Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 19.12.2019
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh fr
Betreff: "Climate Emergency" anerkennen und in Stuttgart
ausrufen
- Antrag Nr. 1210/2019 vom 08.11.2019
(Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei)

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.


OB Kuhn schickt voraus, er habe aufgrund der seit langem geführten Debatte um die Ausrufung des Klimanotstandes das Aktionsprogramm Klimaschutz (GRDrs 975/2019) vorgeschlagen, über das der Gemeinderat in der nächsten Sitzung am Folgetag entscheiden werde. Er halte nichts davon, wenn manche Städte, z. B. Konstanz, den Klimanotstand ausriefen, und dann aber außer Prüfaufträgen zu Fragen, die z. B. in Freiburg oder Stuttgart längst umgesetzt seien, nichts passiere. Er erinnert an die breite Zustimmung zur Präambel des Programms in den vorangegangenen Beratungen (die Präambel ist in der Ergänzung zur GRDrs 975/2019 enthalten).

Anschließend begründet StR Urbat (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) unter Verwendung einer Präsentation den Antrag seiner Fraktion.

StR Boy (90/GRÜNE) betont die Bedeutung der dem Aktionsprogramm Klimaschutz vorangestellten Präambel, in der anerkannt werde, dass das Weltklima in Not sei. Zum Antrag führt er aus, es gehe nicht mehr um Begriffsstreitigkeiten, sondern um konkretes Handeln. Dies sei im Aktionsprogramm Klimaschutz festgelegt. Seine Fraktion sehe mit dem Antrag keinen Mehrwert für mehr Klimaschutz, sondern lediglich Symbolpolitik, und werde ihn deshalb ablehnen.

Die Ablehnung des Antrags kündigt auch StR Kotz (CDU) an, nicht zuletzt, weil hier mit Begrifflichkeiten Panik geschürt werde. Seine Fraktion trage die ambitionierten, aber realistischen Ziele des Aktionsprogramms mit. Vor allem sollten die Maßnahmen mit möglichst großer Wirkung auf den Weg gebracht werden, z. B. die energetische Sanierung der städtischen Bestandsgebäude.

Auch StRin Schanbacher (SPD) plädiert für rasches und konkretes Handeln, wie es im Aktionsprogramm dargelegt sei. Man brauche effiziente und soziale Maßnahmen, in die auch die Beteiligungsunternehmen eingebunden würden. Den Klimanotstand auszurufen, bringe aber nichts.

StR Dr. Oechsner (FDP) sieht Stuttgart mit dem Aktionsprogramm in Bezug auf den Klimaschutz gut aufgestellt. Die Stadt werde alle Möglichkeiten ausschöpfen, ihre Projekte unter Klimaschutzgesichtspunkten auszuführen, ein "Climate Emergency" sei dafür nicht notwendig.

Ablehnung des Antrags signalisiert auch StR Zaiß (FW). Seine Fraktion anerkenne die Notwendigkeit zu handeln, doch brauche man keine Schreckensvorstellungen, sondern vernünftige Maßnahmen wie die Nutzung erneuerbarer Energien. Hier müsse verstärkt geforscht, gehandelt und entwickelt werden, wobei man die Bezahlbarkeit nicht aus den Augen verlieren dürfe.

StR Köhler (AfD) kann keinerlei Notstand in Bezug auf das Klima erkennen und lehnt den Antrag deshalb ebenfalls ab. Er gibt zu Protokoll, dass seine Partei die einzige in der Stadt sei, die sich nicht vor den "klimapolitischen Notstandskarren" spannen lasse. Weltweite Kennzahlen belegten sinkende Anbauflächen pro Kopf bei steigender Nahrungsmittelproduktion und steigender Lebenserwartung.

Ihre Fraktion werde dem Antrag zustimmen, so StRin Köngeter (PULS), denn ein Klimaaktionsprogramm und ein symbolischer Klimanotstand widersprächen sich nicht. Das eine schließe das andere nicht aus.

Für StR Rockenbauch (Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) ist es unverständlich und auch erschreckend, dass wissenschaftliche Prognosen schlicht nicht zur Kenntnis genommen würden. Geradezu gefährlich sei es aber, wenn man die Menschen mit der Aussage beruhigen wolle, ein 1,5°-Ziel könne erreicht werden, wenn man bis 2050 klimaneutral sei. Seine Fraktion habe nichts gegen das Klimapaket, doch müsse man es realistisch einordnen. Man dürfe sich nicht ausruhen bis 2050, sondern müsse sofort handeln.

Auch StR Winter (90/GRÜNE) wendet sich dagegen, wissenschaftliche Ausführungen als Panikmache abzutun. Die Initiative junger Menschen - Fridays for Future - habe mit dazu geführt, dass man auch im Rathaus ein viel breiteres Verständnis von Klimaschutz habe. An dieser Stelle bedankt er sich bei allen Initiativen. Nur auf technischen Fortschritt zu setzen, sei zu kurz gesprungen, vielmehr müssten alle ihr Verhalten und ihre Gewohnheiten überdenken. Hierzu gebe das Klimapaket des Oberbürgermeisters sehr viele Anregungen.

Nach diesen Wortmeldungen weist EBM Dr. Mayer darauf hin, "die Wissenschaft" gebe es nicht. Es gebe unterschiedliche wissenschaftliche Richtungen. Bei den Überlegungen sollten auch andere wissenschaftlich kompetente Aussagen berücksichtigt werden.

StR Körner (SPD) bleibt dabei, dass der Mehrheitsmeinung der Wissenschaft zufolge die Erderwärmung über CO2 menschengemacht sei, weshalb man handeln müsse. Bis 2050 müssten 25 Mio. t mehr eingespart werden, weshalb ein zusätzliches Paket erforderlich sei. Die Hälfte davon müsse im Bereich des Umbaus der Energiewirtschaft erbracht werden. Investitionen in die erneuerbaren Energien gehörten zu den wirksamsten Maßnahmen, hier müssten die Stadtwerke aktiv werden.

An seinen Vorredner wendet sich StR Rockenbauch mit dem Hinweis, dieser verwende veraltete Zahlen. Gegenüber StR Kotz macht er deutlich, beim Antrag seiner Fraktion handle es sich nicht um Symbolpolitik, sondern um strategische Steuerung. Als erster Schritt müssten die Probleme klar benannt werden. Er bittet, Ziffer 4 des Antrags separat abstimmen zu lassen. Bei Ablehnung dieser Ziffer beantrage er, die Präambel durch den Satz "Diese Ziele werden kontinuierlich überprüft und ggf. an die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst." zu ergänzen. Hierzu merkt OB Kuhn an, aktuell könne nur über den Antrag Nr. 1210/2019 abgestimmt werden. Über die Präambel werde dann am nächsten Tag im Rahmen des Klimaschutzpakets abgestimmt. Änderungen in der Präambel müssten in Form eines schriftlichen Antrags bei ihm selbst oder BM Fuhrmann eingereicht werden.

StR Ebel (AfD) geht davon aus, dass allgemein bekannt sei, dass nur 4 % des CO2-Ausstoßes menschengemacht seien. Zu glauben, dass man den Klimawandel stoppen könne, sei Hybris.


OB Kuhn lässt abschließend über den Antrag 1210/2019 abstimmen und stellt fest:

Die Ziffern 1 bis 3 sowie 5 und 6 werden bei 11 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung mehrheitlich abgelehnt. Die Ziffer 4 des Antrags Nr. 1210/2019 wird bei 9 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung ebenfalls mehrheitlich abgelehnt.

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