Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
780/2022
GZ:
SOS 1234
Sitzungstermin: 15.12.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:der Vorsitzende, Herr Polizeipräsident Eisenbraun
Protokollführung: Frau Faßnacht fr
Betreff: Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen (Waffenverbotszonenverordnung)

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 30.11.2022, nicht öffentlich, Nr. 456
Ergebnis: Einbringung
Verwaltungsausschuss vom 14.12.2022, öffentlich, Nr. 467
Ergebnis: Verweisung ohne Votum an den Gemeinderat


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Sicherheit, Ordnung und Sport vom 24.11.2022, GRDrs 780/2022, mit folgendem

Beschlussantrag:

Die "Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und Messern in Bereichen der Stadtteile Neue Vorstadt, Universität, Hauptbahnhof, Oberer Schlossgarten und Rathaus im Stadtbezirk Mitte der Landeshauptstadt Stuttgart (Waffen- und Messerverbotszonenverordnung - WMVZ VO -)" wird gemäß § 44 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz Gemeindeordnung Baden-Württemberg durch den Gemeinderat erlassen.


Die einleitenden Worte des Vorsitzenden sind nachstehend wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut:

"Wir schlagen Ihnen aus mindestens zehn Gründen die Ausweisung einer Waffenverbotszone für den Cityring mitsamt Stadtgarten in den Wochenendnächten sowie in den Nächten vor Feiertagen von 20 Uhr abends bis 6 Uhr morgens vor. Zehn Argumente für eine Waffenverbotszone:

1. Weil wir der Überzeugung sind, dass sich dadurch sowohl die öffentliche Sicherheit als auch das Sicherheitsgefühl der Menschen verbessert.

2. Weil wir damit dem guten Beispiel anderer deutscher Großstädte folgen, die damit ganz überwiegend gute Erfahrungen gemacht haben.

3. Weil Stuttgart zwar über alle Deliktsarten hinweg zu den sichersten deutschen Großstädten gehört, wir aber leider in jüngerer Vergangenheit eine signifikante Zunahme von Messerdelikten insbesondere im Innenstadtbereich und insbesondere in den Wochenend-Nächten feststellen mussten.

4. Weil Messer im Unterschied zu Schusswaffen leicht zu besorgen sind und man mit Messern fürchterliche Verletzungen herbeiführen kann, insbesondere mit solchen, die feststehende oder feststellbare Klingen mit mehr als vier Zentimeter Länge haben.

5. Weil die Waffenverbotszone ein weiterer wichtiger Baustein in unserer Sicherheitsarchitektur ist, in Ergänzung zur verstärkten Video-Beobachtung.

6. Weil wir mit einer Waffenverbotszone zwar nicht alle Messerstechereien verhindern können, aber ihre Zahl auf diesem Wege spürbar reduzieren wollen.

7. Weil die Waffenverbotszone auch in Anbetracht der drohenden hohen Geldbußen eine starke präventive Wirkung entfaltet.

8. Weil präventive und repressive Maßnahmen sowie Betreuung durch Mobile Jugendarbeit sich ergänzen und ineinandergreifen müssen.

9. Weil gerade auch in der Innenstadt keiner ein Messer mit sich führen sollte und auch nicht mit sich führen muss, auch nicht zum Zweck der Selbstverteidigung. Und nicht zuletzt,

10. weil mit der Ausweisung einer Waffenverbotszone Messer beschlagnahmt und eingezogen werden können, und damit nachhaltig aus dem Verkehr gezogen werden können."

StR Pitschel (90/GRÜNE) hält fest, man spreche über die Einführung einer Waffenverbotszone in der Stuttgarter City mit dem Ziel, die Zahl bewaffneter Angriffe und Bedrohungen zu reduzieren. Begründet werde die Einführung durch 1.048 Vorkommnisse in der ganzen Stadt im letzten Jahr, davon ein Viertel in den betroffenen Bereichen, von denen wiederum 40 % in den betroffenen Zeiten stattgefunden haben mit drei Schwerverletzten im letzten Jahr. Ob es gelingt, diese Zahlen in Zukunft mit diesem Mittel zu reduzieren, lasse sich nur feststellen, wenn man es ausprobiert. "Und deshalb machen wir das jetzt für die kommenden zwei Jahre." Viele Befürchtungen im Zusammenhang mit der Waffenverbotszone konnten aus Sicht seiner Fraktion ausgeräumt werden, es gebe keine zusätzlichen Kontrollen, es gebe keine gruselige Beschilderung, und deswegen glaube man, dass es ein kleiner Beitrag sein kann zur Verbesserung der objektiven Sicherheitslage.

Der Stadtrat widerspricht den Ausführungen von OB Dr. Nopper, denn man glaube nicht daran, dass die in den letzten Monaten geführte Debatte einen Beitrag zum subjektiven Sicherheitsempfinden der Stuttgarterinnen und Stuttgarter leisten wird. Im Bereich des subjektiven Sicherheitsempfindens habe man ein großes Problem, welches damit zu tun habe, "dass das subjektive Sicherheitsempfinden von Ihnen, Herr Oberbürgermeister, und vor allem von Ihrer CDU in den vergangenen Monaten nachhaltig beschädigt wurde. Wer gruselige dunkle Plakate mit überdimensionierten Messern in der ganzen Stadt aufhängt, der nimmt die breite Verunsicherung der Stuttgarterinnen und Stuttgarter für die politische Eigenprofilierung in Kauf. Und die schon etwas schrille Debatte, wie wir sie hier in den letzten Monaten geführt haben, die ist Gift für das gute Klima in unserer Stadtgesellschaft. Und dafür tragen Sie auch die Verantwortung!"

