Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
250
1
VerhandlungDrucksache:
1316/2013 und Ergänzung
GZ:
OB
Sitzungstermin: 19.12.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Standorte für Flüchtlingsunterkünfte in Systembauweise
- Grundsatzbeschluss -

Vorgang:

Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 06.12.2013, öffentlich, Nr. 171
Ergebnis: Verweisung ohne Votum

Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 16.12.2013, öffentlich, Nr. 156
Ergebnis: Vorberatung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 17.12.2013, öffentlich, Nr. 612
Ergebnis: mündlicher Bericht zum Antrag Nr. 991/2013 der CDU-Gemeinderatsfraktion. Einvernehmen wird darüber hergestellt, die abends stattfindenden Beratungen der Bezirksbeiräte abzuwarten und für die Beschlussfassung im Gemeinderat einen für Feuerbach und Möhringen weiterentwickelten Beschlussvorschlag zur Verfügung zu stellen.

Verwaltungsausschuss vom 18.12.2013, öffentlich, Nr. 576
Ergebnis: vorberaten, ohne Votum an den Gemeinderat


Beratungsunterlage ist zum einen die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 04.12.2013, GRDrs 1316/2013, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Festlegung von Standorten
2. Für die Errichtung der Systembauten inklusive Planungsmittel und Ausstattung entsteht ein Gesamtaufwand von rd. 21,25 Mio. €.
Der Bevollmächtigung der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG), die Systembauten im Namen und auf Rechnung der Landeshauptstadt zu errichten, wird zugestimmt. Die Verwaltung wird ermächtigt, mit der SWSG eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen.

Die Bevollmächtigung der SWSG erfolgt zu einer Vergütung in Höhe von 2 % der Gesamtkosten von 21 Mio. € (ohne Ausstattung) zuzüglich 4 % Nebenkosten, somit rd. 440.000 €.

Weitere Beratungsunterlage ist die Ergänzung der GRDrs 1316/2013 vom 18.12.2013 mit folgendem

Beschlussantrag:

Neufassung des Beschlussantrages auf Grund der Beratung in den Bezirksbeiräten und im Verwaltungsausschuss 3. Festlegung von Standorten
2a. Stadtbezirk Feuerbach
Die Stadtverwaltung wird beauftragt, die Vorschläge Wohnheim ehemaliges Fahrion-Areal, Freigelände westlich des Wohnheims (für Systembauten), Grundstück am Kreisverkehr Oswald-Hesse-Straße/ Klagenfurter Straße (alte Tankstelle - für Systembauten) und Schelmenäcker-Süd (für Systembauten) zu prüfen und dem Gemeinderat sowie dem Bezirksbeirat über die Prüfergebnisse bis Ende Februar 2014 zu berichten.

4. Für die Errichtung der Systembauten inklusive Planungsmittel und Ausstattung entsteht ein Gesamtaufwand von rd. 21,25 Mio. €.

Die investiven Auszahlungen in Höhe von rd. 21,25 Mio. € werden aus den im Haushalt 2014/2015 bereitzustellenden Mittel wie folgt gedeckt:

Teilfinanzhaushalt 230 – Amt für Liegenschaften und Wohnen, Projekt-Nr. 7.233106, Flüchtlingsunterkünfte, Systembauten, Ausz.Gr. 7871, 5. Der Bevollmächtigung der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG), die Systembauten im Namen und auf Rechnung der Landeshauptstadt zu errichten, wird zugestimmt. Die Verwaltung wird ermächtigt, mit der SWSG eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen.

Die Bevollmächtigung der SWSG erfolgt zu einer Vergütung in Höhe von 2 % der Gesamtkosten von 21 Mio. € (ohne Ausstattung) zuzüglich 4 % Nebenkosten, somit rd. 440.000 €.



