Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales und gesellschaftliche Integration
Gz: SI
GRDrs 42/2022
Stuttgart,
02/21/2022



Beitritt der Landeshauptstadt Stuttgart in das globale Netzwerk Age-friendly Cities and Communities der Weltgesundheitsorganisation (WHO)



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
07.03.2022
10.03.2022



Beschlußantrag:

1. Die Landeshauptstadt Stuttgart tritt dem globalen Netzwerk der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für altersfreundliche Städte und Gemeinden bei.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, die Voraussetzungen einer Aufnahme zu klären und den Beitritt einzuleiten.

3. Die Leitung der Strategischen Sozialplanung, Referat Soziales und gesellschaftliche Integration ist die Kontaktperson für die WHO und übernimmt die Geschäftsführung.

4. Die Landeshauptstadt Stuttgart wird prozesshaft und beteiligungsorientiert einen Aktionsplan entwickeln, Maßnahmen erarbeiten und umsetzen sowie ihre Erkenntnisse mit anderen Mitgliedern des Globalen Netzwerks teilen.



Begründung:



1. Grundlagen der Age-friendly Cities and Communities

Die Initiative Age-friendly Cities and Communities (AFC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ein globales Netzwerk, das im Jahr 2010 gegründet wurde. Inzwischen sind darin 1.114 Städte und Gemeinden aus 44 Ländern vertreten (WHO, Januar 2022). Während in Europa schon über 100 Städte unterschiedlicher Größe beigetreten sind, u.a. Stockholm, London, Straßburg, Bern, ist in Deutschland bislang ausschließlich die Stadt Radevormwald (Nordrhein-Westfalen) Mitglied. Aktuell klären u. a. Hamburg und Münster einen Beitritt und haben Interesse an einer Zusammenarbeit.

Grundlage des Netzwerks ist der Ansatz der WHO, Altern als einen lebenslangen und aktiven Prozess zu begreifen. Ältere Menschen werden als Ressource für ihre Familien, die Kommunen und die Wirtschaft gesehen, wenn sie selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Ihre Teilhabe ist jedoch abhängig von bestehenden Strukturen bzw. einer altersfreundlichen Gestaltung der Kommune. Deshalb unterstützt das Netzwerk Städte und Gemeinden in der Planung und Umsetzung altersfreundlicher und damit auch generationenfreundlicher Strukturen. So kann das Potenzial älterer Menschen für die Gesellschaft erschlossen werden.

Acht gesellschaftliche Bereiche beeinflussen die Lebensqualität und Teilhabe älterer Menschen (vgl. Anlage 1: Age-friendly Cities und Communities):

- Soziale Inklusion und Nicht-Diskriminierung
- Partizipation
- Bürgerschaftliches Engagement
- Kommunikation und Information
- Kommunale Dienstleistungen und Gesundheitsleistungen
- Gestaltung des öffentlichen Raums
- Verkehr und Mobilität
- Wohnen

Eine altersfreundliche Stadt wird durch die bewusste Gestaltung dieser Bereiche umgesetzt. Die Mitglieder des Netzwerkes verpflichten sich grundlegend den differenzierten Bedürfnissen älterer Menschen eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken (vgl. WHO 2015: Global Age-Friendly Cities: A Guide).

Der Beitritt der Landeshauptstadt Stuttgart in das globale Netzwerk Age-friendly Cities and Communities der WHO hat über eine formale Bewerbung zu erfolgen.

Mit dem Beitritt soll ein nachhaltiger Prozess beginnen, der die Lebenssituation von älteren Menschen in der Stadt verbessert und eine Stadtentwicklung anstrebt, die altersfreundlich ist. Dabei sind die Diversität und die unterschiedlichen Bedürfnisse der älteren Generation einzubeziehen. Einzubinden sind die Stadtverwaltung und die Politik, Einwohner*innen und Interessensvertretungen sowie weitere Partner der Stadtgesellschaft und der Wohlfahrtspflege.


2. Grundlegende Situation in der Landeshauptstadt Stuttgart

Die Landeshauptstadt Stuttgart bringt wichtige Grundlagen mit, um sich dem Globalen Netzwerk Age-friendly Cities and Communities anzuschließen.