Stuttgart sei eine sehr sichere Großstadt, was jede und jeder einmal wusste. Jetzt hingegen sei man in einer Situation, wo man dies ständig betonen müsse, weil den Menschen suggeriert worden sei, dass es in dieser Stadt anders wäre. Er appelliere jedoch auch an alle anderen in Stuttgart, sich davon nicht provozieren zu lassen, und auch im Rat nicht immer neue Zahlen zu fordern, die etwas belegen oder widerlegen sollen. Denn anders gefragt müsse man sich auch die Frage stellen: Wie viele bedrohte Schwerverletzte oder Tote sollen es denn am Ende sein, bis der Rat zu dem Schluss kommt, zu sagen, "in der Stuttgarter Innenstadt, wie auch sonst nirgendwo, hat niemand ein Messer oder andere Waffen zu führen. Und wir sanktionieren das auch."

An seinen Vorredner gewandt weist StR Kotz (CDU) nachdrücklich darauf hin, dass die kritisierte Plakatierung nur in der Innenstadt erfolgt sei. Was die Sicherheit betrifft, verliest der Stadtrat mehrere Pressemeldungen seit dem 22.10.2022 zu Bedrohungen und Angriffen mit Messern in der Innenstadt. Man könne nicht so tun, als gäbe es dieses Problem nicht in Stuttgart und deswegen müsse man etwas dagegen tun, "weil die Notwendigkeit, diese Verletzungen zu reduzieren, diese Messerattacken zu reduzieren, dringend geboten ist - subjektiv und objektiv."

Seine Fraktion habe sich intensiv mit dem Thema, dem heutigen Termin und mit der Vorlage beschäftigt und dafür ein öffentliches Hearing veranstaltet, bei dem u. a. der Polizeipräsident und Vertreter der Mobilen Jugendarbeit auf dem Podium saßen. Man habe Gespräche geführt mit denjenigen Stakeholdern, die damit umgehen und man sei in direkten Austausch mit Betroffenen gegangen. Alle - auch die Händler, die Kulturtreibenden und die Gastronomen - hätten ein klares, nahezu einstimmiges Meinungsbild pro Waffenverbotszone abgegeben. Auch die Mär, wonach die Polizei damit eine ganz andere Handhabe habe, um Kontrollen durchzuführen oder sonst irgendwas, sei in allen Formaten und Diskussionen widerlegt worden einschließlich der völlig abwegigen Vorwürfe gegen die Polizei, sie würde aus rassistischen Gründen irgendwelche Kontrollen machen, die nicht korrekt wären oder nur bestimmte Zielgruppen betreffen. Seine Fraktion erwarte von der Polizei, dass sie da kontrolliert, wo es nötig ist zu kontrollieren. Wenn dies gewisse Zielgruppen betrifft, dann sei das eben nötig und die Verantwortung dafür liege bei der Zielgruppe, und nicht bei der Polizei.

Es werde natürlich auch mit der Waffenverbotszone weiterhin zu Tätlichkeiten kommen. Die Waffenverbotszone sei ein Bestandteil der vielfältigen Maßnahmen, wie z. B. mehr Beleuchtung, Video-Überwachung usw., um zu mehr Sicherheit in Stuttgart zu kommen. Seine Fraktion werde dieser Vorlage zustimmen, weil man Messer und Taten mit Messern eben nicht - wie manche im Rat - als uncool interpretiere, sondern als absolut unmöglich und man das auf jegliche Art angehen wolle zu verhindern. Deswegen werbe man um Zustimmung zu dieser Waffenverbotszone und bitte die Polizei darum, diese dann auch mit aller Entschiedenheit umzusetzen.

StR Perc (SPD) unterstreicht, man wolle die Fälle, die StR Kotz aufgeführt hat, nicht kleinreden und auch nicht das subjektive Sicherheitsempfinden von Menschen in dieser Stadt. Es gebe aus Sicht seiner Fraktion keine Gründe, weswegen man mit einem Messer in die Innenstadt gehen sollte oder überhaupt ein Messer bei sich führen sollte. Auch schätze man die Arbeit der Polizei sehr, die einen enormen Beitrag dazu leiste, dass Stuttgart eine der sichersten Städte in Deutschland ist.

Zu einer guten Sicherheitspolitik gehöre aber eine faktenbasierte Betrachtung und Entscheidung, und nicht das Bauchgefühl, um zu einer Entscheidung zu kommen. Betrachte man die Fakten, so gebe es eine enorme Diskrepanz zwischen dem Lagebild mit über 1.000 Fällen und der polizeilichen Kriminalstatistik mit rund 50. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik habe man keine signifikante Erhöhung, sondern ein Absinken der Zahlen. Im Lagebild hingegen sei kein Verlauf ersichtlich, sodass man nicht sagen könne, dass die Zahl der Attacken zunimmt. Die Begründung, weswegen die Waffenverbotszone jetzt eingeführt werden soll, stütze sich aus diesem Grund auch nicht darauf, dass in den besagten Gebieten eine Zunahme der Kriminalität festzustellen ist, sondern die Begründung besage, dass sich da besonders viele Menschen aufhalten. Bei den Zahlen - sowohl vom Lagebild als auch von der polizeilichen Kriminalstatistik - werde auch nicht unterschieden, ob es sich um bereits heute schon illegale Messer handelt oder um heute noch legale Messer. Die Waffenverbotszone suggeriere, man könnte mit ihr diese 1.000 Fälle irgendwie eingrenzen, es werde aber nichts darüber ausgesagt, ob die Messer nicht heute schon illegal wären. Die Antwort der Abfrage anderer Städte habe gezeigt, dass bis zur Hälfte aller festgestellten Fälle heute schon verbotene Messer dabei sind und somit die Waffenverbotszone keinerlei Auswirkungen auf diese Menschen hätte. Die Vorlage überzeuge auch deshalb nicht, weil man sie, wenn man es denn logisch konsequent fortführt, dann im ganzen Gebiet verhängen müsste und auch nicht nur am Wochenende, vor entsprechenden Feiertagen und nur zu bestimmten Uhrzeiten. Mit dieser Beschlussvorlage werden 60 % der Messerattacken gar nicht abgedeckt.

