Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
620/2021
GZ:
JB
Sitzungstermin: 28.07.2021
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Nopper
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Faßnacht ba
Betreff: Abschlussbericht zur Untersuchung zum Infektions-
risiko in Klassenräumen
Einsatz von Luftreinigungsgeräten

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 28.07.2021, öffentlich, Nr. 323
Ergebnis: Verweisung ohne Votum in den Gemeinderat

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Jugend und Bildung vom 21.07.2021, GRDrs 620/2021, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Von der "Zusammenfassung der Ergebnisse des Pilotprojekts 'Experimentelle Untersuchung zum Infektionsrisiko in Klassenräumen in Stuttgarter Schulen" des Instituts für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung einschließlich der darin enthaltenen Empfehlung wird zustimmend Kenntnis genommen.

2. Die Verwaltung wird ermächtigt, unter Berücksichtigung eines vom Land Baden-Württemberg in Aussicht gestellten Förderprogramms, die in der Begründung dargestellten voraussichtlich bis zu rund 250 ungenügend belüftbaren Schulräume zeitnah mit geeigneten Luftreinigungsgeräten auszustatten.

3. Für die Beschaffung werden voraussichtlich Mittel von bis zu 1,0 Mio. EUR benötigt. Die Deckung erfolgt vorläufig durch Inanspruchnahme der im Teilhaushalt 900 - Allgemeine Finanzwirtschaft veranschlagten Deckungsreserve. Den entsprechenden überplanmäßigen Mitteln im Teilhaushalt 400 - Schulverwaltungsamt, entsprechend der Darstellung unter dem Punkt Finanzielle Auswirkungen wird zugestimmt.
Die endgültige Finanzierung wird erforderlichenfalls durch eine weitere Vorlage nach Entscheidung über die Beschaffung unter Berücksichtigung der Fördermittel des Landes sichergestellt.

4. Der Zentrale Einkauf führt das Vergabeverfahren unter Anwendung der aktuellen Sonderregelungen zur Dringlichkeitsvergabe bei Beschaffungen während der Corona-Pandemie durch.
Es wird zugestimmt, dass die Vergabeentscheidung durch das Referat AKR (Mitzeichnung Referat JB) getroffen werden können.


StR Lazaridis (90/GRÜNE) schickt voraus, das Thema der mobilen Luftreinigungsgeräte bewege insbesondere die Eltern in dieser Stadt. Alle, die Kinder haben, wünschen sich, dass im Herbst und im kommenden Winter ein Präsenzunterricht in den Schulen stattfinden kann. Nach seinem Eindruck wollen sowohl die Kommune als auch das Land alles dafür tun, dass ein Präsenzunterricht stattfinden kann. Er habe sich persönlich dafür eingesetzt, dass eine Fördermöglichkeit beim Land geschaffen wird, um solche technischen mobilen Geräte zu fördern. Man könne davon ausgehen, dass es im Laufe der nächsten Woche eine entsprechende Förderrichtlinie des Landes geben werde.

Ernüchtert sei er daher über die Ergebnisse aus der Stuttgarter Studie. Damit werde klar, dass man auch im nächsten Herbst und Winter nicht drum herumkommen werde, in den Klassenzimmern händisch zu lüften, und wahrscheinlich auch nicht drum herumkommen werde, wieder Masken zu tragen an den Schulen. Es sei außerdem davon auszugehen, dass man eine komplizierte Situation an den Schulen bekommen werde. Trotzdem sei auch eindeutig, dass diese Lüftungsanlagen durch ihre Technik eine gewisse Sicherheit schaffen, wenn auch keine hundertprozentige. Weil sie nützlich sind, halte er den Weg grundsätzlich für richtig, den die Stadtverwaltung jetzt vorschlägt, nämlich da, wo eine Belüftung schlecht möglich ist, solche mobilen Luftreinigungsgeräte einzusetzen.

