Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 08.03.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:Frau Dr. Matschke (OB-ICG)
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Internationaler Frauentag - 100 Jahre Frauenwahlrecht

Einem einstimmigen Beschluss des Beirats für Gleichstellungsfragen folgend wird im Gemeinderat am Internationalen Frauentag das Jubiläum "100 Jahre Frauenwahlrecht" mit Redebeiträgen der Leiterin der Abt. Chancengleichheit für Frauen und Männer, Frau Dr. Matschke, sowie der Vertreter/-innen der Fraktionen gewürdigt. Die Redebeiträge sind nachfolgend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben.

Frau Dr. Matschke:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Frau Bürgermeisterin Fezer, die Herren Bürgermeister, sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, es freut mich natürlich außerordentlich als Leiterin der Gleichstellungsstelle, dass dieser Tag hier so eine Ehre erfährt, was ihm natürlich aber auch zusteht. Und ich bin sehr froh, dass ich heute zu Ihnen sprechen darf zu dem Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht. Ich habe mich wissenschaftlich 10 Jahre mit der deutschen Geschichte, Demokratieforschung, Verfassungsgebung beschäftigt, und deswegen werde ich jetzt nicht das Allgemeine sagen, weil ich denke, wenn die Redner/-innen nachher kommen, dann wird sicher auf die eine oder andere Frau noch mal besonders hingewiesen. Sie werden es mir verzeihen, wenn ich nicht jede tolle Frau erwähne, sondern Sie mit auf eine kleine Zeitreise nehme ins Jahr 1918, mit der politischen deutschen Identität oder Identitätssuche. Was ist aus diesem revolutionären Akt des allgemeinen Wahlrechts geworden und wie stehen wir heute da?

Wir gehen ins Jahr 1918. Was hat Deutschland ausgemacht oder nicht ausgezeichnet? Wir haben eine verspätete Nation, wir haben sehr spät die Nationalstaatlichkeit erreicht, wir hatten lange Zeit eine Monarchie, und wir hatten eine große Identitätsproblematik. Von der Männerseite betrachtet, hat Thomas Mann in seinem Bildnis des Unpolitischen gemeint, was macht den deutschen Mann aus: die Anerkennung, die Identität. Und das war Herr, General, Militär, Doktor, akademische Titel, von Adel, der Staat. Das war der deutsche Mann. Und die Männer, und zwar nicht nur die rechten, die Nationalisten, sondern auch die linken, die Avantgardisten, sind mit Begeisterung in diesen Ersten Weltkrieg gezogen und wollten diese Monarchie endlich abschaffen und ein neues Deutschland gründen. Ich sage es deswegen, weil das die Grundlage auch ist für die Rolle der Frauen. Im Jahr 1918 hatten wir sehr viel Elend in den Großstädten. Die Frauen hatten eine neue Rolle, und es war auch so wie nach dem Zweiten Weltkrieg, sie waren plötzlich allein, hatten die Ernährung der Familie. Und da gibt es auch tragische Aspekte, dass z. B. die Prostituierte nicht nur die Dekadenz der Großstadt verkörpert hat, sondern auch die Ernährerin teilweise der ganzen Familie war.

Auf der anderen Seite haben wir aber auch eine Anita Augspurg, eine große Pazifistin, die mit ihrer Lebensgefährtin schon 1904 den Weltbund in Berlin gegründet hat für das Frauenwahlrecht. Die Frauen versuchten schon seit dem 19. Jahrhundert dieses allgemeine Wahlrecht den Frauen zu vermitteln und zu erkämpfen. Und die These, die ich vertrete, ist, wir hätten es tatsächlich ohne diesen revolutionären Akt dieser etwas untergegangen deutschen Revolution nicht geschafft. Es ist nämlich interessant, wenn man sich anschaut, welche Länder haben dieses allgemeine Wahlrecht sehr früh bekommen, dann sind es die Länder, die eine Revolution hatten oder auch die eine neue Staatsbildung hatten, z. B. Finnland 1906, oder das erste Land war tatsächlich Südaustralien noch im 19. Jahrhundert.

Deutschland war damals mit diesem revolutionären Akt tatsächlich an der Avantgarde, und es hat vorher jahrelang die Auseinandersetzung um dieses Frauenwahlrecht gegeben. Und auch die Frauen waren sich nicht einig, die bürgerlichen Frauen, die sozialistischen Frauen, was wollen wir eigentlich? Wollen wir das allgemeine Wahlrecht oder wollen wir das Zensuswahlrecht? Es galt ja in Deutschland das Dreiklassen-Wahlrecht, und die Frage war, was wollen wir für die Frauen haben? Und es ist interessant, europaweit mal zu schauen, welche Frauenwahlrechte es eigentlich gab. Zum Beispiel durfte in Italien die Frau kommunal nur wählen, wenn sie Mutter war, nach dem Motto 'eine wertvolle Frau muss Mutter sein, also kann sie dann wählen'. Die Frage, die sich einem aufdrängt, ob man auch die Zeugungsfähigkeit eines Mannes in die Waagschale geworfen hat, wurde nicht gestellt. Oder der Moralzensus: In Italien durften Prostituierte nicht wählen. Es gab den Alterszensus: In Island musste eine Frau 30 oder 40 Jahre alt sein. Also das heißt, all diese Überlegungen sind diesem revolutionären Akt vorangegangen.

