Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OBM
GRDrs 629/2020
Stuttgart,
10/15/2020



Verlängerung der Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung
von Wohnraum der Landeshauptstadt Stuttgart




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik
Gemeinderat
Vorberatung
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
06.11.2020
10.11.2020
19.11.2020



Beschlußantrag:

Die Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in der Landeshauptstadt (Zweckentfremdungsverbotssatzung – ZwEVS) gemäß Anlage 1 wird bis zum
31. Dezember 2025 um weitere fünf Jahre verlängert.



Begründung:


1. Gesetzliche Grundlagen

Mit dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz – ZwEWG - vom 19. Dezember 2013 hat das Land die Grundlage für ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum geschaffen, das auf kommunaler Ebene per Satzung von Gemeinden mit Wohnraum­mangel umgesetzt werden kann.

Das Gesetz gibt den Gemeinden bei einer bestehenden Mangellage auf dem Wohnungsmarkt ein Instrumentarium, um zu verhindern, dass Wohnraum dem Wohnzweck entzogen werden kann und die dadurch eintretende Verringerung des vorhandenen Bestands an Wohnraum zu einer Verschärfung des Wohnungsmangels führt.

Voraussetzung ist, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist und sie diesem Wohnraummangel nicht mit anderen zumutbaren Mitteln (z.B. Wohnbautätigkeit und Wohnraumförderung) in angemessener Zeit begegnen können.


Die Geltungsdauer einer Zweckentfremdungsverbotssatzung ist gesetzlich auf maximal fünf Jahre beschränkt. Die derzeit geltende Satzung gilt bis 31. Dezember 2020.

Eine Zweckentfremdung von Wohnraum liegt nach § 2 Abs. 1 ZwEWG insbesondere vor, wenn dieser


Nicht betroffen von dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz ist die Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum sowie die Rückumwandlung desselben, sofern die Umwandlung mit wesentlichem Bauaufwand nach dem 31. Mai 1990 erfolgt ist.


2. Wohnungssituation in Stuttgart

In der Landeshauptstadt ist die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet. Dies ist dadurch belegt, dass die Landeshauptstadt Stuttgart in die Verordnungen der Landesregierung zur Absenkung der Kappungs­grenze (ab 1. Juli 2020) und zur Miet­preisbremse (ab 1. April 2020) aufgenommen wurde, die ebenso eine Wohnungsmangellage voraussetzen.

Ergänzend dazu ist aus nachstehender Aufstellung ersichtlich, dass die Entwicklung des Wohnungsbestandes mit der Haushaltsentwicklung nicht Schritt gehalten hat. Das rechnerische Wohnungsdefizit hat sich in den letzten Jahren stark erhöht. Während die Zahl der Haushalte seit 2011 durchschnittlich jährlich um 1,0 Prozent zugenommen hat, ist der Wohnungsbestand durchschnittlich nur um 0,5 Prozent gewachsen.

Stichtag
Wohnungsbestand
Haushalte
(Haushaltsgenerierung)
Einwohner
(Register)
31.12.2011
302.740
303.210
573.054
31.12.2012
304.133
308.944
578.886
31.12.2013
305.132
312.707
585.984
31.12.2014
306.544
315.666
592.898
31.12.2015
308.376
318.531
598.629
31.12.2016
310.310
320.641
602.301
31.12.2017
312.371
324.370
609.220
31.12.2018
313.964
325.997
611.665
31.12.2019
314.911
327.294
614.365
Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Statistisches Amt Stuttgart

Auch die Preisentwicklung von Neuvertragsmieten ist ein guter Indikator für den zunehmenden Wohnungsmangel. Der Stuttgarter Mietspiegel basiert auf einer Befragung von Haushalten, deren Mietverträge in den letzten vier Jahren abgeschlossen oder verändert wurden. Das Mietspiegelniveau hat sich in Stuttgart in den Jahren 2000 bis 2018 um insgesamt 66,9 Prozent erhöht, während sich die durchschnittliche Nettokaltmiete in

Baden-Württemberg weniger als halb so stark um 30,8 Prozent verteuerte. Die Verbraucherpreise stiegen im selben Zeitraum in Baden-Württemberg um 30,6 Prozent.

