Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
210/2022
GZ:
0333-02
Sitzungstermin: 05.05.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Umbildung Beirat für Gleichstellungsfragen

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 04.05.2022, öffentlich, Nr. 134
Ergebnis: einmütige Zustimmung

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 05.04.2022, GRDrs 210/2022, mit folgendem

Beschlussantrag:

Anstelle von Frau Ursula Werner, Evangelische Akademie Bad Boll, treffpunkt 50plus, wird Frau Bärbel Gamerdinger zum stellvertretenden sachkundigen Mitglied des Beirats für Gleichstellungsfragen bestellt.


Der Vorsitzende verweist eingangs auf seine Aussage und die von EBM Dr. Mayer im Ältestenrat, wonach aus formalen Gründen im Rahmen dieses Tagesordnungspunktes nicht über Sexismus diskutiert werden könne. StR Winter (90/GRÜNE) ergänzt, im Ältestenrat habe man sich zudem auf den Vorschlag der FrAKTION verständigt, diese Thematik im Gleichstellungsbeirat in der nächsten oder übernächsten Sitzung aufzurufen. Der Oberbürgermeister werde dort Stellung nehmen zu seinen Äußerungen, die auch seine Fraktion für absolut unangemessen halte und aufs Schärfste zurückweise.

OB Dr. Nopper bestätigt, er werde sich gerne der Debatte in einem gemeinderätlichen Gremium stellen und man werde auch im Ältestenrat nochmals darüber sprechen. Für heute bitte er um Abstimmung über die GRDrs 210/2022.

StR Pantisano (FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) regt gegenüber dem Vorsitzenden an, zukünftig regelmäßig am Beirat für Gleichstellungsfragen teilzunehmen, da man erheblichen Nachholbedarf erkenne. So habe sich OB Dr. Nopper gestern erneut als Oberbürgermeister zu einem Thema öffentlich geäußert, ohne sich vorher ordentlich zu informieren bei der Verwaltung, den Fachbürgermeistern oder dem Gemeinderat. Auch den Ton und das Niveau der Äußerungen bemängelt er. So habe der Oberbürgermeister einen Teil des Gemeinderats beleidigt als Zensurbehörde, hohen Rat der Tugend- und Sittenwächter, als Inquisitoren und Diskriminierungsfahnder. Mit solchen Entgleisungen in Zusammenhang mit der Debatte um Sexismus auf dem Frühlingsfest zeige dieser erneut seine Unkenntnis über die Beschlusslage des Gemeinderates. Deswegen wäre eine Teilnahme am Beirat für Gleichstellungsfragen wichtig.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen habe am 31.01.2020 einstimmig beschlossen, dass im Vertragswerk der Schausteller auf dem Volksfest folgende Klausel eingeführt wird: Bewerber*innen, die rassistische, sexistische, homo- und transphobe, gewaltverherrlichende sowie andere menschenfeindliche Inhalte wie Parolen, Bilder und Figuren auf ihren Fahr- und Schaugeschäften und Pavillons darstellen oder entsprechende Produkte verbreiten und verkaufen, werden vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. BM Fuhrmann habe sich damals dahingehend geäußert, dass dies eine Selbstverständlichkeit sei und solche Darstellungen bei Schaustellern, die sich bei der Landeshauptstadt Stuttgart bewerben, untersagt werden müssen.

Der Vorsitzende weist darauf hin, dass seine Aussage lautete, der Gemeinderat sollte nicht zur Zensurbehörde werden, er habe nicht gesagt, dass der Gemeinderat zur Zensurbehörde geworden sei. Darüber hinaus sei ihm die Beschlusslage des Gemeinderates sehr wohl geläufig, die 2020 in den Verträgen zwischen in.Stuttgart und den Schaustellern umgesetzt worden sei. Dennoch sei der Maßstab allein das Straf- und Ordnungsrecht; man könne nicht nach den Maßstäben des guten Geschmacks oder des guten Stils agieren. Zudem handle es sich vorwiegend um Motive, die seit Jahren und Jahrzehnten dort zu sehen sind, die von niemandem kritisiert wurden und die nach Einschätzung der Verwaltung weder gegen das Straf- noch gegen das Ordnungsrecht verstoßen.