Was die Sicherheitslage, das Sicherheitsempfinden angeht, so habe StR Pitschel alles Notwendige gesagt. Das Sicherheitsempfinden hänge durchaus auch davon ab, wie das Ganze kommuniziert und öffentlich debattiert wird. Es müsse sich jede*r hier im Rat auch an die eigene Nase fassen und überlegen, welchen Beitrag er oder sie dazu leistet, dass das Sicherheitsempfinden in Stuttgart ein schlechtes ist. In erster Linie sei da die CDU anzuführen. An die Ratsfraktion der GRÜNEN gewandt bedauert er, dass diese der Vorlage zustimmen wollen. Seine Fraktion würde sich wünschen, an den anderen Stellschrauben zu arbeiten, die erkennbar und nachweislich mehr Erfolg gezeigt haben, z. B. das Haus des Jugendrechts, von dem alle wissen, dass es enorme präventive Wirkung entfalte.

OB Dr. Nopper heißt an dieser Stelle sehr herzlich Herrn Polizeipräsident Markus Eisenbraun willkommen, der auf die aufgerufenen Aspekte nachher noch eingehen werde.

StR Pantisano (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) vertritt die Auffassung, die CDU-Fraktion habe Ende Januar 2022 eine Kampagne pro Law and Order gestartet, um ihre rechtskonservative Klientel zu bedienen. Dies begründet er anhand von Aussagen des CDU-Kreisvorsitzenden Malliaras, von StR Dr. Reiners und aus Reihen der Jungen Union. Dies mache deutlich, dass es bei dem heutigen Beschluss nicht darum gehe, Messer aus der Innenstadt zu vertreiben, sondern darum, junge Menschen, insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichte, People of Color und Schwarze aus der Innenstadt und vom Uni-Campus am Wochenende zu vertreiben. 2020 habe es in dem betreffenden begrenzten Gebiet und in diesen Zeitrahmen nur 20 statistisch erfasste Messerdelikte gegeben, die polizeistatistisch erfasst sind. Und dabei wisse man noch nicht einmal, ob ein Messer wirklich zum Einsatz kam oder ob es bloß eine Drohung war oder jemand nur ein Messer mitgeführt hat während der Auseinandersetzung. Die Zahlen zeigten, dass gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit größer ist, in Stuttgart am helllichten Tag auf der Königstraße mit einem Messer ausgeraubt zu werden, weil tagsüber 60 % der Straftaten mit einem Messer stattfinden.

Schon heute werden junge Menschen, "die migrantisch von der Polizei gelesen werden", in Stuttgart am Wochenende manchmal zwei oder drei Mal am Tag anlasslos kontrolliert. An Herrn Eisenbraun gewandt macht er an dieser Stelle darauf aufmerksam, "weil immer vom subjektiven Sicherheitsgefühl in dieser Stadt die Rede ist: Mehr Polizei führt nicht bei allen Menschen in dieser Stadt zu einem höheren Gefühl der Sicherheit. Erst recht nicht, wenn man die Schlagzeilen liest, in denen Polizistinnen und Polizisten in Baden-Württemberg, 70 an der Zahl, von zehn verschiedenen Polizeipräsidien Hakenkreuze und Hitlerbilder verschicken und der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft sagt, das ist eine Spaßaktion."

Hinsichtlich der wissenschaftlichen Untersuchungen und Bewertungen der Wirkung von bereits bestehenden Waffenverbotszonen ruft der Stadtrat dazu auf, die von der Heinrich-Böll-Stiftung zu lesen. Dort werde für Hamburg klar festgehalten, dass diese Kriminalprävention auf räumlicher Ebene durch solche Verbotszonen zu Rassismus und zu höherem Zugriff auf People of Color in der Stadt führt. Das Innenministerium Sachsen sage zur Leipziger Waffenverbotszone, dass es keinerlei in irgendeiner Weise Verbesserungen der Deliktzahlen gab in Leipzig. Außerhalb der Waffenverbotszone habe es sogar mehr Delikte mit Messern als innerhalb dieser Zone gegeben. Eine Waffenverbotszone verhindere also keine Messerdelikte. Es ziele aber darauf, junge Menschen aus der Innenstadt zu vertreiben.

Der GRÜNEN-Ratsfraktion wirft er vor, sich zu Mitläufern der CDU und all denjenigen in ihrer Law-and-Order-Politik zu machen, indem sie der Vorlage zustimmt. Dies sei um das zigfache schlimmer als irgendein Plakat der CDU in der Innenstadt, weil man die Zustimmung und die Bestätigung dafür gebe, dass diese Stadt unsicher ist. Dabei sei die Zahl der Straftaten in Stuttgart so niedrig wie seit 1984 nicht mehr. Unabhängig davon, wie diese Abstimmung heute ausgeht, appelliere er an die CDU, zum Wohle der Stadt damit aufzuhören, Stuttgart schlechtzumachen und zu erzählen, hier sei es unsicher. "Stuttgart ist sicher. Das ist auch eure Verantwortung, das zu sagen. Es ist auch die Verantwortung des Oberbürgermeisters, das zu sagen. Sonst richtet Ihr noch weiteren, größeren Schaden an für die Innenstadt und die Stadt Stuttgart!"

Die Verantwortung des Oberbürgermeisters sei es vor allem, das zu sagen, was tatsächlich zutrifft, entgegnet OB Dr. Nopper. Die Zahlen sprächen eine andere Sprache. Die Ausführungen von StR Pantisano gelten für alle möglichen Deliktarten, nicht aber für Messerdelikte.

