Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 07.07.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Herr Krasovskij fr
Betreff: "Erhalt der Panoramabahn rechtsverbindlich machen"
- Antrag Nr. 196/2022 vom 22.06.2022 (PULS)

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Der gemeinsame Antrag Nr. 207/2022 vom 05.07.2022 (90/GRÜNE, CDU, SPD, Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei, FDP, PULS, FW) ist ebenfalls dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Zu Beginn macht OB Dr. Nopper einige wenige Ausführungen zur Darstellung der Position der Verwaltung. Der Oberbürgermeister betont, dass sich die Landeshauptstadt Stuttgart dafür einsetze, die Strecke der Gäubahn zukünftig attraktiver zu machen. Aus diesem Grund befürworte man eine künftige Streckenführung über den Flughafen Stuttgart und den geplanten Pfaffensteigtunnel bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Erhofft werde eine Beschleunigung der Verbindung Zürich-Singen-Stuttgart und deren Einbindung in den Deutschlandtakt.

In diesem Zusammenhang macht OB Dr. Nopper deutlich, dass sich die Verwaltung klar für den Erhalt und Weiterbetrieb der Panoramabahn einsetze - allerdings bis zum geplanten Nordhalt und nicht bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Wichtig sei für die Stadt, dass Interessenskonflikte mit städtebaulichen Konzepten zur Entwicklung des neuen Rosensteinquartiers und der geplanten Wohnungsbauvorhaben in diesem Bereich vermieden werden.

Perspektivisch strebe man unter Nutzung der Panoramabahn neue tangentiale Bahnverbindungen von Vaihingen bis nach Feuerbach und nach Bad Cannstatt an. Der Oberbürgermeister bekräftigt, dass er die Position der Landeshauptstadt Stuttgart in der Sitzung des Lenkungskreises der Projektpartner am 18.07.2022 mit Nachdruck vertreten werde.

Im Folgenden begründet StR Ozasek (PULS) im Namen der antragsstellenden Fraktionsgemeinschaft den Antrag Nr. 196/2022. Im Sinne des Antrags plädiert der Stadtrat für einen dauerhaften Erhalt der Panoramabahn in einem betriebsfähigen Zustand.

Anschließend erklärt StR Ozasek, dass seine Fraktionsgemeinschaft die Beschlussantragsziffern 1 und 2 des Antrags Nr. 196/2022 zugunsten des vorliegenden interfraktionellen Antrags Nr. 207/2022 heute zurückziehen werde, um im Hinblick auf die Sitzung des Lenkungskreises ein starkes und fraktionsübergreifendes Votum des Gemeinderats für den Erhalt der Panoramabahn zu ermöglichen. Die Beschlussantragsziffer 3 des Antrags Nr. 196/2022 wolle man allerdings weiterhin aufrechterhalten, fährt der Stadtrat fort und bittet, darüber abzustimmen. Im Sinne des Antrags wirbt er um Zustimmung des Rates.

Anschließend ergreift StRin Rühle (90/GRÜNE) das Wort und nimmt Bezug auf den interfraktionellen Antrag Nr. 207/2022. Im Sinne des Antrags macht die Stadträtin die Wichtigkeit und Notwendigkeit eines Weiterbetriebs der Gäubahn auf der Panoramastrecke bis zum Nordhalt bzw. weiter nach Feuerbach durch die DB Netze AG bis zur Realisierung der Flughafenanbindung deutlich. Die Stadträtin geht ausführlich auf die weiteren Forderungen der Antragssteller ein (siehe hierzu die einzelnen Beschlussantragsziffern). Insbesondere seien technische Ertüchtigungen notwendig, um die Panoramastrecke in betriebsfähigem Zustand zu erhalten. Auch müsse die Herstellung der notwendigen Ergänzungen, wie des Nordhaltes und weiterer Anschlüsse nach Norden und Osten, vertraglich abgesichert werden.