Der Wanderungsverlust von Familien aus Stuttgart in die Region hat seit 2011 wieder zugenommen, was auch als Hinweis interpretiert werden kann, dass Familien zunehmend Probleme haben, in Stuttgart Wohnraum zu finden. 2019 lag der Wanderungssaldo der unter 18-jährigen mit der Region bei -15 (bezogen auf 1.000 Einwohner dieser Altersgruppe) und damit auf dem niedrigsten Stand seit den 1970er Jahren.


Dass in der Landeshauptstadt die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, ergibt sich zudem aus den Entwicklungen im Segment der preisgünstigen Wohnungen (Sozialmietwohnungen):

Zum 31. Dezember 2019 waren beim Amt für Stadtplanung und Wohnen 4.564, auf die Unterstützung der Stadt angewiesene wohnungssuchende Haushalte vorgemerkt.

Da dem Wohnungsmangel in Stuttgart nur mittel- und langfristig begegnet werden kann, wird neben den Maßnahmen des Konzepts „Wohnen in Stuttgart“ wie der Aktivierung des Wohnungsneubaus und der Steigerung der Wohnungsbauförderung, die Verlängerung des Zweckentfremdungsverbots als zielführend angesehen.


3. Eingeschränkte Möglichkeiten nach dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz Baden-Württemberg

Nach dem in Baden-Württemberg geltenden Gesetz unterliegen schon vor 2016 bestehende Leerstände nicht mehr dem Zweckentfremdungsverbot, wie der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung vom 8. September 2016 letztinstanzlich festgestellt hat (Beschluss vom 8.9.2016, Az. 3 S 1456/16). Gerade diese langjährigen „Altleerstände“, gegen die es damit keine rechtliche Handhabe gibt, werden aber in der Öffentlichkeit besonders wahrgenommen und thematisiert.

Das geltende Recht gibt zudem keine Möglichkeit, die Wiedernutzung von Wohnraum oder die Vermietung an die Gemeinde direkt anzuordnen, sondern nur eine Bußgeldbewehrung für strafbare Leerstände. Für das eigentliche Ziel, Wohnungen wieder dem Wohnungsmarkt zuzuführen, ist die Verwaltung auf aufwendige Beratungs- und Überzeugungsgespräche angewiesen.

Eine entscheidende Schwäche des Zweckentfremdungsrechts in Baden-Württemberg im Kampf gegen die ungenehmigte Umwandlung von Wohnungen in Ferienwohnungen stellt die bisherige sehr enge Ausgestaltung des Auskunftsrechts in § 4 des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes Baden-Württemberg dar. Danach hat die Gemeinde nur Auskunftsrechte gegenüber den dinglich Verfügungsberechtigten (insbesondere den Eigentümern) und den Besitzern (insbesondere den Mietern) von Wohnungen, nicht aber gegenüber den Betreibern von Vermittlungsplattformen.

Es gibt derzeit in Baden-Württemberg noch keine Auskunftspflicht für Betreiber von Vermietungsplattformen, anders als bspw. in Bayern.

4. Novelle des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes

Bereits im September 2019 kündigte das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg in einer Presseerklärung eine Novelle des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes an. Im Juni 2020 wurden die nachgeordneten Behörden bezüglich des zu erwartenden Erfüllungsaufwands bei verschiedenen möglichen Neuregelungen befragt.

Ein konkreter Zeitplan für das förmliche Gesetzgebungsverfahren und das Inkrafttreten der Novelle existiert allerdings noch nicht, wie das Ministerium auf Nachfrage mitgeteilt hat. Nach Pressebericht der Stuttgarter Nachrichten vom 15. September 2020 sollte der Gesetzentwurf im Kabinett beraten werden. Der Gesetzentwurf orientiert sich an der Rechtsprechung aus Bayern.

Angedacht und ausweislich der angeforderten Kostenabschätzung für den möglichen Vollzug derzeit in der Prüfung durch das Ministerium sind nachstehende Änderungsmöglichkeiten, die dann jeweils noch der Übernahme in die kommunale Satzung bedürften, um für Stuttgart wirksam zu werden.

- Einführung einer Auskunftspflicht für Dienstanbieter im Sinn des Telemediengesetzes


- Einführung einer Registrierungspflicht für die Eigentümer von Ferienwohnungen
- Einführung einer Anzeigepflicht für jede einzelne Überlassung des Ferienwohnraums
- Verstöße gegen die neuen Pflichten wären jeweils auch bußgeldbewehrt. Laut aktuellem Pressebericht soll die Ordnungswidrigkeit nach § 5 Abs. 2 ZwEWG in Form eines Bußgeldes von bisher maximal 50.000 Euro auf maximal 100.000 Euro erhöht werden.