Diese Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

In seiner Einführung erklärt OB Kuhn, mit dem Grundsatzbeschluss sollten Standorte für die Unterbringung von Flüchtlingen bestimmt werden. Stuttgart habe sich in den letzten Jahrzehnten den guten Ruf einer weltoffenen und toleranten Stadt erworben, und das müsse natürlich auch für die Unterbringung von Menschen, die in Not nach Deutschland und auch nach Stuttgart kämen, gelten. Er zitiert Hölderlin mit den Versen: "Glückliches Stuttgart, nimm freundlich den Fremdling mir auf!". Genau darauf komme es beim Thema Willkommen an. Im letzten Jahr sei die Anzahl der Flüchtlinge vor allem aus Syrien, aber auch aus anderen Ländern, die nach Stuttgart zugewiesen worden seien, sprunghaft angestiegen. Und man müsse damit rechnen, dass im nächsten Jahr mindestens 1.000 Flüchtlinge zusätzlich kämen. Aus diesem Grund habe die Verwaltung rasch ein Konzept für die Unterbringung in Gebäuden, die in Fertigbauweise erstellt würden, erarbeitet. In dieser Frage, so betont er explizit, gebe es keinen Gegensatz zwischen der Stadtverwaltung im Rathaus einerseits und in den Bezirken andererseits.


Die Stadt sei gesetzlich verpflichtet, Flüchtlinge - oft sehr kurzfristig - aufzunehmen. Deshalb müsse man Quartiere vorhalten, um die Menschen nicht, wie es in den 90er-Jahren der Fall gewesen sei, in Turnhallen und anderen Notquartieren unterbringen zu müssen. Aus diesem Grund habe die Stadtverwaltung mit Kosten von über 22 Mio. € nach sorgfältiger und schneller Prüfung die verschiedenen, in den Bezirken diskutierten Standorte vorgeschlagen. Sie sei aber auch für Alternativvorschläge aus den Bezirken, z. B. die zwei Standorte in Möhringen, offen, die ebenfalls rasch geprüft würden. Das Gleiche gelte für Feuerbach. Man werde diejenigen auswählen, die am schnellsten verfügbar seien. Dabei sollte man aber auch darauf achten, dass sich mit der Not von Menschen niemand "eine goldene Nase" verdiene.

Der Gemeinderat müsse eine Botschaft an die Stadtgesellschaft senden, die bei den Kirchen und engagierten Stuttgarterinnen und Stuttgartern sehr verbreitet sei: "Wir nehmen die Menschen auf, versuchen, sie zu integrieren und ihnen zu helfen, denn sie sind in einer schwierigen Lage". Wenig Verständnis habe er für Briefe, in denen ein Standort abgelehnt werde, weil dann der Wert der Immobilie des Schreibers sinke. Hier könne er nur empfehlen, die Menschen schnell und herzlich aufzunehmen. Dann gebe es auch keine Schwierigkeiten und Reibereien, und die Diskussion um den Quadratmeterpreis erübrige sich. Er verstehe die Sorgen der Menschen, doch dürfe in der Stadt Stuttgart, die in der Tradition von Manfred Rommel ihre Integrations- und Flüchtlingspolitik betreibe, die Frage des Immobilienpreises nicht das ausschlaggebende Argument für bzw. gegen einen Standort sein. Er bedankt sich an dieser Stelle herzlich bei den Fraktionen, die bei aller Diskussion den Grundsatz, die Menschen in Stuttgart freundlich aufzunehmen, aufrechterhielten. Und aus diesem Grund könne der Gemeinderat nun ein gutes Ergebnis beschließen.

StRin Fischer (90/GRÜNE) verweist auf die Bilder der Flüchtlingsströme im Fernsehen. Kriege, Unterdrückung, Gewalt und Vertreibung machten weltweit Millionen von Menschen das Leben zur Hölle. Seit einiger Zeit kämen auch wieder mehr Flüchtlinge nach Stuttgart. Gerade in der Vorweihnachtszeit sollte sich die christlich-abendländische Gesellschaft darauf besinnen, was es heiße, allein und mit schwerem Schicksal in der Fremde zu sein. Sie müsse die vielbeschworene Willkommenskultur mit Leben füllen und die Menschen aufnehmen. Sie dürfe nicht so lange über die Standorte diskutieren, bis sie wieder kurzfristig Notunterkünfte, z. B. in Turnhallen, bereitstellen müsse. Da würden die Schulgemeinden zu Recht protestieren.