Weil man aber auch schauen müsse, wie gerade die jüngeren Kinder bis 12 Jahre, die keine Impfmöglichkeit haben, besonders geschützt werden können, bittet er darum, rechtzeitig vor dem nächsten Verwaltungsausschuss eine Kostenauflistung über die Kosten vorzulegen, wenn man zusätzlich die Klassenzimmer für die Klassen 1 bis 6 mit den entsprechenden technischen Lüftungsanlagen ausrüsten würde. Dies solle als Entscheidungshilfe dienen, ob der heutige Beschluss noch erweitert werden könnte.

Damit wäre der zweite Punkt des Antrags der FrAKTION ein Stückweit mitberücksichtigt, weshalb er darum bitte, darüber heute nicht abzustimmen, sondern zuvor gemeinsam zu schauen, was der entsprechende Einsatz in den Klassen 1 bis 6 kosten würde. Bezüglich der heutigen Berichterstattung in den Stuttgarter Nachrichten, wo kolportiert werde, dass eine Summe von 8,1 Mio. € auskömmlich sei, um alle Klassenzimmer mit Raumluftfilteranlagen auszustatten, bittet er die Stadtverwaltung um Richtigstellung.

OB Dr. Nopper sagt nach nonverbaler Abstimmung mit BMin Fezer die gewünschte Kostenaufstellung rechtzeitig vor der nächsten Sitzung des Verwaltungsausschusses zu.

Weil es ein sehr emotionales Thema aus Sicht der Eltern sei, ist StRin Ripsam (CDU) froh darüber, dass die Schulverwaltung eine wissenschaftliche Expertise zu dem Thema eingeholt hat. Demnach sei langfristig die Ausstattung der Schulen mit raumlufttechnischen Anlagen (RLT) mit Wärmerückgewinnung anzustreben, da hier die Innenraumluftqualität auch bezüglich CO2, Feuchte, Feinstaub, Pollen usw. sichergestellt werden könne und Wärmeverluste durch Lüftung dadurch deutlich reduziert werden. Jedoch könne man in so kurzer Zeit nicht so viele RLTs eingebauen. Dies sei ein eher langfristiger Plan, der bei den Schulsanierungen zusätzlich mit in Betracht zu ziehen sei.

Kurzfristig gebe es nach der wissenschaftlichen Analyse verschiedene Parameter, die eine Verbesserung bringen, z. B. die Reduzierung der Personenzahl, was faktisch nicht umsetzbar sei, da es weder genügend Klassenräume noch genügend Personal für eine Teilung der Klassen gebe. FFP2-Masken seien ein präventiver und sehr wirksamer Schutz und müssen zusätzlich zu den Luftreinigungsgeräten in den Einsatz kommen. Das Lüften in den Pausen sei zwingend erforderlich, und das Stoßlüften sei eine weitere Maßnahme. Die Luftreinigungsgeräte bieten keine Alternative zu einem Außenluftwechsel, sondern dienen höchstens als Unterstützung zur Partikel- und potenziellen Virenreduktion. Sie erzeugen zusätzlichen Lärm und weisen laut Behaglichkeitsmessungen ein Zugluftrisiko auf. Das Ergebnis der Uni laute daher auch, dass der flächendeckende Einsatz von Luftreinigungsgeräten nicht indiziert sei und ersetze nicht die AHA- und L-Maßnahmen, Maske tragen, testen und impfen.

Ihre Fraktion trage die GRDrs 620/2021 mit, wonach voraussichtlich 250 schlecht zu lüftende Klassenzimmer mit Luftreinigungsgeräten ausgestattet werden. Die Ausstattung aller 12.500 Schulräume sei nach der fachlichen Expertise der Uni Stuttgart aber nicht indiziert, zumal die Kosten bei einer Vollausstattung bei rund 50 Mio. € lägen. Diese Mittel könnten für die Kinder und Jugendlichen in anderen Bereichen sinnvoller eingesetzt werden. Dem Vorschlag der GRÜNEN, nach der Sommerpause die Frage aufzurufen, ob die Klassenräume der Klassen 1 bis 6 mit RLTs ausgestattet werden, sehe man mit Interesse entgegen. Vielleicht liege dann auch noch eine weitere Expertise vor. Sie sieht bei ihrem Vorredner eine persönliche Befangenheit gegeben aufgrund seines Engagements auf Landesebene für die Förderung von Luftreinigungsgeräten. Man müsse auf die sachliche Ebene zurückkehren, um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme mit einer gewissen Ausgewogenheit zu betrachten. Dies habe ihre Fraktion getan und sich dafür viel Zeit genommen. Sie dankt BMin Fezer, die mit sehr viel Engagement und Mühe und einem großen Zeitrahmen dieses Thema immer wieder diskutieren ließ und damit sehr viel Expertise auch für den Gemeinderat ermöglicht habe.