Und jetzt komme ich zu dieser großen Tat, die man tatsächlich nicht unterschätzen darf, dass nämlich diese Räteregierung, die 6 Volksbeauftragten aus der SPD, und die SPD hatte tatsächlich schon viele Jahre dieses allgemeine Wahlrecht gefordert, dass diese 6 Volksbeauftragten mit einem Zapfenstreich, mit einem Federstrich diesen Aufruf an das deutsche Volk gerichtet haben, dass jetzt das allgemeine Wahlrecht zu gelten hat, und zwar für alle Frauen und Männer ab 20. Das wäre parlamentarisch wahrscheinlich nicht durchgegangen. Hier hat sich die These bestätigt, 'je länger und je früher die Männer das allgemeine Wahlrecht hatten, umso länger hat es in diesen Ländern gedauert, bis die Frauen das allgemeine Wahlrecht bekommen haben'. Und sehr spät z. B. in der Urdemokratie. In der ältesten Männerdemokratie Frankreich haben die Frauen das allgemeine Wahlrecht erst 1945 bekommen, und in der Schweiz - das ist natürlich das klassische Beispiel - 1971 und in Appenzell 1990. Das heißt, vor diesem Hintergrund ist es nicht zu unterschätzen, was Deutschland da tatsächlich mit dieser Revolution für die Frauen bewirkt hat. Aber ohne die Frauen, die die Vorarbeit geleistet haben und die dann nachher das Ganze mit Leben gefüllt haben, wäre es nicht vorangegangen. Es haben sich 300 Frauen als Kandidatinnen gemeldet für das erste Parlament, und es wurden 37 Frauen tatsächlich gewählt. Das war ein Stand bei 423 von knapp 10 %. Dieser Stand wurde erst wieder 1983 erreicht. Also das muss man sich mal vorstellen, dass in dieser Weimarer Republik tatsächlich ein großer Fortschritt erzielt wurde. Und die Frauen kamen aus allen Parteien. Also es war ein riesiger Aufschwung.

Die Frage, die man sich dann stellt: Was hat das eigentlich bewirkt? Was haben in der Weimarer Republik die Frauen erreicht? Sie haben sehr viel erreicht, aber es ist auch nicht alles erreicht worden. Also die Frauen haben überparteilich zusammengearbeitet, wurden aber sehr schnell in die Ecke gedrängt. Das ist ja Frauen-, ich sage nicht Frauengedöns, das ist aus späterer Zeit, aber Weiberkram. Sie haben sehr viele soziale Gesetze durchgebracht, z. B. wurde die Sittenpolizei abgeschafft. Sie haben die Jugendwohlfahrt eingerichtet, Geschlechtskrankheiten wurden verfolgt. Sie haben es allerdings nicht erreicht, das Beamtinnenzölibat - Beamtinnen durften ja nicht heiraten und auch keine Kinder haben - abzuschaffen.

Aber nichtsdestotrotz ging es weiter, und von 1920 bis 1932 gab es 111 weibliche Abgeordnete. In diesem Ersten Weltkrieg war eine Internationalität unter den Frauen da, es gab den ersten sozialistischen Frauenkongress mit Clara Zetkin 1907, es gab den Weltverband 'Frauen zum Wahlrecht'. Was interessant ist, aufgrund dieses Ersten Weltkriegs hat sich diese internationale Zusammenarbeit, und das hat Anita Augspurg z. B. unheimlich getroffen, es wurde ein Cut gemacht, und zwar nach dem Motto, das kommt einem fast bekannt vor, 'wrong or right, my country first'. Das hat auch die Frauen erfasst, und es war mühsam, das wieder aufzufangen und doch wieder zusammenzuarbeiten.

Wie ist es dann weitergegangen? Wir hatten diese Weimarer Republik, wir hatten die NS-Zeit. Die Frauen haben tatsächlich im Rahmen dieser etwas zurückgegangenen Solidarität sehr spät auf die NSDAP reagiert. Und es war noch ein neues Frauenbild da, und zwar die junge, ledige, berufstätige Angestellte. Das weiß man so gar nicht mehr, der Angestelltenstatus hat sich in dieser Zeit entwickelt. Es gab 1,5 Mio. Angestellte, junge, weibliche, und 30 % der Frauen haben in der Weimarer Republik gearbeitet. Das hat dazu geführt, und das kommt mir so bekannt vor, wenn man es dann in die spätere Zeit übersetzt, dass diese jungen Frauen gesagt haben, eigentlich haben wir doch alles. Wir haben das Wahlrecht, wir können arbeiten, super, was wollen denn diese alten Suffragetten, die da auch einen Führungsstil haben, den wir nicht unterstützen können. Und da entstand so ein bisschen eine Diskrepanz zwischen den altvorderen Frauenrechtlerinnen und diesen jungen, modernen Frauen bis zu dem Jahr 1932/1933. Dann geht es erst wieder 1949 weiter, und da haben wir ja dann auch unsere vier Mütter des Grundgesetzes. Unter 65 Abgeordneten waren die vier Frauen, und dieser Artikel 3 Absatz 2 wurde durchgesetzt von einer Juristin, und die SPD und die CDU waren vertreten.

Was ich noch sagen muss, ist, dass wir leider heute nicht so weit sind, wie wir eigentlich sein wollten, rein was den Anteil der Frauen angeht. Knapp 31 % Frauen haben wir jetzt im neuen Bundestag. Baden-Württemberg ist leider ein Schlusslicht, was die Vertretung der Frauen angeht, mit 24 %. Das liegt aber auch an dem Landtagswahlgesetz, das ja laut Koalitionsvertrag geändert werden soll. Da müsste dringend noch etwas passieren. Ich hoffe sehr, dass auch in den nächsten Kommunalwahlen sich hier noch etwas bewegt, dass ich noch in viele Frauengesichter hier blicken kann, wenn ich vielleicht in den nächsten Jahren, wenn wieder ein Internationaler Frauentag auf diese Plenumssitzung fällt, noch mal hier sein kann.

Und ich wünsche mir dieses Miteinander der Geschlechter. Ich glaube, das ist was ganz Besonderes, was man auch aus der Geschichte lernen sollte, mit den Männern zusammen zu kämpfen. Und da haben wir heute eigentlich schon viel erreicht. Ich hatte jetzt vor kurzem eine Gruppe von jungen Frauen im Büro, die ganz cool kamen und sagten, sie laden natürlich die Männer ein, man könne ja auch miteinander gute Forderungen stellen. Also das finde ich super, da wollen wir auch weitermachen.

