Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
312/2012
GZ:
OB
Sitzungstermin: 10.05.2012
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:Herr Albrecht (Rechtsanwalt, Büro Becker, Büttner, Held)
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Ablauf des Konzessionsvergabeverfahrens

Vorgang:

Verwaltungsausschuss vom 09.05.2012, öffentlich, Nr. 115
Ergebnis: Kenntnisnahme


Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 26.04.2012, GRDrs 312/2012.

Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen außerdem folgende Anträge vor, die der Niederschrift angeheftet sind:

- Nr. 141/2012 vom 02.05.2012 der Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
- Nr. 146/2012 vom 04.05.2012 der SPD-Gemeinderatsfraktion
- Nr. 150/2012 vom 08.05.2012 der CDU-Gemeinderatsfraktion

Herr Albrecht berichtet ausführlich im Sinne einer Powerpoint-Präsentation; diese ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt und in Papierform beigefügt.

StR Dr. Schlierer (REP) spricht die Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes durch den Beschluss des Deutschen Bundestags vom 30.06.2011 an, wobei auch der § 46 Abs. 2 geändert wurde. Die Stadt habe Konzessionsvergabeverfahren bereits vor dieser Novellierung eingeleitet. Er bittet um Auskunft, ob sich durch die Novellierung die Situation für die Kommune verschlechtert oder verbessert. Herr Albrecht erwidert, in Stuttgart habe sich die Situation entscheidend verbessert, da in dem Konzessionsvertrag nicht gestanden habe, dass das Unternehmen, an das die Stadt die Konzession für das Strom- und Gasnetz vergebe, einen Anspruch auf Eigentum an dem Netz hat. Dies sei vorher umstritten gewesen. Sein Büro sei überzeugt, dass auch aus dem alten Gesetz ein Anspruch auf Eigentumsübertragung bestanden hat. Jetzt stehe dieser deutlich im Gesetz. Auch sei geregelt, dass das Unternehmen, das die Stadt auswähle, das Netz zu einem angemessenen Preis erhält, nämlich dem optimierten Ertragswert. Die Änderung habe Rechtsklarheit geschaffen.

StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) dankt Herrn Albrecht zunächst für die Vermittlung der komplexen Materie. Grundsätzlich merkt er an, dass er es eher als eine negative Entwicklung ansehe, da durch das EU-Wettbewerbsrecht der Stadt demokratische Rechte genommen werden. Herr Albrecht erwidert, das Verfahren lasse sehr viele Spielräume bei der Festlegung der Kriterien. Seines Erachtens sei das Verfahren nicht so schlecht.

Die Frage der Vereinbarkeit mit Bürgerbegehren sei sehr schwer zu beantworten, so Herr Albrecht; er sei nicht sicher, ob die Durchführung eines Bürgerbegehrens in diesem Zusammenhang möglich sei. OB Dr. Schuster merkt an, über diese Problematik könne im Juli d. J. diskutiert werden. Die Verwaltung schlage vor, am 25.05.2012 die erste öffentliche Diskussionsveranstaltung durchzuführen. Nach einer ersten Konkretisierung würde Anfang Juli d. J. nochmals eine Veranstaltung durchgeführt. Das Ziel der Verwaltung sei es, dass noch vor der Sommerpause ein Grundsatzbeschluss über die weiteren Schritte gefasst wird. StR Kanzleiter (SPD) verweist auf den Antrag Nr. 146/2012 seiner Fraktion, in dem zum Ausdruck gebracht worden sei, dass seine Fraktion eine Bürgerbeteiligung ermöglichen wolle, soweit dies möglich und sinnvoll sei; mit dieser Frage müsse man sich ernsthaft auseinandersetzen und klären, wie die Bürgerbeteiligung ermöglicht werden könne. An den Vorsitzenden gewandt verweist StR Kanzleiter darauf, dass er - OB Dr. Schuster - deutlich gemacht habe, dass die Zielsetzungen der verschiedenen Initiativen in Stuttgart in weiten Bereichen mit den städtischen Zielsetzungen übereinstimmen. Dies müsste es auch leichter machen, die Bürger in einer guten und effizienten Weise im weiteren Verfahren zu beteiligen.

StR Hill (CDU) wirft die Frage auf, ob der Gemeinderat bei der Gewichtung der Kriterien frei ist oder ob es Vorgaben gibt, dass beispielsweise die Versorgungssicherheit ein Topkriterium sein muss. Herr Albrecht weist darauf hin, dass die Ziele des § 1 EnWG bei der Vergabe der Konzessionen für das Strom- und Gasnetz zwingende Auswahlkriterien sind. Alles, was im Kartellrecht sachlich gut begründet werden könne, erlaube Differenzierungen. Die Stadt dürfe im Konzessionsvertrag Konzessionsabgaben hoch gewichten, damit sie das Geld auch bekomme. Alles, was sachlich begründet werden könne, auch das Verhältnis zwischen den Gewichten bei den Kriterien, sei zulässig. Es bestehe hier sehr viel Spielraum.

Namens seiner Fraktion dankt StR Stopper (90/GRÜNE) Herrn Albrecht für dessen klaren und auch für juristische Laien verständlichen Vortrag.

