Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
108
3
VerhandlungDrucksache:
129/2017
GZ:
T
Sitzungstermin: 13.07.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh fr
Betreff: Erhöhung d. Parkgebühren im öffentl. Straßenraum u. Neugliederung der Parkgebührenzonen zum 01.11.2017 sowie Anhebung v. privatrechtl. Benutzungsentgelten für städt. Parkierungseinrichtungen zum 01.01.2018

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 16.05.2017, öffentlich, Nr. 187
Verwaltungsausschuss vom 17.05.2017, öffentlich, Nr. 152
Gemeinderat vom 18.05.2017, öffentlich, Nr. 78

jeweiliges Ergebnis: Zurückstellung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 11.07.2017, öffentlich, Nr. 299

Ergebnis: Vorberatung

Verwaltungsausschuss vom 12.07.2017, öffentlich, Nr. 254

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung bei 9 Ja- und 8 Gegenstimmen

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Technischen Referats vom 11.05.2017, GRDrs 129/2017, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Satzung zur Änderung der Satzung über die Festsetzung der Gebühren für das Parken an Parkuhren und auf Stellplätzen mit Parkscheinautomaten im öffentlichen Straßenraum in Stuttgart vom 07.12.2006 (Stadtrecht 1/18) wird gemäß Anlage 3 beschlossen.
2. Die Benutzungsentgelte für Parkhäuser und Parkplätze sowie für die bewirtschafteten P+R-Anlagen der Landeshauptstadt Stuttgart (Stadtrecht 7/13) werden wie in Anlage 6 dargestellt, zum 01.01.2018 neu gefasst.


StR Kotz (CDU) erklärt, seine Fraktion halte eine Erhöhung der Parkgebühren um 15 bis 20 % für nicht angemessen und im Lichte der aktuellen Diskussionen um Fahrverbote ab 01.01.2018 auch nicht für besonders klug. Mit Blick auf den gemeinsamen Antrag der Fraktionen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD und SÖS-LINKE-PluS für eine autofreie City, und zwar unabhängig von den Emissionen, merkt er an, wenn man entscheidende Dinge politisch verändern wolle, sollte man die Betroffenen nach Möglichkeit auch mitnehmen. Mit der Addition dieser Themen, noch dazu angesichts der guten Jahresergebnisse, mache man unnötigerweise Fronten in der Gesellschaft auf. Es passe auch nicht zusammen, wenn man P + R fördern wolle, zugleich aber die Parkgebühren für das Parkhaus Österfeld mehr als verdopple. Er habe Verständnis dafür, dass das Parkhaus nicht für Menschen gedacht sei, die in STEP arbeiteten, doch hätte man die Parkgebühren ja mit einem VVS-Ticket koppeln können. In der Summe müsse seine Fraktion die Vorlage leider ablehnen, obwohl sie eine moderate Preiserhöhung auch beim Parken grundsätzlich befürworte.

Für seine Fraktion, so StR Peterhoff (90/GRÜNE) habe Parken etwas mit Lebensqualität zu tun. Durch günstiges Parken entstehe mehr Verkehr, der wiederum die Luft mit Stickoxid und Feinstaub belaste. Gegenüber dem Vorschlag des Landes fielen die von der Stadt geplanten Erhöhungen deutlich moderater aus. Der interfraktionelle Antrag sehe nur für die 150 bis 200 oberirdischen Parkplätze am City-Ring 4 € vor, in vielen Parkhäusern sei das Parken günstiger und es stünden ausreichend Plätze zur Verfügung. Mit dem Antrag wolle man den öffentlichen Raum in der Stadt der Allgemeinheit öffnen und damit Lebensqualität schaffen. Mit dem neuen Parkleitsystem solle der Parksuchverkehr vermieden werden. In den Gebieten mit Parkraummanagement halte er die Erhöhung für zumutbar, wenn man bedenke, dass dadurch die Anwohner deutlich entlastet worden seien. Und das Parkhaus Österfeld sei aufgrund der zu günstigen Preise ohne Bindung an ein VVS-Ticket bisher nicht seiner Bestimmung als P + R gemäß genutzt worden. Mit den neuen Parkgebühren mache man einen großen Schritt hin zu mehr Lebensqualität und deshalb trage seine Fraktion die Vorlage gerne mit.

Sinngemäß argumentiert auch StR Körner (SPD). Seine Fraktion wolle an bestimmten Stellen in der Stadt keine Autos haben, um so das Einkaufen und den Aufenthalt in der Stadt attraktiver zu gestalten. Seine Fraktion sei überzeugt, dass dies der richtige Weg sei, auch weil andere moderne, erfolgreiche, sehr lebenswerte Städte dies sehr eindrucksvoll vorgemacht hätten. In diesem Zusammenhang unterstreicht er mit Nachdruck, dass seine Fraktion der Vorlage aber nicht zustimme, um - als Teil eines Spar- und Steuererhöhungspakets - den Jahresüberschuss auszubauen. Vielmehr sollten mit den Mehreinnahmen von ca. 800.000 €/Jahr Preissenkungen im ÖPNV finanziert werden.