Ihre Fraktion habe Verständnis, wenn es vor Ort Bedenken und Verunsicherung gebe. Manche Standorte verlangten den Anwohnern Opfer ab, wenn z. B. ein Spielplatz oder eine Freifläche dadurch für ein paar Jahre verloren gingen. Kein Verständnis habe sie aber, wenn mit sinkenden Immobilienpreisen argumentiert werde oder Standorte neben Kitas als grundsätzlich ungeeignet angesehen würden. Richtig sei das Vorgehen der Stadt, eigene Grundstücke zu nehmen, um möglichst schnell bauen zu können.




Erfreulich sei im Übrigen, dass sich in den Stadtbezirken viele der noch bestehenden Flüchtlingskreise wieder neu formierten und sich auch neue gründeten. Auf diese Ehrenamtlichen könne die Stadt stolz sein. Sie verdienten Anerkennung, denn sie hätten neben der professionellen Sozialarbeit eine sehr wichtige Funktion für die Integration der Flüchtlinge. Dies habe sich 1994 gezeigt, als zu den 7.000 Flüchtlingen in 105 Gebäuden mehr als 10.000 Bürgerkriegsflüchtlinge hinzugekommen seien, deren Unterbringung die Stadt vor weit größere Probleme gestellt habe, als dies gegenwärtig der Fall sei. Damals seien viele Freundschaften zwischen Alt- und Neu-Stuttgartern entstanden, von denen manche auch noch nach der Rückführung der Flüchtlinge in ihr Heimatland gepflegt worden seien. Dies sollte nun ebenso sein. Sie geht von einer breiten Mehrheit für die Verwaltungsvorlage aus.

Auch StR Kotz (CDU) erinnert in diesem Zusammenhang an die Weihnachtsgeschichte. Oft sei die Anteilnahme an dem im Fernsehen dargestellten Leid der Flüchtlinge sehr bequem, da alles weit entfernt stattfinde. Nun gehe es aber konkret um die Aufnahme von Flüchtlingen in Stuttgart, und hier dürfe man sich nicht wegducken. Das wolle er persönlich auch nicht, denn in der Vergangenheit sei Flucht und Vertreibung auch in Deutschland ein Thema gewesen. Angesichts der sehr guten politischen und wirtschaftlichen Lage sei man nun zur Hilfe verpflichtet. Er habe sehr viel Zuspruch aus der Bürgerschaft erfahren, viele Menschen wollten helfen, Geld- oder Sachspenden leisten, die Betreuung der Flüchtlinge mitgestalten und sie beim Erlernen der Sprache unterstützen. Auch Sportvereine hätten ihre Hilfe angeboten. Sie hätten schon in der Vergangenheit eine wichtige Rolle bei der Integration der Flüchtlinge in Stuttgart übernommen.

Doch gebe es auch Ängste, Befürchtungen und viele offene Fragen in der Nachbarschaft. Hier müssten die politischen Vertreter sehr genau hinhören und differenzieren. An dieser Stelle dankt er der Stadtverwaltung, insbesondere den Herren Spatz (SozA) und Wolf (AfLW), die sich hier in den letzten Wochen und Tagen gemeinsam mit den Bezirksbeiräten und Bezirksvorsteherinnen und -vorstehern hier enorm engagiert hätten. Deutlich distanzieren müssten sich die politischen Vertreter von platten Vorurteilen gegenüber Flüchtlingen, bestimmten Volks- und Altersgruppen. Klare Ansage sei: "Es kommen Flüchtlinge zu uns, die aus Angst um ihr Leben ihre angestammte Heimat verlassen haben. Je offener wir sie aufnehmen, umso besser wird auch das Zusammenleben klappen." Natürlich gebe es auch begründete Fragen wie die eines jungen Familienvaters, der ein Einfamilienhaus gebaut und sich dafür hoch verschuldet habe. Er fürchte den Wertverlust, wolle sich jedoch mit seiner Familie in die Betreuung der Flüchtlinge einbringen. Für solche Menschen müsse man ebenfalls Verständnis aufbringen.