Zum Thema Fernwärme greift der Stadtrat die Aussage von Herrn Albrecht auf, dass aus dessen Sicht die Entscheidung über Fernwärme eine Entscheidung über die gesamte Versorgung ist. Der Gemeinderat habe sich darauf verständigt, dass das bestehende Fernwärmesystem im Prinzip für die Stadt Stuttgart nicht so interessant ist, weil sie weder Zugriff auf die Kraftwerksstandorte habe und sich auch ein Teil der Fernwärmeleitungen nicht auf Stuttgarter Gemarkung befindet. Er bitte daher um Erläuterung, was mit der Aussage "Entscheidung über die gesamte Versorgung" gemeint ist. Er gehe davon aus, dass dies nicht die Kraftwerke und nicht das gesamte Leitungsnetz betreffe.
Herr Albrecht rät hinsichtlich der Fernwärme (Kraftwerke) dazu, alles offen zu lassen, um die Option offen zu halten. OB Dr. Schuster sieht die Notwendigkeit, die Problematik nochmals im Einzelnen zu diskutieren. Für die Stadt sei bei der Vergabe dieser Dienstleistungskonzession von zentraler Bedeutung, dass zusätzliche Einspeisungen ins Fernwärmenetz z. B. durch Blockheizkraftwerke für die Zukunft gesichert werden müssen. Die Frage der Übernahme des vorhandenen Fernwärmenetzes sei letztlich eine Frage, ob sich die Stadt dies wirtschaftlich zutraue und wo Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Er stimme mit StR Stopper darin überein, dass hier eine sehr differenzierte Betrachtung vorgenommen werden muss.

StR Kanzleiter bittet an Herrn Albrecht gewandt um Aussagen, welche Rolle die Bundesnetzagentur habe, wenn es um die Effizienzkriterien gehen wird. Er meine im Übrigen, dass im weiteren Verfahren auch die rechtlichen Risiken in die Betrachtung mit einbezogen werden müssen, damit am Schluss "möglichst viel Kommunales" herauskommt.

Hinsichtlich des Zustandekommens eines rechtssicheren Verfahrens zeigt sich Herr Albrecht optimistisch.

Das Bundeskartellamt sei zuständig für die Kontrolle des Verfahrens, so der Berichterstatter. Die Bundesnetzagentur sei zuständig, wenn es um die Genehmigung der Netzentgelte gehe. Zur Höhe der Netzentgelte werde die Stadt von den Bewerbern eine Darstellung verlangen müssen, wie hoch die Netzentgelte des jeweiligen Bewerbers voraussichtlich sein werden; die Stadt müsse das Kriterium der Preisgünstigkeit berücksichtigen. Ein Unternehmen, das ein Netz betreiben wolle, müsse gegenüber der Energieaufsicht nachweisen, dass es in der Lage ist, das Netz sicher und zuverlässig zu betreiben. Sein Büro habe schon für den sog. Ersten Verfahrensbrief einen Eignungsnachweis vorgeschlagen, sodass Bewerber, bei denen klar sei, dass sie nicht die Leistungsfähigkeit haben, in einer Großstadt ein Netz zu betreiben, ausgeschlossen werden können.

StR Kotz (CDU) spricht bezüglich der Rekommunalisierung der Netze die große Verantwortung des Gemeinderats sowohl im finanziellen, im wirtschaftlichen und im technischen Bereich an. Die heute gezeigte Präsentation habe seines Erachtens nochmals gezeigt, dass Gemeinderat und Verwaltung gemeinsam eine große Verantwortung tragen, das Konzessionsvergabeverfahren so hinzubekommen, dass es in keiner Weise angreifbar sei. Um abzuwägen, welches die beste Ausgangssituation für die Stadt ist, mit welcher Konstellation die Ziele - hohe Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Lösung - erreicht werden können, bedürfe es einer guten Beratung. Seine Fraktion fühle sich diesbezüglich bei Herrn Albrecht "in guten Händen".

Seiner Fraktion sei auch die Fragestellung wichtig, wie die Bürgerbeteiligung in das Verfahren integriert werden kann, betont StR Kotz. Er erinnert in diesem Zusammenhang an den Antrag Nr. 150/2012 seiner Fraktion, u. a. Planungszellenverfahren durchzuführen, in dem zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sich eine Meinung zu bilden. Diese könne dann nicht verbindlich, aber ein weiterer Mosaikstein sein auf dem Weg, dass sich der Gemeinderat eine Meinung bildet. Diesen Weg würde seine Fraktion gerne gehen und hoffe, dass die Gemeinderatsmehrheit diesem Vorschlag folgt.

Zur GRDrs 312/2012 merkt StR Stopper an, sie beinhalte den von Herrn Albrecht vorgestellten Prozess; seine Fraktion folge dem Inhalt der Vorlage und nehme sie zur Kenntnis. Seine Fraktion habe in ihrem Antrag Nr. 141/2012 ebenfalls den Punkt der Bürgerbeteiligung aufgegriffen, da in dem Entscheidungsverfahren bis zur Konzessionsvergabe die Bürgerbeteiligung einbezogen werden sollte.

Diskutiert werden müsse zum Verfahren, ob eine Planungszelle das richtige Verfahren sei oder ob es andere Verfahren gibt, die möglicherweise auch etwas verbindlicher seien, so StR Stopper. Insgesamt werde kein Entscheidungsprozess gewollt, der von Sachzwängen oder rechtlichen Alternativlosigkeiten geprägt sei, und am Ende zu einer Entscheidung führe, bei der niemand mehr nachvollziehen könne, an welcher Stelle über Alternativen entschieden wurde. Alternativen müssten herausgearbeitet werden und der richtige Punkt für eine gute Bürgerbeteiligung gefunden werden. In diesem Sinne sei man mit dem in der Vorlage vorgeschlagenen Konzessionsvergabeverfahren auf dem richtigen Weg.


Abschließend stellt OB Dr. Schuster fest:

Der Gemeinderat hat von der GRDrs 312/2012 Kenntnis genommen.
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