StR Dr. Oechsner (FDP) hält es für unpassend, bei diesem Tagesordnungspunkt Parteien-Bashing zu machen. Er bedauert sehr, dass der Herr Polizeipräsident erst im Anschluss an die Wortbeiträge der Fraktionen redet und nicht vorher. Dies habe den Grund, dass seine Fraktion schon seit Monaten nach validen Zahlen, nach Vergleichszahlen der letzten Jahre, frage, weil nur nach den Zahlen des letzten Jahres keine Tendenz abgeleitet werden könne. Leider wurden solche Zahlen bis heute nicht vorgelegt. Wenngleich die FDP einer Waffenverbotszone in Stuttgart skeptisch gegenüberstehe, so habe sie in den letzten Monaten dennoch keine Tendenz bezüglich ihrer Haltung geäußert. Heute nun werde er darstellen, ob die FDP für oder gegen eine Waffenverbotszone ist und aus welchem Grund.

Der Stadtrat verweist auf die vorhandenen drei Säulen der Sicherheitsarchitektur - in-frastrukturelle, präventive und ordnungspolitische Möglichkeiten. Heute spreche man über die ordnungspolitischen Möglichkeiten. "Die Liberalen stellen sich den starken Staat als einen Staat vor, der schlank ist, aber seine Rechte durchsetzt, und damit die Rechte seiner Bürger durchsetzt. Eines dieser Bürgerrechte ist das Recht auf Unversehrtheit. Hier nun kommt die Frage der Zahlen deutlich ins Spiel: Denn wenn man einem Bürger nicht sagt, wie entwickelt sich in deiner Stadt eigentlich die Sicherheit, dann wird es für die Entscheidungsträger schwierig, die signifikante Zunahme, die auch von OB Dr. Nopper ins Feld geführt wurde, überhaupt nachzuvollziehen." Trotz alledem müsse man die Problematik sehen, dass es eine Zunahme an Mitnahme von gefährlichen Gegenständen, wie z. B. Messer, in dieser Stadt und in vielen Städten gibt. Es brauche hier ein vernünftiges Durchgriffsrecht. Sehr bedauerlich finde er daher auch, dass die Landesregierung die Rechtsverordnungsfähigkeit auf das Innenministerium verschoben hat, und das Innenministerium wiederum auf die Kommunen, anstatt diese Verordnung als Land selbst zu erlassen.

Jetzt seien die Kommunen in der Situation, eine Verbotszone zu machen und dann auf das Ordnungsorgan Polizei, eine Landesbehörde, zurückzugreifen. Die Polizei habe nun um Hilfe gebeten, und zwar nicht um Hilfe in der Kontrolle und auch nicht, um jetzt mehr Racial Profiling zu machen. "Das ist alles vollständiger Unsinn. Eine Radikalisierung oder einen Rechtsruck in der Polizei gibt es in Deutschland, zumindest in dieser Form, wie ich gerade eben gesagt habe, nicht." Die Polizei habe bisher nicht die Möglichkeit, gefährliche Gegenstände und Messer einzubehalten. Dies werde durch eine solche Waffenverbotszone anders, sodass die berechtigte Hoffnung bestehe, dass weniger Messer in diese Bereiche der Innenstadt mitgeführt werden. Die Maßnahme sei zeitlich sowohl in Bezug auf die Wochentage als auch in Bezug auf ihre Ausdehnung über zwei Jahre eingeschränkt. Wegen des schlechten Umgangs mit den Zahlen erscheine seiner Fraktion aber zwingend notwendig, das Thema der Evaluation als Beschlussantragsziffer 2 mit folgendem Wortlaut mit aufzunehmen:

"2. Nach einem Zeitraum von 1,5 Jahren wird beurteilt, ob die Waffenverbotszonen sich bewährt haben bzw. Änderungsbedarf besteht. Dazu werden insbesondere die Zahlen der Messerdelikte in betroffenen öffentlichen Räumen vor der Einführung der Waffenverbotszonen nachvollziehbar erhoben und für einen Vergleich bzw. die Wirksamkeitsprüfung herangezogen."

Er erhebt dies zum Antrag und betont, für seine Fraktion sei die Zustimmung nur mit dieser Maßgabe machbar. "Wir glauben, dass es in Teilen der ordnungspolitischen Maßnahmen einen Beitrag leisten kann, die Sicherheit in dieser Stadt zu erhöhen - nicht nur das subjektive Sicherheitsempfinden, sondern die objektive Sicherheit. Und wir werden deshalb dieser Vorlage mit diesem Punkt zustimmen."

StRin Schumann (PULS) schickt voraus, sie bedanke sich dafür, dass die Mobile Jugendarbeit, andere jugendvertretende Organisationen und auch die Jugendlichen selbst recht intensiv miteinbezogen wurden. Zu den Wortbeiträgen ihrer Vorredner merkt sie an, dass es keinen Rechtsruck bei der Polizei gegeben habe, liege schlicht daran, dass es da schon immer Rechte gab. Auch könnten Zahlen nicht sprechen, sondern Menschen können Zahlen interpretieren. Gegenüber StR Kotz weist sie darauf hin, dass die Hälfte der von ihm aufgezählten Beispiele an Messervorfällen an Wochentagen oder außerhalb der von der Waffenverbotszone betroffenen Uhrzeiten stattgefunden haben. StR Pitschel habe viel erklärt, warum man gegen die Vorlage sein könnte, habe sich aber trotzdem dafür ausgesprochen.