StR Kotz (CDU) erinnert an den eingangs gemachten Verfahrensvorschlag, diese Thematik mit ausreichend Zeit in einem anderen gemeinderätlichen Gremium zu diskutieren und stellt den Antrag auf Ende der Debatte und Verweis in den Fachausschuss.

StR Winter wendet sich gegen diesen Geschäftsordnunsantrag, da der Oberbürgermeister selber die Debatte aufgemacht habe mit einer Begründung, die sachlich unzutreffend sei und die man so nicht stehen lassen könne.

OB Dr. Nopper lässt über den Geschäftsordnungsantrag auf Ende der Debatte abstimmen und stellt fest, dass dieser bei 25 Ja- und 30 Nein-Stimmen mehrheitlich abgelehnt ist.

EBM Dr. Mayer unterstreicht seine Ausführungen im Ältestenrat, wonach an dieser Stelle im Gemeinderat keine Diskussionen geführt werden können, die über das Thema Umbildung des Ausschusses hinausgehen. Ihm gehe es nicht darum, den Rat in dieser Diskussion zu bremsen, sondern es sei seine Aufgabe, den Rat auf den Öffentlichkeitsgrundsatz hinzuweisen. Der Öffentlichkeitsgrundsatz gebiete, dass die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt informiert sind, was im Gemeinderat besprochen wird. Wenn die Bürgerin oder der Bürger bei öffentlicher Bekanntgabe der Tagesordnung des Gemeinderates liest, dass es hier um die Umbildung eines Ausschusses geht, so könne sie oder er nicht annehmen, dass über die Frage sexistischer Darstellungen auf dem Volksfest gesprochen wird. Dieser Öffentlichkeitsgrundsatz sei nicht nur bloßes Ordnungsrecht, sondern eine zwingende Verfahrensvorschrift. Deswegen erinnere er hiermit daran, dass es für die Öffentlichkeit quasi unfair ist, wenn dieses Thema jetzt diskutiert wird, ohne dass es vorher ordnungsgemäß öffentlich bekanntgegeben worden wäre. Deswegen lautete sein Vorschlag im Ältestenrat auch, diese Diskussion an anderer Stelle zu führen und dazu entsprechend einzuladen und bekanntzugeben.

Für StR Winter kommen diese Einlassungen zur falschen Zeit, da man bereits über einen Geschäftsordnungsantrag auf Ende der Debatte abgestimmt habe und eine Mehrheit des Rates diese Debatte jetzt und an dieser Stelle führen will. Offensichtlich kenne der Oberbürgermeister die Beschlüsse und alle entsprechenden Bilder eben nicht. Es gehe nicht in irgendeiner Form um nackte Haut oder um Lust. Es gehe auch nicht um Zensierung oder um Geschmack. Es gehe um Menschenwürde, um die Diskriminierung von Frauen. Zutreffend sei, dass diese Bilder vor der Pandemie auch schon da waren. Vor drei Jahren sei es um einen anderen Fall gegangen, nämlich um ein rassistisches Bild. Damals habe man zunächst mit in.Stuttgart telefoniert und gefordert, dieses Bild zu entfernen, was auch passiert sei. Jetzt habe es zum wiederholten Male Fälle gegeben, auch mit Bildern, die man damals nicht gesehen hatte. Es gehöre nicht zu den Aufgaben von Stadträtinnen und Stadträten zu schauen, welche Bilder vor Jahren schon da waren, denn dies sei nicht ihre Aufgabe nach einem Grundsatzbeschluss zu diskriminierender und sexistischer Werbung und Darstellung, stellt der Stadtrat klar.

Darüber hinaus gehören solche Bilder auch nicht zum Interieur eines Familienfestes, welches der Oberbürgermeister gerne propagiere. Öffentlich zu behaupten, diese Beschlüsse des Ausschusses kämen einer Zensurbehörde gleich, "ein hoher Rat der Tugend- und Sittenwächter, der Inquisitoren, Diskriminierungsfahnder" und obendrein zu fragen, ob es nichts Wichtigeres gebe als das, sei eine Unverschämtheit. Es gehe um Menschenwürde und nicht um irgendetwas anderes. Insofern finde man diese Pressemitteilung absolut nicht in Ordnung und stelle die Frage nach dem Umgang mit dem Rat, wenn dieser Anträge stellt, die sachlich und thematisch absolut fachlich vorgetragen sind.

