Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 26.10.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende, BM Dr. Mayer
Protokollführung: Frau Westhaus-Gloël
Betreff: Grundsatzentscheidung über mehr Transparenz der Verwaltung im Internet
- Antrag Nr. 264/2017 (SÖS-LINKE-PluS) v. 21.09.2017

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 11.10.2017, öffentlich, Nr. 416
Gemeinderat vom 12.10.2017, öffentlich, Nr. 212
jeweiliges Ergebnis: Vertagung

Verwaltungsausschuss vom 25.10.2017, öffentlich, Nr. 439

Ergebnis: Antragsziff. 1: mehrheitl. Ablehnung (2 Ja-, 15 Nein-Stimmen)
Antragsziff. 2: Ablehnung (6 Ja-, 6 Nein-Stimmen, 5 Enthaltungen)
Antragsziff. 3: zurückgezogen


StR Urbat (SÖS-LINKE-PluS) begründet den Antrag der Fraktionsgemeinschaft,
dessen Ziel es sei, mehr Transparenz in die städtischen Vorgänge zu bringen. Zu Antragsziffer 1 führt er aus, Vorbild für eine Transparenzsatzung und ein Transparenzportal könne Hamburg sein mit seinem Portal transparenz.hamburg.de. Städtische Daten aller Art könnten an einer zentralen Informationsstelle im Internet eingestellt werden: Drucksachen, Protokolle, Gutachten und statistische Daten. Anstatt nur Anfragen von Bürgern nach dem Informationsfreiheitsgesetz Baden-Württemberg zu beantworten, sollten proaktiv in einem Portal Daten veröffentlicht werden.


Antragsziffer 2 betreffe die Veröffentlichung von Protokollen aus den Bezirksbeiratssitzungen im Internet. Nicht nachvollziehbar sei, dass - natürlich unter Beachtung des Datenschutzes - Protokolle von Gemeinderatssitzungen und Ausschusssitzungen im Internet verfügbar seien, nicht aber Bezirksbeiratsprotokolle, sodass man die personell unterbesetzten Bezirksämter persönlich aufsuchen müsse, um Protokolle einsehen zu können. Auch sei die Suche nach Protokollen sehr umständlich. Die Tatsache, dass viele Bezirksbeiratssitzungen aus unterschiedlichen Gründen nicht gut besucht seien, spreche ebenfalls dafür, die Protokolle der Sitzungen ins Internet einzustellen. Angesichts der Ablehnung des Antrags im Verwaltungsausschuss frage er sich, ob die anderen Fraktionen Angst hätten vor zu viel Öffentlichkeit, vor den eigenen Wählern oder den eigenen Bezirksbeiratsfraktionen, die nicht immer so abstimmten wie die Gemeinderatsfraktionen.

StR Dr. Reiners (CDU) erwidert, die Landeshauptstadt Stuttgart sei, was die Transparenz der Verwaltung im Internet angehe, vorbildhaft. Deswegen sehe seine Fraktion keinen Anlass und keinen Mehrbedarf, zumal dieser an die Grenzen rechtlicher Belange, rechtlicher Hindernisse und berechtigter Interessen stoße. Die Bürgerschaft habe seines Erachtens genügend Foren und Möglichkeiten, sich zu informieren. Die Orientierungslosigkeit von Bürgerinnen und Bürgern sei eher auf zu viele und zu unstrukturierte Informationen anstatt auf zu wenig Transparenz zurückzuführen. Seine Fraktion lehne den Antrag von SÖS-LINKE-PluS ab.

StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE) kritisiert, der Titel des Antrags suggeriere, dass die Verwaltung und der Gemeinderat "in einem undurchsichtigen Bunker sitzen". Seit Jahren sei aber ein ganz anderer Weg eingeschlagen worden. Daher fordere sie die Fraktionsgemeinschaft auf, sich in den Prozess einzubringen, mit dem der neue Internetauftritt der Stadt optimiert werde. Den Antrag verstehe sie als Misstrauensvotum. Von den Immobilienmarktberichten bis hin zu den Gehältern der Geschäftsführer in den städtischen Unternehmen sei alles transparent, und dies seit Jahren. Zukünftig sollten Bürger vorab darüber informiert werden, dass sie sich beteiligen können. Sie sehe anstelle eines Bunkers eher einen "großen Glaspalast der Transparenz", in dem aber vielleicht die Orientierung das Problem sei. In diesem Bereich gebe es noch Verbesserungsbedarf. Dass die Bezirksbeiratsprotokolle mit dem nötigen Datenschutz ins Internet gestellt werden, könne man aus Sicht ihrer Fraktion im Zusammenhang mit dem Relaunch des Internetauftritts diskutieren. Man halte den Antrag für nicht angemessen, was die Beschreibung der Situation angehe, und werde daher nicht zustimmen.