Festzuhalten sei, dass "in ungefähr 12 % der Zeit einer Woche auf ungefähr 1 % des städtischen Geländes eigentlich alles bleiben soll wie es immer schon war: Nämlich, es soll keine Schilder geben, d.h., niemand weiß, dass er sich anders verhalten soll. Die Polizei will laut der Vorlage genauso oft oder auch wenig kontrollieren, d.h., es werden also genauso wenige oder viele Waffen oder Messer gefunden wie zuvor. Das Einzige, was sich ändert ist, dass von diesen gefundenen Messern jene konfisziert werden können, die jetzt eben auch unter 12 cm und minimal 4 cm lang sind." Als schwäbische Ökonomin würde sie deshalb ganz klar sagen: "Das hätten wir uns einfach sparen können!" Ausgehend von den Darlegungen von StR Pitschel spreche man in diesem Zeitraum und in dieser Fläche nämlich von nur ca. 104 Delikten, zu denen laut Vorlage verbale als auch nonverbale Drohungen gehören, aber auch strafrechtlich relevante Situationen, in denen kein Messer bzw. Waffe zum Einsatz kam, aber solche mitgeführt wurden. Sie selbst bekäme wohl ein ernstes Problem, wenn sie in eine völlig anlasslose und spontane Kontrolle geraten würde "mit meinem Brot-, Melonen-, Kuchen- oder Taschenmesser, weil die Klinge ist länger als 4 cm, ich glaube 6 cm hat die, und arretierbar ist es leider auch." Sie ganz persönlich könne sich dieser Vorlage daher nicht anschließen. Wegen der vorhin angeführten Gründe könne dies auch die ganze Fraktionsgemeinschaft nicht. Für den wahrscheinlichen Fall, dass diese Vorlage dennoch beschlossen wird, wünsche sich ihre Fraktion extrem, "dass immer kurz vor und während der gesamten Geltungszeit der Waffenverbote darüber auf allen elektronischen Infotafeln im und um das Stadtgebiet ganz sachlich und nicht gruselig informiert wird."

Im Falle, dass die Waffenverbotszone beschlossen wird, geht StRin von Stein (FW) davon aus, dass dies dann auch über sämtliche Kanäle kommuniziert wird, sodass insbesondere die Jüngeren, die davon eher betroffen sein könnten, dies auch mitbekommen. Sie betont, die Diskussionen um die Einführung einer Waffenverbotszone passiere nicht aus einer Laune heraus, sondern weil es Vorfälle gegeben hat, die zu Überlegungen geführt haben, was kann man tun, um weniger Messer in der Stadt zu haben. Für die Freien Wähler sei vollkommen klar: "Wir wollen nicht, dass hier Menschen mit Messern verletzt werden. Für uns ist jedes einzelne Opfer zu viel. Und es geht ja nicht nur um diese möglichen Verletzungen, sondern auch um die psychischen Folgen." Schon länger gebe es ja die Diskussion, wohin kann man denn tatsächlich noch gehen und welche Auswirkungen hat das weiter?

Die Freien Wähler können sich mit der Waffenverbotszone durchaus anfreunden, wenngleich man die in der Vorlage genannten Einschränkungen für richtig halte. Wichtig erscheine auch, dass es nach zwei Jahren eine Evaluation gibt, sodass dann gesicherte Informationen zu Grunde liegen. Sie gehe weiter davon aus, "dass wir mit diesen gesicherten Informationen und Erkenntnissen dann entsprechend weitere Schritte einleiten, verändern oder neu darüber diskutieren müssen". Ausdrücklich weist die Stadträtin darauf hin, dass auch die Stellungnahme des Jugendrates eine Formulierung enthalte, die darauf hinweist, dass der Jugendrat die Waffenverbotszone befürwortet. Der Bezirksbeirat Mitte als Repräsentant der Wohnbevölkerung des Stadtbezirks Mitte habe einstimmig für die Waffenverbotszone gestimmt.

StR Köhler (AfD) stimmt der Vorlage ebenfalls zu. Seine Fraktion hätte sich vorstellen können, das Ganze ein bisschen einfacher zu regeln im Hinblick auf die Unübersichtlichkeit für die Bevölkerung was die Uhrzeiten angeht. Grundsätzlich erhoffe man sich davon, dass die Situation sich in der Innenstadt etwas verbessert, auch wenn man es vorher nicht wissen kann.

Mit Blick auf die heute oft genannten Worte "Faktenbasiertheit", "Bauchgefühl", "subjektives Sicherheitsempfinden" unterstreicht er, die Statistiken geben nie das volle Bild wieder, wie es dem normalen Bürger im Risikoverhalten eigentlich notwendig wäre. Nichtsdestotrotz lese man aus den Statistiken, dass es eine klare Risikozunahme gibt in der Innenstadt und dass es notwendig ist, hier zu handeln. Skeptisch sei man, ob damit das Ende der Fahnenstange erreicht ist oder ob es weitere Maßnahmen braucht.

Herr Polizeipräsident Eisenbraun bestätigt vorneweg: "Ja, Stuttgart ist eine der sichersten Großstädte Deutschlands. Das auch zu Recht." Weiter bekräftigt er: "Die Polizei ist nicht rassistisch. Und manche Dinge, die jetzt zutage kommen, sind vielleicht auch ein Signal, dass wir einen Selbstreinigungsprozess sehr wohl können. Nehmen Sie das vielleicht mal so mit. Und stellen nicht alle in eine Ecke. Das tun wir auch nicht als Polizei mit den jungen Menschen, das möchte ich an der Stelle nochmals betonen."

Seit März dieses Jahres führe man diese Diskussion und er sei froh, wenn sie heute Abend zu Ende ist. "Weil dieses Zahlen rauf und runter, hin und her, rechts und links, das führt uns am Ende, glaube ich, nicht zur Wahrheit." Er wirbt auch um Vertrauen, dass die Polizei ihre Zahlen für die Kriminalstatistik und für das polizeiliche Lagebild richtig betrachtet und richtig interpretiert. Er stellt klar, dass unterschiedliche Zahlen im Umlauf sind, die man nicht untereinander vergleichen könne. Die 50 Messerdelikte, auf die StR Pantisano Bezug genommen hat, stamme aus der polizeilichen Kriminalstatistik aus dem Jahr 2021, die eine Ausgangsstatistik ist, d. h., es sind die Fälle, die polizeilich aufgearbeitet sind und dann der Staatsanwaltschaft vorgelegt werden mit einem Zeitbezug deutlich in 2020 hinein. Das polizeiliche Lagebild hingegen sei eine Eingangsstatistik, "das ist das, was wir täglich an Sachverhalten feststellen und dokumentieren, das ist aktuell. Das ist ein Unterschied."