BM Fuhrmann informiert, der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen habe am 31.01.2020 über das Thema diskutiert aufgrund von zwei Fällen - dem sog. Eis-Mohren und der Mr. Bambuka Banana-Bar -, die damals recht unbürokratisch gelöst werden konnten. Es sei dann beantragt worden, die Zulassungsrichtlinien entsprechend zu verändern. Er habe damals dargestellt, dass aufgrund der Zulassungsrichtlinien, die damals galten und die auch heute noch gelten, laut Ziffer 305 im Prinzip all diese Punkte - rassistische, sexistische, homo- und transphobe, gewaltverherrlichende und andere menschenfeindliche Inhalte - zu untersagen sind. Er habe damals auch geprüft, ob diese Punkte in Ziffer 305 der Zulassungsordnung subsummiert werden können, was der Fall war. Deswegen habe man sich darauf verständigt, nicht die Zulassungsrichtlinien zu ändern, sondern diese Ziffer 305 als Gegenstand des Vertrages zu machen. Dies sei aus seiner Sicht selbstverständlich.

Er habe jedoch damals bereits darauf hingewiesen, dass es auch justiziabel sein muss. Dies bedeute: "Ich brauche einen straf- oder ordnungsrechtlichen Rahmen, unter dem ich dann diesen Tatbestand subsummiere und zu einem Ergebnis komme. Und dann habe ich auch die Handhabe, entweder im Rahmen des Zulassungsverfahrens oder dann später im Rahmen der vertraglichen Gestaltung entsprechend einzuschreiten". Alles andere wäre Willkür, wo es auch im Rahmen einer Zulassung vor Gericht keine Möglichkeit gäbe, einzuschreiten. Dies mache das Ganze extrem schwierig, da man ja einen straf- oder ordnungsrechtlichen Tatbestand eruieren und prüfen müsste im Vorfeld, fällt es darunter oder fällt es da nicht drunter. Die zwei auslösenden Fälle habe man zwar unbürokratisch lösen können, "aber schafft es die in.Stuttgart oder die Landeshauptstadt Stuttgart als Veranstalter, sämtliche Fahrgeschäfte, sämtliche Buden, sämtliche Darstellungen - teilweise waren die ja auch versteckt und gar nicht sichtbar - zu überprüfen?"

Wie damals zugesichert, prüfe die in.Stuttgart anhand von Lichtbildern im Bewerbungsverfahren, ob ein Zulassungshindernis besteht. Anhand der Lichtbilder, die der in.Stuttgart vorgelegen haben, wurden die jetzt monierten Fahrgeschäfte und Buden zugelassen. "Und dieses ist letztendlich die Frage, und das wollten wir eigentlich jetzt oder vielleicht auch später in einem Wirtschaftsausschuss mal diskutieren, um auch die Inhalte klarzumachen und zu definieren, was versteht man denn letztendlich unter straf- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen? Und welches sind möglicherweise nur Empfindungen, die der eine so empfindet, der andere so? Es geht ja nicht um die subjektive Empfindung, sondern um die Empfindung eines objektiven Dritten, wie er das versteht. Zumindest werden die Juristen immer anhand dieses Maßstabs das überprüfen, und das ist die Schwierigkeit."

Aus seiner Sicht sollte man jetzt versuchen, die Emotionalität aus der Diskussion zu nehmen. Die Verwaltung werde sich die angeprangerten Fälle anschauen. Dass die Fotos dieser Darstellungen zu einem Zeitpunkt entstanden sein müssen, als das Frühlingsfest noch gar nicht eröffnet war, gebe ihm zu denken. Wenn im Vorfeld gezielt danach gesucht wurde, sei auch dies in Ordnung, doch letztlich müsse man auch den von der Verwaltung angesetzten Maßstab - justiziabel, Straf- und Ordnungswidrigkeiten, Recht - berücksichtigen. Unter diesem Maßstab sei man der Ansicht gewesen, dass hier kein Einschreiten vonnöten war.