Insoweit, es gibt viel zu tun, es gibt viele Ungerechtigkeiten, ich will jetzt auch gar nicht weiter darauf eingehen. Die Frauen wurden Bundestagspräsidentinnen, leider nicht Bundespräsidentinnen, das haben wir noch nicht erreicht, aber 1946 gab es in Oberhausen die erste Oberbürgermeisterin. Auf alle Parteien verteilt auch Ministerinnen, z. B. Rita Süssmuth und Annemarie Renger. Ich will niemanden benachteiligen, das war jetzt ein kleines Blitzlicht, das ich Ihnen präsentieren wollte. Ich hoffe, dass ich alles so gesagt habe, was ich im Kopf hatte, und wünsche uns jetzt noch einen guten Internationalen Frauentag und gute nächste Wahlen. Dankeschön."

StRin Ripsam (CDU):

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Frauentag 2018 steht unter dem Motto 'Fortschritt für Frauen ist Fortschritt für alle'. Der erste Frauentag wurde am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz gefeiert. Mit der Wahl des Datums sollte der revolutionäre Charakter des Frauentags hervorgehoben werden, denn der Vortag, der 18. März, war der Gedenktag für die Gefallenen während der Märzrevolution 1848. Machen wir einen Sprung in das Jahr 1917. Am 8. März 1917 streikten in St. Petersburg die Bewohnerinnen der armen Stadtviertel. Arbeiterinnen, die Ehefrauen von Soldaten und erstmals auch die Bäuerinnen gingen gemeinsam auf die Straße und lösten so die Februarrevolution aus. Zu Ehren der Rolle der Frauen in der Revolution wurde auf der 2. Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen 1921 in Moskau auf Vorschlag der bulgarischen Delegation der 8. März als internationaler Gedenktag eingeführt.

Machen wir einen Zeitsprung in das Jahr 1975. In diesem Jahr fand das Internationale Jahr der Frau statt. Dazu richteten die Vereinten Nationen erstmals am 8. März eine Feier aus. In den ersten Jahren ab 1976 richtete die 'Ad hoc Group on Equal Rights for Women' Veranstaltungen zum 8. März aus, eine Gruppe von Angestellten im UN-Sekretariat, die sich gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und für Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen in der UN einsetzte. Am 16. März 1977 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine UN-Resolution, die alle Staaten darum bat, einen Tag des Jahres zum Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frauen und den Weltfrieden zu erklären. Es folgten weitere Veranstaltungen der UN zum 8. März, mindestens seit 1995 im jährlichen Rhythmus.

Damit machen wir jetzt einen Zeitsprung ins Heute. Der UN-Generalsekretär António Guterres erklärte zum heutigen Weltfrauentag, ich zitiere: 'Wir befinden uns in einem entscheidenden Moment für die Rechte von Frauen. Die historischen und strukturellen Ungleichheiten, die Unterdrückung und Diskriminierung ermöglicht haben, werden wie nie zuvor aufgedeckt. Von Lateinamerika über Europa bis Asien, in den sozialen Netzwerken, an Film-Sets, in Fabriken und auf den Straßen fordern Frauen einen dauerhaften Wandel und null Toleranz für sexuelle Gewalt, Belästigung und Diskriminierung aller Art. Geschlechtergleichheit zu erreichen und Frauen und Mädchen zu stärken, sind die unerledigten Aufgaben unserer Zeit und die wichtigsten Menschenrechtsfragen unserer Welt.' Damit verbunden ist natürlich auch die Frage nach dem Wahlrecht für Frauen.

Gehen wir nochmals zurück ins 20. Jahrhundert. Am 12. November 1918 veröffentlichte in Deutschland der Rat der Volksbeauftragten einen Aufruf an das deutsche Volk, in dem diese im Zuge der Novemberrevolution an die Macht gekommene Reichsregierung mit Gesetzeskraft verkündete: 'Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht aufgrund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen'. Kurz darauf wurde das Wahlrecht mit der Verordnung über die Wahlen zur Verfassungsgebung in der Deutschen Nationalversammlung vom 30. November 1918 gesetzlich fixiert. Somit konnten Frauen in Deutschland bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 erstmals auf nationaler Ebene ihr Wahlrecht nutzen. Österreich und Deutschland zählten damit zur Avantgarde in Europa.

Kehren wir zurück ins Heute. Die Themen und Aufgaben sind klar: Rechtlicher Schutz vor häuslicher sexueller Gewalt, sexueller Belästigung und Missbrauch am Arbeitsplatz sowie im öffentlichen und privaten Raum, gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit, gleiche Repräsentanz von Frauen in Parlamenten. Nach wie vor kämpfen Frauen um eine gleiche Beteiligung an politischen Ämtern, gemäß ihrem Anteil an der Bevölkerung. Der Anteil an Frauen im Stuttgarter Gemeinderat lag bei den Kommunalwahlen 2009 bei
40 %. Bei der Wahl 2014 sank der Wert auf 38,3 % wieder ab. Dieser Trend sollte sich bei der Kommunalwahl 2019 nicht fortsetzen. Allerdings, wenn ich mir die Bürgermeisterbank in Stuttgart anschaue, hier beträgt der Frauenanteil gerade einmal 14,3 %. Damit wird auch klar, dass hier der Anteil an Frauen ansteigen muss. Das ist eine der Aufgaben für die Zukunft, an der wir alle arbeiten müssen, egal ob Mann oder Frau. Vielen Dank."


StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE):

"Frauen sind anders und Männer auch. Gleichstellung von Mann und Frau, Gleichberechtigung, Chancengleichheit, meine Damen und Herren, das fühlt sich für eine europäische Frau meines Alters eigentlich als etwas ganz Selbstverständliches an. Ich bin 1976 im hochpolitisierten Berlin geboren, meine Mutter und viele Frauen ihrer Generation haben die Kämpfe geführt und sie spüren teilweise heute noch die Auswirkungen ihrer teilweise außergewöhnlichen Biografien. Immer wieder mussten Frauen couragiert aus alten Mustern und Rollen ausbrechen, um für ihre Rechte und die ihrer Töchter zu kämpfen. Frauenwahlrecht vor hundert Jahren, da hatten wir eine schöne Ausführung, Frau Matschke, oder auch die Themen 'mein Bauch gehört mir' in den 70-ern, 'Aufschrei' oder heute 'me too'. An dieser Stelle möchten wir als Bündnis 90/DIE GRÜNEN einen tiefen Dank unseren eigenen Frauen und auch vielen anderen Frauen und natürlich auch den modernen Männern aussprechen, die eben seit Jahrzehnten an dieser gesellschaftlichen Veränderung gewirkt haben und heute noch wirken.

Aber es ist just genau diese Selbstverständlichkeit, die mich heute die Frage stellen lässt: Warum braucht es eigentlich noch den Internationalen Frauentag? Weil wir noch längst nicht angekommen sind. Und wenn ich Sie höre, Herr Fiechtner, wie Sie ja schon 'motzen', da sind Sie wirklich der Richtige dazu. Weltweit werden in vielen Gebieten der Erde Frauen und Mädchen systematisch strukturell benachteiligt, durch unvorstellbare Gewalt unterdrückt, ich brauche nur das Wort Genitalverstümmelung in den Mund zu nehmen. Und Frauen und Mädchen werden auch weltweit nach wie vor in vielen Regionen im traditionellen Muster gehalten und ausgebeutet. Und deswegen ist es auch ganz gut, wenn der UN-Generalsekretär Guterres, wie es auch Frau Ripsam gesagt hat, sagt: 'Fortschritt für Frauen ist immer Fortschritt für alle', weil wir wissen, in Ländern, wo Frauen und Mädchen Gleichstellung erfahren, werden eben Menschenrechte erfahren. Und da werden auch Männer mehr respektiert. Es ist ein Fortschritt immer für uns alle.

Aber wir sind längst noch nicht angekommen. Auch hier in Baden-Württemberg, wir müssen ja global denken, aber lokal agieren, ist noch längst nicht die Hälfte der Macht bei den Frauen. Ja, und es geht um Macht, das darf man ruhig aussprechen, um Mitmachen, um Entscheidung treffen, um sich zu ermächtigen, auch mitzumischen. In Baden-Württemberg, habe ich gelesen, sind just 10 % der Bürgermeister/-innen Frauen und 90 % eben Männer. Wir haben sogar 65 Gemeinderäte, also gesamte kommunale Gremien, in denen gar keine Frau einen Sitz hat. Und das ist wirklich nicht der Zeit angemessen. Auch hier in unserem - wir denken, so fortschrittlichen - Stuttgart, sehen wir im Stadtrat, da können Sie in Ihren eigenen Reihen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, mal schauen, die Repräsentanz der Frauen ist nicht sehr gut. Für uns GRÜNE, und da sind wir auch sehr stolz drauf, ist die Gleichstellung der Frauen und Männer in unserer DNA von vornherein ganz konkret. Unsere Fraktion zählt 14 Mitglieder, und 9 davon sind weiblich, also 64 %. Und im gesamten Gemeinderat, wir haben es gehört, sind wir bei 38 %. Würden wir den GRÜNEN-Part rausrechnen, meine Damen und Herren, fiele der Stuttgarter Gemeinderat auf 25 % Gemeinderätinnen, und das ist keine gute Vorbildfunktion, finde ich, für zukünftige Generationen, meine Damen und Herren.

Wir Frauen müssen natürlich zeigen, dass wir in selbstverständlicher Weise die Belange der Gesellschaft mitentscheiden können und auch wollen. Und die Parteien sollten sich bei diesem Thema an uns orientieren und ganz einfach quotierte Listen und auch immer weibliche Spitzenkandidaten nominieren, das wird auch von den weiblichen Wählerinnen nämlich goutiert. Sie wählen überproportional GRÜN und eben unterproportional die AfD, wen wundert es. Wirklich bedauerlich ist es, dass wir auf Landesebene, das wurde auch schon erwähnt, keine Bewegung bei der CDU beim Thema Wahlrecht zu verzeichnen haben, und da möchte ich die Frauen in der CDU unterstützen, weiterhin an diesem Thema zu arbeiten. Es ist wichtig für Baden-Württemberg.

Schließlich, in großen Unternehmen kommen wir trotz der Quote auch nicht so schnell voran, wie wir es brauchen, obwohl wir nachweislich merken, dass dieser Kulturwandel zu mehr Frauen in Führungspositionen auf die Unternehmenskultur und auf die Belegschaft sich sehr positiv auswirken. Die Befähigung von Frauen und Mädchen steht im Mittelpunkt der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, und wir müssen also lokal wie global auf dieses achten, weil Fortschritt für Frauen ein wesentlicher Fortschritt für die Menschenrechte überall ist. Zum Wohle aller. Also, es braucht ihn noch, den Internationalen Frauentag. Lasst uns das Erreichte feiern und uns für den bevorstehenden Wandel unermüdlich und lautstark einsetzen, und zwar alle zusammen. Wir sind längst noch nicht angekommen."

