Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
953/2013
GZ:
OB-0505-03
Sitzungstermin: 17.10.2013
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn, BM Wölfle
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Sabbagh fr
Betreff: Konzept Jobticket - Zonen 10 und 20 für 30 €

Vorgang:

Verwaltungsausschuss vom 16.10.2013, nicht öffentlich, Nr. 412
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung (9 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimme, 7 Enthaltungen)


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 10.10.2013, GRDrs 953/2013, mit folgendem

Beschlussantrag:

Die Verwaltung wird ermächtigt, vorbehaltlich des noch zu beschließenden Doppelhaushaltes 2014/15,

(1) die Einführung eines Jobtickets auf Grundlage der unter Nr. 3 und 4 dargestellten Konzeption vorzubereiten und
(2) auf Grundlage dieser Konzeption mit der SSB Vertragsverhandlungen zu den unter Nr. 6 dargestellten Inhalten aufzunehmen und nach Bereitstellung der Mittel eine Vereinbarung abzuschließen.


Nach dem Hinweis, dass er um 18 Uhr einen Termin im Französischen Kulturinstitut anlässlich dessen Neueröffnung wahrnehmen müsse, erläutert OB Kuhn kurz die Vorlage. Dabei betont er insbesondere das verkehrspolitische Motiv. Mit dem Jobticket ziele man in erster Linie nicht auf Verteilungsgerechtigkeit, sondern man wolle so den Verkehr lenken. Der Pkw-Verkehr und die damit verbundenen Probleme wie Stau, Stress, Feinstaub- und Stickoxydbelastung sollten vermindert werden. Bei über 20.000 städtischen Beschäftigten sei die Frage, wie diese zum Arbeitsplatz kämen, entscheidend. Schon der Vorschlag habe in der Stadt und in der Region sehr weitreichende Wirkung erzielt. So führten viele Firmen nun auch ein Jobticket ein bzw. verbesserten ein bereits bestehendes. Andere Städte und auch der VRS diskutierten darüber oder hätten es bereits eingeführt. Der Landeshauptstadt sei es also allein mit ihrem Vorschlag gelungen, eine Bewegung auszulösen. Auch die IHK habe das Jobticket begrüßt, das die Motivation der Arbeitgeber im Stuttgarter Kessel belege, ihre Beschäftigten zu unterstützen, wenn diese den ÖPNV für die Fahrt zum Arbeitsplatz nutzten.

Nehme die Stadt Stuttgart hier eine Vorreiterrolle ein, sei die Wahrscheinlichkeit, dass viele Stuttgarter Firmen hier mitzögen, ziemlich groß. Dadurch entstehe ein Lenkungseffekt für weniger Autoverkehr in der Stadt, sodass andere, z. B. Handwerker, die auf das Auto bzw. den Transporter angewiesen seien, besser vorankämen.

Ausdrücklich betont er, dass mit der Vorlage lediglich die Einführung eines Jobtickets vorbereitet werden solle, die Entscheidung über die Umsetzung jedoch erst in den Haushaltsplanberatungen falle. Ganz bewusst wolle man keine allgemeine Mobilitätszulage, wie dies der Personalrat und ver.di gefordert hätten, sondern ein Instrument zur Verkehrslenkung. Die Frage der Transfereinkommen und der Einkommen müsse in Tarifverträgen geregelt werden.

Damit übergibt er die Sitzungsleitung an BM Wölfle.

StR Pätzold (90/GRÜNE) sagt zunächst - vorbehaltlich der Haushaltsentscheidung - die Unterstützung seiner Fraktion für den Vorschlag der Verwaltung zu. Seine Fraktion erachte es als sehr sinnvoll, dieses Anreizsystem zu nutzen, das den Umstieg auf den ÖPNV attraktiver mache und so mehr Menschen, insbesondere auch städtische Beschäftigte, zum ÖPNV bringe. Er sehe es als bedeutendes Zeichen, wenn die Stadt als sehr großer Arbeitgeber in der Region das Angebot der VVS in Anspruch nehme, das bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt sicher ein Erfolg werde.