StR Rockenbauch (FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei) schildert aus eigener persönlicher Betroffenheit die Problematik einer Familie, über Wochen und Monate neben Homeoffice Homeschooling hinzubekommen. Eltern und Kinder mussten gemeinsam während der Corona-Pandemie eine unglaubliche Kraftanstrengung auf sich nehmen in einem essenziellen Thema wie Bildung, wo Zukunft und Chancengleichheit davon abhängen. Wer dies erlebt hat, der könne dieses Thema nicht un-emotional diskutieren, vor allem nicht in der momentanen Situation, wo die Inzidenz bereits wieder ansteigt und nach der Delta-Variante womöglich weitere Varianten drohen. Nachdem die jüngeren Generationen solidarisch waren mit den älteren Generationen sei es dringend an der Zeit, sich jetzt um die Jüngsten, um die Schülerinnen und Schüler zu kümmern, für die es noch keine richtig zertifizierten FFP2-Masken gebe und für die es noch keine Impfungen gibt. "Weil das, was wir erlebt haben als Eltern, das kann man keinem mehr zumuten, auch vor allem im Sinne der Kinder nicht zumuten."

In einer so emotionalen Situation sei es gut, dass eine wissenschaftliche Studie gemacht wurde. Diese besage nun, dass es keine Wunderwaffe gibt, aber in der Kombination mit anderen Maßnahmen, dies sage die Studie sehr wohl, ist die Luftreinigung mit mobilen Luftreinigungsgeräten durchaus wirksam. In Kombination mit Stoßlüften sei sie sogar die Wirksamste und Sicherste, dies zeige - selbst ohne Maske - die Variante V 7. Man sei sich klar darüber, dass Luftreinigungsgeräte auch Wartung und Pflege brauchen und es nicht leicht sei, dies im heutigen Schulbetrieb mit dem heutigen Personal zu gewährleisten. Auch wisse man, dass diese Geräte Strom kosten und dass sie Lärm machen. In Kombination mit dem Stoßlüften könne man jedoch die Geräteleistung um 40 % reduzieren, sodass das Behaglichkeitsthema und der Lärm deutlich geringer werden. Deswegen könne man nicht nachvollziehen, "warum die Weitergabe der Informationen in der Berichterstattung und bei uns selber in den Präsentationen oft gefehlt hat." Seine Fraktionsgemeinschaft spreche sich klar für die V7-Variante aus und stimme der Verwaltungsvorlage zu.

Man wolle aber noch einen Schritt weitergehen und habe, weil nicht alles auf einmal gehe, deswegen den Antrag Nr. 267/2021 formuliert. Über die Antragsziffer 1 - die auch Verwaltungsvorschlag sei - bestehe Einigkeit. Die Antragsziffer 2 für die Klassen 1 bis 6 halte man für einen zweiten notwendigen Schritt, um zusätzlich Sicherheit für die Kinder zu schaffen und Bildungserfolg sicherer garantieren zu können. Der dritte Schritt sei ganz langfristig zu sehen und müsse abgestimmt und abgewogen sein mit den grundsätzlichen Themen bei der Schulsanierung. Angesichts der heute vorgetragenen Bitte der Grünen würde es keinen Sinn machen, jetzt per Abstimmung auf diesem Antrag zu bestehen. Um eine große Mehrheit am Ende zu schaffen sei es sinnvoll, den Antrag zurückzuziehen bis die angeforderten Informationen vorliegen. Großartig wäre es, wenn dann gemeinsam im September die zweite Stufe für die Schüler*innen der Klassen 1 bis 6 gezogen werden könnte.