Die SPD-Fraktion, so StR Perc (SPD), unterstütze die hinter dem Antrag stehende Intention, dass Bürgerinnen und Bürger der Stadt möglichst einfach und barrierefrei zu den Informationen gelangen können, die die Stadt zur Verfügung stellt. Allerdings mangele es dabei nicht so sehr an dem, was zur Verfügung gestellt werden, sondern an der Auffindbarkeit. Deswegen sei die anstehende Überarbeitung des Internetauftritts zu begrüßen. Die unter Ziffer 1 des Antrags geforderte Transparenzsatzung nach dem Vorbild Hamburgs, - das sei auch im gestrigen Verwaltungsausschuss dargelegt worden -, treffe auf Stuttgart allein aufgrund der Organisationsart nicht zu. Die Jugendratsprotokolle (Ziffer 3 des Antrags) könnten aufgrund der Art und Weise, wie die Jugendräte organisiert seien, nicht ins Internet gestellt und strukturiert werden. Insofern bleibe nur Ziffer 2 des Antrags. Seine Fraktion sehe es als möglich und sinnvoll an, nach Möglichkeiten zu suchen, die Bezirksbeiratsprotokolle im Internet zu veröffentlichen. Allerdings sei diese Aufgabe wohl mit einem hohen finanziellen und zum Teil auch personellen Aufwand verbunden. In Zusammenhang mit der Überarbeitung des Internetauftritts solle dieser Punkt konkretisiert werden, zum Beispiel auch mit den Abrufzahlen des bisherigen Auftritts, damit man sehe, ob das Interesse einen hohen finanziellen Aufwand rechtfertige. Bei einer Einzelabstimmung zu den Antragsziffern werde sich seine Fraktion zu Ziffer 2 enthalten, weil die notwendigen Informationen noch nicht vorliegen und das Thema im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Gesamtauftritts zu diskutieren sei.

StR Dr. Fiechtner (AfD) teilt mit, dass er Transparenz für ein wichtiges Element im demokratischen Entscheidungsprozess hält. Die Bürger könnten nur dann wirklich sachgerecht ihre Stimme abgeben, wenn sie wüssten, worüber sie abstimmen. Insofern sei es gut, wenn in der Stadt in den unterschiedlichsten Ebenen mehr Transparenz einkehre. Durch seinen Sitz im Landtag habe er Unterschiede feststellen können in der Art und Weise, wie Informationen transportiert würden, wie Transparenz stattfinde und wie exakt die Protokollierungen seien. Vor diesem Hintergrund wünsche er sich, dass endlich alle Sitzungen im Stuttgarter Gemeinderat konsequent übertragen würden, dass die Protokolle genauer würden und nachvollziehbarer sei, wer was wann warum gesagt habe. Dann werde sich auch zeigen, wer in der nächsten Kommunalwahl von den Stadträten noch gewählt werde. Nach der nächsten Oberbürgermeisterwahl werde auch der Oberbürgermeister ein anderer sein.

OB Kuhn fordert StR Dr. Fiechtner auf, zur Sache zu sprechen.

StR Dr. Oechsner (FDP) teilt mit, Transparenz sei eine gute Sache. Die FDP sei der Meinung, dass der Antrag eigentlich unnötig sei, weil es schon genügend Transparenz gebe, und der Aufwand, den man damit treiben müsste, dem Nutzen einfach nicht entspreche. Deshalb werde man sich enthalten.

Für StR Dr. Schertlen (STd) ist nicht nachvollziehbar, dass man die Transparenz im Rathaus für hervorragend halten kann. Die Suche nach Informationen, zum Beispiel nach Anträgen, sei außerordentlich mühsam. Er könne sich auch nicht vorstellen, was dagegenspreche, die Bezirksbeiratsprotokolle zu veröffentlichen oder das Handeln des Gemeinderats publik zu machen. StR Dr. Schertlen verweist auf seinen Antrag Nr. 274/2017 vom 28.09.2017 zur Finanztransparenz und kündigt an, dass er dem Antrag zustimmen wird.

