Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
598/2022
GZ:
OB
Sitzungstermin: 15.12.2022
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Strategische Ziele für die Stadtwerke Stuttgart GmbH und Betrauung der Energiedienste der Landeshauptstadt Stuttgart GmbH

Vorgang: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 09.12.2022, öffentlich, Nr. 198
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 02.12.2022, GRDrs 598/2022, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Gemeinderat stimmt der strategischen Neuausrichtung der Stadtwerke Stuttgart GmbH sowie den unter Punkt 2 sowie der Anlage 1 dargestellten ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielvorgaben zu.

2. Die Landeshauptstadt Stuttgart betraut die Energiedienste der Landeshauptstadt Stuttgart GmbH mit der Erbringung der in Anlage 2 dargestellten Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) im Gebiet der Landeshauptstadt Stuttgart.


OB Dr. Nopper führt mit folgenden Worten ins Thema ein:

"Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir wollen 142 Tage nach dem gemeinderätlichen Beschluss zur Klimaneutralität mit unseren Stadtwerken ein neues Zeitalter einläuten. Wir wollen einen Quantensprung in Richtung Energiewende machen. Wir wollen unsere Energieversorgung stärker in die eigene Hand nehmen und mit einem gewaltigen Kraftakt auf erneuerbare Energien umstellen. Die Stadtwerke sollen von allen Akteuren in unserer Stadt in Sachen Klima-neutralität den stärksten Einzelbeitrag zur Klimaneutralität leisten. Anders formuliert: Die Stadtwerke spielen in Sachen Klimaneutralität in Stuttgart die Hauptrolle. Mit den Maßnahmen bei den Stadtwerken und durch die Stadtwerke sollen bis zum Jahr 2035 bis zu 25 % der gesamten CO2-Emissionen in unserer Stadt eingespart werden.

Dieses sehr ambitionierte CO2-Reduktionsziel soll durch folgende Maßnahmen erreicht werden: 1,7 Terrawattstunden (TWh), und damit annähernd die Hälfte des Stuttgarter Stromverbrauchs, sollen ab dem Jahr 2035 jährlich durch die Stadtwerke aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. 40.000 Wohnungen, und damit jede achte Stuttgarter Wohnung, sollen klimaneutral mit Wärme versorgt werden. 14.000 Ladepunkte für E-Fahrzeuge sollen errichtet werden, was im Vergleich zum heutigen Bestand eine Verzehnfachung wäre. Alle Umwelt-Wärmequellen im Stadtgebiet sollen erschlossen werden - aus Abwasser, Luft, Erde und, wenn möglich, auch aus Neckar und Nesenbach. Alle Ladesäulen und Wärmeerzeugungsanlagen sollen mit 100 % Ökostrom aus Eigenerzeugung betrieben werden. Um diese Maßnahmen umsetzen zu können, sollen die Stadtwerke bis zum Jahr 2035 über 3 Mrd. € investieren. Diese Investitionen sollen über Fördermittel, Kredite und Eigenkapital finanziert werden. Der Eigenkapitalbedarf erhöht sich nach den vorliegenden Schätzungen auf 300 Mio. €, 100 Mio. € hat der Gemeinderat bereits bewilligt. Die Beschäftigtenzahl soll von derzeit 100 auf 450 Beschäftigte im Jahr 2026 anwachsen und damit mehr als vervierfacht werden. In allen Bereichen, mit Ausnahme von leitungsgebundenen Wärmeprojekten, werden wirtschaftlich positive Ergebnisse, werden Überschüsse angestrebt. Im Wärmesektor sind nur sehr schwer kostendeckende Lösungen darstellbar. Wir erwarten diesbezüglich Fördermittel von Bund und Land.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, von den Stadtwerke-Maßnahmen gehen auch ganz konkrete Vorteile für die Verbraucherinnen und Verbraucher aus. Sie erhalten sowohl ökologische als auch bezahlbare Wärmelösungen, sie können energieautark werden und sie können mit stabilen und planbaren Energiekosten rechnen. Soweit von meiner Seite."

