus seiner Sicht die Mitbürger und ihr tägliches Erleben subtil verkindlicht, bevormundet und vielleicht ignoriert. Der Verweis auf Streetworking und Präventionsräume für Jugendliche, die mal einen ruhigen Raum brauchen, zeige angesichts der Vorkommnisse, "dass die grün-rosa Brille eben nur das halbe Spektrum beleuchtet, das aber bis hin zur Antifa". Dass Stadträtinnen und Stadträte angesichts dieser Ausschreitungen sich für den Respekt gegenüber einer Masse von Landfriedensbrechern einsetzen und die Definition des Wortes Mob infrage stellen, zeige, dass sie Teil des Problems sind. Wer die Realität und deren Beschreibung als Populismus bezeichnet, sei es ebenfalls.

Fragen nach Elternhaus, wie man aufgewachsen ist, Männerbild etc. seien die wichtigen Fragen. Die Sozialisierung des Einzelnen sei in der Gruppe die Definition von Kultur. Und Kultur hänge nicht von der Herkunft ab, aber mit ihr zusammen. Es sei folglich kein pauschales Abstellen auf den Migrationshintergrund, wenn die Polizei die Herkunft der Tatverdächtigen ermittelt. Wer die polizeilichen Erkenntnisse, wonach aktuell von 39 Tatverdächtigen nur 2 gesichert keinen Migrationshintergrund haben, ideologisch in Abrede stellt, der zeige, dass er sich der Realität nicht stellen will. Seine Fraktion danke jedem einzelnen Polizisten für seinen aufopferungsvollen Dienst. Man müsse diese wertvollen Staatsdiener finanziell und gesellschaftlich stärken "und wir müssen die Feinde unserer Gesellschaft und unserer Sicherheit entlarven".

Für die PULS-Fraktionsgemeinschaft erklärt StRin Schumann, man wolle die konkreten Vorschläge aus der Sicherheitspartnerschaft noch abwarten, bevor man sich für oder gegen Kameras usw. ausspreche. Für PULS stehe im Vordergrund, dass sämtliche Maßnahmen ein Zusammenspiel sein müssen aus Sozialarbeit und administrativen Maßnahmen. Daher begrüße man alles, was passiert im Rahmen vom Haus des Jugendrechts beispielsweise, auch wenn es gelegentlich begründete Kritik geben könne. Unbedingt vermeiden hingegen wolle man rein punktuelle Maßnahmen, da dies am Ende nur zu einer Verlagerung anstatt zu einer Verbesserung der Lage insgesamt in Stuttgart führe.

Den CDU-Antrag und die darin enthaltenen Fragen lehne man entschieden ab, da dieser Antrag eindeutig versuche, das Bild des pathologischen migrantischen Gewalttäters zu zeichnen. So könne man die Bürgerinnen und Bürger nicht wahrnehmen. Die darin enthaltene Forderung, etwas verurteilen oder zu strafen, zeige eine völlige Fehlinterpretation der Funktion des Gemeinderates, der weder Gesetzgeber sei noch Teil der ausführenden Gewalten. "Deswegen bitte ich aber auch die gesamte Verwaltung und die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, die Beantwortung von allen noch ausstehenden Fragen zu besagter Nacht und den beteiligten Akteuren auszusetzen, denn das ist nicht zielführend. Ebenso wenig wie es nicht zielführend wäre, ein Banner am Rathaus aufzuhängen, das am Ende nur eine schlechte Persiflage einer Zeile aus einem Böhmermann-Song ist. Ich frage mich tatsächlich, warum ich das nicht vorgeschlagen habe?"

OB Kuhn teilt mit, die Antworten auf die Anträge erfolgen noch, wobei die Antwort auf den Antrag von StRin Schumann sehr lapidar und kurz ausfallen werde. Insgesamt werde man das Thema noch öfters diskutieren. Heute sei es darum gegangen, dem Rat zu berichten, wie die Sicherheitspartnerschaft aufgebaut ist.

StR Dr. Reiners wendet sich an die StRinnen Yüksel und Schumann und stellt klar, es gehe seiner Fraktion in dem Antrag nicht um Spaltung oder dergleichen, sondern darum nachzufragen, wie die Täterstrukturen sind. Es sei eben gerade nicht so, dass die Täterstruktur nach dem jetzigen Erkenntnisstand sich deckt mit dem Migrationshintergrundanteil in der Stadt. Laut dem Statistischen Amt der Landeshauptstadt Stuttgart betrug dieser Anteil - letzter Stand 2019 - 45,3 %. Bei den Täterstrukturen betrage er momentan, Stand heute, 66 %. Ihm sei zudem nicht bekannt, dass 21 % in der Stadt einen Migrationshintergrund haben aus Afghanistan, Irak und Somalia, was genau 8 von 39 Tatverdächtigen entspricht. Es gehe nicht um Populismus oder sonst irgendetwas, sondern um Aufklärung, um richtige Schritte einleiten zu können, auch in der Prävention, Jugendarbeit etc. Dies halte man sogar noch wichtiger als Repression, weil Prävention immer der erste Schritt in der Arbeit ist.

