Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
187/2020
GZ:
AKR
Sitzungstermin: 28.05.2020
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Villa Berg - Trägerschaft und weiteres Vorgehen

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 27.05.2020, öffentlich, Nr. 170
Ergebnis: einmütige Zustimmung
Gemeinderat vom 28.05.2020, öffentlich, Nr.
Ergebnis: Vertagung wegen Beschlussunfähigkeit gem. § 37 Abs. 3 GemO


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht vom 05.05.2020, GRDrs 187/2020, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Villa Berg als offenes Haus für Musik und Mehr wird in städtischer Trägerschaft als Abteilung des Kulturamts betrieben.

2. Während der Planungs- und Umsetzungsphase wird beim Kulturamt, Abteilung Verwaltung, ein Planungsstab zur Betreuung des Projekts eingerichtet.

3. Vom zusätzlichen unabweisbaren Personalbedarf in Höhe von 1,0 Stelle in EG 13 TVöD sowie von 1,0 Stelle in EG 8 TVöD für die Einrichtung eines Planungs-stabes beim Kulturamt wird Kenntnis genommen. Die Entscheidung über die Stellenschaffungen, die befristet bis zum 31. Dezember 2025 erfolgen sollen, ist im Vorgriff auf den Stellenplan 2022 zu treffen.

4. Die Verwaltung wird ermächtigt, entsprechendes Personal ab 01.09.2020 im Vorgriff auf den Stellenplan 2022 einzustellen. Die finanzielle Deckung für das Jahr 2020 erfolgt aus dem Budget des Kulturamts.


OB Kuhn schickt voraus, er sei sehr froh, diese Vorlage heute zur Abstimmung bringen zu können. Mit ihr schlage man dem Rat vor, die Villa Berg als offenes Haus für Musik und mehr in städtischer Trägerschaft als Abteilung des Kulturamts zu führen. Er stellt die weiteren Beschlussantragsziffern vor und betont, ganz besonders sei diese Beschlussfassung, weil mit der Villa Berg, deren Sanierung und der Parkerweiterung der Bürgerschaft etwas zurückgegeben werde, was jahrzehntelang nicht vernünftig entwickelt wurde. Weiter geht er ein auf die starke historische Bedeutung der Villa Berg mit ihrer zentralen Blickachse zwischen Rosensteinmuseum und Grabkapelle. Die Geschichte der Villa Berg sei aber auch ein Lehrstück, was passiert, wenn man geschichtlich nicht reflektiert "einfach vor sich hinwurstelt". Dies gelte für den ehemaligen Südwest-Rundfunk, aber vor allem auch dann, wenn Investoren sich dessen bemächtigen, aber kein historisch eingebundenes kulturreflektiertes Konzept haben. Man habe mühsam die Villa von einem solchen Investor zurückgekauft, um sie nun - nach einem spannenden Prozess mit Parkerweiterung und einem Konzept, das aus Bürgerbeteiligung entstanden ist - der Bürgerschaft zurückzugeben. Er bittet um Zustimmung zu diesem Projekt.

StRin Rühle (90/GRÜNE) hebt hervor, ihre Fraktion setze sich schon seit vielen Jahren dafür ein, dass Villa und Park wieder städtisch werden, ein neues kulturelles Highlight für die ganze Stadt, wenn nicht gar für die ganze Region entsteht, und ein offenes Haus für alle Bürgerinnen und Bürger. 16 Jahre lang habe sich der Bezirksbeirat Ost damit auseinandergesetzt. Nach dem Rückkauf 2015, Bürgerbeteiligung, Verabschiedung der Leitlinien und dem Beschluss zur Sanierung und Projektentwicklung 2019, könne man nun endlich den finalen Schritt tun, zum Umbau kommen und zur Entwicklung des künftigen Programms. Sehr herzlich dankt sie OB Kuhn, der sich seit seiner Amtsübernahme dafür eingesetzt habe, dass die Villa und der Park zurück zu den Bürgerinnen und Bürgern kommt. Genauso danke sie auch den Bürgerinnen und Bürgern, die in vielen Sitzungen bei Occupy Villa Berg, bei der Projektgruppe Villa Berg oder bei verschiedenen Vereinen, z. B. den Berger Bürgern, oder beim Bezirksbeirat, viel Engagement und Liebe zu diesem Kleinod eingebracht haben. Besonders freue sie sich, dass das von der Bürgerschaft gewollte und erkämpfte Modell zum Tragen kommt bei dem Betrieb, da die Villa nicht nur ein Denkmal und Stadtgeschichte sei, sondern ein Bestandteil werden soll für Stadtleben, ein gemeinsames Haus für Musik und mehr.