StRin Vowinkel (SPD):

"Frau Fezer hat mich heute Morgen auf eine Idee gebracht, und ich möchte hier nur noch ergänzen, dass natürlich die Sozialdemokraten die Ersten waren, die das Wahlrecht eingefordert haben, nämlich schon 1891. Also von daher bin ich Ihnen sehr dankbar, Frau Fezer, dass Sie mir die Titelseite der FAZ zur Verfügung gestellt haben. Darauf sehen Sie vier Frauen, alles CDU-Frauen, und zwar Frau Kramp-Karrenbauer, Frau Merkel, Frau von der Leyen und Frau Klöckner. Und ich denke, wir haben wahrscheinlich in Zukunft auch bei uns mit Frau Nahles eine Frau an der Spitze. Ist wunderschön, endlich mal ein Bild zu haben, auf dem nicht nur Männer mit vielleicht einer Quotenfrau zu sehen sind, sondern auf dem es einmal umgekehrt ist. Erstaunlich ist, dass jetzt, im Jahr 2018, in der Bildunterschrift steht 'Weil ich ein Mädchen bin'. Ich denke, mehr braucht man dazu nicht zu sagen, solange noch eine solche Verniedlichung und Verachtung in der Sprache besteht.

Wir hatten hier in Stuttgart eine Wiege des Frauenrechts. Deswegen also, es wurde ja schon gesagt, der Internationale Frauenkongress fand 1907 statt, und 100 Jahre später gedenken wir dieses Frauenwahlrechts. Und was machen wir am Internationalen Frauentag? Eine Vollversammlung des Gemeinderats. Zunächst geplant ohne inhaltlichen Bezug auf diesen historischen Tag. Erst über den Gleichstellungsbeirat musste dieser Punkt beantragt werden. Und das zeigt natürlich ähnlich wie hier bei dieser Zeitung, dass doch noch nicht viel in den Köpfen ist, was eigentlich selbstverständlich sein müsste, weil der 8. März, der Internationale Frauentag, immer wiederkehrt, ähnlich wie Weihnachten. Das heißt also, dass man darauf Rücksicht nimmt oder diesen Tag entsprechend beachtet, z. B. mit frauenpolitischen Schwerpunkten. Von daher finde ich diese Aussprache gut.

Das weibliche Personal, Verwaltungspersonal, hat hier heute einen Tag gehabt mit der internen Veranstaltung, die immer im Rathaus stattfand, aber heute mussten wir natürlich auch wegen unserer Vollversammlung in den Kursaal ausweichen. Der Oberbürgermeister wurde durch die Bürgermeisterin Fezer vertreten, die heute Morgen eine wirklich tolle Rede gehalten hat. Vielen Dank, Frau Fezer. Ich dachte aber, vielleicht ist es doch auch eine Aufgabe des Oberbürgermeisters, an solch einem historischen Tag doch da auch vertreten zu sein. Heute finden und fanden viele Veranstaltungen in Stuttgart statt. Vorher gab es vor dem Landtag einen Smart Mob mit Schuhen, einen Männerschuh und einen Frauenschuh. Diese sollten symbolisieren, dass noch immer das Landeswahlrecht in Baden-Württemberg nicht geändert wurde, um auch Frauen mehr Chancen zu ermöglichen, gewählt zu werden. Von daher auch hier noch mal den Gruß vom Landesfrauenrat.

Doch das Gleichstellungsthema ist bei uns in Stuttgart wohl manchmal ganz gut, aber noch nicht zum Besten bestellt. Wer meint, dass es reicht, eine Gleichstellungsstelle zu haben und damit seiner Pflicht Genüge getan zu haben, irrt sich. Erst wenn es in allen Verwaltungen eingeführt ist und die Frauenthemen aktiv angegangen werden können, haben wir Entwicklungsschritte auch hier in Stuttgart gemacht. Ausgehend von den Haushaltsberatungen wird jetzt untersucht, ob die Frauen in allen Verwaltungen überhaupt etwas vom Wiedereinsteigerinnen-Pool wissen, da dieses Instrument nur in wenigen Verwaltungen angenommen wird. Ausnahme ist das Ordnungsamt, da dort gefühlt vor 20 Jahren das Gleichstellungsthema in der Verwaltung als Projekt angepackt worden ist und gut funktioniert. Die flächendeckende Übernahme dieses Projekts in allen Verwaltungsbereichen hat bis heute noch nicht stattgefunden. Themen sind weiterhin, um nur ein paar Beispiele zu nennen, die U2-Umlage bei Mutterschaftsvertretungen, die Besetzung von Leitungsfunktionen im höheren Dienst. Man sieht ja, da muss ich jetzt einen kleinen Seitenhieb auf dich, Anna Deparnay-Grunenberg, machen, die GRÜNEN sind Vorreiterinnen, was Pari-Situationen anbelangt, aber bei der Bürgermeisterrunde ist das nicht so durchgeführt worden. Dann geht es um Besetzung eben von Leitungsfunktionen und dann auch vor allem um Themen wie vorprogrammierte Altersarmut, wenn meist Frauen mit geringerem Verdienst meist nur teilzeitbeschäftigt sind bzw. teilzeitbeschäftigt sein müssen, im Pflege- und Erziehungsbereich.

Dann, wie sieht es mit der Struktur aus, um eben diesen Personen, den Frauen, auch diese Arbeit zu ermöglichen? Wie sieht es mit flexiblen Kinderbetreuungen aus, damit Frauen, besonders alleinstehende, auch wieder arbeiten gehen können? Nach der Charta für Gleichstellung, die die Stadt Stuttgart unterschrieben hat, verpflichtet sie sich zur gleichberechtigten Teilhabe. Doch hat sich seither nicht sehr viel getan. Auch bei der Dienstvereinbarung Gleichstellung, die 2016 nach ca. 10 Jahren Verhandlung, wenn das überhaupt reicht, mit dem Personalrat endlich durch die Gremien des Gemeinderats ging, hat sich bisher noch nicht viel an einer Umsetzung getan. Das kann allein natürlich nicht die Aufgabe einer Gleichstellungsstelle sein, da müssen wir alle, Verwaltung, aber auch die Politik, uns an die Nase fassen und bereit sein, etwas zu tun. Solange noch immer verächtlich über notwendige gendermäßige Forderungen gesprochen wird oder reagiert wird, sind wir noch lange nicht gleichberechtigt. Das gilt auch für die Verwendung von Sprache und die nicht gendermäßig aufgeschlüsselten Berichtsformen und Statistiken verschiedener Verwaltungen. Deswegen haben wir ja auch jetzt noch mal, um auch diesem besonderen Anlass Rechnung zu tragen, gemeinsam mit allen Fraktionen einen Antrag verfasst, dass man doch noch mal bis zur Durchsetzung und Umsetzung des Frauenwahlrechts nach 100 Jahren, dass man da ein besonderes Augenmerk hat, noch mal vielleicht eine Veranstaltungsreihe bietet, um eben dem auch gerecht zu werden.