BM Dr. Mayer nimmt aus Sicht der Verwaltung Stellung. Die von StR Dr. Schertlen beschriebenen Schwierigkeiten bei der Suche nach Dokumenten habe mit dem Design der Suchmaschine zu tun. Darüber könne man sich gern im Zusammenhang mit dem Relaunch des Internetauftritts der Stadt unterhalten. Das habe aber zunächst einmal nichts mit der Transparenzsatzung zu tun, die in dem Antrag vorgeschlagen werde. Das von den Antragstellern gesehene Transparenzdefizit könne er in Stuttgart nicht sehen. Die Stuttgarter Stadtverwaltung sei eine transparente Verwaltung, dies auch schon sehr lange. Stuttgart habe Dokumente im Internet veröffentlicht, lange bevor der Landesgesetzgeber überhaupt eine entsprechende Änderung der Gemeindeordnung in Erwägung gezogen habe. Auch die von StRin Deparnay-Grunenberg erwähnte Vorhabenliste, die im Zuge der Leitlinie für Bürgerbeteiligung ins Internet gestellt werde, und die Videoübertragung von öffentlichen Sitzungen zeigten, dass man der Stadtverwaltung Intransparenz nicht vorwerfen könne.

Der Vergleich mit Hamburg hinke. Hamburg sei bei diesem Gesetzeserlass nicht als Kommune unterwegs gewesen, sondern als Stadtstaat und damit als Bundesland. In Baden-Württemberg gebe es eine Entsprechung mit dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG). Der Landesgesetzgeber habe sich ganz bewusst für diesen Regelungsgehalt entschieden, in Kenntnis des Hamburger Transparenzgesetzes. Es wäre aus rechtlicher Sicht auch nicht zulässig, Regelungen in einer kommunalen Satzung zu ersinnen, die darüber hinausgehen, weil es im LIFG hierzu keine Ermächtigungsgrundlage gebe und es sich im Übrigen auch um abschließende Regelungen handle. Das Thema müsse auch von der Bedarfslage her gesehen werden. Die Zahl der Anfragen, die die Stadt tatsächlich über das LIFG bekommen habe, sei dürftig. Man habe sich eigentlich schon fast mehr erhofft. Das Interesse, über dieses Gesetz Anträge zu stellen, scheine sehr gering zu sein.

Zur Protokollierung von Bezirksbeiratssitzungen und deren Veröffentlichung im Internet sei zu sagen, dass in Stuttgart immer wieder Bezirksbeiräte darum bitten, dass weder ihr Name noch ihre Kontaktdaten im Internet veröffentlicht werden. Zu der Berücksichtigung dieses Wunsches sehe sich die Verwaltung verpflichtet, weil das Persönlichkeitsrecht graduelle Abstufungen kenne, je nachdem, wie sehr sich ein Mensch in der Öffentlichkeit bewege und dort exponiere. Es gebe einen Unterschied zwischen Gemeinderäten und Bezirksbeiräten. Gemeinderäte seien in einer Volkswahl gewählt, Bezirksbeiräte von den Parteien und Fraktionen entsandt. Wie dann aber Protokolle aus den Bezirksbeiräten veröffentlicht werden könnten, wenn die Zustimmung nicht erteilt werde, alle dort getätigten Redeanteile oder Namen zu veröffentlichen, erschließe sich ihm nicht. Im Grunde müsse für jedes Protokoll eine Ermächtigung eingeholt werden, oder es würden Wortbeiträge herausgenommen, was dazu führe, dass der Diskussionsprozess im Bezirksbeirat lückenhaft und unvollständig abgebildet werde. Es gebe also nicht nur technische und finanzielle Schwierigkeiten, sondern auch eine rechtliche Problemlage, über die man nicht einfach hinweggehen könne.

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) wendet sich gegen die geäußerte Kritik und betont, in dem Antrag sei nicht von einem Defizit die Rede. Der Gemeinderat könne aber nicht gegen ein "noch besser werden" sein. Dass man beim Zugang zu den Informationen besser werden wolle, sei offensichtlich Konsens. Eine Transparenzsatzung sehe die Verwaltung als rechtlich nicht möglich an. Die Fraktionsgemeinschaft halte sie innerhalb des Landesgesetzes für möglich. Er habe die Wortmeldungen so verstanden, dass die Idee, ein Transparenzportal in Zukunft auch bei der Online-Strategie der Stadt zu berücksichtigen, auf große Zustimmung stößt.