StRin Rühle zeigt sich darüber erfreut, dass der Antrag Nr. 207/2022 durch eine breite Mehrheit des Gemeinderates unterstützt wird. Bezugnehmend auf den Antrag Nr. 196/2022 erklärt die Stadträtin hingegen, dass ihre Fraktion der Forderung in der Beschlussantragsziffer 3 nicht zustimmen könne.

Im weiteren Verlauf der Aussprache sprechen sich im Sinne des interfraktionellen Antrags Nr. 207/2022 auch die StRe Kotz (CDU), Conzelmann (SPD), Serwani (FDP) und Schrade (FW) für den Erhalt der Panoramabahn bis zum Nordhalt bzw. weiter bis nach Feuerbach aus. In ihren Wortmeldungen begründen die Stadträte ihre Haltung im Sinne des vorliegenden Antrags. Eine Streckenführung der Panoramabahn bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof sowie ein unterirdischer Ergänzungsbahnhof werden aus städtebaulichen Gründen abgelehnt.

StR Serwani hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass die Panoramabahn besonders bei Ausfall der S-Bahn-Stammstrecke eine wichtige Ausweichstrecke sei. Er bedauert, dass die Forderung der FDP-Fraktion im Regionalparlament nach dem Bau einer zweiten Stammstrecke keine Mehrheit gefunden habe.

Die Ratsmitglieder danken fraktionsübergreifend StRin Rühle für ihren großen Einsatz auf dem Weg zu diesem interfraktionellen Antrag, sowie der Verwaltung für die gute Vorarbeit, und bezeichnen das mehrheitliche Votum des Gemeinderates als eine gute Grundlage für die Gespräche mit den Projektpartnern. Es wird hervorgehoben, dass der Erhalt der Panoramabahn durch die Projektpartner aus der Region ebenfalls einstimmig begrüßt werde.

Die Stadträte erklären in ihren Wortmeldungen ferner, dass sie der Beschlussantragsziffer 3 aus dem Antrag Nr. 196/2022 nicht zustimmen werden.

StR Conzelmann erinnert im gleichen Kontext an den Antrag Nr. 189/2022 der SPD-Gemeinderatsfraktion. Der Stadtrat erklärt, dass seine Fraktion die einstigen Überlegungen bezüglich eines zeitlich begrenzten oberirdischen Betriebs der Gäubahn bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof auf den Gleisen 1 und 2 nicht mehr weiterverfolgen und den Antrag zurückziehen werde, da durch die Forderung mit erheblichen Einschränkungen bei der Entwicklung des neuen Rosensteinquartiers und ernstzunehmenden rechtlichen Problemen zu rechnen sei. Die Rücknahme des Antrags wird durch die StRe Serwani und Schrade begrüßt.

Im Folgenden plädiert auch StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) für den Erhalt und den Weiterbetrieb der Panoramabahn. Er bekundet Bedauern hinsichtlich der Absicht der SPD-Gemeinderatsfraktion, ihren Antrag Nr. 189/2022 nicht mehr aufrechterhalten zu wollen. Zugleich wirbt StR Rockenbauch um Zustimmung für die Beschlussantragsziffer 3 des Antrags Nr. 196/2022 der Fraktionsgemeinschaft PULS.

In seiner weiteren Wortmeldung verweist der Stadtrat, bezugnehmend auf entsprechende Rechtsgutachten sowie ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, auf eine Betriebspflicht der Deutschen Bahn auf der Gäubahn-Strecke bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof, da es für diese Trasse keine leistungsfähigen Alternativen gibt. Ohne ein Stilllegungsverfahren könne es keine dauerhafte Stilllegung der Gäubahn und keine Bauleitplanung zur städtebaulichen Entwicklung des Rosensteinquartiers geben, so der Stadtrat. Er äußert anschließend die Auffassung, dass die Verwaltung diesen Rechtsanspruch auf die Betriebspflicht der Gäubahn bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof nicht durchsetzen wolle, um die Entwicklung des Rosensteinquartiers und entsprechender dortiger Wohnungsbauvorhaben nicht zu gefährden. StR Rockenbauch kritisiert diese Haltung und stellt in diesem Zusammenhang abermals die Leistungsfähigkeit des künftigen Bahnprojektes "Stuttgart 21" infrage (Stichwort: unterirdischer Ergänzungsbahnhof).