Um eine eigene Identität und ein eigenes Profil zu entwickeln, halte man eine städtische Trägerschaft für am besten geeignet. Damit auch das bürgerschaftliche Engagement weiter eingebunden wird bei der Entwicklung, aber auch bei der weiteren konzeptionellen Ausgestaltung, halte man die Einrichtung eines Kuratoriums oder eines Beirats für unbedingt erforderlich. Dort müssten sich die Projektgruppen wiederfinden, künftige Nutzerinnen und Nutzer und auch die politischen Gremien. Diese enge Einbeziehung müsse dauerhaft gewährleistet sein. Besonders begrüßt die Stadträtin, dass Veranstaltungen schon während der Bauphase - die sehr lange dauern werde - stattfinden können. Damit die Programmatik des Hauses dennoch bereits einbezogen und auch die Qualität sichergestellt wird, gelte es eine Organisationsstruktur zu entwickeln, um diese Veranstaltungen zu planen und zu begleiten. Der Vorlage stimme man voll umfänglich zu und freue sich auf das neue Haus, das die Stuttgarter Kulturlandschaft nachhaltig ergänzen und bereichern werde. Darüber hinaus sei zu hoffen, dass dieses Haus tatsächlich 2025 eröffnen kann.

Mit dem heutigen Beschluss gebe man ein Signal des Aufbruchs, das in Zeiten coronabedingter Einschränkungen von noch größerer Bedeutung sei, so StR Sauer (CDU). In der zur Beschlussfassung anstehenden Vorlage gehe es neben der Frage der Trägerschaft auch um die Erarbeitung eines Nutzungs- und Betriebskonzeptes, mit dem der bisher eher weitläufige Arbeitstitel eines offenen Hauses und mehr konkreter gefasst und differenzierter ausgestaltet werden soll. Dies erfolge gemeinsam mit der Bürgerschaft vor Ort, wie auch mit der gesamten Stuttgarter Stadtgesellschaft. Es gehe angesichts der Fülle programmatischer Möglichkeiten und der Größenordnung von knapp 100 Mio. € für das Gesamtprojekt um eine einmalige Chance für die gesamte Stadt und die vielfältigen Interessen der Bürgerinnen und Bürger insgesamt. Auch seine Fraktion unterstütze den Vorschlag der Verwaltung, den künftigen Kulturbetrieb der Villa Berg in die Trägerschaft der Stadt zu geben und dafür eine Abteilung beim Kulturamt einzurichten. Dieses Modell habe nicht nur mit dem StadtPalais ein erfolgreiches Vorbild, sondern biete gegenüber anderen möglichen Betriebsformen zum einen die Chance, ein eigenständiges Profil zu entwickeln, und zum anderen die Offenheit für möglichst viele unterschiedliche kulturelle Ausdrucksformen, die dort dann eine Heimat finden. Genau in dieser Kombination liege der Reiz, den unverwechselbaren Charakter der künftigen Villa Berg herauszubilden.