Der Gemeinderat trage Verantwortung für diese Stuttgarter auf Zeit. Wenn er mit hoffentlich breitester Mehrheit die Vorlage beschließe, könne man auf Massenunterkünfte verzichten und für die Flüchtlinge bessere Verhältnisse schaffen, als dies in den 80er- und 90er-Jahren der Fall gewesen sei.





StRin Dr. Hackl (SPD) merkt an, dass Stuttgart keine Insel, sondern vielmehr in globale Zusammenhänge eingebunden sei und nicht nur von globalen Märkten profitiere, sondern auch Verantwortung trage. Ihre Fraktion komme der Verpflichtung zur Unterbringung von Flüchtlingen gerne und aus Überzeugung nach, da dies - nicht nur zur Weihnachtszeit - ein humaner Akt sei. Es müsse selbstverständlich sein, mit diesen oft traumatisierten Personen, die geflohen seien und in einem sicheren Rahmen neu anfangen wollten, menschlich umzugehen.

Stuttgart blicke auf langjährige und gute Erfahrungen in der Flüchtlingsunterbringung mit dem sogenannten Stuttgarter Modell zurück. Hier hätten die Menschen schon früh keine Lebensmittelpakete mehr bekommen, sondern selbstbestimmt einkaufen können, und die Kinder gingen selbstverständlich in die Schule. Wichtig sei auch die zentrale Unterbringung, die die professionelle Betreuung durch fünf Stuttgarter Betreuungsorganisationen gewährleiste. Diese Begleitung sei so selbstverständlich, dass sie oft gar nicht erwähnt werde, mit der Folge, dass die Bürgerinnen und Bürger davon nichts wüssten. Schließlich seien noch die engagierten Freundeskreise zu nennen. Aktuell hätten sich bereits zwei neue gebildet. Sie appelliert an Politik, Verwaltung, Betreuungsorganisationen sowie Bürgerinnen und Bürger, nicht hinter die etablierten Standards der Flüchtlingsbetreuung in Stuttgart zurückzufallen.

Der Vorlage stimme ihre Fraktion zu. Es müssten weitere Plätze geschaffen werden, Systembauten seien angesichts des knappen Wohnraums in Stuttgart und der drängenden Zeit nur konsequent. Unstrittig sei für ihre Fraktion, dass es höchstwahrscheinlich eine zweite Tranche geben werde. Positiv vermerkt sie, dass mit Plieningen und Möhringen zwei weitere Stadtbezirke Verantwortung übernähmen. Es dürfe auch kein Stadtbezirk "hinausgeprüft" werden, weshalb sie anrege, die neue Ziffer 2a zu Feuerbach gegebenenfalls wie folgt zu ergänzen: "Sollten diese alternativen Standorte nicht geeignet sein, gilt der Vorschlag der Verwaltung." Sollte diese Intention im neuen Beschlussantrag impliziert sein, könne man auf den von ihr angeregten Zusatz verzichten.