Zudem bekundet er die Meinung, dass die Verwaltung das entsprechende Rechtsgutachten bezüglich der Betriebspflicht der Gäubahn erst verspätet öffentlich gemacht habe, obwohl dieses bereits im November 2020 vorgelegen habe.

StR Dr. Mayer (AfD) erklärt im weiteren Verlauf, dass seine Fraktion dem interfraktionellen Antrag Nr. 207/2022 zustimmen wird. Den Antrag Nr. 196/2022 lehnt die AfD-Gemeinderatsfraktion hingegen ab.

Durch StRin Rühle und StR Ozasek wird anschließend darauf hingewiesen, dass man sich nach einem Entschluss zum Erhalt der Panoramabahn über eine Machbarkeitsstudie zu verschiedenen Konzepten und Anschlüssen wird unterhalten müssen. Die Landeshauptstadt sollte in dieser Diskussion eine aktive Rolle einnehmen.

Im Folgenden widerspricht Frau Klett-Eininger (L/OB) StR Rockenbauch, der ihr eine Falschaussage zum Rechtsgutachten bezüglich der Betriebspflicht der Gäubahn vorgeworfen hatte. Frau Klett-Eininger betont, dass die Landeshauptstadt die Panoramabahn erhalten wolle und den interfraktionellen Antrag daher sehr begrüße. Gegenüber StR Rockenbauch erklärt Frau Klett-Eininger, dass ein Klageverfahren auf Umsetzung der Betriebspflicht nur die zügige Umsetzung der aktuellen Planungen verzögere. Um in der Sache voranzukommen, seien Vertragslösungen notwendig. Der Anschluss in Richtung Hauptbahnhof stehe ab dem Jahr 2025 vermutlich nicht mehr zur Verfügung, da ein halbes Jahr vor Inbetriebnahme des neuen Tiefbahnhofs die Panoramabahn unterbrochen werden müsse, um die S-Bahn Richtung Mittnachtstraße anbinden zu können. Es sei nicht davon auszugehen, dass ein Klageverfahren, welches sich gegen die Unterbrechung richtet, bis dahin abgeschlossen sein werde.

Frau Klett-Eininger erklärt weiter, dass die Landeshauptstadt weder für den Schienenverkehr noch für den S-Bahn-Verkehr zuständig sei. Hier seien für den S-Bahn-Verkehr der Verband Region Stuttgart und für den Schienenverkehr die Bahn sowie das Land Baden-Württemberg verantwortlich. In der Vergangenheit sei geprüft worden, ob die SSB die Panoramastrecke übernehmen könnten. Dies sei nicht möglich. Allerdings sei gemeinsam mit den SSB im Anschluss daran geprüft worden, wie ein sinnvoller Erhalt bzw. eine sinnvolle Nutzung der Panoramastrecke aussehen könnte. Die Ergebnisse dieser Prüfung seien bereits vor zwei Jahren dem Gemeinderat vorgestellt worden.

Die Federführung für den Weiterbetrieb der Panoramabahn-Strecke habe nun das Land. Frau Klett-Eininger betont, dass Verkehrskonzepte eine sorgfältige Planung benötigen, insbesondere hinsichtlich der Kosten und der Kostenträger. Diese Verhandlungen, die aktuell stattfinden, würden Zeit in Anspruch nehmen. Das Land habe entsprechende Gutachten in Auftrag gegeben, über deren Ergebnisse die Verwaltung den Gemeinderat in Kenntnis setzen werde. Frau Klett-Eininger weist darauf hin, dass die Landeshauptstadt mit einer hohen Finanzbeteiligung rechnen müsse.

Ferner berichtet die Referentin, dass die Landeshauptstadt Stuttgart derzeit mit den Projektpartnern zusammenarbeite, um die Fahrpläne der Verkehrsverbindungen und Anschlüsse für die Nutzerinnen und Nutzer zu optimieren. So werde in Zukunft in Vaihingen alle drei bis vier Minuten eine S-Bahn fahren, darüber hinaus bestehen weitere Alternativen für den Fernverkehr. Die meisten Fahrgäste würden künftig von der Panoramabahn aus in Richtung Hauptbahnhof einen Umstieg haben. Dies sei ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis der Verhandlungen.