Zu Ziffer 2 des Antrags sei von den Fraktionen Bündnis 90/DIE GRÜNEN und SPD Zustimmung gekommen. Er bedauere, wenn der Antrag abgelehnt werde, weil die Verwaltung bis heute nicht in der Lage gewesen sei, die notwendigen Ressourcen zu beziffern, nach denen schon in einem früheren Antrag gefragt worden sei. Er werbe bei der SPD nochmals darum, zuzustimmen.

StR Dr. Fiechtner greift die Ausführungen von BM Dr. Mayer auf und gibt zu bedenken, auch ein Bezirksbeirat habe sich freiwillig in seine Position begeben hat. Von daher könne er nicht erkennen, warum in diesem Fall eine Anonymität gewahrt bleiben müsse, wenn es nicht eindeutig im Gesetz geregelt sei. Damit spreche auch nichts gegen eine Veröffentlichung von Protokollen aus den Bezirksbeiräten.

Nachdem StR Dr. Fiechtner sich beschwert hat, dass OB Kuhn ihm, einem Mitglied des Gemeinderats, kurzerhand das Wort abgeschnitten habe, verweist OB Kuhn auf die Geschäftsordnung des Gemeinderats, die auf der Gemeindeordnung des Landes Baden-Württemberg beruht. Der Vorsitzende allein sei berechtigt, einen Redner zu unterbrechen und zur Sache zu gemahnen oder zur Ordnung zu rufen. Wenn dieser zweimal zur Sache gemahnt oder zur Ordnung gerufen wird, könne der Vorsitzende ihm das Wort entziehen.

BM Dr. Mayer erwidert auf die Anmerkung von StR Dr. Fiechtner, natürlich würden Bezirksbeiräte ihre Tätigkeit freiwillig wahrnehmen und natürlich seien auch Bezirksbeiratssitzungen öffentlich. Der Landesbeauftragte für Datenschutz in Baden-Württemberg unterscheide rechtlich aber klar zwischen einer Saalöffentlichkeit, in der jemand etwas sage und dann die Ausführung getätigt ist und der Medienöffentlichkeit, bei der die Aussage praktisch auf alle Zeit abrufbar und reproduzierbar sei. Da gebe es auch einen Unterschied zwischen dem, was von Gemeinderäten und Bezirksbeiräten an Veröffentlichung zu dulden ist.

StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE) schlägt vor, die Entscheidung über Antragsziffer 2 zu verschieben. Der Gemeinderat könne sich im Vorfeld der nächsten Kommunalwahl mit der Frage beschäftigen, ob das Amt des Bezirksbeirats mehr als öffentliches Amt gesehen wird und man die Bezirksbeiratsprotokolle veröffentlichen möchte.

StR Kotz (CDU) weist darauf hin, dass StR Urbat als einziger aus der Fraktionsgemeinschaft auf stuttgart.de seine Privatadresse nennt. Dieser scheine die Transparenz im Internet also wirklich ernst zu nehmen.

StR Perc (SPD) betont, seine Fraktion bleibe bei dem Votum, das Thema der Veröffentlichung der Bezirksbeiratsprotokolle im Kontext der Erneuerung und Überarbeitung der städtischen Internetseite aufzurufen. Der gemeinsam beschlossene Prozess solle ernst genommen werden.

Nachdem OB Kuhn vorgeschlagen hat, über die Antragsziffern einzeln abzustimmen, erklärt StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS), die Antragsziffer 3 - Veröffentlichung der Jugendratsprotokolle - sei vom Antragsteller bereits zurückgezogen worden. Zu Antragsziffer 2 könne er sich vorstellen, dass das Thema vertagt werde. Vielleicht könne mit den Fraktionen Bündnis 90/DIE GRÜNEN und SPD ein gemeinsamer Vorschlag erarbeitet werden. Dafür würden aber von der Verwaltung Informationen über die Ressourcen benötigt. Somit sei am heutigen Tag lediglich über die Antragsziffer 1 abzustimmen.

Auf einen Einwand von StR Klingler hin präzisiert OB Kuhn, damit werde die Antragsziffer 2 für heute zurückgezogen, und die Abstimmung erfolge nur zu Ziffer 1 des Antrags.


Der Vorsitzende stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat lehnt die Antragsziffer 1 des Antrags Nr. 264/2017 bei 8 Ja-Stimmen und 4 Enthaltungen mit großer Mehrheit ab.

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