Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
926/2016
GZ:
OB
Sitzungstermin: 22.12.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh de
Betreff: Internationale Bauausstellung IBA 2027
StadtRegion Stuttgart

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 06.12.2016, öffentlich, Nr. 576
Ergebnis: Einbringung

Verwaltungsausschuss vom 21.12.2016, öffentlich, Nr. 538
Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 25.11.2016, GRDrs 926/2016, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Der Gemeinderat nimmt vom IBA-Memorandum (siehe Anlage 1) Kenntnis.

2. Der Gemeinderat begrüßt die Inhalte des Memorandums und die Planung einer IBA 2027, StadtRegion Stuttgart.

3. Der Gemeinderat beauftragt die Stadtverwaltung der Landeshauptstadt alle weiteren Schritte für eine Teilnahme an der IBA 2027 vorzubereiten.

4. Die Koordination seitens der Landeshauptstadt Stuttgart soll durch einen bei Referat StU angesiedelten IBA-Beauftragten geleistet werden.


In seiner Einführung begründet OB Kuhn zunächst seine Freude darüber, dass sich der UTA bei der Einbringung mehrheitlich für die IBA ausgesprochen habe. Er erinnert an die Eröffnung der Weißenhofsiedlung 1927, die dann genau 100 Jahre zurückliege. Damals habe man in gesellschaftspolitischem Auftrag gebaut und überlegt, was der moderne - mobile und berufstätige - Mensch brauche, um gesund zu bleiben. Es wäre gut, wenn man nun 100 Jahre später, z. B. auf dem Rosensteingelände oder dem Eiermann-Areal/Garden Campus, erneut ein solch ambitioniertes Bauen für die Zukunft zeigen könne. Das Memorandum motiviere als Einstiegstext in seinen Augen dazu, den Prozess mitzugestalten.

Eine der großen Anforderungen der regionalen IBA werde sein, bezahlbaren Wohnraum und sozial gemischte Gebiete zu schaffen. Er würde es sehr begrüßen, wenn die gesamte Region sich hier beteilige. Themen einer nachhaltigen Stadtentwicklung, unter anderem Wohnen und Arbeiten sowie Mobilität, sollten im Vordergrund stehen. Das Thema solle in den nächsten Jahren auch von einem Unterausschuss begleitet werden. So habe der Ältestenrat entschieden. Zunächst gehe es um die Organisationsform, wie der IBA-Prozess gesteuert werden solle. Vom UTA sei er unterstützt worden, er hoffe, dies gelte ebenso für den Gemeinderat. Er freue sich auch ganz persönlich auf diesen Gestaltungsprozess.

Für eine großartige Idee hält es StR Dr. Vetter (CDU), dass 100 Jahre nach der Eröffnung der weltweit bekannten Weißenhofsiedlung die Lösungsansätze für die städtebaulichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wieder in der StadtRegion Stuttgart gesucht werden sollen. Seine Fraktion unterstütze das Memorandum. Angesichts der in allen großstädtischen Ballungsräumen bestehenden Herausforderungen könnte eine IBA 2027 - mit dem nötigen Mut zur Innovation - in der StadtRegion Stuttgart Vorreiter für industriell geprägte Stadtregionen weltweit werden. Hierzu gehöre aber auch, die "manchmal durchaus charmante Kehrwochenmentalität zur Seite zu stellen" und in anderen Dimensionen zu denken, z. B. eine Überbauung der B 14 für ein Wohnen am Neckar oder Wohntürme mit 40 Stockwerken. Mit dieser Internationalen Ausstellung könne man der Welt zeigen, dass die hiesigen Ingenieure mehr könnten als Autos, Zündkerzen und Tunnels. Dies sei eine großartige Chance.