StRin Meergans (SPD) fasst die Erkenntnisse der Studie zusammen, bei denen sich alle einig sind: Einvernehmen bestehe darin, dass das Lüften - außer mit sehr guten raumlufttechnischen Anlagen - nicht ersetzt werden kann und mobile Luftreinigungsgeräte - wenn überhaupt - nur eine Ergänzung sein können. Einig sei man sich auch darin, dass viel mehr Wert auf die Raumluft in Schulen gelegt werden muss, insbesondere bei Sanierungs- und Investitionsvorhaben, weil dies eine ganz neue Bedeutung im Lichte der Pandemie bekommen hat. Die Studie gebe auch Erkenntnisse, wie diese raumlufttechnischen Anlagen besser dimensioniert sein müssen, um auch im Bereich des Infektionsschutzes etwas beizutragen. Einig sei man sich außerdem darin, dass mobile Luftreinigungsgeräte wirksam sind und besonders viel bringen in Klassenräumen, die ansonsten nur schlecht belüftet werden können. Deswegen werde ihre Fraktion der Verwaltungsvorlage natürlich zustimmen, weil es essentiell wichtig sei, schnell zu sein, sodass die Luftreinigungsgeräte im nächsten Schuljahr vorhanden sind.

Darüber hinaus kursieren viele Debattenbeiträge zu dem Thema, u.a. sei die in Auftrag gegebene Studie ein wissenschaftlicher Beitrag dazu. Gleichzeitig gebe es andere wissenschaftliche Beiträge, z. B. von Professor Kähler, die Empfehlungen des Umweltbundesamts und wiederum andere Empfehlungen der WHO. Alles basiere auf sehr ähnlichen Ergebnissen von Messungen, doch die davon abgeleiteten Handlungsempfehlungen seien völlig unterschiedlich. Dies mache die Entscheidung natürlich nicht einfacher. Auch werden sicherlich in der kommenden Zeit weitere wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht, sodass man die sehr eindringliche Bitte an die Verwaltung habe, "all diese Beiträge sehr genau zu beobachten, ob sich da eine Meinung noch stärker durchsetzt und im Gemeinderat immer wieder darzustellen, was Stand der wissenschaftlichen Meinung ist." Wenn man jetzt priorisieren müsste, so würde sich ihre Fraktion der Priorisierung der FrAKTION anschließen.

Für StR Dr. Oechsner (FDP) zeigt dieses Beispiel einmal mehr, "dass wissenschaftliche Untersuchungen alleine nichts bringen". Der Dank der Liberalen gehe dennoch an die Verwaltung für die Beauftragung "einer der vernünftigsten und besten Studien im Bereich der Lüfter, die es deutschlandweit gibt". Wissenschaftliche Studienergebnisse ließen sich in der Ableitung interpretieren und so kämen unterschiedliche Handlungsempfehlungen zustande. Dazwischen liege vielleicht die Wahrheit.

Den Antrag der FrAKTION betreffend moniert er, dass wenn man schon einen Antrag stellt, ihn dann auch mit richtigen Informationen stellen müsse. Zutreffend sei, dass es keine Impfung für Kinder unter 12 Jahren gibt. Genau aus diesem Grund sage die StIKo dazu auch nichts. Unzutreffend sei jedoch die Aussage, es gäbe keine Kindermasken. Es gebe sehr wohl CE-zertifizierte Kinder-FFP2-Masken, die dem Standard der Europäischen Union und dem englischen, dem amerikanischen und dem japanischen Standard genügen. Es gebe nur keine Norm für die Größen und die Passformen. Dies seien Unkorrektheiten, die die Menschen in die Irre leiten - "Klammer: sollen?" Bei der Interpretation von wissenschaftlichen Texten müsse man nicht nur einen Teil herausgreifen und andere Teile der Studie hinten runterfallen lassen, sondern man müsse die Studie in Gänze beurteilen, also alles und insbesondere die Conclusio, Zusammenfassung. Dann nämlich komme man vielleicht auch auf den Schritt, wieso die Handlungsempfehlung jetzt so ausgefallen ist, obwohl es in der Version 7, die in der Kurzfassung anscheinend fehlt, so aussehe, als wäre alles geregelt, wenn man Luftfilter aufstellt und lüftet. Dem sei bei weitem nicht so. Nichtsdestotrotz sei es keine dumme Idee, über die ersten 250 Luftreinigungsgeräte hinaus im Herbst auf Grundlage des dann aktuellen wissenschaftlichen Standes zu überlegen, auch für die Klassenstufen 1 bis 6 etwas zu tun. Aber es sei nicht seriös zu fordern, dass man jetzt 12.000 Klassenräume mit Luftfiltern ausstattet, von denen man nicht weiß, ob sie tatsächlich das bringen, was man gerne hätte.