Zum Thema "Trend feststellen" führt er aus, normalerweise gebe die Polizei keine unterjährigen Zahlen heraus. Man habe jedoch die Zahlen betrachtet sowohl für das halbe Jahr 2022 und für das Dreivierteljahr 2022. Er versichert, die Zahlen seien deutlich nach oben gegangen, was Messerdelikte betrifft. Insgesamt gehen die Zahlen, was die Kriminalität betrifft, wieder nach oben. Dies war zu erwarten, weil das öffentliche Leben wieder an Fahrt aufgenommen hat, wodurch auch die Kriminalität steigt. "In einer Großstadt in einer Innenstadt werden wir nie kriminalitätsfrei sein, aber wir sollten die Dinge nehmen, um sie zu reduzieren, um objektive und subjektive Sicherheit auch zu produzieren. Und auch da gilt vorneweg: Wir bewegen uns in einem Gesamtkonzept, für das wir uns letzten Winter immens viel Zeit genommen haben, das aus präventiven und ordnungspolizeilichen Maßnahmen zusammenkommt. Und ich sehe da oben Frau Jung von der Mobilen Jugendarbeit, und die ist heute schon mehrmals angesprochen worden, und ich kann es an der Stelle nur wiederholen: Wir unterstützen nicht nur genau dieses Thema genauso, wir gehen gemeinsam vor. Das Thema Kommunikation ist uns wichtig an der Stelle, das möchte ich da auch nochmals betonen."

Diese Waffenverbotszone sei nur ein kleines Werkzeug. Dadurch werde nicht entstehen, dass es keine Messerdelikte mehr in der Innenstadt gibt. Aber es sei ein deutliches Signal - auch vom Gemeinderat - an die Gesellschaft, dass es in der Stuttgarter Innenstadt nicht erwünscht ist, mit Messern umzugehen. Natürlich waren bestimmte Messer schon bisher verboten, natürlich habe die Polizei schon bei Kontrollmaßnahmen illegale Messer oder Waffen abgenommen. Aber man stelle als Polizei doch fest, dass das Thema Bewaffnung die letzten Jahre deutlich zugenommen hat. Und zwar nicht zum Vesperbrot schmieren, sondern teilweise zum Selbstschutz. "Und den Selbstschutz halte ich nicht für notwendig, weil, jedes Messer, das nicht eingesetzt wird, ist eine Verletzung weniger. Und wenn gesagt wird, das hätten wir uns auch sparen können, dann bitte ich, das nicht den Opfern zu sagen, die wir da immer wieder haben. Diese Verletzungen, die da immer wieder entstehen, die würden wir gerne verringern und zwar durch ein frühzeitiges Signal: Kein Messer in die Innenstadt, lasst es zuhause, das bringt nichts!"

Zur Diskussion um Zeit und Ort verweist er auf die Verhältnismäßigkeit, auf welche auch die Polizei ausgerichtet sei. Verhältnismäßigkeit heiße, dort den Schwerpunkt zu setzen, wo er sich tatsächlich befindet. Dies sei die Innenstadt, im Cityring. Dort finden 25 % aller Delikte mit Messerbezug statt, auf diesem kleinen Fleck, wo 0,9 % der Bevölkerung sind. So verhalte es sich auch bei den Wochentagen und der Zeit, da an Freitag- und Samstagnächten und an den Nächten vor Feiertagen 40 % dieser Delikte, aber auch die restliche Kriminalität, die ähnliche Tendenzen habe, stattfinde. Als weiteres Argument führt Herr Eisenbraun das Gesamtkonzept und hier die Zeiten der Videobeobachtung an, wo genau die gleichen Zeiten gelten und man so zum Thema Kontrolle komme: "Warum ist das für uns ein ergänzendes Instrument? Wenn ich Dinge, beispielsweise über die Videobeobachtung oder dann, wenn ich eine erhöhte Präsenz, nämlich über unsere Sicherheitskonzeption Freitag- und Samstagnacht habe, dann habe ich den Blick in die Stadt. Dann sehe ich, wann sich Dinge anberaumen, wann Dinge sich in der Aggression nach oben steigern. Und dann kann ich rechtzeitig eingreifen und die Messer aus dem Spiel nehmen. Das ist das präventive Element, das sich eigentlich hinter der Waffenverbotszone befindet: Wir wollen nicht möglichst viele Messer in der Asservatenkammer haben, sondern wir wollen sie möglichst früh aus dem Spiel haben. Das Signal: Bringt sie gar nicht erst mit. Und wenn wir feststellen, dass da irgendwas hochbrodelt, dann schreiten wir ein, dann kontrollieren wir. Nochmals: Auch die Rechtsgrundlage der Kontrolle ist bereits vorhanden: Wir haben zu diesen Zeiten, Freitag- und Samstagnacht - und dann wird ein Schuh draus - diesen so genannten temporär gefährlichen Ort aufgrund der erhöhten Kriminalitätsbelastung in der Innenstadt. Und deswegen ist es ein Maßnahmenbündel und ergänzt die ganze Geschichte. Es wird nicht alles bereinigen, aber wir hoffen, dass wir die Dinge etwas reduzieren und vor allem im Verletzungsrisiko."

StR Pantisano vermisst eine Erklärung des Polizeipräsidenten, warum der Gemeinderat die Zahlen vom Lagebild nie schriftlich bekommen hat. Für ihn seien die Zahlen noch immer nicht schlüssig und er erkenne ein Missverhältnis zwischen Eingangsstatistik und Ausgangsstatistik. Über Monate habe die FrAKTION Anträge und Anfragen desbezüglich gestellt und nie eine Antwort bekommen. Einmal sei "irgendwie rechtfertigend" gesagt worden, das Lagebild sei eine Einschätzung der Polizei nach Tagessituation und man könne es nicht vergleichen auf die Jahre, weil es schon etwas eher Subjektives sei.