Er sehe kein Problem, dass man hinschauen muss, meint OB Kuhn. Er glaube jedoch, für viele Menschen mit Migrationshintergrund in der Stadt sprechen zu können, die es satthaben, aufgrund der Tatsache, dass sie auch einen Migrationshintergrund haben, in einen Topf gerührt zu werden. Der Stadtdekan Monsignore Hermes habe einfach und klar formuliert: "Wer Steine auf die Polizei wirft, ganz egal, ob er Ureinwohner von Balingen seit 28 Generationen ist oder erst seit einer halben Generation, dem gehört Bescheid gesagt, der gehört, wenn es strafrechtlich relevant ist, verurteilt." Es gehe darum, nicht die ganze Stadt, die Mehrheit, die Migrationshintergrund hat, unter Verdacht zu nehmen.

StR Goller vertritt die Ansicht, man könne nicht der Polizei die Ermittlungsarbeit verwehren oder die Ergebnisse der Ermittlung ignorieren, nur, weil es Befindlichkeiten von Menschen, die teilweise von dem Profil betroffen sind, verletzt. StR Rockenbauch hält dagegen, dass die CDU in ihrem Antrag auch hätte fragen können, wieviel davon waren Männer. Dagegen hätte keiner was gesagt. Aber wenn nach etwas gefragt wird, was ursächlich nichts mit dem Problem zu tun hat, "dann interpretieren Sie und unterstellen einen kausalen Zusammenhang, den es so nicht gibt". Dies sei folglich kein Beitrag zur Lösung. Auch könne man nicht so tun, als ob irgendjemand die Polizei beschränken wollte, zu ermitteln. Die Frage sei nur, welchen Zusammenhang hat das zum Problem. Er stelle in Abrede, dass es den gibt. StR Dr. Reiners würde jedoch nicht 6 dieser 12 Fragen stellen, wenn er nicht einen kausalen Zusammenhang mit dem Migrationshintergrund sehen würde.

StR Kotz (CDU) stellt klar, seine Fraktion habe zu zwei Komplexen Fragen gestellt, u. a. nach dem Wohnsitz. Die Frage "Wo wohnen Sie?" sei wichtig, weil man, wenn es einen erheblichen Anteil gibt aus der Region, vielleicht auch darüber hinaus, darüber nachdenken müsse, wie das Thema Prävention, Jugendsozialarbeit etc. regionaler gedacht werden kann. Menschlich einleuchtend sei nach seiner Meinung nach auch, dass es in der Frage der Präventionsangebote und in der Art und Weise, was dort geboten werden muss und wie auf die Menschen zugegangen wird, einen Unterschied macht, ob es Jugendliche sind, die in Stuttgart und dem Umland geboren sind und in einem Rechtsstaat und in Frieden und Freiheit aufgewachsen sind oder ob es Jugendliche sind, die vor Wochen noch in Syrien unter Beschuss lagen. Diese Fragen hätten nichts mit dem zu tun, was StR Rockenbauch versuche, seiner Fraktion zu unterstellen.

OB Kuhn empfiehlt, das Problem von verschiedenen Seiten anzuschauen. So könne man selbstverständlich auch sagen, "wir haben ein Männerproblem von Männern, die viel trinken und mehr als sie vertragen" und man könne auch sagen - Frau Dr. Sußmann werde dies überprüfen - "die Integration hat nicht immer geklappt", und zwar bei ganz verschiedener Herkunft. Die verschiedenen Aspekte gelten zu lassen, ergebe ein Gesamtbild. Er persönlich glaube nicht, dass die Nacht vom 20. Juni zu erklären ist über eine Sache. Wer sich nur auf eine Sache spezialisiert, werde deswegen zu wenige Lösungen entwickeln.

Nicht nur werde heute der CDU unterstellt, dass man Interesse hat an der Struktur der Täter, um darauf die Ursache allein zurückzuführen, protestiert StR Goller, schlimmer noch sei es, wenn man von Vornherein sagt, dass der Migrationshintergrund in diesem Fall gar nichts damit zu tun haben kann. Dann passiere nämlich, dass man auch keine entsprechenden Maßnahmen betreiben kann. Wenn man dazuhin noch puren Relativismus betreibt und sagt, man könne genauso sagen, man habe ein Männerproblem oder ein Alkoholproblem, so weise er darauf hin, "dass seit Jahrzehnten besoffene Männer zuhauf am Volksfest und am Frühlingsfest zugegen sind und diese Vorkommnisse bis dato nicht stattgefunden haben." Es verbiete sich also, solche Überlegungen anzustellen.


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