StRin Munk (90/GRÜNE) stimmt im Namen ihrer Fraktion der Vorlage inklusive der Stellenschaffung ebenfalls zu. Das Konzept der IBA, das eine Kooperation von Stadt und Region vorsehe, spiegle damit den Zeitgeist. Wichtig sei nun ein Zeitplan. Die Inhalte des 4x4 seien sehr zutreffend und zukunftsweisend formuliert. Etwas anders verstehe ihre Fraktion den Begriff der Nachhaltigkeit. Hier gehe es für sie darum, wie man "die Probleme von gestern lösen und Visionen für morgen generieren und entwickeln" könne, ohne dabei neue Probleme für übermorgen zu schaffen. Insofern sähen sie die Formulierung "Management des Wandels unter Wachstum" auf Seite 3 der Vorlage etwas kritisch. Das Wachstum müsse nicht zwingend die richtige Lösung für den verdichteten Raum sein. Projekte müssten sozial nachhaltig und mit Bürgerbeteiligung entwickelt werden. Um den Anspruch der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit zu erfüllen, sei es wichtig, die Crème de la Crème der Architektur nach Stuttgart zu holen, um eine zukunftsfähige urbane Lebensweise zu entwickeln, die für die nächsten 100 Jahre wegweisend sein solle.

Auch StRin Kletzin (SPD) äußert ihre Freude darüber, dass 100 Jahre nach der Weißenhofsiedlung wieder eine Internationale Bauausstellung in Stuttgart ausgerichtet werden solle. Davon werde die Stadt profitieren, auch wenn man zunächst natürlich investieren müsse. Während es damals um moderne Siedlungen für wachsende Städte gegangen sei, gehe es heute vor allem um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum z. B. für die Verkäuferin, die Polizistin, den Krankenpfleger und den Gärtner, in dem sich aber auch Alt und Jung, Familien und Singles, Menschen unterschiedlicher Herkunft, Arm und Reich mischten. Aus dem 4x4 der IBA-Themenwelt sei für sie deshalb das Thema integrierte Quartiere eines der wichtigsten. Untermauert werde dies auch durch die Querschnittsqualität solidarische Region. Grundsätzlich müsse auch geklärt werden, wie in dieser boomenden Region die Bodenpolitik aussehen müsse, wie dicht und mit welchen Standards man bauen wolle. Es gelte, Förderungsinstrumente zu entwickeln, die sozial gemischte Quartiere ermöglichten. Als Fläche biete sich das Rosensteinquartier an, dessen Flächen überwiegend in städtischem Besitz seien.

Die im Memorandum formulierten Ziele deckten sich zu 99 % mit dem Programm seiner Fraktionsgemeinschaft, erklärt StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS). Zum aktuellen Zeitpunkt fehle ihm hier aber die Glaubwürdigkeit. Denn man reduziere das Thema auf eine regionale, eine Architektur- und Ingenieurfrage, eine Frage von Experimenten und Einzelprojekten, und das erscheine ihm angesichts der aktuellen politischen Lage, in der sich die Welt und damit auch Stuttgart befänden, "irgendwie naiv". Man benenne nicht die Ursachen und Triebkräfte für den Status quo. Es fehle eine klare Analyse, die zeigen würde, dass die hiesige Produktions- und Lebensweise, auf die man so stolz sei, international Natur zerstöre, Menschen vergifte und verhungern lasse, sie diskriminiere und bekriege. Die Lösung sei keine Frage der Architektur oder der Baukultur, sondern wie man sich als Mensch weiter erfinden wolle. Für eine gerechte, solidarische, freiheitliche Gesellschaft müsse man vor allem beim Menschen und nicht an seiner räumlichen oder baulichen Hülle ansetzen. Das heiße nicht, dass man nicht trotzdem über bauliche, architektonische und sonstige Lösungen diskutieren sollte. Seine Fraktionsgemeinschaft werde den Prozess kritisch und konstruktiv begleiten. Er bittet um eine getrennte Abstimmung der einzelnen Punkte, da seine Fraktionsgemeinschaft unterschiedlich abstimmen werde.