Um diesem historischen Ereignis noch mal einen besonderen Schlusspunkt zu verleihen, möchte ich die Hymne des Internationalen Frauentags noch mal zitieren: 'Wenn wir zusammen gehen, kommt mit uns ein besserer Tag. Die Frauen, die sich wehren, wehren aller Menschen Plag. Zu Ende sei, dass kleine Leute schuften für die Großen. Her mit dem ganzen Leben, Brot und Rosen.' Deswegen heute auch die Rosen."

StRin Halding-Hoppenheit (SÖS-LINKE-PluS):

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, wir haben uns nicht vorbereitet auf große Reden, und ehrlich gesagt, verteile ich lieber Blumen als Reden. Aber ich freue mich trotzdem, ein schönes Grußwort an alle Frauen zu unserem Internationalen Frauentag zu richten und zu sagen, dass ich heute an alle denke in Deutschland, die immer noch nicht gleichberechtigt sind, die Erzieherinnen, die Pflegekräfte, die Reinigungskräfte, die immer noch weniger verdienen und nicht davon leben können. Und für die müssen wir uns an einem solchen Tag noch mehr einsetzen, dass es denen auch besser geht.

Ich habe ein großes Vorbild, die Rosa Luxemburg. Und die sagte sinngemäß: 'Wenn man sich nicht bewegt, spürt man die Fesseln nicht'. Ich habe mich immer bewegt und die Fesseln gespürt. In Hamburg in den 70er-Jahren musste ich meinen Mann fragen, ob ich den Führerschein machen darf, oder um seine Erlaubnis bitten, wenn ich irgendwas entscheiden musste. Ich habe die Fesseln gespürt. Damals sind viele andere Frauen und ich nicht wahrgenommen worden. Und heute? Was ist heute? Heute kann keiner mehr an mir vorbei. Gott sei Dank, die Zeiten haben sich geändert, und wir haben viel erreicht. Aber gerade an so einem Tag wie heute, dem Internationalen Frauentag, muss ich an viele Frauen denken, die in vielen Ländern gerade jetzt, wo wir hier reden, umgebracht werden, im Gefängnis landen, weil sie frei leben wollen, weil sie lernen, studieren wollen und nicht mehr versklavt sein wollen. Diese Frauen haben heute meine Solidarität, die Solidarität unserer Fraktionsgemeinschaft und vieler Frauen. Ihnen müssen wir auch helfen. Das ist mir ganz wichtig an so einem Tag. Ich danke Ihnen."

StRin von Stein (FW):

"Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, also zunächst freue ich mich einfach, dass ich in einer Fraktion bin, in der wir 50 % Frauen und 50 % Männer sind. Und ich kann sagen, es geht uns in dieser Konstellation ausgesprochen gut. Und wenn man sich jetzt einfach mal anschaut, wie lange es Männer und Frauen gibt, dann hat es schon verdammt lange gedauert, bis das Thema Frauenwahlrecht eingeführt wurde vor 100 Jahren. Das bedeutet für uns Frauen, dass wir eben mit diesem Zeitpunkt vor 100 Jahren politikfähig wurden. Und das muss man zugestehen, es waren wohl auch Männer, die diesen Schritt dann getan haben, weil sie dazu aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen auch genötigt wurden. Das war ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir Frauen offiziell politikfähig wurden und dann auch beginnen konnten, über diese Gremien aktiv zu werden und nicht nur das passive, sondern auch das aktive Wahlrecht auszuüben und eben dann auch damit beginnen konnten, uns in politischen Gremien durchzusetzen.

Ich möchte einfach noch mal auf das hinweisen, was ich ganz spannend finde. Das Thema Gleichberechtigung kam erst 1957 bzw. vor 61 Jahren. Mit der großen Familienrechtsreform 1977 wurde die Hausfrauenehe abgeschafft. Man muss sich das einfach noch mal vor Augen führen, dass bis 1977, vor 41 Jahren, der Ehemann bestimmen konnte, ob die Frau berufstätig sein darf oder nicht. Er durfte auch den Arbeitsvertrag der Ehefrau kündigen, wenn die häuslichen Pflichten der Ehefrau, die familiären Pflichten, gelitten hätten. Also wenn ich das dann sehe, dann sehe ich, dass es durchaus Fortschritte gibt.

Interessant ist auch, dass es bis 1998 gedauert hat, dass solche Relikte aus frühen, frühen Zeiten, nämlich das Kranzgeld, gestrichen wurden. Also Kranzgeld bedeutet quasi Schadensersatz für die Entjungferung, wenn die Frau dann doch nicht geheiratet wurde. Also das hat man irgendwann mal gehabt, als es darum ging zu testen, ob die Frauen auch gebärfähig sind. Also schon lange her, aber es hat so lange gedauert.

Und dann noch ein Schmankerl: Erst 1979 konnten Frauen in den Polizeidienst. Und wenn man all dieses sieht, dann haben wir viel erreicht. Aber, was eben auch deutlich wird, es hakt noch an vielem. Da ist viel gesagt worden. Mir geht es vor allen Dingen darum, dass wir heute sehen, es gibt eine ganze Reihe von Herausforderungen. Ich sehe zum einen, dass Armut, Altersarmut vor allen Dingen, weiblich ist. Ich glaube, wir müssen als Frauen hier aktiv werden und uns verstärkt dafür einsetzen, dass diese Altersarmut bei Frauen abnimmt.