Was den Artikel der Stuttgarter Nachrichten mit den 8,1 Mio. Euro Kosten angeht, so könnte dies daran liegen, dass die Schulräume in Stuttgart auf 2.700 reduziert wurden und die Anschaffungskosten - entsprechend dem Nettobetrag möglicherweise - mit 3.000 Euro veranschlagt wurden. Diese Darstellung sei unseriös, doch die Zeitung könne nichts dafür. Auch das Verrechnen mit Kosten von Selbsttests, die als Mehrkosten nicht anfallen, sondern die man dann einfach nicht ausgeben muss, sei unseriös. Deshalb bleibe die FDP-Fraktion bei der Vorlage der Verwaltung. Gerne könne man sich darüber unterhalten, ob man diesen vernünftigen Weg einen Schritt weitergehen muss, wenn auch die anderen Möglichkeiten beurteilt werden konnten. Wie von StR Lazaridis ausgeführt, werde man im Herbst leider nicht darum herumkommen zu lüften und Masken zu tragen - außer, es lassen sich genügend Menschen impfen. Dies sei der einzige Weg, der hilft.

StR Sailer (FW) erklärt ebenfalls Zustimmung zur Verwaltungsvorlage. Darüber hinaus schließt er sich den Wortbeiträgen von StRin Meergans und StR Dr. Oechsner an.

Die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis dieser "gutgemeinten Vorlage" stellt StR Dr. Mayer (AfD). Man versuche, sich gegen eines von rund 200 Virenarten, die Atemwegserkrankungen verursachen, zu schützen, von der man wisse, dass es Kinder praktisch nicht ernsthaft gefährdet. Von Kindern wisse man auch, dass sie ihre Umgebung, die Erwachsenen, nur selten mit diesem Virus anstecken.

Das Thema hier sei aber das Ergebnis der wissenschaftlichen Studie u.a. der Universität Stuttgart, in welcher nicht das Infektionsgeschehen untersucht wurde, sondern die luftgetragene Ausbreitung ausgeatmeter Aerosole anhand stichprobenartiger Freisetzung von Spurengasen und Testpartikeln an thermischen Personen-Dummies nachgestellt wurde. Allein von der methodischen Grundlage her dürfen aus einer solchen Studie keine so weitreichenden Schlussfolgerungen gezogen werden. Trotzdem sei die Studie insgesamt recht aussagekräftig. Sie zeige z. B., dass die Wirkung der Luftreinigungsgeräte statistisch wahrscheinlich nicht signifikant besser ist als das Lüften in unterschiedlichen Stoßlüftungsregimen. Dies decke sich mit dem Wissen, dass Schüler für gutes Lernen frische Luft brauchen. Frische Luft jedoch könne man durch Raumluftreinigungsgeräte nicht erzeugen. Also stehe Lüften an erster Stelle.