Mit Nachdruck erklärt OB Dr. Nopper, er sei gegen jedwede Art von Diskriminierung. Nach seiner Auffassung muss die Stadt einschreiten, wenn gegen das Straf- und Ordnungsrecht verstoßen wird. Keiner hier habe jedoch versichern können, dass es um Straftatbestände geht, um Verstöße gegen den § 185 Strafgesetzbuch (StGB) oder gegen § 130, § 131 StGB. Folglich scheine es auch um Fragen des guten Geschmacks und des Stils zu gehen.

StRin Meergans (SPD) betont, die Darstellungen seien diskriminierend, menschenverachtend und unwürdig. Nachdem OB Dr. Nopper offensichtlich eine ganz andere Wahrnehmung habe, solle er sich im Gleichstellungsbeirat vielleicht wirklich einmal mit den Themen auseinandersetzen, die dort behandelt werden, zumal die Abteilung Chancengleichheit gerade noch dem Organisationsbereich des Oberbürgermeisters zugeordnet sei. Erschreckend sei für sie auch, an dieser Stelle mit der Tradition zu argumentieren. Darüber hinaus habe sie insbesondere der Ton der Pressemitteilung gestört, denn eine gute Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat mache man mit solchen Verlautbarungen nicht. Nach vorne gedacht müsse der Rat sich mit den rechtlichen Schwierigkeiten, die BM Fuhrmann beschrieben hat, auseinandersetzen. Dies gelte auch für die Werbung, da es ganz offensichtlich noch keine Richtlinien gebe, die angemessen funktionieren. Man wolle sich auch nicht ständig Fotos angucken von irgendwelchen Ständen, um zu überlegen, ist das diskriminierend oder nicht. Die Richtlinien müssten so sein, dass es funktioniert und der Rat sich gar nicht damit beschäftigen muss. Dorthin müsse man kommen und dann im Gleichstellungsbeirat gemeinsam mit dem Oberbürgermeister auch darüber diskutieren.

StR Pantisano merkt an, es gebe viele Menschen in dieser Stadt, die nicht zum Frühlingsfest gehen aufgrund solcher Darstellungen und Bilder. Er selbst wolle seiner Tochter nicht erklären, warum sie aufgrund von Justiziabilität akzeptieren soll, dass sie als Frau im Jahr 2022 auf einer Schaubude in dieser Weise dargestellt wird. Dem Oberbürgermeister stehe es nicht zu, einstimmig gefasste Beschlüsse des Hauptorgans mit übergriffigen, respektlosen Worten zu diskreditieren wie er es nicht nur diesmal gemacht habe. In dieser Weise sei eine Zusammenarbeit über die nächsten Jahre nicht möglich und nicht vorstellbar. Aus seiner Sicht zeige die Debatte heute und die Wortbeiträge von OB Dr. Nopper, dass er sich bei den Themen Sexismus und Rassismus unbedingt Rat und Expertise holen muss, weil seine Position nicht für Stuttgart stehe. "In Ihrer Pressemitteilung haben Sie ganz klar Sexismus und sexuelle Gewalt gegen Frauen bagatellisiert! Die Stuttgarterinnen und Stuttgarter, die eine liberale Stadt wollen, die eine Stadt wollen, die leuchtet, für das Sie auch angetreten sind, schämen sich mittlerweile für ihren Oberbürgermeister und vor allem für diese Äußerungen, die Sie machen. Deswegen wünsche ich mir, dass Sie zukünftig anders agieren, vielleicht eine Nacht darüber schlafen, nicht die Bild-Zeitung zurate ziehen, mit Ihren Fachbürgermeistern sich unterhalten und dann erst sich äußern, bevor wir solche Debatten hier führen müssen."

OB Dr. Nopper erwidert, auf dem Frühlingfest habe am letzten Sonntag ein großes Gedränge geherrscht. Auch sei es das gute und verbriefte Recht des Oberbürgermeisters, sich politisch zu positionieren und politische Meinungsäußerungen zu machen, auch gegen die Position des Gemeinderates. Es möge sein, dass es unterschiedliche Wahrnehmungen gibt, doch nehme er die Debatte völlig anders wahr: Er spreche mit extrem vielen Leuten über dieses Thema und erfahre fast durchgehend Zuspruch zu seinen Aussagen.