Hilfreich und ohne unverhältnismäßigen Vollzugsaufwand umsetzbar wären die Auskunfts- und Registrierungspflicht. Den Behörden würde damit ein wirksames Werkzeug an die Hand gegeben um Rechtsverstöße zu identifizieren und zu ahnden, ohne dass rechtstreue Eigentümer nennenswert belastet würden.

Die Anzeigepflicht für einzelne Vermietungsvorgänge wäre angesichts des hohen Aufwands sowohl in der Verwaltung als auch für die Eigentümer bei eher geringem Erkenntnisgewinn kritisch zu sehen.

5. Statistik

Bis Ende 2019 wurden insgesamt 1.161 Verfahren nach der Zweckentfremdungsverbotssatzung eingeleitet. Davon sind noch 459 Verfahren anhängig (Stand 30. Juni 2020), überwiegend von Amts wegen eingeleitete Verfahren wegen Fehlnutzung (in der Regel Ferienwohnungen) oder Leerstand.

Es wurden Zweckentfremdungsgenehmigungen für insgesamt fast 113.000 m² Wohnraum erteilt. Im Gegenzug wurde die Neuerrichtung von über 240.000 m² Wohnraum gesichert und Ausgleichszahlungen in Höhe von mehr als 325.000 € festgesetzt.

Ohne Gegenleistung der Antragsteller in Form von Ersatzwohnraum oder Ausgleichszahlungen wurden im öffentlichen Interesse in 28 Fällen Zweckentfremdungsgenehmigungen erteilt. In den seitherigen Wohnräumen wurden dann vom Jugendamt befürwortete Kinder- und Jugendeinrichtungen, Obdachloseneinrichtungen, andere im öffentlichen Interesse liegende Einrichtungen für soziale oder kulturelle Zwecke und Einrichtungen für die lokale medizinische Versorgung geschaffen.


6. Städtische Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in der Landeshauptstadt Stuttgart - ZwEVS

Die wesentlichste Änderung ist der § 13 der ZwEVS.

- Inkrafttreten (§ 13)


Alle weiteren Änderungen sind im Satzungsentwurf (Anlage 1) farblich kenntlich gemacht. Zudem sind die Änderungen im Einzelnen in der Anlage 2 separat erläutert.


7. Auswirkungen einer Novelle des Landesgesetzes

Wie bereits in den Stellenplanberatungen zum Doppelhaushalt 2020/2021 ausgeführt wird die Novelle des Landes hoffentlich zeitnah erfolgen. Sofern dort neue Möglichkeiten für die Gemeinden eröffnet werden, müssen diese erst in eine zu ändernde Satzung übernommen werden, um in Stuttgart Wirkung zu entfalten. Die den Gemeinden möglichen Maßnahmen sind im Gesetz jeweils als kommunale Satzungsermächtigungen ausgestaltet, wirken also nicht unmittelbar, sondern nur vermittelt durch eine Satzungsregelung.


Sobald das Gesetz beschlossen ist, wird dem Gemeinderat ein Vorschlag unterbreitet, in dem die eröffneten Möglichkeiten und der für den Vollzug anfallende Erfüllungsaufwand abgewogen werden. Dies kann aber erst geschehen, wenn der Inhalt der Gesetzesnovelle feststeht.

Am 1. Juli 2020 wurde eine erfahrene Mitarbeiterin des Amtes zur Zweckentfremdung umgesetzt, zum 1. August 2020 hat eine neue Mitarbeiterin ihren Dienst angetreten. Beide Mitarbeiterinnen bedürfen der Einarbeitung in das neue Rechtsgebiet. Damit sind dann die zwei Vollzeitstellen beim Baurechtsamt durch drei Teilzeitkräfte wieder vollständig besetzt.




Finanzielle Auswirkungen

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Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

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Erledigte Anträge/Anfragen

Antrag Nr. 324/2020 SPD
Zweckentfremdungssatzung verlängern




Fritz Kuhn Oberbürgermeister

Anlagen

Satzungsentwurf

<Anlagen>



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