"Entsprechend sagt auch das Umweltbundesamt, dass in Räumen, die gut gelüftet werden können oder die eine raumlufttechnische Anlage, Klimaanlage, haben, da braucht man keine Luftreinigungsgeräte. In Räumen, die nicht so gut gelüftet werden, das gibt es ja leider nun, wie ich mir habe sagen lassen, auch gar nicht so wenige, da, meint das Umweltbundesamt, könne als technische Maßnahme die Zufuhr von Außenluft durch den Einbau einfach und rasch zu installierender Zu- und Abluftanlagen erhöht werden. Dafür würde ich also auch plädieren. Baut einfach einen Ventilator ein, dann wird für Frischluft gesorgt. Und das kostet dann pro Stück vermutlich auch keine 4.000 Euro." Was die Vermeidung von Infektionen angeht, so lautet das Fazit der Studie: "Es wird empfohlen, den Eintritt des Falls, dass sich eine infektiöse Person im Klassenraum befindet, auf ein rechnerisches Mindestmaß zu reduzieren." Dies bedeute, dass Kranke gefälligst zuhause bleiben und nicht zur Arbeit gehen und nicht zur Schule. An diese altbekannte Regel sollten sich alle halten. Seine Fraktion rate dazu, diese Vorlage zunächst nicht zu beschließen. Gerne werde man im Herbst nochmals ausführlich dazu beraten.

StRin Schumann (PULS) sieht die Vorlage der Verwaltung ähnlich wie die FrAKTION und die SPD als einen ersten Schritt. Im Vordergrund müsse stehen, dass Kinder und Jugendliche im nächsten Winter möglichst durchgehend eine Schule besuchen können. Es gehe dabei nicht nur um die Möglichkeit zu lernen, sondern vor allem darum, wieder am sozialen Leben teilzuhaben, sich zu entwickeln. Dabei sei zu sehen, dass manche Kinder viele Vorteile hatten, weil sie zu Hause gute Unterstützung bekommen konnten, und andere hatten enorme Nachteile. Die Schere zwischen armen und reichen Kindern habe sich enorm auseinanderbewegt und dagegen müsse politisch etwas getan werden. Dazu gehöre, dass möglichst jede Maßnahme ergriffen wird, die das Infektionsrisiko für die Kinder und Jugendlichen reduziert, was man durch die Anschaffung von Raumluftfiltergeräten sehr wohl tun könne. Natürlich erkenne man das Fazit an, dass vor allem die Verbindung von Luftreinigungsgeräten mit Stoßlüften sinnvoll erscheint und man dies für Schulen entsprechend angeraten sehe. Man müsse aber auch sehen, dass die besten Ergebnisse nach wie vor sind, wenn ein Mund-Nasen-Schutz getragen wird. Dies sei für Kinder und Jugendliche, je jünger sie sind, desto weniger zumutbar. Deswegen empfehle man, in Räume, die gut gelüftet werden können, langfristig Luftfilteranlagen einzubauen bzw. bereitzustellen, da der Einbau durch den heftigen Sanierungsstau in Schulen noch Jahre oder gar Jahrzehnte dauern kann. So lange die Pandemie läuft, sei man aber verpflichtet, etwas zu tun, damit die Schüler weiter in die Schule können.

Weiter beklagt die Stadträtin, dass man nach wie vor auch noch keine sinnvollen Regelungen für Kitas habe. Kleine Kinder und Eltern von kleinen Kindern leiden momentan besonders. Viele hätten ihre Arbeitsplätze verloren oder mussten sie selbstständig aufgeben. Die Belastung sei in einem absolut untragbaren Verhältnis größer geworden vor allem für Mütter. Sie fragt an dieser Stelle nach einer Antwort der Verwaltung auf die Anfrage ihrer Fraktionsgemeinschaft, "inwiefern vielleicht doch noch ein Wechselmodell oder ein Kleingruppenmodell in Kitas Anwendung finden kann und dies wenigstens eine Teilzeitbetreuung ermöglichen kann für alle kleinen Kinder, die nicht zur Schule gehen." Sie bittet dringend darum, diese Anfrage bis nach der Sommerpause zu beantworten und auch in dem Bereich zu prüfen, inwiefern für Kitas Raumluftfilteranlagen oder auch andere Möglichkeiten zum Einsatz kommen könnten, um eine Betreuung zumindest teilweise sicherstellen zu können.