Dagegen begründet StR Kotz (CDU) wie am Vortag im Verwaltungsausschuss nochmals seine Bitte, die Vorlage bis nach den Haushaltsplanberatungen zu vertagen. Angesichts eines Volumens von über 10 Mio. € inklusive der mittelfristigen Finanzplanung tue seine Fraktion sich mit einer Art Vorfestlegung schwer, bevor in den Fraktionen die internen Beratungen zum Haushalt abgeschlossen seien. Aus diesem Grund werde seine Fraktion sich bei einer Entscheidung enthalten.

StR Kanzleiter (SPD) weist darauf hin, dass seine Fraktion im Unterschied zu OB Kuhn das Jobticket zunächst nicht ausschließlich als Maßnahme begreife, mehr Menschen zum ÖPNV zu bringen, sondern auch als besonderes und angesichts des demografischen Wandels und der Situation auf dem Arbeitsmarkt sinnvolles Angebot der Stadt als Arbeitgeberin für ihre Beschäftigten. Er gehe davon aus, dass andere Betriebe dann nachzögen. Selbstverständlich müsse die Verwaltung die Konzeption mit der Personalvertretung möglichst einvernehmlich aushandeln und anschließend detailliert vorlegen. In diesem Sinne stimme seine Fraktion der Vorlage zu.

Für ihre Fraktion gehöre die Entscheidung in die Haushaltsplanberatungen, und aus diesem Grund, so StRin von Stein (FW), werde sie sich wie bereits am Vortag im Verwaltungsausschuss enthalten. Eine ganze Reihe von Fragen sei noch offen, z. B. die, ob das Jobticket fair gegenüber Schülern bzw. dem Scool-Abo oder auch gegenüber Senioren sei. Bei dieser Art der Subventionierung müsse die gesamte Tarifstruktur diskutiert werden. Dies solle im Rahmen der Haushaltsplanberatungen geschehen.

Seine Fraktion habe keinen weiteren Beratungsbedarf mehr und werde die Vorlage ablehnen, erklärt StR Klingler (FDP). Darüber hinaus werde seine Fraktion beantragen, die Maßnahme, die abwechselnd als Verkehrs- bzw. Personalmaßnahme gehandelt werde, bei den Haushaltsplanberatungen von der grünen Liste zu streichen. Stattdessen müssten der Verkehr verflüssigt und so die Staus vermindert werden. Stuttgart dürfe nicht "die Stauhauptstadt Nr. 1 in Deutschland" bleiben. Die Rahmenbedingungen für Handwerker - hier stimme seine Fraktion OB Kuhn ausdrücklich zu - müssten verbessert werden. Doch sollten nicht 2,1 Mio. € jährlich dafür verwendet werden, "das Personal der Landeshauptstadt Stuttgart glücklich zu machen". Seine Fraktion halte es nicht für gerecht, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Konzerns Landeshauptstadt Stuttgart bessergestellt würden als Schülerinnen und Schüler, Rentnerinnen und Rentner, die oft von einer kleinen Rente leben müssten, oder auch kleinere Firmen bzw. Selbstständige und Handwerksbetriebe.

Sollte die Maßnahme umgesetzt werden, müsse sie nach einer zweijährigen Testphase auf den Prüfstand. Nicht nachvollziehen könne seine Fraktion, dass im Gegensatz zu den Tarifgesprächen mit den VVS und der SSB in den letzten Jahren das Umsteigen nun doch über den Preis gehen solle. Wenn OB Kuhn darlege, dass man über den Preis auf den ÖPNV umsteige, dann müsse man das Tarifsystem völlig neu gestalten. Die Preise im Personennahverkehr müssten günstiger werden und man müsse über eine andere Aufteilung der Tarifzonen nachdenken. Zum Beispiel könne die gesamte Stadt eine einzige Zone bilden, wie dies auch in anderen Städten der Fall sei. Für ein Verkehrskonzept und für ein Umsteigen auf den ÖPNV erwarte seine Fraktion andere Konzepte als das vorgelegte.

