Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OBM
GRDrs 25/2022
Stuttgart,
01/17/2022



Generaldebatte Klimaschutz: Klimaneutralitätsziel



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
GemeinderatBeschlussfassungöffentlich20.01.2022



Beschlußantrag:

1. Die Verwaltung wird beauftragt, zu prüfen, mit welchen Maßnahmen die Klimaneutralität für Stuttgart bis zum Jahr 2035 erreicht werden kann.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, bis zur Sommerpause 2022 einen realistischen, sozial- und wirtschaftsverträglichen Klimafahrplan – mit dem Ziel einer Klimaneutralität für Stuttgart bis zum Jahr 2035 – auszuarbeiten. Dieser soll konkrete Maßnahmenvorschläge für die einzelnen Emissionsquellen enthalten.

3. Der Gemeinderat trifft vor der Sommerpause 2022 auf der Basis dieses Klimafahrplans die finale Entscheidung über das Klimaneutralitätsziel für Stuttgart.



Begründung:


Am 20. Dezember 2019 hat die Landeshauptstadt Stuttgart mit der nach Beratung konsolidierten Fassung der GRDrs 975/2019 im Rahmen des Klima-Aktionsprogramms ihren Beitrag zum Einhalten der Klimaziele von Paris bekräftigt, weil die Erde um nicht mehr als 1,5 Grad erwärmt werden dürfe. In dieser Beschlussvorlage wurden die nächsten 10 Jahre als der entscheidende Zeitraum genannt, in dem der CO2-Ausstoß schneller reduziert werden muss. Hieran knüpft die vorliegende Beschlussvorlage an.

Im April 2021 hat das Bundesverfassungsbericht entschieden, dass das damalige Klimaschutzgesetz der Bundesregierung vom 12. Dezember 2019 mit den Grundrechten unvereinbar war, da hinreichende Angaben zur Emissionsreduktion nach 2030 fehlten. In der Folge aktualisierte die Bundesregierung das Zieljahr für die Klimaneutralität auf 2045. Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat sich das Ziel gesetzt, im Bundesland bis 2040 klimaneutral zu sein. In diesen Kontext fügt sich das neue Ziel der Landeshauptstadt Stuttgart ein.

Die Stadt hat bereits gezeigt, dass sie nicht nur bei der Wirtschaftskraft, sondern auch im Klimaschutz leistungsfähig ist. Die bisherigen Ziele hat die Landeshauptstadt Stuttgart übertroffen. Bis zum Jahr 2020 war eine Reduktion um 40 Prozent gegenüber 1990 angestrebt. Erreicht hat Stuttgart diesen Wert laut der Treibhausgasbilanz der Abteilung für Energiewirtschaft im Amt für Umweltschutz bereits 2019 mit einer Reduktion von 41 Prozent.

Die Treibhausgasbilanz und damit auch die nötige Reduktion wird nach dem Territorial-prinzip ermittelt, das im internationalen Kontext das Standardverfahren darstellt. In der Territorialbilanz sind die direkten Energieverbräuche und -bezüge für alle Sektoren (Gebäude, Industrie, Verkehr und Energieversorgung) mit den lokalen Gegebenheiten auf der Gemarkung Stuttgarts enthalten. Darüber hinaus sollen für Bereiche wie beispielsweise Produkte, die in Stuttgart konsumiert werden, aber an anderen Orten hergestellt wurden, die Umweltauswirkungen minimiert werden und gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Indikator abgebildet werden. Das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2035 bedeutet, dass innerhalb Stuttgarts möglichst kein Energieverbrauch aus fossilen Energieträgern mehr erfolgt.

Die Entwicklungen und die Diskussion im letzten Jahr zeigen, dass die bisherigen weitreichenden Klimaziele der Landeshauptstadt Stuttgart angepasst werden können. Im Ausschuss für Klima und Umwelt (AKU) am 24.9.2021 wurde auf der Grundlage mehrerer Anträge aus dem Gemeinderat die Diskussion um eine Anpassung der Klimaziele begonnen. Die Verwaltung hat im AKU dargestellt, was die jeweiligen Änderungen bei den Zieljahren bedeuten und welche Anstrengungen notwendig sind, um die jeweiligen Klimaziele zu erreichen.

Eine Erreichung der Klimaneutralität im Jahr 2035, also die Einsparung von 95 Prozent der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990, ist sehr ambitioniert und noch mit vielen offenen Fragen hinsichtlich der Umsetzung versehen. Unterstützung bekommt die Stadt Stuttgart aber von den Aussagen großer Unternehmen in Stuttgart, die sich auf den Weg gemacht haben, auch klimaneutral zu werden. So will Porsche 2030 und die EnBW 2035 klimaneutral werden.

Ohne die Mithilfe von Industrie, Gewerbe und privaten Haushalte ist die Klimaneutralität für die Gesamtstadt jedoch nicht zu schaffen. Ebenso braucht es insbesondere im Bereich der Gebäudesanierungen das Handwerk, um diese Aufgabe zu schaffen. Aber es zeigte sich schon in der Vergangenheit, dass man im Baugewerbe und im Planungsbereich an die Kapazitätsgrenze gekommen ist und ohne einen Ausbau in diesem Bereich sind die Ziele bei der Gebäudesanierung nicht zu schaffen. Die Beschlüsse im Haushalt sind aber ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung.

Ebenso hängt das Erreichen der Ziele an den Vorgaben und Bemühungen im Bund. So ist das Vorziehen des Kohleausstiegs von 2038 auf mindestens 2035 ein zentraler Punkt für die Klimaneutralität.