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) erklärt, dass es kein Menschenrecht auf Auto gebe, wohl aber auf körperliche Unversehrtheit. Gerade einkommensschwache Menschen litten in Stuttgart unter dem motorisierten Autoverkehr. Vision seiner Fraktionsgemeinschaft sei eine Stadt mit hoher Lebensqualität, in der die Menschen das Auto infolge einer guten Stadtplanung nicht mehr vermissten. Hier sei die Erhöhung der Parkgebühren ein Instrument mit Steuerungswirkung. Die Mehreinnahmen müssten für die Senkung der ÖPNV-Preise verwendet werden.

Dagegen empfindet StR Zeeb (FW) die Anhebung der Parkgebühren nicht als moderat, sondern eher wie "Krieg gegen die Autofahrer". Seine Fraktion wolle die Kunden, die gerne mit dem Auto in Stuttgart einkaufen wollten, nicht an die Einkaufszentren mit kostenlosen Parkplätzen auf der grünen Wiese verlieren. Im Übrigen hätte man angesichts der Haushaltslage ohne Weiteres auf die Erhöhung der Parkgebühren verzichten können. Nach Ansicht seiner Fraktion sei diese Vorlage ideologisch und deutlich überzogen, und deshalb lehne sie sie klar ab.

Auch seine Fraktion, so StR Brett (AfD), lehne die Vorlage in allen Punkten außer dem, dass die Brötchentaste erhalten werden solle, ab. In die Lösung der Verkehrsprobleme müssten alle Verkehrsträger, also neben dem ÖPNV und dem Fahrrad auch das Auto, einbezogen werden. Dies gelte umso mehr in einer Stadt mit zwei Autofabriken. Höhere Parkgebühren führten dazu, dass Kunden ins Umland abwanderten - z. B. in die Breuninger-Länder mit ihren kostenlosen Parkplätzen. In der Vorlage gehe es nicht um eine moderate Erhöhung, wie sie regelmäßig ja auch beim ÖPNV vorgenommen werde, sondern um 10 bis 20 % oder noch mehr, um eine Lenkungsfunktion auszuüben. Das sehe auch er als "Krieg gegen die Autofahrer" an. Die Stadt müsse eine Infrastruktur schaffen, in der alle Verkehrsteilnehmer gleich behandelt würden. Analog zur Erhaltung der Bäume sollte auch für jeden Parkplatz, der in der Innenstadt weggeplant werde, ein neuer geschaffen werden. Seine Fraktion wolle keine autofreie Stadt. Ohne Parkhäuser und Parkplätze im Straßenverkehr gehe es nicht.

StR Dr. Oechsner (FDP) hält es durchaus für erfreulich, wenn die Innenstadt in fünf oder zehn Jahren verkehrsberuhigt werde. In einem Konzept, das über zehn Jahre gehen würde, könne man unter Einbeziehung einer veränderten - emissionsfreien und autonomen - Mobilität und weniger Individualverkehr langsam darauf hinarbeiten, in der Innenstadt das Auto oder den Individualverkehr zumindest stark zurückzudrängen. Dazu gehöre aber, dass es im Bereich außerhalb dieses Rings genügend Parkplätze gebe. Sinnvoll wäre es gewesen, wenn man die über die Erhöhung der Parkgebühren generierten Mehreinnahmen in ein Konzept für ein vernünftiges Parkmanagement in der Nähe der Stadt, erreichbar mit dem individuellen Fahrzeug, investiert hätte. Das sei aber nicht geschehen. Viel vernünftiger wäre es doch, die gesamte Mobilität noch einmal zu überdenken, bevor man die Preise erhöhe. Das gelte im Übrigen auch für den ÖPNV. Er plädiert für ein Konzept, wie man sich in 5, 10 oder 20 Jahren innerhalb der Stadt mit dem von einem selbst gewählten Fahrzeug bewegen könne und dann vielleicht nicht mehr in der City parke. Er wolle auch mehr Fußgänger und ÖPNV in der Stadt und weniger Autos. Er vermisse ein Konzept. Dieser Einzelmaßnahme jedoch, mit der der Haushalt aufgepolstert werden solle, könne er nicht zustimmen.

