Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
16
3
VerhandlungDrucksache:
224/2012
GZ:
StU
Sitzungstermin: 28.02.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Gallmeister
Betreff: Erhaltungssatzung gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zur Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Gebiet Nordbahnhof-, Mittnacht- u. Rosensteinstraße in S-Nord

Vorgang:

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 18.12.2012, nicht öffentlich, Nr. 599
Ergebnis: Einbringung

Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 01.02.2013, öffentlich, Nr. 11
Ergebnis: einmütige Zustimmung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 26.02.2013, öffentlich, Nr. 67
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Städtebau und Umwelt vom 05.12.2012, GRDrs 224/2012, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Erhaltungssatzung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB

Zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung wird für das in
Anlage 2 näher bezeichnete Gebiet Nordbahnhofstraße, Mittnachtstraße und Rosensteinstraße in Stuttgart-Nord folgende Satzung erlassen.


§ 1 Satzungsziel, räumlicher und sachlicher Geltungsbereich

(1) In dem in Abs. 2 näher bezeichneten Gebiet bedürfen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung der Abbruch, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB der Genehmigung.

Von der Genehmigungspflicht ausgenommen sind Vorhaben auf den in § 26 Nr. 2 und 3 BauGB bezeichneten Grundstücken (§ 174 Abs. 1 BauGB).

Eine Genehmigungs-, Zustimmungs- oder Erlaubnispflicht nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.

(2) Der Geltungsbereich der Satzung wird im Wesentlichen umgrenzt von Eckartstraße, Nordbahnhofstraße, Rosensteinstraße, Schlierholzweg, Steinbeisstraße und Rümelinstraße.

Maßgebend ist der Lageplan des Amts für Stadtplanung und Stadterneuerung vom 16. April 2012.

§ 2 Antragstellung

Der Antrag auf Genehmigung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist bei der Landeshauptstadt Stuttgart zu stellen. Insoweit Vorhaben auch bauaufsichtlich antragsrelevant sind, wird diese Genehmigung gemäß § 173 Abs. 1 BauGB zusammen mit der Baugenehmigung erteilt.

§ 3 Inkrafttretung, Geltungsdauer

(1) Die Satzung tritt am Tag nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung in Kraft.

Hinweise:

Um zu verhindern, dass während des Zeitraums bis zum Inkrafttreten der Erhaltungssatzung die Erhaltungsziele des § 172 BauGB unterlaufen werden, regelt § 172 Abs. 2 BauGB eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 1 BauGB. Danach können Anträge auf Abbruch, Änderung, Nutzungsänderung oder Errichtung einer baulichen Anlage auf die Dauer von bis zu zwölf Monaten zurückgestellt werden.

Wer eine bauliche Anlage in dem durch die Satzung bezeichneten Gebiet ohne die erforderliche Genehmigung abbricht oder ändert, handelt gemäß § 213 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann gemäß § 213 Abs. 2 BauGB mit einer Geldbuße bis zu 25 000 € geahndet werden.


2. Allgemeines Vorkaufsrecht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB

Für den Fall einer Weiterveräußerung von Teilen des Wohnungsbestands im Erhaltungsgebiet wird die Stadt auf der Grundlage einer Beurteilung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 BauGB gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB i. V. m. Abs. 2 und Abs. 3 BauGB ein allgemeines Vorkaufsrecht ausüben, sofern die Gefahr besteht, dass Modernisierungs- und Umwandlungsmaßnahmen und damit einher gehende Mietpreiserhöhungen zu einer sozialen Destabilisierung führen können.

Die jeweiligen Käufer können eine Verpflichtungserklärung zur Abwendung des Vorkaufsrechts gemäß § 27 BauGB abgeben und so die Ziele zur Erhaltung von (knappem) preisgünstigem Wohnraum für die ansässige Bevölkerung zu erreichen. Die Abwendungserklärung beinhaltet insbesondere den Verzicht

- auf eine Umwandlung des Objekts in Wohn- und Teileigentum,

- auf Nutzungsänderung,

- auf "Luxusmodernisierungen",

- auf Neuvermietungen an Mieterhaushalte, deren Einkommen über den Grenzen der städtischen Wohnbauförderung liegen. Maßgebend sind die jeweiligen Einkommensgrenzen des Programms: "Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher". Die derzeitigen Einkommensgrenzen sind aus der
Anlage 3 ersichtlich.