StRin Fischer (90/GRÜNE) sieht die Stadtwerke Stuttgart (SWS) auf dem richtigen Kurs, denn sie trauen sich zu, den CO2-Ausstoß in Stuttgart um rund 20 % nach unten zu drücken. Dies sei auch bitter nötig, denn der Beschluss des Gemeinderats vom Juli 2022, wonach Stuttgart bereits in zwölf Jahren klimaneutral sein soll, sei äußerst ambitioniert. Es müsse folglich schnell Fahrt aufgenommen werden. Nach dem Kohleausstieg beschleunige der russische Angriffskrieg die Wärmeerzeugung ohne Gas. Dass der Ersatzstoff Strom ist, mache den komplexen CO2-Ausstieg nicht einfacher, weil der wachsende Strombedarf mit regenerativ erzeugter Ware gedeckt werden müsse. Das heute zur Abstimmung stehende Strategiepapier zeige aus Sicht ihrer Fraktion nachvollziehbare Perspektiven auf, an welchen Stellschrauben im Strom-, Wärme- und im Verkehrsbereich die SWS drehen können und müssen, damit alle Kund*innen mit regenerativ erzeugtem Strom versorgt werden und die lokalen Wärmequellen maximal angezapft werden können und die SWS Marktführer bei der Landeinfrastruktur werden. Die entwickelten Strategien und Maßnahmen erscheinen ausreichend hinterlegt, sodass die Realisierung wahrscheinlich, wenngleich sehr ambitioniert sei. Der Dank der GRÜNEN gehe an Herrn Drausnigg und sein Team bei den Stadtwerken, an die Energiedienste Stuttgart (EDS), an die Stuttgart Netze und an alle, die in der Verwaltung daran mitgewirkt haben.

Die erforderlichen Mittel habe der Rat bereitgestellt. Nun komme es darauf an, dass ausreichend qualifiziertes Personal gewonnen werden kann, damit die Vorhaben zielgerichtet und ohne Verzögerung umgesetzt werden. Dafür liege die Verantwortung aber nicht nur bei den Stadtwerken selbst, sondern neben dem Gemeinderat auch bei der gesamten Stadtverwaltung. Man sei gespannt darauf, ob die Wilhelma ihren enormen Energieverbrauch einmal aus dem Neckar decken kann, und darauf, wann die Mehrzahl der Stuttgarter Dächer blau sein werden. Auch sei man gespannt darauf, in welche Windenergieanlagen die Stadtwerke investieren können - "etwa doch auf Stuttgarter Gemarkung oder gar Offshore?" Daran erkenne man bereits, welche Konflikte anstehen. Ihre Fraktion hoffe, "dass der Rat dabei zusammensteht und alles unterstützt, was uns dem gesetzten Ziel näherbringt". Da man optimistisch gestimmt sei, freue man sich schon darauf, dass das von den SWS beeinflussbare Minderungspotenzial an den Gesamtemissionen 2035 tatsächlich erreicht wird, und wünsche dabei viel Erfolg.

StR Kotz (CDU) unterstreicht, mit der heutigen Beschlussfassung werde der dritte, ganz große Meilenstein in der noch jungen Geschichte der SWS gesetzt, denn die Festlegung der strategischen Ziele sei entscheidend für das Thema des Wachstums der Stadtwerke Stuttgart - sowohl was Investitionen als auch den Aufwuchs an Mitarbeitenden angeht. Aus dem breiten und vielfältigen Themenspektrum greift er drei Punkte heraus, die der CDU-Gemeinderatsfraktion hier besonders wichtig seien: "Die Stadtwerke sollen und müssen erstens die Aufgaben wahrnehmen in Stuttgart, die eigentlich kein anderer wahrnehmen kann." Er denke dabei an Nahwärmenetze, an Großwärmepumpen-Anlagen, die Gebäudeversorgung in Gebieten, wo nicht Einzellösungen für jedes Gebäude sinnvoll oder machbar sind. Hierfür bedürfe es eines gemeinsamen Mitspielers, jemand, der auch mit der Investition erstmal ins Risiko geht, um Angebote zu machen und dann Kunden, gerade auch im Wärmebereich, zu generieren.