Seiner Fraktion sei das hohe Gut des Asylrechts im Grundgesetz wohl bewusst, erklärt StR Zeeb (FW). Vielen Menschen hätte während des Zweiten Weltkriegs geholfen werden können, wenn es dieses Recht in anderen Ländern gegeben hätte. Stuttgart werde helfen und Unterkünfte anbieten, dabei aber zwischen den Erwartungen der Flüchtlinge an Unterkünfte und den Belangen der Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger abwägen. Seine Fraktion habe die vorgeschlagenen Standorte vor Ort besichtigt und verstehe die Aufregung der Bürgerinnen und Bürger an manchen Stellen. Deshalb habe sie darauf gedrängt, nach alternativen Standorten zu suchen, auch im eigenen Stadtbezirk, und hier um eine vorurteilsfreie Prüfung durch die Verwaltung gebeten. Den tüchtigen Mitarbeitern der Task Force sei es lobenswerterweise in der sehr kurzen Zeit gelungen, alternative Standorte zu finden und zu prüfen. Da sich die Anzahl der Flüchtlinge aber auch noch erhöhen könne, bitte er die Verwaltung, alle neuen Vorschläge - auch unkonventionelle wie etwa ungenutzte Waldheime - weiter zu verfolgen. Der ergänzten Vorlage vom 18.12.2013 stimme seine Fraktion deshalb mit der Maßgabe zu, dass alle alternativen Standorte weiterhin gewissenhaft geprüft werden.




StR Klingler (FDP) verweist darauf, dass in Stuttgart Menschen aus ca. 180 Nationen leben und die Stadt von verschiedenen Kulturen auch profitiere. Stuttgart habe eine Willkommenskultur und werde bald auch ein Willkommenshaus haben, in dem sich alle Menschen, die - woher auch immer - nach Stuttgart kämen, wohlfühlen sollten. Es sei selbstverständlich, dass diejenigen, denen es gutgehe, denen helfen, denen es nicht so gutgehe. Er betont, dass die Aufnahme von Flüchtlingen zwar eine Pflichtaufgabe sei, seine Fraktion dieser jedoch gerne nachkomme. In der Beschlussvorlage gehe es nun aber um Standorte für Flüchtlingsunterkünfte, die für alle Menschen, die jetzt und künftig in Stuttgart wohnten, einen guten Mix darstellten. Dafür müssten alle Standorte genau geprüft werden. An dieser Stelle übt er grundsätzliche Kritik am Vorgehen der Verwaltung, die die Vorlage sehr kurzfristig präsentiert habe, und dies während der Haushaltsplanberatungen. Dabei habe sich die Entwicklung bereits im Sommer abgezeichnet. Seine Fraktion habe sich im Wissen, dass die Vorlage innerhalb von zwei Wochen verabschiedet werden müsse, die Standorte vor Ort angesehen und darüber hinaus auch nach Alternativen gesucht. Außer seiner Fraktion habe im Übrigen nur noch die Freie Wähler-Fraktion Alternativvorschläge unterbreitet. An den Flüchtlingsunterkünften solle sich niemand "eine goldene Nase verdienen", vielmehr sollten die 22 Mio. € für die Errichtung der Systembauten zum Wohle aller Menschen eingesetzt werden.

Integration beginne zwar mit der Aufnahme von Menschen, doch bedeute dies auch, dass Bundes- und Landesgesetze geändert werden müssten. Es mache keinen Sinn, die Leute auf engem Raum in ein Flüchtlingsdorf zu pferchen, ohne dass sie arbeiten dürften und ohne geregelten Tagesablauf. Nicht einmal am Sport könnten sie richtig teilhaben.

Seine Fraktion bemühe sich um sinnvolle Standorte und Standortalternativen. Sie habe auch Verständnis für die Ängste und Sorgen der Anwohner, insbesondere auch Familien, die sich für teures Geld eine Immobilie gekauft hätten und nun den Wertverlust fürchteten. Dabei wolle er nicht unbedingt nur von einer unbilligen Überforderung sprechen, die in manchen Gebieten tatsächlich einsetzen würde, doch müsse man sich der Sorgen und Nöte auch annehmen.

Der Kauslerweg in Möhringen sei dank zweier Alternativstandorte vom Tisch. Der Standort Kurt-Schumacher-Straße sei relativ schnell realisierbar. Nicht alle Alternativstandorte hätten jedoch in der kurzen Zeitspanne geprüft werden können. Er lobt das Team um die Herren Wolf und Spatz, die sich hier sehr engagiert eingesetzt hätten.