Auch Kinder sind sehr häufig ein Armutsrisiko. Ich möchte das auch das in diesem Zusammenhang sagen, weil es ja in aller Regel die Frauen sind, die die Kinder erziehen, Alleinerziehende, die darunter leiden. Ich glaube, auch hier müssen wir wieder aktiv werden.

Und dann zum Schluss, wenn ich mich hier umschaue, dann sind es tatsächlich nicht 50 % Gemeinderätinnen und 50 % Gemeinderäte. Das liegt auch daran, dass wir nach wie vor Frauen motivieren müssen, politisch aktiv zu werden. Und ich glaube auch, dass es im Moment eine größere Herausforderung wird, weil berufstätig sein, Kinder haben und dann auch noch sich politisch engagieren, sehe ich als eine ganz große Herausforderung.

Und dann kann ich einfach schließen mit einem Zitat von Elly-Heuss-Knapp: 'Frauen werbt und wählt, jede Stimme zählt. Jede Stimme wiegt, Frauenwille siegt'."

StRin Yüksel (FDP):

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte - einzige - Bürgermeisterin, Frau Fezer, sehr geehrte Herren Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie selbstverständlich erscheint uns die Stellung der Frauen in unserer Gesellschaft. Fast ist man geneigt zu fragen, was ein Tagesordnungspunkt wie dieser auf der Tagesordnung zu suchen hat. Wir haben es aber vorhin von Laura Halding-Hoppenheit gehört, es ist gar nicht so lange her, dass Frauen in Deutschland die Einverständniserklärung ihrer Männer benötigten, wenn sie arbeiten wollten, weshalb es wichtig ist, Gedenktage wie diesen zu haben, um uns in Erinnerung zu rufen, welchen weiten Weg wir gehen mussten, um dorthin zu kommen, wo wir heute stehen. Heute haben wir weltweit sehr viele starke Frauen und großartige Frauenbewegungen, die sich nicht nur für Frauenrechte einsetzen, sondern sich aktiv in große gesellschaftliche Diskussionen einmischen. Auf der anderen Seite haben wir weltweit eine Renaissance des 'Staatsmachos', gewählte Staatsoberhäupter in Ländern wie den USA, der Türkei, Russland und vielleicht bald Italien, deren Frauenbild aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen scheint, und populistische Politiker, die schon beim Wort 'Gender' Schnappatmung bekommen, von Ländern wie Saudi-Arabien und Iran ganz zu schweigen. Umso wichtiger ist es bei diesem teilweise kaum zu ertragenden Gegenwind, der uns von diesen Populisten, oft nicht nur im Hinblick auf Frauenrechte, entgegenschlägt, wir selbst zu sein, authentisch zu sein und bei unseren Werten und Überzeugungen standhaft zu bleiben. Lassen wir uns gemeinsam für die gleichen Rechte aller Menschen eintreten, nicht nur heute, sondern an jedem Tag. Vielen Dank."

StR Dr. Fiechtner (AfD):

"Sehr verehrter Herr Oberbürgermeister, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, natürlich spricht am Frauentag auch ein Mann, denn jeder Mann, der hier sitzt, ist von einer Frau geboren worden. Und Frauen sind Bestandteil des Mensch-Seins, genauso wie Männer auch. Und wenn Sie meiner Begrüßung zugehört haben, wie sie immer stattfindet, werden Sie merken, dass ich ganz besonders darauf Wert lege, die Frauen in ihrem Frau-Sein zu ehren, indem ich sie als Verehrte bezeichne. Die Gleichstellung und Gleichberechtigung der Frau ist uralt. Und ich verweise hier auf die Bibel, auf das 1. Buch Mose im allerersten Kapitel, wo bereits die Gleichheit des Mannes und der Frau festgestellt ist. Dort heißt es nämlich: 'Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn. Und er schuf sie als Mann und Frau.' Und in diesem großartigen Buch, der Bibel, wird immer wieder betont, dass es nicht nur Männer sind, die das Geschick der Menschheit bestimmen, sondern immer und an entscheidenden Stellen sind es Frauen, beginnend mit der ersten Frau, Eva, und, im Neuen Testament, die Mutter Jesu, Maria. Ohne sie hätte es das Heil für die Menschen nicht gegeben. Und für mich persönlich meine Mutter, ohne sie hätte es mich nicht gegeben, und ich bin dieser großartigen Frau für ganz vieles sehr dankbar.

Insofern ist es nur konsequent, dass hier auf dem Podium nicht nur Frauen den Frauentag besprechen, sondern auch wir Männer unserem Gegenüber weiblichen Geschlechts die Ehre erweisen. Ich begrüße es, dass endlich, nach vielen Jahrhunderten, das Prinzip der Heiligen Schrift auch in das menschliche, gemeinsame, demokratische, freiheitliche Leben Einzug gehalten hat, indem nämlich tatsächlich und praktisch diese Gleichheit, wie sie im 1. Buch Mose, Kapitel 1, Vers 26, beschrieben wird, auch in unserem Leben praktisch stattfindet, dass Frauen eben gleich sind, wie Männer auch. Und in unserer Gesetzgebung und im Grundgesetz nennt sich dies Gleichberechtigung. Und an der Stelle sollten wir alle das Recht hochhalten und uns dafür einsetzen und kämpfen, dass es diese Gleichberechtigung gibt, unabhängig vom Geschlecht.

Übrigens, was die Versammlungen anbelangt, heute war Sitzung im Landtag, der Frauentag fand keinerlei Erwähnung. Es fanden zwei aktuelle Debatten statt, eine zum mutmaßlichen Erfolg einer Großen Koalition, und die zweite zu den Tafeln. Der Einzige, der den Frauentag tatsächlich erwähnt hat, war ich.