Nach Ansicht von StR Dr. Schertlen (STd) ist Geld nicht das geeignete Steuerungsinstrument. Wichtiger seien klare, konkrete Ansagen wie im Antrag zur verkehrsberuhigten Innenstadt. Möglicherweise führten höhere Gebühren auch dazu, dass die Menschen kürzer parkten und häufiger über die Gemarkungsgrenzen wechselten. Des Weiteren ermutigten höhere Parkgebühren, illegal zu parken, da der Abstand zum Bußgeld weiter schrumpfe. Diese Entwicklung könne er nicht gutheißen. Er merkt an, dass er bisher die Preiserhöhung beim ÖPNV immer abgelehnt habe, weil man den ÖPNV über die Preise attraktiv machen könne. Entscheidend wäre auch, die P + R-Plätze massiv zu fördern und die Menschen bereits an der Peripherie abzufangen. Er werde sich bei der Abstimmung enthalten.

Mit Blick auf den Haushalt erklärt OB Kuhn, über die Einsparungen im Doppelhaushalt entscheide der Gemeinderat in den Haushaltsplanberatungen. Falls die Einnahmen beschlossen würden, müssten sie trotzdem als Einnahmen in den normalen Haushalt eingeführt werden. Sie zweckgebunden in bestimmte Töpfe zu schleusen, sei haushaltsrechtlich jedoch nicht unproblematisch und sollte vermieden werden.

Er erinnert an den Beschluss des Gemeinderats zur Stellungnahme zum Luftreinhalteplan, wonach die Erhöhung der Parkgebühren einen größeren Anreiz schaffe, auf den ÖPNV sowie den Rad- und Fußverkehr umzusteigen, was wiederum die Emissionen und Immissionen von Stickoxiden und Feinstaub der Partikelgröße PM 10 reduziere. Für ihn sei dies keine große ideologische Frage und auch keine Abzocke. In der Marktwirtschaft werde knappes Gut - und darum handle es sich beim öffentlichen Raum in der Innenstadt - teurer. Aus diesem Grund könne auch die Bepreisung des öffentlichen Parkraums nicht über die Jahre gleich bleiben, insbesondere wenn auch die ÖPNV-Preise erhöht werden müssten. Er sehe in dieser Maßnahme mit Lenkungseffekt einen richtigen Schritt und stelle fest, dass die europäischen Städte, durch die man als Reisender gerne flaniere - Malaga, Utrecht, Paris, Barcelona in Teilen, Kopenhagen -, systematisch begonnen hätten, den Raum für Fußgänger, für Bewegung und zum Verweilen, fürs Grün auszudehnen und deshalb das Auto zurückgedrängt und bepreist hätten oder andere Verkehrsmittel, wie z. B. das Fahrrad in Kopenhagen, zusätzlich begünstigt hätten. Man könne sich dieser europäischen Entwicklung in Richtung Urbanisierung der Innenstädte doch nicht verschließen bzw. den entgegengesetzten Weg gehen.

StR Dr. Fiechtner (AfD) stellt grundsätzlich klar, dass Parken seiner Lebensqualität diene. Er schätze es, wenn er ganz zentral und ganz nah mit dem Auto an die Orte heranfahren könne, an denen er einkaufe oder seine Freizeit verbringe. Diese Lebensqualität sollte den Bürgern dieser Autostadt auch erhalten bleiben. Immerhin stellten die beiden großen Autobauer Zigtausende Arbeitsplätze zur Verfügung. Und was die "angeblich gesundheitsschädlichen Aspekte" anbelange, betont er, diese seien alles andere als belegt. Sie würden postuliert, "um die Bürger zu gängeln und zu malträtieren".

Zu dem von OB Kuhn geäußerten marktwirtschaftlichen Gedanken merkt StR Kotz an, dann müsste das ÖPNV-Ticket morgens um 7 Uhr in der Stadtbahn das Dreifache kosten. Insofern sollte man nicht beim einen Verkehrsträger die Marktwirtschaft bemühen, wenn man dies nicht konsequent bei allen tun könne. In Verbindung mit der Luftreinhalteplan-Stellungnahme habe der Landesverkehrsminister eine moderate Parkgebührenerhöhung vorgeschlagen. 15 bis 20 % Erhöhung könne er jedoch nicht mehr als moderat bezeichnen, und deshalb habe seine Fraktion diesem Einzelpunkt nicht zugestimmt. Die Gesamtverantwortung habe sie dennoch mitgetragen, damit überhaupt eine Stellungnahme des Stuttgarter Gemeinderats zustande gekommen sei. Hier widerspricht StR Peterhoff. Die entscheidenden Maßnahmen seien von der CDU-Fraktion abgelehnt worden. Was die Preiserhöhung anbelange, so betreffe die Erhöhung von 3,50 € auf 4 € nicht besonders viele Parkplätze in der Innenstadt. Er räumt ein, dass sich dies heftig anhöre, doch gebe es für alle die Möglichkeit, in die Parkhäuser zu fahren, die günstiger seien.



Nachdem keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stellt OB Kuhn abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt mit 32 Ja- und 25 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen mehrheitlich wie beantragt.

zum Seitenanfang