BMin Fezer (Referat JB) unterstreicht, für die Fachverwaltung sei es extrem wichtig, zu versuchen, das Infektionsrisiko in den Schulen durch verschiedene Maßnahmen so zu senken, dass der Präsenzunterricht aufrechterhalten werden kann. Gleichzeitig müsse man sagen, dass mit keiner Maßnahme und auch nicht mit der Addition aller möglichen Maßnahmen eine hundertprozentige Sicherheit hergestellt werden kann. Auch könne niemand versprechen, dass der Präsenzunterricht aufrechterhalten wird. Dennoch sei es die Aufgabe, alles Mögliche und alles Sinnvolle zu tun, um das Infektionsrisiko möglichst tief zu senken. Dies sei der Gegenstand des Vorschlags, den die Verwaltung mache.

Den Wortbeitrag von StRin Schumann aufgreifend, richtet sie "ein Flehen an Sie, an Ihre Kolleginnen und Kollegen und überhaupt auch an die Gesellschaft an die Eltern: Bitte, es möge niemand glauben, dass ein Luftfilter in einem Rau ein Kind vom Maske tragen entlastet. Das heißt, egal ob der Raum gut belüftbar ist, schlecht belüftbar ist - wenn eine Luftfilteranlage im Raum steht, muss trotzdem Maske getragen werden! Wir müssen uns die Situation vorstellen, dass ein infiziertes Kind neben einem nicht infizierten Kind sitzt. Dann nützt der schönste Luftfilter nichts, da nützt nebenbei gesagt auch das schönste Stoßlüften nichts, da können die Fenster ständig auf sein: Wenn die beiden nebeneinandersitzen und haben keine Masken an, infizieren die sich gegenseitig. Deswegen, Masken müssen getragen werden - unbedingt!" Darüber hinaus werde man sich auch die Möglichkeit des Testens nochmals anschauen, denn man werde auch im Herbst wieder testen müssen. Daher versuche man, noch bessere Testangebote zu machen, z. B. PCR-Pool-Tests. Hierfür steige man ein in ein Pilotprojekt, um zu schauen, ob damit besser, schneller und zuverlässiger getestet werden kann als dies mit den Schnelltests bislang möglich ist.

Auf die Frage nach den Kosten für eine Ausstattung aller Räume informiert BMin Fezer, "wir haben über 12.000 Schulräume in Stuttgart und wir haben 9.000 Klassenräume in Stuttgart. Wenn ich alle Klassenräume ausstatten würde mit Luftreinigungsgeräten, kämen wir da auf 31,5 Mio. Euro."

Zur Beauftragung der Studie merkt sie an, die Unübersichtlichkeit der Lage der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema Luftreiniger und welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, um eine gute Luftqualität in den Klassenräumen herzustellen, hätten sie dazu geführt zu sagen: "Wir brauchen eine Studie, die die spezifische Situation in Klassenräumen mit Schülern bzw. mit einem entsprechenden Versuchsaufbau untersucht." Eine solche Studie sei bisher einzigartig in Deutschland. Diese Studie sei durchgeführt worden und habe Ergebnisse gezeigt. Mit diesem Studienergebnis liege man auf einer Linie mit dem Umweltbundesamt. Das Bundesumweltamt habe sich mit seinen Möglichkeiten eine Übersicht über die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Deutschland und darüber hinaus verschafft und sei zu demselben Ergebnis und zu demselben Fazit gekommen wie die Stuttgarter Studie. Und dies überzeuge sie in seiner Gesamtheit. Mit einer Sondermeinung, wie sie ein Professor vertritt, könne sie als Verwaltung nichts anfangen, sondern sie sei verpflichtet, dem Gemeinderat eine gute Faktenbasis zu liefern, auf deren Grundlage dieser entscheiden kann. Dies habe sie hiermit getan.

Sie dankt für die enge Begleitung dieser Studie sehr herzlich ihrer Fachverwaltung und der Universität Stuttgart, Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung, Herrn Professor Stergiaropoulos und seinem Team, für seinen großen Einsatz, den er auch in der Vermittlung und Kommunikation dieser Studie geleistet hat. Man werde dem Gemeinderat selbstverständlich die erbetene Kostenkalkulation liefern für den Fall, dass auch die Klassenräume für die Klassenstufen 1 bis 6 ausgestattet werden sollen mit Luftreinigern. Darüber hinaus werde man sich des Themas "Schnellinstallierbare Lüftungsanlagen in Räumen" annehmen, wo es in einer ersten Überprüfung positive Einschätzungen gebe. Diese könne man noch nicht so ganz mittragen und werde die Zahlen daher verifizieren, konkretisieren und den Rat darüber informieren. Man wolle wirklich alles checken, was möglich ist, damit die Stuttgarter Kinder im Herbst, Winter, Frühjahr wieder gut zur Schule gehen können.