Er begründet in diesem Zusammenhang den Antrag seiner Fraktion, zunächst nur die in den Bezirken unstrittigen Standorte zu beschließen und die Auswahl der übrigen ins nächste Jahr zu verschieben. Ein weiterer Antrag gelte dem bestehenden Wohnheim auf dem Fahrion-Gelände in Feuerbach, das relativ schnell genutzt werden könne. Dafür könne der zweite Standort im Stuttgarter Norden gestrichen werden.



Zazenhausen sei ohnehin schon gebeutelt, z. B. seien die versprochenen Einkaufsmöglichkeiten nicht verwirklicht worden, und im Baurecht sei vieles schiefgelaufen. Seine Fraktion habe sich für einen Alternativstandort in Feuerbach eingesetzt und werde den von StRin Dr. Hackl angeregten Vorbehaltsbeschluss nicht unterstützen, sondern beantrage separate Abstimmung. Die ergänzende Beschlussvorlage sei ausgewogen und entspreche komplett den Anträgen seiner Fraktion, die ihr gern zustimmen werde. Bis Februar 2014 solle dann auch in Feuerbach die Optimallösung gefunden werden.

Der korrigierten Vorlage werde seine Fraktionsgemeinschaft zustimmen, erklärt StR Adler (SÖS und LINKE). Man müsse zügig handeln, um die Menschen, die wegen Krieg, Vertreibung, Folter und staatlicher Repression kämen, unterbringen zu können. Seinem Vorredner wirft er vor, die alternativen Standortvorschläge, die direkt aus der Bürgerschaft kämen, als Erfolge seiner Fraktion zu verbuchen.

Nach Ansicht seiner Fraktionsgemeinschaft erfüllten die mit den Systembauten geplanten Unterkünfte, in denen sich drei Menschen einen 14,2 m² großen Raum mit Stockbetten und Schränken teilen müssten, jedoch noch nicht die Anforderungen an eine menschenwürdige Unterkunft. Und da sich die Konfliktlagen nicht entspannen würden, müsse die Diskussion in quantitativer und qualitativer Hinsicht - die Ausstattung betreffend - unmittelbar nach der Weihnachtspause weitergeführt werden. Die Unterbringung der Flüchtlinge müsse gute Integrationsbedingungen gewährleisten. Erweise sich ein Standort diesbezüglich als ungeeignet, müsse er mit genau dieser Begründung auch abgelehnt werden. Andere Argumente dürften hier keine Rolle spielen. Seine Fraktionsgemeinschaft fordere seit Jahren eine Verbesserung der Ausstattung und des Betreuungsschlüssels für Flüchtlinge, allerdings hätten solche Anträge in den Haushaltsplanberatungen keine Unterstützung gefunden. Argumente gegen die Unterkünfte "wie die Sicherheit von Schulkindern auf dem Schulweg oder eingebildete Wertverluste von Immobilien" weist er als populistisch zurück. Stuttgart solle nicht nur ein Willkommenszentrum bekommen, sondern selbst zu einem werden.

Auch StR Dr. Schlierer (REP) bestätigt die gesetzliche Pflichtaufgabe der Stadt, 2014 zusätzlich 1.000 Flüchtlinge unterzubringen. Der Ablauf sei immer gleich, der Bund erkläre die Aufnahme, Bund und Land verpflichteten dann die Kommunen, die zusätzlichen Flüchtlinge aufzunehmen, und die Kommunen verpflichteten die Bürger zum Wohlwollen und Willkommen. Er habe allerdings wenig Verständnis dafür, dass "im Sinne eines falsch verstandenen Gutmenschentums mit moralischen Mitleidsappellen operiert" und hier nicht differenziert werde. Denn nach amtlichen Mitteilungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seien 2013 lediglich 1,1 % Asylsuchende anerkannt worden, rechne man diejenigen hinzu, die unter Abschiebeschutz und andere flüchtlingsrechtliche Bestimmungen fielen, betrage die Quote 25,1 %. Ein Großteil der Flüchtlinge habe demnach rechtlich keinen Anspruch, weshalb er es für falsch halte, nur von traumatisierten Verfolgten zu sprechen. An dieser Stelle weist er darauf hin, dass die EU mit einigen der zehn Hauptherkunftsländer - Serbien, Mazedonien und Kosovo - Assoziierungs- oder Beitrittsverhandlungen führe.