StRin Ripsam (CDU) bringt ihr Erstaunen zum Ausdruck, beim Tagesordnungspunkt Umbildung Beirat für Gleichstellungsfragen in einer Diskussion zu landen, die rechtlich gar nicht in diesen Punkt gehört. Großes Verständnis hätte sie dafür gehabt, diesen Themenbereich im Gleichstellungsbeirat zu besprechen, so, wie dies auch 2016 bei der Diskussion um die Freier-Kampagne erfolgt sei. Sie erinnere sich an kein Thema, über das der Rat diskutiert hat und das nicht zum anstehenden Tagesordnungspunkt gehört hat. Daher plädiere sie dafür, sich an Recht und Ordnung zu halten.

Was die unterschiedlichen Betrachtungsweisen angeht, so sprächen die Zahlen eindeutig dafür, dass immer immens viele Menschen zum Cannstatter Wasen kommen, gleich ob Frühlingsfest oder Volksfest. Bisher habe niemand die große Diskussion aufgemacht, was auf diesen Buden abgebildet ist. Sie finde auch, dass die Gestaltung der Buden den Schaustellern überlassen bleiben sollte, solange es innerhalb des vom Wirtschaftsausschuss gesetzten Rahmens bleibt.

Erstaunt sei sie daher sehr darüber, "wie die grüne Fraktion hier den Moral-Apostel spielt". Sie verweist u.a. auf die Stadt Göttingen, wo auf Betreiben der Menschen an Sams- und Sonntagen im öffentlichen Schwimmbad z. B. "Baden oben ohne" zugelassen ist. Sie befürworte es, die Debatte heute zu beenden, da sie zu nichts führen werde, und stattdessen das Thema im Gleichstellungsbeirat ausführlich zu diskutieren.

Aus Sicht von StRin Yüksel (FDP) ist den Ausführungen von EBM Dr. Mayer, wonach der Öffentlichkeitsgrundsatz mit dieser Debatte verletzt wird, da dieses Thema nicht auf der Tagesordnung steht, eigentlich nichts hinzuzufügen. Dennoch frage sie sich, warum OB Dr. Nopper zuerst StR Pantisano die Möglichkeit gegeben hat, so lange zu einem Thema zu sprechen, was nicht auf der Tagesordnung steht und dann selbst auf dieses Thema einzugehen. Folglich könne man dann nicht erwarten, dass die anderen Fraktionen zu diesem Thema überhaupt nichts sagen. Eine stringentere Sitzungsleitung wäre zielführender gewesen.

Für sie stehe außer Frage, dass einige Abbildungen auf dem Frühlingsfest eindeutig sexistisch und auch diskriminierend sind, weswegen man sich fragen könne, warum sie überhaupt zugelassen wurden. In diesem Zusammenhang akzeptiere sie auch nicht Bagatellisierungen nach dem Motto, das sei immer schon so gewesen, das sei Kunst. Es handle sich nicht um folkloristische Skurrilitäten, sondern schlicht und einfach um Werbung. Im Hinblick auf Werbung und im Hinblick auf Sexismus und Diskriminierung in der Werbung liege eine Beschlusslage des Gemeinderats vor, deren Einhaltung nicht nur im Sinne des Oberbürgermeisters sein sollte, sondern für deren Umsetzung der Oberbürgermeister zuständig sei. Insoweit sei das Aufgreifen des Themas durch eine Fraktion im Rathaus vollkommen legitim. Die Wortwahl von OB Dr. Nopper in diesem Zusammenhang sei auch für ihre Fraktion nicht nachvollziehbar. Aufgrund der bestehenden Beschlusslage sehe man erst einmal keinen Handlungsbedarf, auch nicht aufseiten des Gemeinderates. Gerade deswegen verstehe sie nicht, warum das Thema bei einigen Fraktionen, aber auch aufseiten der Verwaltung derartig hochgeschaukelt wurde. "Ein einfacher Hinweis auf die Beschlusslage mit der Bitte, bei der Zulassung nächstes Mal die Beschlusslage zu berücksichtigen, hätte hier vollkommen ausgereicht. Insoweit sollten sich hier insgesamt alle Beteiligten im Ton etwas zurücknehmen und beim nächsten Volksfest schaut man einfach, dass die Zulassungsrichtlinien dann auch entsprechend tatsächlich berücksichtigt werden."