Im Gegenzug verzichtet die Stadt auf die Ausübung ihres Vorkaufsrechts.

Auf dem Weg des Vorkaufsrechts erworbene Grundstücke sind gem. § 89 Abs. 3 BauGB bei Erfüllung des Erwerbszweckes wieder zu veräußern (Reprivatisierung).


Pläne zu der im Betreff genannten Angelegenheit sind im Sitzungssaal ausgehängt.


StR Pätzold (90/GRÜNE) kündigt die Zustimmung seiner Fraktion zur Vorlage an, die dazu diene, die im Nordbahnhofviertel lebende Wohnbevölkerung und den bezahlbaren Wohnraum zu schützen, soweit dies gesetzlich möglich sei. Der Schutz der bestehenden Wohnbevölkerung sei auch angesichts der Entwicklung des Rosensteinviertels von Bedeutung, wo eine deutliche Aufwertung stattfinden werde.

Grundsätzlich halte es seine Fraktion nicht für die Aufgabe des Gemeinderats, entsprechende Zusammensetzungen der Bevölkerung in einzelnen Stadtteilen per Beschluss oder per Verordnung zu fixieren oder zu verändern, erklärt StR Kotz (CDU). Nach Meinung seiner Fraktion solle dies eine freie Entscheidung der entsprechenden Mieter oder Eigentümer sein. Aufgrund der besonderen Situation des Nordbahnhofviertels werde seine Fraktion unter Zurückstellung von Bedenken der Vorlage aber zustimmen.

Wie im Ausschuss für Umwelt und Technik erinnert StRin Dr. Blind (SPD) an einen Antrag ihrer Fraktion vom Dezember 2011 zur Aufstellung einer Erhaltungssatzung für das Nordbahnhofviertel. Der Antrag habe zum Ziel gehabt, dass keine Verdrängung der heutigen Wohnbevölkerung stattfindet und dass es weiterhin preiswerten Wohnraum im Nordbahnhofviertel geben soll. Ihre Fraktion freue sich deshalb, dass jetzt die Erhaltungssatzung beschlossen werden soll und dass es auch ein allgemeines Vorkaufsrecht geben wird. Damit könne die Stadt dafür sorgen, dass in dem Gebiet keine Umwandlung in Teileigentum, keine Nutzungsänderungen und keine Luxusmodernisierungen stattfinden.

StR Fahrion (FW) erinnert daran, dass die Stadt im Bieterverfahren um die LBBW-Wohnungen nicht zum Zuge gekommen ist und die Wohnungen jetzt bei einem anderen Konzern angesiedelt sind, der bisher doch einen sehr sozialen Eindruck gemacht habe. Seine Fraktion vertrete die Meinung, dass nicht in Privateigentum eingegriffen werden sollte. Seine Fraktion werde der Erhaltungssatzung heute nicht zustimmen.

Bei Betrachtung der Vorlage könne festgestellt werden, dass das Ziel, die Mietpreise niedrig zu halten, verfehlt werde, bemerkt StR Conz (FDP). Auch das Bestreben, den freien Verkauf von Wohnungen zu verhindern, könne nicht erfüllt werden. Die FDP-Gemeinderatsfraktion werde sich bei der Abstimmung über die Vorlage der Stimme enthalten, kündigt StR Conz an.

StR Stocker (SÖS und LINKE) macht darauf aufmerksam, dass seine Fraktionsgemeinschaft vor einem Jahr ebenfalls beantragt hat, eine Erhaltungssatzung für das Nordbahnhofviertel zu erlassen. Nachdem die Verwaltung im vergangenen Jahr mitgeteilt habe, dass eine entsprechende Vorlage in Arbeit sei, freue sich die SÖS und LINKE-Fraktionsgemeinschaft, dass die Vorlage heute zur Abstimmung steht und werde ihr zustimmen.


Abschließend stellt OB Kuhn fest:

zum Seitenanfang