StR Zeeb (FW) dankt im Namen seiner Fraktion den Akteuren für das sehr gelungene Memorandum. Nun müsse der Bevölkerung der eigentliche Sinn der IBA noch genauer vermittelt werden. Diese sei keine große Fertighausausstellung wie in Fellbach, sondern eine tolle Chance für Stuttgart und die Region, wieder als Stadt des modernen Lebens, des Bauens, Arbeitens und Wohnens weltweit - nicht nur in der Architektenwelt - bekannt zu werden. Er sehe es auch als Fortschreibung des weltoffenen Stuttgarter Denkens, das nicht auf Juchtenkäfer und Feinstaub reduziert werden sollte, sondern vielmehr über den Tellerrand hinausschaue.

Die langanhaltende Wirkung einer IBA oder auch einer Weltausstellung auf die lokale Baukultur und das Bauwesen unterstreicht StR Prof. Dr. Maier (AfD), und er belegt dies mit internationalen Beispielen. Für die gastgebende Stadt sei mit einer solchen Ausstellung immer auch ein Prestigegewinn sowie, durch fremdfinanzierte Projekte, ein ökonomischer Nutzen verbunden. Er gehe davon aus, dass die Ausstellung insgesamt einen nicht zu unterschätzenden finanziellen Ertrag für die Stadt bringen werde, die mit dem Rosensteinviertel einen günstigen und zentrumsnahen Standort biete. Wünschenswert wäre, dass die IBA auch für Formen des sozialen Wohnungsbaus genutzt werde, bei denen sich die Region finanziell und als Mitveranstalter beteiligen könne. Insofern stimme seine Fraktion der Vorlage zu.

Die FDP freue sich auf die IBA, erklärt StR Conz (FDP), denn dabei zeigten internationale Toparchitekten ihr Können und es gehe nicht, wie sonst, um Vorschriften für jedes Bauprojekt. Vielmehr seien hier visionäre Kraft, Freiheit und Mut gefragt. Das könne Stuttgart leisten.

StR Dr. Schertlen (STd) weist darauf hin, dass die IBA 2027 ein regionales Projekt sei. Stuttgart allein könne das Wohnungsproblem nicht lösen, wenn die Stadt lebenswert bleiben solle. Dies bedeute, dass man regionale Verkehrsadern sämtlicher Formen brauche. Allerdings sei noch nicht abzusehen, ob S 21 aufgrund des Gipskeupers statt eines "geschmeidigen Verkehrs- und Immobilienprojekts" eine große Panne werde. Für diesen Fall sollte ein Plan B bereitliegen. Doch werde in der Beschlussvorlage der Wandel in der Mobilität, der bis 2027 zum großen Teil längst vollzogen sein werde, nicht berücksichtigt. Man beschließe etwas, was dann schon nicht mehr aktuell sei. Dies gelte für die Schlagworte postfossiles Zeitalter, Elektromobilität, Logistik und Sharingkonzepte. Im Zuge des weltweiten Auslaufens des Verbrennungsmotors müsse man in der Region Beschäftigung sichern. Hier sehe er das Thema Robotic insbesondere bei seniorengerechtem Wohnen, Logistikkonzepten mit Drohnen, Hausautomatisierung etc. Bei der Elektromobilität müsse der Wasserstoffantrieb einbezogen werden. Man könnte Fahrradwege in der Region schaffen. Er sehe in einer IBA eine große Chance für die geplagte, aber auch stetig an Attraktivität gewinnende Region Stuttgart und stimme deshalb der Vorlage sehr gerne zu.



Abschließend lässt OB Kuhn auf Wunsch der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS getrennt über die Ziffern 2 - 4 abstimmen und stellt fest:

Der Gemeinderat hat von Ziffer 1 Kenntnis genommen. Die Ziffern 2 - 4 des Beschlussantrags beschließt der Gemeinderat mit jeweils 1 Enthaltung einstimmig.

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