"Zweitens sollen die SWS durchaus auch dort investieren, wo Geld verdient werden kann." Es könne nicht sein, dass die Stadtwerke Energiesparten, wo vielleicht sehr schnell Renditen erwirtschaftet werden können (Photovoltaik und Wind), allein anderen Investoren überlassen. "An der Stelle, wo man für das Klima was Gutes tun kann, für regenerative Energieerzeugung was tun kann und damit Geld verdient, auch dort müssen unsere Stadtwerke aktiv sein."

Drittens müsse man trotz aller verständnisvoller Euphorie, "dass wir unser Stadtwerk und unsere Klimaneutralität in Stuttgart natürlich gut managen wollen, gut vorankommen wollen, schauen, dass wir nicht das große Ganze aus dem Blick nehmen". So stelle er infrage, ob es immer die richtige Antwort ist, privatwirtschaftliche Unternehmen aufzukaufen, damit diese z. B. im Handwerksbereich nur noch auf Stuttgarter Gemarkung arbeiten, jedoch dann vielleicht nicht mehr so gut geführt werden, wie sie bisher privatwirtschaftlich geführt worden sind. Dem Klima sei es relativ egal, ob die Wärmepumpe in Fellbach montiert wird, die Photovoltaikanlage in Böblingen oder die entsprechende Anlage auf Stuttgarter Gemarkung. Am Ende sei entscheidend, dass es für das Klima im Ganzen ein guter Weg wird und nicht nur bei den Stadtwerken Stuttgart. Man wolle durchaus, dass die SWS eine wichtige Rolle spielen. Trotzdem glaube er, dass die Bestrebungen der beiden großen Stuttgarter Automobilhersteller zur klimaneutralen Produktion und zur klimaneutralen Benutzung ihrer Fahrzeuge weltweit die Auswirkungen zum Thema Klimaschutz dessen, was die SWS erzielen kann, bei weitem fürs Klima weltweit überflügeln werden. Auch die CDU wünsche dem Team der Stadtwerke unter der Führung von Herrn Drausnigg alles erdenklich Gute. "Wo immer wir können, wollen wir das unterstützen und hoffen, 2035 möglichst nah an dem dran zu sein, was wir uns alle miteinander vorgenommen haben."

StRin Schanbacher (SPD) sieht durch den heutigen Beschluss "den Motor der Energiewende mit einem regenerativen Düsenantrieb versehen" und findet, man könne darauf wirklich stolz sein. Sie erinnert an die Bemühungen und Anstrengungen ihrer Fraktion seit 2019 und die Verhandlungen um den Aktionsplan Klimaschutz, um die Überarbeitung und Anpassung der Strategie der Stadtwerke zu erreichen. Klar sei, dass bei der Bewältigung dieser enormen Aufgabe bei den Stadtwerken erst mal keine Rendite erwartet werden könne. Auch dürfe man gerade als Stadtwerke den Preis nicht auf die Bürgerinnen und Bürger umlegen, denn Daseinsvorsorge sei der Grund, warum die Stadtwerke wieder gegründet wurden - allen voran eingefordert und immer wieder forciert vom langjährigen SPD-Vorsitzenden Kanzleiter. Bürgerinnen und Bürger müssten sich die Klimawende leisten können. Man mache zwar erstmal keine Gewinne damit, aber viel entscheidender sei, dass die Stadtwerke der Politik helfen, die Herausforderungen unserer Generation zu erfüllen, "Klimagerechtigkeit, ich will sogar sagen, unseren Beitrag zur Weltrettung hier als Stuttgart zu leisten." Wichtig sei, dass alle an einem Strang ziehen.

Die Rahmenbedingungen seien gesetzt, nun müssten die Stadtwerke und die Energiedienste die Zielvorgaben mit Leben füllen, 20 % CO2 tatsächlich einsparen, die Milliardeninvestitionen bis 2035 leisten und die Vervierfachung des Personals hinbekommen. Angesichts der riesengroßen Aufgabe müsse und wolle die Landeshauptstadt Stuttgart hinter ihren Stadtwerken stehen und eine schnelle, agile, durchsetzungsstarke Organisationsstruktur auf den Weg bringen, die dies unterstützt. Die SPD-Gemeinderats-fraktion sei nicht nur gespannt, was passieren wird, sondern sei auch bereit, mit anzupacken, um tatsächlich den Weg zur Klimaneutralität in diesen wenigen Jahren bis 2035 zu schaffen. Dies müsse das Ziel bleiben.

StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) sieht "den Totalausverkauf unserer Daseinsvorsorge, der Energieversorgung - Strom, Gas -, aber auch unserer Wasserversorgung" 2002 als den größten Fehler, den er kommunalpolitisch erlebt habe. Seit 2004 kämpfe er als Stadtrat darum, diesen historischen Fehler zu korrigieren. Nach mehr als zehn Jahren nach Gründung der Stadtwerke habe er jetzt das Gefühl, sagen zu können, die Stadtwerke stehen an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Die FrAKTION freue sich, kurz davor zu stehen, 2026 endlich echte Stadtwerke zu haben, und danke Herrn Drausnigg, aber auch dem ganzen Stadtwerke-Team dafür, konsequent als einer der ersten Akteure in der kommunalen Familie die Klimabeschlüsse umgesetzt zu haben. Es wurden aus den abstrakten Zielen, die der Gemeinderat vor der Sommerpause beschlossen hat, konkrete Maßnahmen abgeleitet, aus den Maßnahmen Investitionsbedarfe abgeleitet und dann die Personalbedarfe. Auch eine Aufbauorganisation für das bevorstehende gigantische Wachstum bei den Stadtwerken sei vorgelegt worden. Er halte dies für beispielhaft für viele in der Stadt und finde, dass dies genau der richtige Spirit ist, den es bei diesem Thema braucht.

Es seien natürlich auf eine gewisse Art und Weise noch Vorschusslorbeeren, und die Aufgabe werde nicht leicht werden. Deswegen werde es jetzt auf alle im Rat ankommen und auf die gesamtstädtische Verwaltung, die mithilft, dass dieses Wachstum für das Unternehmen möglich wird. Ein Lob gehe daher schon jetzt an die Beteiligungsverwaltung dafür, "ganz ehrlich auch darüber zu reden, dass sich manches nicht rechnen wird von Anfang an und trotzdem ein Commitment da ist, hier nicht in normal betriebswirtschaftlichen Zeiträumen zu rechnen". An StR Kotz gewandt merkt er an, es gebe durchaus Bereiche, wo man aus seiner Sicht gerne schrumpfen könne. Dem Lob an die Automobilkonzerne hält er entgegen, diese gehören heute zu den größten Verschmutzern und Klimazerstörungs-Akteuren und es gehe da wirklich noch viel an CO2-Einsparung. Dies heiße für seine Fraktionsgemeinschaft, sich in allen anderen Bereichen einzusetzen und z. B. auch im Bereich der Verkehrswende konsequent umzusetzen, was dort noch vor uns liegt. Es gefalle auch nicht alles in der Strategie der Stadtwerke, z. B. braucht es in Stuttgart wirklich so viele Ladepunkte? Denn man habe Zweifel, dass die Elektromobilität wirklich alles retten kann. Man sage aber klar, dass es wichtig ist, sich auf den Weg zu machen, nachzusteuern, gemeinsam mithelfen und vielleicht das eine oder andere Ziel noch ehrgeiziger machen, als es heute formuliert ist. "Auf diesem Weg werden wir die Stadtwerke weiterbegleiten, weiter unterstützen sowie auch notfalls kritisieren, aber immer partnerschaftlich unterwegs sein und heute gerne zustimmen."