Aus dem ersten Vorschlag der Verwaltung ergebe sich zwangsläufig der zweite, den Aufbau eines Planungsstabes mit der Schaffung von zunächst zwei Stellen. Auch damit sei man einverstanden, wünsche jedoch, dass die Projektgruppe Villa Berg bei der Besetzung der Leitungsstelle genauso eingebunden wird wie die Fraktionen im Gemeinderat. Darüber hinaus wolle man - dem Beispiel des StadtPalais folgend - die baldmöglichste Gründung eines Beirats, in dem sich Vertreterinnen und Vertreter aus dem bürgerschaftlichen Engagement ebenso wiederfinden wie aus den politischen Gremien der Stadt.

StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) unterstützt die Vorlage. Er erinnert daran, dass es nicht immer so gewesen ist, dass alle die Villa Berg und dieses Projekt wollten. Bereits als der SWR an Häußler verkauft hat, habe SÖS gefordert, das Vorkaufsrecht zu ziehen, damit die Stadt hier einen öffentlichen Ort machen kann für die Bürger, für den Stadtteil. Er freue sich, dass der Gemeinderat heute bereit sei zu diesem Schritt.

Auch StR Körner (SPD) freut sich über den schönen Schritt, den man heute tun könne und der zurückgehe auf die Entscheidung im Jahr 2015, die Villa Berg zu kaufen. Sein Dank richtet sich an diejenigen, die viele Jahre dafür auch ehrenamtlich gearbeitet haben - Occupy Villa Berg mit Deborah Köngeter und Thorsten Puttenat, aber auch die Projektgruppe Villa Berg mit Jörg Trüdinger als ihren Sprecher -, dass die Stadt wieder Eigentümerin der Villa wird, sie in neuem Glanz erstrahlen kann und den Park stärkt und schöner macht. Fast noch wichtiger als die Frage der Trägerschaft sieht er, dass die Villa saniert wird und das Haus 2025 eröffnet werden kann. Wenn dies früher erfolgen könnte, so würde er dies sehr begrüßen. Auch freue man sich, dass die erfolgreiche Bürgerbeteiligung fortgesetzt wird mit einem Beirat, in dem diejenigen vertreten sein sollen, die heute schon aktiv sind, und mit Veranstaltungen, die schon während der Bauphase mit 50.000 € unterstützt werden sollen. Zu hoffen sei, dass dieser Betrag die Nachtragsetatberatungen übersteht.

Mit Blick auf die mehrfach erwähnte Initiative Occupy Villa Berg berichtet StRin Köngeter (PULS), sowohl ihr Fraktionskollege Thorsten Puttenat als auch sie waren Mitglied der knapp 20-köpfigen Initiative Occupy Villa Berg, die sich 2013 zum Ziel gesetzt hatte, die verfallene Villa mit Ideen zu besetzen und wieder ins Bewusstsein zu rufen. Ende 2013 habe man BM Wölfle einen 150-seitigen Bericht übergeben, der alle bis dahin gesammelten Materialien und Ideen beinhaltete. Aufgrund des Grundsatzbeschlusses, den der damalige Gemeinderat gefasst hatte, wollte man die Initiative damals zunächst beenden. Man habe aber, um dem Wunsch nach einer Umsetzung Nachdruck zu verleihen, sich entschieden, die Initiative mit einem kleineren Team und etwas verändertem Konzept weiterzuführen. Zwei Jahre später habe man den um 100 Seiten erweiterten Bericht direkt an OB Kuhn übergeben und damit auch den Staffelstab weitergegeben.

Man wolle heute Herrn Oberbürgermeister Kuhn und denjenigen danken, die damals schon im Gemeinderat waren, dass sie den Grundsatzbeschluss gefasst und die Beteiligung ermöglicht haben. Darüber, dass inzwischen sowohl an der Villa als auch am Park gearbeitet wird, freue sie sich außerordentlich und stimme der Vorlage heute deshalb auch besonders gerne zu. Auch sie wünsche sich, dass das bürgerschaftliche Engagement, das im Rahmen der vergangenen Jahre entstanden ist, auch in Zukunft seinen Platz in dem Konzept findet.


Anschließend stellt OB Kuhn fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt.

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