Auch in Stuttgart ist die demografische Entwicklung eine Herausforderung.

Im Jahr 2000 leben 131.953, 2010 bereits 137.042 Personen ab dem 60. Lebensjahr in Stuttgart (vgl. Statistisches Amt Stuttgart, Komunis, Tabelle Nr. 893, Jahrbuchtabelle).
Die Anzahl und der Anteil der alten und hochaltrigen Einwohner*innen nehmen zu, auch bei sinkenden Einwohnerzahlen.

Tabelle: Einwohner*innen ab 60 Jahren in der Landeshauptstadt Stuttgart

JahrEinwohner*innen
gesamt
Einwohner*innen
60 Jahre und älter
2016
609.220
139.949
2017
611.665
140.769
2018
614.365
141.660
2019
614.599
142.555
2020
608.260
143.852
2021
603.713
144.710

(Quelle: Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt)

Die Entwicklung schlägt sich auch in den Stadtbezirken nieder. Im Jahr 2019 sind stadtweit 18 % der Einwohner*innen 65 Jahre und älter. Der Anteil dieser Altersgruppe zieht sich bis zu 24,4 % in S-Mühlhausen, 25,2 % in S-Botnang und 26,4 % in S-Sillenbuch (vgl. Statistisches Amt, Datenkompass Stadtbezirke Stuttgart, Ausgabe 2019/2020).

Auch in der Pflege wird die Zunahme deutlich. Die Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf ist eine zentrale Herausforderung in Stuttgart. Eine hohe Versorgungssicherheit bieten stationäre Pflegeinrichtungen, Pflegewohngemeinschaften und das pflegenahe Wohnen. In Stuttgart werden in diesen Versorgungsbereichen 5.090 Pflegeplätze angeboten (Stand: Dezember 2021). Bis zum Jahr 2030 wird ein Bedarf von insgesamt 6.850 Langzeitpflegeplätzen, gerade aufgrund des demografischen Wandels prognostiziert: Es besteht ein Fehlbedarf von 1.760 Pflegeplätzen (vgl. GRDrs 109/2019 „Kreispflegeplanung 2030 – Fortschreibung“).

Durch den Ausbau von ambulanten Beratungs- und Unterstützungsstrukturen (Pflegestützpunkte, Entlastungsangebote nach § 45 SGB XI, Tagespflegeangebote etc.) konnte der Anteil der Pflegebedürftigen, die eine stationäre Versorgung in Anspruch nehmen, gesenkt werden: Im Jahr 2009 wurden 39,2 % aller pflegebedürftigen Menschen in Stuttgart stationär versorgt, im Jahr 2019 24,7 % (Zahlen: Sozialamt Stuttgart).

Dieses umfassende Angebot im Vor- und Umfeld der Pflege, soziale Unterstützungsangebote und städtische Programme zum altersgerechten und barrierefreien Umbau von Wohnraum sind eine wichtige Basis einer altersfreundlichen Stadt. Städtische Beratungsangebote für ältere Menschen (wie der Bürgerservice Leben im Alter des Sozialamtes), Projekte des Sozialamtes, des Gesundheitsamtes und der Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen unterstützen u. a. Gesundheit und Teilhabe.

In der Stadt Stuttgart gibt es zudem aktive Partner, wie die Träger der Wohlfahrtspflege, das Netzwerk Demenz, die Bürgerstiftung, die über ihre Angebote die Lebenssituation der älteren Stuttgarter*innen verbessern.

Auf dieses stadtweite Netzwerk kann zurückgegriffen werden, um aufbauend und prozesshaft eine altersfreundliche Kommune zu gestalten, deren Bedingungen über Bereiche Soziales und Gesundheit hinausgehen und aktiv auch neue Partner einbeziehen.

Für die WHO ist die Beteiligung älterer Menschen und die Einbindung ihrer Erfahrungen sehr wichtig. Mit dem Stadtseniorenrat, der seit 1992 als Interessenvertretung der älteren Generation von der Landeshauptstadt Stuttgart anerkannt ist, gibt es eine verbindliche Struktur, die durch weitere Interessensvertretungen, insbesondere den städtischen Beirat für Menschen mit Behinderung sowie durch Befragungen von Älteren zu ergänzen ist.