Er stellt richtig, er habe nicht gesagt "Die Polizei ist rassistisch", aber es gebe Rassismus bei der Polizei. Selbstreinigung würde aus seiner Sicht bedeuten, dass die 70 Personen, die von Innenminister Strobl letzte Woche genannt wurden, nicht mehr im Dienst und nicht mehr im Amt sind. Auch gehe es aus seiner Sicht nicht darum, Messer aus der Innenstadt zu nehmen, weil tagsüber und unter der Woche die Gefährdungslage in der Innenstadt immens höher sei, weil viel mehr Menschen sich dort aufhalten. Abschließend verweist er auf die immer erhobene Forderung der Mobilen Jugendarbeit nach einer klaren Kommunikation für den Fall, dass eine Messerverbotszone eingeführt wird. Es sollen jedoch keine Schilder aufgestellt werden. Er fragt, wie eine Aufklärung vorgesehen ist, damit trotzdem alle wissen, dass man in der Innenstadt kein Messer mehr mitführen darf zu bestimmten Uhrzeiten.

OB Dr. Nopper informiert, das polizeiliche Lagebild führe die Straftaten mit Bezug zu Messern auf, bei denen ein Messer im Spiel war. Die Zahlen seien eindeutig, wonach es insbesondere im engen räumlichen Bereich des Cityrings mit dem Stadtgarten den Schwerpunkt bei den Messerdelikten gibt. Auch könne gesagt werden, temporär liege der Schwerpunkt auch in den Wochenendnächten. Die Polizei werde nicht mehr Kontrollen durchführen, sondern sie werde wie bisher die Kontrollen durchführen und ohne Ansehen der Person dann kontrollieren, wenn es die Gefährdungslage hergibt und wenn es die Anlässe hergeben.

Herr Polizeipräsident Eisenbraun ergänzt, die von ihm im Frühjahr genannte Zahl von 1.048 beziehe sich aufs komplette Stadtgebiet. Dies sei von ihm im Frühjahr auch so gesagt worden. Deswegen sollte diese Zahl auch nicht mit den 50 Fällen der Kriminalstatistik verglichen werden und auch deswegen nicht, weil er von Messerereignissen gesprochen habe. "Das gilt etwas mehr, weil da ist das Thema: Was ist ein Delikt? Was ist eine Straftat? Was ist ein Vorkommnis? Auch da gibt es Unterschiede." Ein weiterer Unterschied komme dazu, nämlich, dass die Polizei sich im innerstädtischen Bereich, insbesondere wegen der Auswirkungen, auch wegen dem Thema öffentlicher Raum, sich auf bestimmte Deliktsgruppen reduziert hat: Straftaten gegen das Leben, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Hoheitsdelikte. Diese drei Deliktsbereiche seien diejenigen, die auch ein subjektives Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum und im Zusammenhang mit dem Messer am stärksten berühren. Deswegen gebe es Diskrepanzen in den Zahlen und deswegen habe er vorhin um Vertrauen gebeten, "dass wir unsere Zahlen richtig interpretieren und sie auch in den richtigen Kontext miteinander stellen. Genauso wie Sie uns vertrauen dürfen bei den 70 Kolleginnen und Kollegen, dass ein ordentliches Verfahren durchgeführt wird und nicht, wenn etwas auftaucht, jemand sofort irgendwo vor die Tür gestellt wird. Da würde ich auch darum bitten, das gehört nämlich auch zur Wahrheit dazu. Abschließend betont er, mit dem Gesamtkonzept wolle man eine bessere Durchmischung erreichen. Es werden nicht nur bestimmte Menschen kontrolliert, sondern es werden Menschen dann kontrolliert, wenn sie einen Anlass dazu bieten - siehe der Hinweis auf das Thema Videobeobachtung.

StRin Meergans (SPD) unterstreicht, nicht nur die Polizei sei der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, "wir als Gemeinderat, wenn wir so eine Entscheidung treffen, sind es auch". Zur Abwägung der Verhältnismäßigkeit gehöre eine ausreichende Datengrundlage. Auch wenn die Statistik, die von der Polizei geführt wird, komplex sei, sei es ein Stückweit die Aufgabe der Polizei, gemeinsam mit der Stadtverwaltung, die Faktenlage so darzustellen, dass eine Verhältnismäßigkeit abgewogen werden kann, wenn der Rat dafür zuständig ist, diese Entscheidung zu treffen. Dieses Versäumnis habe am Ende des Tages die Stadtverwaltung, der Oberbürgermeister zu verantworten, weil er diese Beschlussvorlage vorlegt. So gerne sie Herrn Eisenbraun vertrauen möchte, so wäre es aus ihrer Sicht kein verantwortungsvolles Handeln, ohne die Faktenlage zu kennen, einfach zu entscheiden und dem zuzustimmen. Dies bittet sie zu respektieren.

Zur Frage des Rassismus bei der Polizei merkt sie an: "Selbstverständlich gibt es Rassismus bei der Polizei. Den gibt's auch in der gesamten Gesellschaft." Es sei aber nicht zielführend, wenn man die Exekutive, die in dem Moment das Gewaltmonopol des Staates vertritt, grundsätzlich unter Generalverdacht stellt. Selbstverständlich müsse man die Arbeit der Polizei kritisch begleiten und selbstverständlich müsse man solche Ereignisse und rechte Strukturen innerhalb der Polizei aufarbeiten sowie Rassismus bei der Polizei noch besser untersuchen, um bessere Antworten zu finden.

Die SPD-Gemeinderatsfraktion sei der Auffassung, man müsse über Sicherheit ganzheitlicher diskutieren im Rat, anstatt sich in Form von Vorlagen und Einzelmaßnahmen von Entscheidung zu Entscheidung hangeln. Sie verweist auf den hierzu formulierten Antrag. Man müsse dafür sorgen, dass das Publikum in der Innenstadt gerade an den Wochenenden, gerade auch nachts, ein Stückweit durchmischter ist, dass es da vielfältige Angebote gibt und damit einhergehend auch eine gewisse soziale Kontrolle. Für diesen Punkt seien "wir alle miteinander ebenso verantwortlich". Sie glaubt, dass eine Waffenverbotszone in der Innenstadt hierfür eher schädlich ist und nicht die erhoffte Wirkung erzielen wird.