Im Weiteren erwähnt Frau Klett-Eininger auch den geplanten Nordhalt, der als weitere Verbesserung aufgrund der Gutachten des VWL vorgesehen ist. Die Landeshauptstadt sei bereit, auch dieses Vorhaben zu unterstützen, sofern unter den Projektpartnern Einigkeit hinsichtlich des Bedarfs und der Finanzierung besteht.

Zu den durch StR Rockenbauch erwähnten Rechtsgutachten erläutert Frau Klett-Eininger, dass sich die Gutachten von Kramer und Rude nicht mit den Prozessakten des Bundesverwaltungsgerichts und dem Urteil befasst hätten. Hierzu habe die Landeshauptstadt Herrn Dr. Porsch, der die Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) vor dem Bundesverwaltungsgericht vertreten hatte, um eine Stellungnahme zur Bedeutung und Auslegung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts gebeten. Im Anschluss an die Prüfung könne man feststellen, dass die Gutachten von Kramer und Rude, die in vielen Punkten richtig seien, in einigen Punkten aber eher vage Ausführungen machten. Die Bahn und die Landeshauptstadt würden hier andere Meinungen vertreten. Frau Klett-Eininger weist erneut den Vorwurf des Stadtrats hinsichtlich einer Falschbehauptung von sich und erklärt, die Verwaltung habe sich nach Prüfung der Rechtslage eine Rechtsmeinung gebildet, aber keinesfalls Falschbehauptungen verbreitet.

Die Referentin erklärt weiter, dass das dritte Gutachten auf dem Gutachten von Kramer aufbauen würde und die Frage beleuchte, wer klagebefugt sei. Das Gutachten habe festgestellt, dass keine der Kommunen auf dem Rechtsweg Ansprüche geltend machen könne. Aktuell gelte es abzuwarten, welche Entscheidung das Eisenbahnbundesamt (EBA) nach Prüfung der dort eingegangenen Anträge treffen werde. Eine Rechtssicherheit könne wahrscheinlich erst im Anschluss an ein entsprechendes Klageverfahren erlangt werden, falls es eine Klagebefugnis gibt.

Die strittigen Rechtsfragen seien auch nicht neu, sondern bereits in der Vergangenheit, insbesondere im Jahr 2020 diskutiert worden.

In diesem Zusammenhang führt Frau Klett-Eininger aus, dass die Bahn nicht den Betrieb der Strecke Singen-Stuttgart aufgeben wolle, sondern diese zeitweise durch die S-Bahn oder andere Führungen ersetzen wolle. Die Bahn vertrete deshalb unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und die Rechtsprechung sowie den Planfeststellungsbeschluss des EBA die Auffassung, dass kein Stilllegungsverfahren benötigt werde. Für die Landeshauptstadt seien in dieser Frage das Urteil des BVerwG und die Entscheidungen des EBA bindend.

Die StRe Kotz und Conzelmann widersprechen StR Rockenbauch ebenfalls.

Im Folgenden stellen StR Goller (AfD) und StRin Köngeter (PULS) einen Geschäftsordnungsantrag auf Beendigung der Aussprache.


OB Dr. Nopper lässt über den Geschäftsordnungsantrag abstimmen und stellt fest:

Der Gemeinderat stimmt dem Antrag bei 3 Gegenstimmen und 1 Enthaltung mehrheitlich zu.

Danach lässt OB Dr. Nopper über den interfraktionellen Antrag Nr. 207/2022 (90/GRÜNE, CDU, SPD, Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei, FDP, PULS, FW) abstimmen und stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt.

Abschließend lässt er über die Ziffer 3 des Antrags Nr. 196/2022 (PULS) abstimmen und hält fest:

Der Gemeinderat lehnt die Ziffer 3 des Antrags bei 10 Ja-Stimmen mehrheitlich ab.

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