Die Landeshauptstadt Stuttgart ist zudem bereits seit 1998 Mitglied im deutschlandweiten „Gesunde-Städte-Netzwerk“ der WHO und hat damit gute Erfahrungen gemacht. Auch mit diesem Netzwerk und der Kommunalen Gesundheitskonferenz wird im Prozess eng zusammengearbeitet.

Die demografische Entwicklung, die vorhandenen Grundlagen der Infrastruktur und der stadtweiten Vernetzung begründen den Beitritt der Stadt in das globale Netzwerk zur Weiterentwicklung einer altersfreundlichen und damit auch generationengerechten Stadt.


3. Prozess- und beteiligungsorientiertes Vorgehen

Mit dem Beitritt in das Netzwerk Age-friendly Cities and Communities erklärt die Stadt Stuttgart ihre Motivation zur Erstellung eines Aktionsplanes, der beteiligungsorientiert und sektorenübergreifend ausgerichtet ist. Der Beitritt ist formal bei der WHO, u.a. mit einem Beschluss des Gemeinderates zu beantragen.

Mit dem Eintritt in das Netzwerk Age-friendly Cities and Communities sind keine finanziellen Auswirkungen verbunden.

Nach der Aufnahme der Landeshauptstadt Stuttgart in das Globale Netzwerk der WHO wird über das weitere Vorgehen und die zeitlichen Dimensionen berichtet.

Grundlegend werden die Planung und die Erstellung des Aktionsplanes beteiligungsorientiert und prozesshaft ausgerichtet. Nach dem Beitritt soll ein Planungsgremium mit Stadtverwaltung, Selbstvertretung und anderen sozialen Akteuren, wie Liga der Wohlfahrtspflege Stuttgart, Stiftungen die acht Bereiche des Programms bewerten (vgl. Anlage 1: Age-friendly Cities and Communities). Veränderungsbedarfe zeigen sich dann auf, wenn Strukturen in diesen Bereichen nicht altersfreundlich, nicht zugänglich oder nicht vorhanden sind. Grundsätzlich soll aber jeder Bereich in einer umfassenden Beteiligungsstruktur mit Älteren und Akteuren der Stadtverwaltung und Stadtgesellschaft bewertet werden. Spezifische Maßnahmen werden abgleitet und umgesetzt, spezifische Ansätze von Ämtern und Trägern, Stiftungen etc. eingebunden.

Die Umsetzung der Maßnahmen und ihre Wirksamkeit werden begleitet und evaluiert.

Der Gemeinderat wird in den Prozess des Aktionsplans einbezogen und informiert.

Maßnahmen für die altersfreundliche Stadt Stuttgart werden bei einem notwendigen Finanzierungsbedarf regelmäßig in die städtischen Haushaltsplanberatungen eingebracht.

Für den Stuttgarter Ansatz der AFC werden ein Logo und ein medialer Auftritt entwickelt.

Die Zusammenarbeit und Abstimmung mit anderen Mitgliedern des Netzwerkes wird aufgenommen.

Mit dem Beitritt werden Themen, wie die Zunahme der älteren Bevölkerung und des generationengerechten Zusammenlebens in der Landeshauptstadt Stuttgart in den Blick genommen. Wichtig ist die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung in der Stadtverwaltung. Dies umfasst die bewusste Vernetzung von bestehenden Ansätzen in der Stadtverwaltung, mit Partnern der Wohlfahrtspflege und Initiativen der Zivilgesellschaft und die gemeinsame Weiterentwicklung einer altersfreundlichen Stadt.



Finanzielle Auswirkungen

--



Beteiligte Stellen

Die Referate AKR, WFB, SOS, JB, SWU und T haben die Vorlage mitgezeichnet.

Vorliegende Anträge/Anfragen

Antrag 1384/2021 (07.12.2021): Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, FDP-Gemeinderatsfraktion und PULS Fraktionsgemeinschaft




Dr. Alexandra Sußmann
Bürgermeisterin


Anlagen

1 Age-friendly Cities and Communities

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