Viele Stuttgarter Bürger verstünden nicht, dass man diese Länder gleichsetze mit Bürgerkriegssituationen. Hier werde die Diskussion verengt. Natürlich stehe man unter Zeitdruck, die Unterbringung schnell sicherstellen zu müssen. Und was die Integration anbelange, so gebe es Flüchtlinge, die man integrieren könne und solle. Doch es gebe auch viele, die nicht integrationsfähig seien.

Im Übrigen sei der Anstieg der Flüchtlingszahlen keineswegs ein Naturereignis, sondern zum Teil auch die Folge politischer Fehlentscheidungen. Wenn man Anreize schaffe, z. B. dass bestimmte Leistungen in Anspruch genommen werden könnten, kämen Menschen aus diesem Grund, und nicht, weil sie politisch verfolgt seien. Er sehe es als unredlich an, angesichts knapper Haushaltskassen so zu tun, als ob man aus dem Vollen schöpfen könne. Man stehe in Europa vor anderen Problemen, z. B. dem nicht funktionierenden Schengen-System. Deshalb müsse man auch Verständnis für das Murren der Bürger haben, und zwar egal, mit welchem Argument. Man könne die Argumente zwar gewichten, doch dürfe man sie nicht einfach übergehen, indem man Hölderlin zitiere. Wenn man über die Köpfe vieler Bürger hinweg im Hauruckverfahren Standortentscheidungen treffe, dürfe man sich nicht wundern, wenn die Menschen, die auf andere Entscheidungen des Gemeinderats vielleicht seit vielen Jahren warteten, nicht besonders erfreut seien. Die wirklich Verfolgten sollten aufgenommen und entsprechend ihrer Bürde untergebracht werden, doch wer das Asylrecht missbrauche, finde bei ihm kein Verständnis. Deshalb werde er die Vorlage ablehnen.

An den Stadtrat gewandt regt OB Kuhn an, sich hier einmal die Frage zu stellen, wie solche Äußerungen wohl auf eine Familie wirkten, die aus Syrien komme. Er halte es nicht für richtig zu sagen, dass das Asylrecht generell missbraucht werde, weil es niedrige Anerkennungsquoten gebe. Damit stelle man alle unter diesen Verdacht. Das entspreche nicht den Werten, die die Stadt Stuttgart seit vielen Jahrzehnten aufrechterhalte. Im Übrigen könne die große Zahl der Ablehnungen auch an den unterschiedlichen Kriterien für die Gewährung von politischem Asyl liegen. Natürlich gebe es in dieser Frage unterschiedliche Meinungen, was ja grundsätzlich richtig sei und eine Stadt auch aushalte. Doch teile er die Bewertung des Stadtrats nicht, die anderen Reden als Weihnachtsreden zu charakterisieren, während seine eigene die Realität widerspiegle.

Gegenüber StRin Dr. Hackl führt OB Kuhn aus, bis Ende Februar würden die beiden Standorte in Feuerbach geprüft. Erweise sich keiner als besser als die ursprünglichen Vorschläge der Verwaltung, bleibe es bei diesen. Man habe also auf jeden Fall einen Standort in Feuerbach.

Mit dieser abschließenden Erklärung stellt er fest:

Der Gemeinderat beschließt die GRDrs 1316/2013 inklusive der Ergänzungen zu Möhringen und Feuerbach bei 1 Gegenstimme mehrheitlich.

zum Seitenanfang