StR Goller (AfD) stellt klar, an der Studie gebe es keine Kritik, doch finde er es frustrierend und erschütternd, wie auf Faktenbasis Schlussfolgerungen getroffen werden. Für ihn als Vater von drei Kindern sei das Kindeswohl die Argumentationsbasis. Er geht ein auf eine Studie im Auftrag des Landes Baden-Württemberg, nach welcher Kinder sich deutlich seltener anstecken als Erwachsene und entsprechend oft seltener andere anstecken können. Die Schulen seien also das Gegenteil von Hotspots, wie es anfangs der Pandemie vermutet worden sei. Kinder und Jugendliche seien somit fälschlicherweise pathologisiert worden. Sie hätten kein Problem mit dieser Krankheit - die irgendwann eine Kinderkrankheit sein werde wie viele andere -, wurden aber psychisch geschädigt durch die Corona-Maßnahmen. Diese Studie zeige nun, dass der Nutzen der Luftreinigungsgeräte sehr begrenzt ist. Daher sollte die Schlussfolgerung eben nicht sein, "alles, was nicht null ist, bringt etwas und ist sinnvoll. Die Schlussfolgerung kann doch nicht sein, dass wir für alles, was im Promillebereich noch irgendwas bringt, Millionen ausgeben und alle Maßnahmen gleichzeitig durchführen, wenn wir doch wissen, für unsere Kinder wird keine Erleichterung kommen. Die Maskenpflicht wird nicht wegfallen und auch der Präsenzunterricht wird durch diese Luftreinigungsgeräte nicht gesichert werden können!" Das Lüften werde weiterhin das A und O sein und er könne nicht verstehen, wie hier Steuergeld für sinnlose Maßnahmen ausgegeben werden soll.

StRin Schumann widerspricht BMin Fezer dahingehend, als in der Studie auch Informationen ausgegeben wurden für den Zustand der Schüler*innen ohne das Tragen von Masken. Es möge schon sein, dass für den oder die direkte*n Nebensitzer*in das Risiko weiterhin hoch bleibt, doch in Summe sinke trotz fehlendem Mund-Nasen-Schutz beim Einsatz eines Luftreinigungsgerätes mit über 800 Kubikmeter pro Stunde das Risiko einer Infektion auf unter 10 %. Insofern sei dies deutlich effektiver als die Stoßlüftung regelmäßig oder regelmäßig im 10-Minuten-Takt oder als das dauernde Kippen der Fenster. Dort bleibe das Risiko ohne Maske jeweils bei weit über 15 %. Somit versprechen Luftreinigungsgeräte sehr wohl einen gewissen Erfolg, weil sie die Infektionsrate doch deutlich reduzieren.
Denke man daran, dass in dieser Studie von FFP2-Masken gesprochen wird, die es für Kinder unter sechs Jahren noch gar nicht gibt, so müsse man unbedingt auch für diejenigen, die nur medizinische Masken tragen können oder diese auch nicht permanent aufhaben, weil sie sie mal vergessen etc., einen sichereren Ort schaffen, auch wenn dieser nicht hundert Prozent sicher ist.



Anschließend stellt OB Dr. Nopper die GRDrs 620/2021 mit folgender Ergänzung der Beschlussantragsziffer 2 zur Abstimmung:

"Die Verwaltung legt überdies eine Kostenaufstellung für eine Ausstattung der Schulräume mit Luftreinigungsgeräten für die Klassenstufen 1 bis 6 rechtzeitig vor der Sitzung des Verwaltungsausschusses am 22.09.2021 vor."

Er stellt anschließend fest:
Im Einvernehmen mit den Antragstellern hält der Vorsitzende darüber hinaus fest, dass der Antrag Nr. 267/2021 der FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei zurückgestellt wird.

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