StR Dr. Oechsner (FDP) wirft zunächst einen selbstkritischen Blick auf die Position der Liberalen von vor zehn Jahren, denen es damals gereicht hätte, die Aufgaben an Partner zu übertragen und keine eigenen Stadtwerke zu gründen. Heute stehe man an einem Punkt, wo Kommunalpolitik sehr viel Spaß machen kann, weil man im Gegensatz zu anderen Parlamenten nicht nur Beschlüsse fasst. Denn man könne nach der Beschlussfassung zur Klimaneutralität 2035 "mit unserem eigenen Unternehmen einen großen Beitrag leisten, dass dieses Ziel auch erreicht wird". Die neue Ausrichtung der Strategie sei ein ganz entscheidender Punkt, wissend, dass die Stadtwerke natürlich auch weiterhin mit Partnern zusammenarbeiten müssen - mit der Privatwirtschaft, vielleicht auch mit anderen Energiedienstleistern. Man habe ein Unternehmen an der Hand, das durch seine Mitarbeiter und Führung auch dazu willens und in der Lage ist, dies durchzuführen, und das Dinge anpackt, die man so als profitorientiertes Unternehmen nicht unbedingt anpacken würde. Dies sei gut für die Politik und gut für Stuttgart. Und es werde sich natürlich rechnen, wenn vielleicht auch erst in 25 Jahren. "Wir haben hier ein starkes Instrument mit starken Zielen. Wir unterstützen voll und ganz den Aufbau dieses Unternehmens mit sehr vielen Mitarbeitern, höheren Kompetenzen und einer stärkeren Durchschlagskraft. Wir haben das richtige Instrument mit dieser Strategie, mit unseren Stadtwerken. Ich wünsche den Stadtwerken und uns allen viel Erfolg, Kraft und gute Entscheidungen - auch in Zukunft!"

StR Ozasek (PULS) hebt hervor, man stehe heute vor einem Evolutionsschritt hin zu einem selbstbewussten, innovativen Vollstadtwerk, das nach Auffassung seiner Fraktionsgemeinschaft auch Grundversorger sein soll in Stuttgart und den Platzhirsch EnBW herausfordern darf. Die neue Strategie sei ein Bekenntnis zu den Klimazielen von Paris, man stelle Energie-Souveränität wieder her nach zwei Dekaden erlebter Folgen einer Totalprivatisierung, die Stuttgart in eine Eiszeit versetzt habe, was erneuerbare Energien anbelangt. Wie schädlich es ist, am Tropf fossiler Energie zu hängen, zeige der Energiepreisschock infolge des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine. Fossile Energie sei eine Waffe, Erdgas sei keine Brücke in die erneuerbare Energie in Zukunft. Die Stadtwerke werden zum Motor der Energie- und Wärmewende. Damit verbunden seien strategische Aussagen: "Die elektrische Wärmepumpe ist die Technologie zur Dekarbonisierung des Wärmesektors", "Energiewende muss so regional wie möglich erfolgen. Wir wollen eine regionale Investitionsstrategie, wir wollen hier investieren, Wertschöpfung in der Region hervorbringen, Resilienz herstellen im Energiesystem der Region." Entscheidend sei, dass der Wärmesektor keine Renditeverpflichtung hat. Somit löse man dort die Hindernisse, um zu investieren in Wärmenetze, in Quartierslösungen, in urbane Energiesysteme.

Trotz Dissens-Punkten stehe PULS hinter dieser Strategie. Ein entscheidender Dissens-Punkt sei, dass es immer noch ein falsches Verständnis gebe von Mobilitätswende durch einen Fokus auf den Fahrzeugantrieb, nicht aber auf die Mobilitätskultur. PULS strebe eine andere, sanfte Mobilitätskultur an, in der das Auto nicht mehr so viel Platz hat in der Zukunft. Daran müsse man gemeinsam mit den Stadtwerken arbeiten. Auch wolle man eine soziale Energie- und Wärmewende und dass das Handeln klimagerecht wird. "Wir müssen diese Strategie einer sozialen Energie- und Wärmewende ausformulieren!" Somit müsse der Strategieprozess fortgesetzt werden. Ein weiterer Dissens-Punkt bestehe bezüglich des Gesellschaftsvertrages der Stadtwerke. PULS sei nicht der Auffassung, dass dieser Gesellschaftsvertrag mit seinen dort formulierten Zielen klimawendekompatibel ist. Man fordere das Beteiligungsreferat daher auf, eine Vorlage einzubringen, "wie wir diese Ziele neu abfassen können. Insbesondere muss damit verbindend der konsequente Ausstieg aus dem Erdgas und der Übergang in erneuerbare Energien und regenerative Wärmesysteme sein."