In Anbetracht der Kritik des Stadtrats, dass OB Kuhn wegen eines anderen Termins die Gemeinderatssitzung zu früh verlassen habe, stellt BM Wölfle klar, OB Kuhn nehme zur Stunde einen gemeinsamen Termin mit Ministerpräsident Kretschmann und dem französischen Botschafter wahr.

Zustimmung zur Vorlage erklärt StR Rockenbauch (SÖS und LINKE) im Namen seiner Fraktionsgemeinschaft, die schon immer damit argumentiert habe, dass man auch ein attraktives Preisangebot brauche, wenn man Menschen zum Umsteigen auf den ÖPNV bewegen wolle. Gleichwohl lägen die Prioritäten für seine Fraktionsgemeinschaft an anderer Stelle - und zwar bei einem Sozialticket, für das alle Personen mit Bonuscard nicht mehr bezahlen müssten als den im Regelsatz für Mobilität vorgesehenen Betrag. Neben dem ökologischen Aspekt müsse auch das Ziel verfolgt werden, soziale Teilhabe, zu der Mobilität gehöre, zu ermöglichen. Hier müsse man in den Haushaltsplanberatungen zu einer Gesamtabwägung kommen.

Auch StR Dr. Schlierer (REP) bewertet die Motivation des Oberbürgermeisters für die Vorlage als "sicher ehrenvoll und auch in der Sache richtig". Seiner Ansicht nach werde der Zuschuss allein jedoch die Attraktivität des ÖPNV-Angebots nicht so erhöhen, dass jemand sofort vom motorisierten Individualverkehr zum ÖPNV wechsle. Hier müsse man sich nur die zu Stoßzeiten völlig überfüllten S- und Stadtbahnen vor Augen führen.

Noch nicht ausreichend geklärt sei für ihn die Frage, ob in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eventuell doch von einem geldwerten Vorteil ausgegangen werden müsse.

Grundsätzlich sehe er es als problematisch an, wenn ein Vorhaben mit nicht unerheblicher finanzieller Konsequenz kurz vor den Haushaltsplanberatungen zur Entscheidung vorgelegt werde. Aus Erfahrung fürchte er die präjudizielle Wirkung von Beschlüssen dieser Art. Nur aus diesem Grund werde er sich bei der Abstimmung enthalten.

Zu den Fragen und Anmerkungen führt BM Wölfle aus, die Maßnahme diene sowohl der Verkehrslenkung als auch der Gewinnung und dem Erhalt von Personal. Die Stadt zahle ihren Beschäftigten einen Zuschuss, weil sie auf diese angewiesen sei, um die Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger überhaupt erbringen zu können. Der Zuschuss solle für die Beschäftigten einen Anreiz darstellen, wenn sie 30 € monatlich in ein Jahresticket investierten, in den Genuss eines rabattierten Jahrestickets zu kommen. Im Übrigen habe er in den Aufsichtsräten der VVS und SSB - und dort wirkten ja einige Mitglieder des Gemeinderates mit - hier niemanden widersprechen hören.

Wolle man, wie angeregt worden sei, die gesamte Stadt Stuttgart nur noch als eine Zone führen, würde dies Kosten von 12 oder 13 Mio. € nach sich ziehen. Das Angebot sei auch nicht exklusiv für die städtischen Beschäftigten gedacht, sondern hier könne jeder - u. a. auch bei kleinen Handwerksbetrieben Beschäftigte - partizipieren, sofern sich dessen Arbeitgeber in der Lage sehe, den Zuschuss von 27,60 € zu bezahlen. Die Abwicklung erfolge über die IHK, sodass auch kleinere Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten in den Genuss kommen könnten. Und schließlich weist er noch darauf hin, dass das Jobticket ebenso wie das Schüler- und das Seniorenticket einkommens- und vermögensunabhängig gewährt werde.


Er stellt abschließend fest:

Der Gemeinderat beschließt mit 30 Ja-Stimmen bei 5 Gegenstimmen und 20 Enthaltungen mehrheitlich wie beantragt.

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