Was wir allerdings auch bemerken müssen, ist, dass die Gleichberechtigung einen Wandel erfahren hat, eine Verirrung und eine Verquerung, wie sie leider auch in den Reden hier zum Ausdruck kam, die sogar dazu führt, dass man meint, mit äußeren Mitteln, durch steuernde Mittel eine Gleichstellung zu erzielen. Gleichstellung hat aber nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Gleichstellung ist ungerecht. Es diskriminiert denjenigen, der herabgesetzt wird, weil er anders ist, und ein anderer bevorzugt wird, weil er eine bestimmte Eigenschaft aufweist. In diesem Fall eine Frau. Es widerspricht dem Gerechtigkeitsgedanken zu sagen: 'Warum sitzen hier soundso viele Frauen, und die Zahl der Männer ist höher?' Können wir es uns nicht leisten und können wir es nicht akzeptieren, dass Männer und Frauen die gleichen Möglichkeiten haben, sich im politischen Prozess zu engagieren, wenn sie es denn wollen? Dass sie sich in verschiedenen Ausbildungsgängen engagieren, wenn sie es denn wollen, oder mehrheitlich es eben nicht tun? Und können wir es und sollen wir und müssen wir es nicht akzeptieren, dass der Wähler eben denjenigen wählt, den er für angemessen hält? Sei es nun eine Frau, oder sei es eben ein Mann. Und dann kommt es unter Umständen zustande, dass ein Parlament nur aus Frauen besteht, oder ein Parlament nur aus Männern besteht oder ein Parlament so aussieht, wie es jetzt hier eben vor uns liegt. Ich möchte nicht in einem Flugzeug sitzen, in dem der Pilot weiblichen Geschlechts ist, weil er Pilot wurde, weil er weiblichen Geschlechts ist. Ich will keine 'Quothilde' am Steuer eines Flugzeugs haben.

Und die Gleichstellung hat verschiedene andere Dinge gebracht. Leider hat durch diese Gleichstellungspolitik auch der Wert der Frau mit ihren unnachahmlichen und unvergleichlichen Eigenschaften, nämlich die Quelle des Lebens zu sein, deutlich an Wert eingebüßt. Was hier propagiert wird, ist die Utilitarisierung der Frau. Eine Frau ist anscheinend nur noch dort etwas wert, wo sie im Erwerbsprozess drin ist. Und die Mutterschaft wird in meinen Augen in einer sträflichen Weise herabgewürdigt und hat nicht mehr den Stellenwert, den sie eigentlich haben sollte.

Die Tatsache, dass Sie hier darüber lachen, ist für mich ein beredtes Beispiel, wie weit die Verirrung und Verwirrung der Sinne stattgefunden hat, was ja so weit geht, dass man natürlich hier die Zweigeschlechtlichkeit propagiert. Hier will man gerne Frauen vornedran haben und betont das Frau-Sein sogar, aber in der übrigen politischen Welt gilt dann wieder das Gender-Dogma. Bei Gender ist man sich ja gar nicht mal darüber im Klaren, ob es eine Zweigeschlechtlichkeit überhaupt gibt. Und gerade diejenigen, die jetzt so sehr auf den Frauentag und die Gleichstellung und alles Mögliche Wert legen und hier das Frau-Sein propagieren, propagieren ja an anderer Stelle, dass es die Zweigeschlechtlichkeit als solche nicht gibt, sondern sie nur noch ein soziales Konstrukt sei. Damit wird das normale Leben entwertet. Und ich würde mir wünschen, dass wir eigentlich keine Frauentage mehr brauchen, weil wir uns dessen bewusst sind, wir sind Menschen. Wir sind alle gleichwertig, wir sind gleich vor dem Gesetz. Wir können uns einbringen in unsere Gesellschaft, in diese Stadt, im Rahmen unserer Fähigkeiten. Wir brauchen niemanden, der uns protegiert, wir brauchen niemanden, der uns bevorzugt aufgrund irgendeiner Eigenschaft. Meines Erachtens sollten wir hier Dinge wie Frauentage streichen, genauso wie wir keine Männertage brauchen. Wir sollten uns einsetzen, und ich würde mir wünschen natürlich, dass wir mehr Frauen haben, die auch in dieser Weise ihr Leben führen. Und ich gratuliere zu diesen 100 Jahren Frauenwahlrecht. Vielen Dank."

StR Dr. Schertlen (STd):

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, aus Gründen der Zeitökonomie mache ich es kurz. Als Frauenbeauftragter der Stadtisten im Rathaus - wir hoffen ja auf eine Steigerung der Quote bei der nächsten Wahl - bleibt mir jetzt an einem Tag wie heute, den Frauen zu gratulieren und Glück zu wünschen. Es fühlt sich allerdings ein bisschen komisch an, weil, es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass Menschen Menschen sind, unabhängig davon, ob sie Mann sind, ob sie Frau sind, mit gleichen Rechten, auch unabhängig davon, ob sie gar sich einem dritten Geschlecht zugehörig fühlen oder eine andere geschlechtliche Selbstorientierung aufweisen. In meinem Umfeld ist die Gleichstellung selbstverständlich, aber die Tatsache, dass wir nach all den Jahren immer noch das Thema thematisieren müssen, deutet darauf hin, dass diese Selbstverständlichkeit offenbar noch lange nicht in der Breite stattfindet. Zum Abschluss sollten wir einfach alle gemeinsam daran arbeiten, dass der Fluss der gleichberechtigten Selbstverständlichkeit zu einem Meer des allgemeinen Respekts der Menschenwürde und der Gleichbehandlung ansteigt. Dankeschön."

Abschließend bedankt sich OB Kuhn für die Beiträge und schließt den Tagesordnungspunkt ab.
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