Abschließend ergeht sein großes Dankeschön an das gesamte Team der Stadtwerke, stellvertretend an den heute anwesenden Herrn Schmidle. "Sie haben viel bewegt. Sie haben uns gut beraten. Sie haben die Stadtwerke gut auf Kurs gebracht, und mit der heutigen Zustimmung können Sie das auch operativ umsetzen. Dank meinerseits auch an die Kolleg*innen, vor allem im Aufsichtsrat. Viele haben wirklich auch umgedacht, viele haben auch Fehler der Vergangenheit eingestanden, haben ihre Position revidiert und sich neu verortet. Das ist eine gute Fehlerkultur. Ich finde, das spricht für den Gemeinderat, es spricht für den Aufsichtsrat, dass Fehler auch eingestanden werden und dass wir gemeinsam jetzt in die Zukunft schreiten. Ein letzter Dank noch einmal an Sie, Herr Bürgermeister Fuhrmann als Aufsichtsratsvorsitzender: Sie waren ein Ermöglicher in diesem Prozess. Das hat viel bewegt, dass Sie in dieser Position sind. Sie haben uns über alle politische Lager zusammengeführt und diese Strategie vorgelegt. Vielen Dank dafür!"

StR Zaiß (FW) betont in seinem Redebeitrag, man stehe zur Klimaneutralität bis 2035, doch es müsse machbar sein. Die Machbarkeit hänge ab von dem Kapital, das man tatsächlich dafür zur Verfügung stellen kann. Solange die Finanzlage so gut ist wie momentan, sehe er keine großen Probleme. Probleme sehe er dahingehend, dass die Stadtwerke auch in Zukunft gewisse Renditen abwerfen müssen. "Nur für Zuschussbetriebe können wir unser Geld natürlich nicht ausgeben. Energie wird auch in Zukunft Geld kosten. Es wird jede*r Einzelne spüren müssen, wenn er nicht an Energie spart, was wir jetzt ja wollen - 20 % Einsparung." Es gelte zu verhindern, dass die Energiekosten überdimensional noch steigen, indem man das Mögliche tut und alle Akteure auf diesem Sektor zusammenarbeiten. Sehr erfreulich wäre es, wenn die Stadtwerke es schafften, bis 2026, 2027, 2028 auf ca. 500 Mitarbeitende zu wachsen. Dennoch werden diese Menschen nicht ausreichen, Stuttgart energiemäßig zu versorgen. Und deshalb müsse man dankbar sein dafür, dass es noch andere Spieler auf diesem Markt gibt. Mit denen müsse man nötig und dringend zusammenarbeiten, denn die hätten sich das gleiche Ziel gesetzt. Aus Sicht der Freien Wähler ist es unerheblich, ob die Wärme "von links oder von rechts kommt. Hauptsache, die Wärme ist klimaneutral und die Kosten sind vernünftig."
Weiter gibt er zu bedenken, dass Stuttgart alleine die Welt nicht retten kann, sondern die Bemühungen für die Klimawende von ganz Deutschland zu leisten sind. "Es muss eigentlich ein großes Thema bei uns in der Stadt sein, dass wir die Menschen aufklären, wie die Energiewende stattfinden soll, damit wir viele erreichen im privaten und auch im Firmenbereich, damit die ihr Geld in die Energiewende mitinvestieren, weil alleine diese 3 Milliarden der Stadt, die jetzt im Raum stehen, bei Weitem nicht ausreichen werden. Unsere Stadtwerke können das allen erklären und auch vormachen und sollen ein Vorbild sein, das ist keine Frage. Aber mitspielen müssen noch viele, viele Menschen, und auch Firmen müssen mitspielen, damit wir diese Ziele erreichen können." Zur Annahme, dass die Investitionen sich bis in 25 Jahren rechnen, weist der Stadtrat darauf hin, dass wir alle nicht wissen, wie es dann kommt. Auch erinnert er an die Aussage im letzten Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen, wonach 76 % der Wirtschaftskraft aus unserem Raum von der Automobilindustrie abhängt. Er warne insofern davor, die Automobilindustrie und die Gewerke, die damit zusammenhängen, nur zu verdammen. Denn dort werde das Geld erwirtschaftet, das man für diese Energiewende so zwingend benötigt. "Deshalb lassen Sie uns gemeinsam den Weg gehen. Nur gemeinsam wird es möglich sein. Die Stadtwerke stellen eine Rolle dar, die sie bestimmt auch gut ausfüllen, und wir sind dankbar, dass die das machen. Aber lassen Sie alle anderen auch noch mittun und mitarbeiten. Dann werden wir es vielleicht erreichen."