Als Reaktion auf den Redebeitrag des Herrn Polizeipräsidenten stellt StRin Schumann klar, sie - genauso wenig wie StR Pantisano - hätten sich dahingehend geäußert, die gesamte Polizei in eine Ecke stellen zu wollen. Sie stimmt ihrer Vorrednerin absolut zu, dass es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und es statistisch nachweisbar einen Rechtsruck in der Gesamtgesellschaft gibt. Trotzdem könne man ein Stückweit davon ausgehen, dass es in der Polizeistruktur auch da ist. Der Versuch von Herrn Eisenbraun, mit Einzelfällen emotional zu argumentieren, empfinde sie als "reichlich unlauter in der Argumentationstechnik". Würde man so argumentieren und Politik oder strukturelle Arbeit machen, dann wäre vieles gar nicht mehr möglich. Deswegen versuche man im Regelfall mit dem Gesamtüberblick zu arbeiten und nicht anekdotisch. Weiter merkt sie an, "klar will ich die Anzahl der Opfer reduzieren, nur faktisch haben wir reichlich mehr Opfer im Verkehr, im Umgang zwischen Menschen, in Partnerschaften." Darauf hinzuweisen sei auch, dass "die absolut meisten Verletzungen mit Messern im Haushalt passieren. Also da wäre für mich die Frage, appellieren wir jetzt auch an die Bundesregierung, dass Messer im Haushalt verboten werden?"

StR Roth (90/GRÜNE) begründet sein abweichendes Abstimmungsverhalten mit seiner Überzeugung, dass die richtige Antwort auf die ganze Debatte hier eine bundesweite Waffenverschärfungsinitiative wäre. Eine solche könnte aus Stuttgart kommen, z. B. über den Städtetag, indem OB Dr. Nopper sich CDU-Innenminister Strobl anheften würde, der derzeit in einer bundesweiten Debatte - vor allem als Reaktion auf die Reichsbürger - ein schärferes Waffengesetz fordere. Damit könnte man auch den Widerspruch auflösen zwischen "Nur im Citybereich ist jedes Delikt zu viel, und warum nicht, wenn man fünf Meter weitergeht?" Aus seiner Sicht handelt es sich nicht um eine konsistente Vorlage, sondern sie diene vielmehr der Profilierung, weshalb er dem Ganzen nicht zustimmen könne.

Nach Meinung von StR Dr. Reiners (CDU) begründen die vom Polizeipräsidenten genannten Zahlen allein schon die Verhältnismäßigkeit. Gegenüber StRin Schumann und StR Pantisano stellt er eine "ständig latent vorhandene Polizeikritik" von deren Seite in diesem Rat fest, die er aus diesem Rat heraus nicht haben möchte, weil sie in die Öffentlichkeit ausstrahle. "Ich möchte, dass wir hinter unserer Polizei stehen, die macht eine gute Arbeit in dieser Stadt - nicht nur in dieser Stadt, sondern auch landesweit. Und die Polizei ist eine bürgernahe Polizei. Sie arbeitet für unsere Sicherheit tagtäglich. Und das sollten wir auch mal honorieren in dieser Stadt." Er wendet sich außerdem dagegen, die CDU verantwortlich zu machen für das subjektive Sicherheitsgefühl in Stuttgart. Für ihn persönlich sei ganz klar, dass die GRÜNE-Ratsfraktion und die SPD-Gemeinderatsfraktion dieses Thema politisch ausschlachten wollen. Politik tauge aber nicht, wenn es um Leib oder Leben geht. Hier vertraue seine Fraktion gerne dem Rat der Experten in den eigenen Reihen oder auch von extern.

OB Dr. Nopper ist bereit, dem Antrag von StR Dr. Oechsner zu folgen und den von ihm gewünschten Teil aus der Begründung als Ziffer 2 in den Beschlussantrag zu nehmen. Diese lautet:

2. Nach einem Zeitraum von 1,5 Jahren wird beurteilt, ob sich die Waffenverbotszonen bewährt haben bzw. Änderungsbedarf besteht. Dazu werden insbesondere die Zahlen der Messerdelikte in den betroffenen öffentlichen Räumen vor der Einführung der Waffenverbotszonen nachvollziehbar erhoben und für einen Vergleich bzw. die Wirksamkeitsprüfung herangezogen.

Auf Nachfrage von StR Pantisano teilt der Vorsitzende mit, Grundlage seien die Zahlen des polizeilichen Lagebildes. "Wir werden das polizeiliche Lagebild vor Einführung oder vor Ausweisung der Waffenverbotszone heranziehen und wir werden das polizeiliche Lagebild nach diesem Evaluationszeitraum von anderthalb Jahren heranziehen."

Herr Polizeipräsident Eisenbraun ergänzt, man werde beide Zahlen betrachten, das Lagebild wie die Kriminalstatistik. Er versichert erneut: "Im Halbjahr und im Dreivierteljahr haben wir eine Steigerung, in Prozentzahlen ausgedrückt, die deutlich zweistellig ist, jetzt dann auch in der Kriminalstatistik. Wir haben einen zeitlichen Nachzug. Das, was ich Ihnen im Frühjahr über das Lagebild versucht habe darzustellen, zieht sich jetzt auch in der Kriminalstatistik hinterher. Ich drücke es mal platt aus: Das Ende der Corona-Delle."



OB Dr. Nopper lässt abschließend über die GRDrs 780/2022 ergänzt um die Beschlussantragsziffer 2 entsprechend dem mündlichen Änderungsantrag von StR Dr. Oechsner abstimmen. Er stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt mit 36 Ja-Stimmen und 18 Nein-Stimmen (0 Enthaltungen) mehrheitlich:

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