StRin Schumann (PULS) erklärt, schockiert von der heutigen Debatte zu sein und bereits gestern schockiert gewesen zu sein, als sie die Beiträge dazu lesen musste. Sie beschäftige sich viel mit dem Thema Sexismus und empfehle die Pilotstudie der alten Bundesregierung mit dem Titel Sexismus im Alltag zur Lektüre. Dort sei sehr genau untersucht worden, wie Männer und Frauen in Deutschland das Thema Sexismus bewerten und auch erleben und empfinden im Alltag. Gut ein Drittel der Männer könne Sexismus regelmäßig beobachten in der Werbung, häufiger noch in anderen Fällen. Auch ein Drittel der Frauen nehme das deutlich wahr. Ein Drittel sei aus ihrer Sicht nicht wenig. Die Frauen und Männer beschreiben dabei relativ durchgängig, dass Sexismus eine Herabwürdigung des Einzelnen darstellt aufgrund des Geschlechts. Genau dies liege vor bei sehr vielen Fahrgeschäften und Schausteller-Werbungen, die auf dem Volksfest zu sehen sind, und zwar nicht erst seit gestern, sondern zumeist jahrzehntelang bereits. Allerdings treffe es nicht zu, dass dies nicht kritisiert wurde in der Zeit. Allein im Rat sei dies mehrfach und ungefähr jährlich kritisiert worden, nämlich immer, wenn diese Feste stattfinden.

Gegenüber StRin Ripsam bestätigt sie, oben ohne baden sei eine feministische Errungenschaft, es sei eine Selbstbestimmungsfrage und keine Sexismusfrage, weil der Entschluss selbstbestimmt gefasst werde und niemand dabei auf irgendein Objekt reduziert werde. Fragwürdig finde sie auch, dass das Thema angeblich nichts zu tun haben soll mit dem, was auf der Tagesordnung steht. Es zeige, dass in den Gremien noch nicht genug debattiert wurde zum Sexismus und ein Beirat für Gleichstellungsfragen augenscheinlich nicht ausreiche, um diese Debatte zu führen. In der eingangs von ihr erwähnten Studie werde ausdrücklich gesagt, es brauche eine breite gesamtgesellschaftliche Debatte über alle Ebenen hinweg. Umso wichtiger sei es, dass dann ein Oberbürgermeister sich auch öfters mit diesem Teil der Stadtgesellschaft befassen sollte. "Sie sind, wie Sie gehört haben, herzlich willkommen im Beirat für Gleichstellungsfragen!"

Der Vorsitzende stellt erneut klar, er sei dezidiert gegen Sexismus, aber bei der Frage der Bewertung und der Beurteilung von Standmotiven auf dem Frühlings- oder Volksfest sei aus seiner Sicht das Straf- und Ordnungsrecht der Maßstab und nicht die Vorstellung eines Gremiums von gutem Geschmack oder gutem Stil.

StR Goller (AfD) klärt zunächst über den Unterschied von Inquisition und Inquisitor auf und begründet, warum in diesem Zusammenhang nicht von Inquisition geredet werden sollte. Ihm ist unklar, was Darstellungen auf Buden zu tun haben sollen mit Sexismus, der ja eine Herabwürdigung des Einzelnen sei. Darstellungen von Menschen, die hier und da entblößt sind, seien so alt wie die Menschheit. Auch gebe es Organisationen wie den Islamischen Staat, "die so etwas in die Luft sprengen und auf der ganzen Welt abschaffen wollen, weil es nicht ihrer Ideologie entspricht". Hinweisen könne er außerdem darauf, dass die letzten Male in Deutschland nicht justiziable Abweichungen eines Kunst- und Ästhetikverständnisses unter totalitären Regimen stattfanden. Es bleibe noch zu sagen, "wer die laienhafte Darstellung von blanker Haut auf einer Schaustellerbude oder von Angehörigen anderer Kulturkreise als menschenverachtend und damit als Ermächtigung zu seiner Meinungshoheit bemüht, der macht sich für den sachlichen Diskurs unmöglich und der verspottet und verhöhnt alle echten Fälle von Menschenverachtung weltweit. Sie sollten sich schämen für diese scheinheilige, verlogene Debatte!"