StR Dr. Mayer (AfD) schickt voraus, grundsätzlich finde man die Stadtwerke gut und unterstütze das Unternehmen gerne, wo man kann. Die heutige Vorlage zur strategischen Ausrichtung könne man aber nicht unterstützen. Deren Grundlage war das Gutachten der Firma McKinsey, welches leider keine Aussage dazu enthielt, wie man als Landeshauptstadt Stuttgart die Klimaneutralität erreichen kann, sondern nur, "was man machen könnte, um so eine Klimaneutralität erreichen zu können, und dass man die Bürger Stuttgarts dazu bewegen müsste, noch etwa 11 Mrd. € beizusteuern usw." Deshalb war seine Fraktion gespannt auf die Inhalte der jetzigen Vorlage, vor allem auf die Zahlen, Daten und Fakten, die gemäß Anlage 1 der Vorlage in den geplanten Maßnahmen aufgeführt werden sollten. Doch auch hier fänden sich fast nur Absichtserklärungen wieder und die Aussage, man würde 3 Mrd. € brauchen über die nächsten Jahre und die Stadtwerke sollen ihre Mitarbeiterzahl von heute 100 auf 460 Personen erhöhen. Auch von einer Inanspruchnahme von Fremdleistungen für 60 Mio. € sei in einem Nebensatz die Rede. Man könne sich ausmalen, welche Beraterfirma diese 60 Mio. € wohl bekommen dürfte. Bei dem Papier handle es sich "um ein durch und durch grünes Programm, und zwar in dem Sinne, dass es sich durch begriffliche Unschärfe, Zahlenarmut und Glaubenssätze" auszeichne.

Die AfD-Fraktion habe bereits im Januar 2022 drei Anträge zur strategischen Ausrichtung der Stadtwerke gestellt, von denen einer heute jedoch nicht zur Abstimmung stehe. Er stellt den Inhalt des betreffenden Antrags Nr. 16/2022 - "CO2-Emission reduzieren durch Kohlenstoffabscheidung, -verwertung und -speicherung (Carbon Capture Utilization & Storage (CCUS) vor. Was die Beteiligung der Stadtwerke an Windkraft-anlagen betrifft, so habe man schwere Bedenken nicht so sehr in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern vielmehr im Hinblick auf den Schutz der Natur und der Umwelt. Er wirbt daher um Zustimmung zum Antrag Nr. 14/2022 "Stadtwerke ziehen sich aus Windkraftbeteiligungen zurück" und um Zustimmung zum Antrag Nr. 15/2022 "Kernenergie in Unternehmensstrategie und Angebot der Stadtwerke aufnehmen", die der Stadtrat aus Zeitgründen nicht mehr erläutern kann.

OB Dr. Nopper stellt zuerst den Antrag Nr. 14/2022 der AfD-Fraktion zur Abstimmung und stellt dazu mehrheitliche Ablehnung fest (3 Ja-Stimmen, 0 Enthaltungen).

Er lässt anschließend über den Antrag Nr. 15/2022 der AfD-Fraktion abstimmen und hält fest, dass auch dieser Antrag bei 3 Ja-Stimmen mehrheitlich abgelehnt ist (0 Enthaltungen.

Abschließend stellt er die GRDrs 598/2022 zur Abstimmung und hält fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 3 Nein-Stimmen mehrheitlich wie beantragt.
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