Klima-Fahrplan

Zwar ist der Klimawandel ein historisch kritischer Moment und die Menschheit steht vor einer der größten und komplexesten Herausforderungen, aber in verschiedenen Studien wurde bereits gezeigt, dass sich Investitionen in den Klimaschutz sowohl für die Wirtschaft als auch für die Gesellschaft gleichermaßen langfristig rechnen können und ambitionierter Klimaschutz möglich ist. Mit einem konkreten KlimaFahrplan und einer starken und beherzten Führung kann die Landeshauptstadt Stuttgart ihre Vorreiterrolle in diesem Bereich weiter stärken.

Für die Erstellung des Klima-Fahrplans sollen folgende Leitplanken gelten.



Einschränkungen und Abhängigkeiten

Das Gelingen des Vorhabens beruht auf der Annahme, dass auch europäische, Bundes- und Landesvorgaben einen beschleunigten Klimaschutz in geeignetem Umfang unterstützen und damit den Klima-Fahrplan für Stuttgart möglich machen.

Insbesondere die Entwicklung des europäischen Stromverbundnetzes und die Zusammensetzung des deutschen Strommixes sind von herausgehobener Bedeutung für die Reduktion der Treibhausgasemissionen in Stuttgart. Auf europäischer und nationaler Ebene ist ein stark beschleunigter Ausbau der Stromerzeugung aus regenerativen Energien erforderlich, der durch den Ausbau und die Flexibilisierung der übergeordneten Transportkapazitäten ergänzt wird. Auf diesen Ebenen müssen die richtigen Weichen gestellt werden, um Strom aus erneuerbaren Energien bereitzustellen und überregional abzusichern.

Aber nicht nur eine ausreichend hohe Bereitstellungsleistung und -menge von Strom aus erneuerbaren Energien ist auf nationaler Ebene erforderlich. Nationale Anreize und Entlastungen müssen Strom auch wirtschaftlich besonders attraktiv machen, zum Beispiel durch Aktualisierungen der Stromsteuer und der derzeit hohen Abgaben, Umlagen und Belastungen des Strompreises. Strom muss – durch europäische und nationale Entscheidungen – zu einer günstigen und sauberen Energiequelle für die Dekarbonisierung Stuttgarts werden.

Dies hat deswegen eine so enorme Bedeutung, weil in urbanen Regionen wie Stuttgart die Elektrifizierung weiter Bereiche der Energieversorgung den Hauptanteil der Treibhausgaseinsparungen ausmacht. Dies umfasst neben dem Mobilitätssektor, der umfassend und schnell elektrifiziert wird, auch den Wärmebereich, in dem der Anteil von strombasierter Wärme (Wärmepumpen) überproportional stark anwachsen wird, sowie auch viele industrielle Prozesse, die Strom als Energiequelle anstatt bisher fossiler Energien nutzen werden. Die Stadtwerke Stuttgart sollen darin gestärkt werden, einen weiter wachsenden Beitrag zur Umstellung der Stromerzeugung auf Erneuerbare Energien zu leisten.

Eine weitere wichtige Voraussetzung bzw. Annahme ist die Stärkung der Sektorkopplung zwischen Strom und Wärme sowie die Dekarbonisierung, Verdichtung und Erweiterung der bestehenden und hinzukommenden Wärme- und/oder Gasnetze. Denn Immobilien und Quartiere können in großem Stil und mit hoher Umsetzungsgeschwindigkeit derzeit nur „Climate-neutral-ready“ vorbereitet werden und sind erst dann klimaneutral, wenn das zugrundeliegende Wärmenetz klimaneutral betrieben wird bzw. bei Wärmepumpen der Strom komplett aus erneuerbarer Energie bereitgestellt wird. Besonders erwähnenswert sind hier die Initiativen der EnBW, der Stadtwerke Stuttgart und der Immobiliengesellschaften wie der SWSG.

Stuttgart erreicht auf gesamtstädtischer Ebene die Klimaneutralität nur in einer gemeinsamen Anstrengung mit Wirtschaft und Stadtgesellschaft. Die Stadtverwaltung inklusive der Eigenbetriebe verursacht lediglich 4 Prozent der Treibhausgasemissionen im Stadtgebiet. Der weitaus größere Teil der Emissionen kommt aus den Bereichen der Haushalte, der Mobilität, der Industrie sowie von Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Auf diese 96 Prozent der Treibhausgasemissionen in Stuttgart haben der Gemeinderat und die Stadtverwaltung keinen direkten Einfluss und keine direkten Entscheidungsmöglichkeiten. Daher ist eine Einbeziehung dieser Akteure von elementarer Bedeutung und macht breit gefächerte Förderanreize, Kommunikationsoffensiven und nicht zuletzt Beteiligungsformate wie den Bürgerrat Klima notwendig, wie sie die Stadt bereits anbietet bzw. vorbereitet.

Diese Annahmen und Voraussetzungen, die wesentlichen Einfluss auf den Weg zur Klimaneutralität haben werden, sollen auch im Klima-Fahrplan Erwähnung und Berücksichtigung finden, um einen realistischen und praxisnahen Klima-Fahrplan zu erreichen, über den der Gemeinderat im Sommer entscheiden kann.


Finanzielle Auswirkungen

-


Beteiligte Stellen

-


Erledigte Anträge/Anfragen

228/2021, 256/2021, 278/2021, 300/2021


Dr. Frank Nopper

Anlagen

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