StR Körner (SPD) merkt an, zum Thema Sexismus sei für heute alles gesagt. Als Gemeinderat erwarte er, dass die Verwaltung dafür sorgt, dass auch auf dem Wasen keine sexistischen Bilder gezeigt werden. Deshalb müsse man für die Zukunft eine bessere Lösung finden als momentan. Wichtig ist ihm, sich zum Verhältnis Oberbürgermeister-Gemeinderat zu äußern, da er davon ausgehe, dass es häufiger zu unterschiedlichen Meinungen zwischen der Mehrheit im Gemeinderat und OB Dr. Nopper kommen wird. Dies gehöre zur Demokratie und sei völlig in Ordnung, auch, wenn der Oberbürgermeister diese unterschiedlichen Meinungen öffentlich macht. Warnen wolle er jedoch davor, "dass Sie zugespitzte gesellschaftliche Diskussionen dazu nutzen, um den Gemeinderat als Ganzes zu diskreditieren." Er bittet darum, den Gemeinderat insgesamt als Institution nicht in dieser Weise zu diskreditieren und den demokratischen Disput in einer respektvollen Art und Weise zu führen, wenn es Dissens gibt.

Er akzeptiere diese Bitte und nehme die Anregung an, so OB Dr. Nopper. "Es war und ist nicht meine Absicht, den Gemeinderat als Ganzes zu diskreditieren, auch nicht einzelne Gruppierungen zu diskreditieren." Es müsse aber in der politischen Auseinandersetzung auch mal möglich sein, pointiert und zugespitzt seine Position zu äußern, ohne dass dies gleich als Diskreditierung wahrgenommen wird.

Für StRin Sklenárová besteht Einigkeit dahingehend, dass Diskriminierungsschutz eine städtische Aufgabe ist und es dazu auch eine entsprechende Beschlusslage gibt. Sie berichtet, in den letzten Tagen auf dem Frühlingsfest unterwegs gewesen zu sein und im Gespräch mit dem Schaustellerverband zu sein. Einig sei man sich mit dem Schaustellerverband über das gemeinsame Ziel, auf dem städtischen Fest eine positive Atmosphäre für alle Menschen schaffen zu wollen. Dazu gehöre auch ein diskriminierungsfreier Raum. Es habe sich in den Gesprächen gezeigt, dass die Schausteller*innen und auch der Vorsitzende des Verbands sehr gesprächsbereit sind und durchaus Verständnis haben für das Antragsanliegen. Damit seien diese weiter als der Oberbürgermeister. Sie komme daher auf die schon 2020 im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen geäußerte Bitte zurück, Fortbildungen für die Stadtverwaltung anzubieten, damit eine Sensibilisierung für die Themen Sexismus und Diskriminierung auf allen Ebenen und auch an der Verwaltungsspitze erfolgt. Er werde gerne an Fortbildungskursen aller Art gemeinsam mit dem Gemeinderat teilnehmen, sagt OB Dr. Nopper zu.

StR Rockenbauch (FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) bittet den Oberbürgermeister, nochmals zu überdenken, die Gleichstellungsstelle an ein anderes Referat abzugeben, denn dann hätte er in seiner unmittelbaren Nähe jemanden, der ihm bei solchen Fragen helfen kann. Wenn diese Querschnittsaufgabe im Zuständigkeitsbereich des Oberbürgermeisters verbleibt, wäre dies vielleicht ganz im Sinne des Fortbildungsgedankens von Nutzen, und so wäre die gute Lösung für Stuttgart gefunden.



OB Dr. Nopper lässt abschließend über die GRDrs 210/2022 abstimmen und stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt.
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