Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
133
1
VerhandlungDrucksache:
423/2015 und Ergänzung
GZ:
OB
Sitzungstermin: 29.07.2015
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh de
Betreff: Flüchtlingsunterbringung
Standorte Tranche 4
- nur bezüglich Standort Stuttgart-Untertürkheim -

Vorgang:

Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 19.06.2015, öffentlich, Nr. 67
Ergebnis: Einbringung der GRDrs 423/2015

Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 10.07.2015, öffentlich, Nr. 76
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung zur GRDrs 423/2015 und Ergänzung bei 16 Ja- und 1 Gegenstimme

Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 13.07.2015, öffentlich, Nr. 103
Ergebnis: Vorberatung der GRDrs 423/2015 und Ergänzung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 14.07.2015, öffentlich, Nr. 254/2015
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung bei 16 Ja- und 1 Gegenstimme

Verwaltungsausschuss vom 15.07.2015, öffentlich, Nr. 237
Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung bei 16 Ja-Stimmen und 1 Gegenstimme


Gemeinderat vom 16.07.2015, öffentlich, Nr. 108
Ergebnis: mehrheitliche Beschlussfassung bei 4 Gegenstimmen, wobei Ziff. 1.1 Standort Untertürkheim zurückgestellt wird


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 15.06.2015, GRDrs 423/2015 sowie deren Ergänzung vom 30.06.2015 mit folgendem

Beschlussantrag: (Änderungen und Ergänzungen des Beschlussantrages und der Begründung in Fettdruck. Im Übrigen bleibt die Begründung unverändert.)

1. Festlegung von Standorten

1.1 Den folgenden 11 Standorten in 11 Stadtbezirken zur Errichtung von Flüchtlingsunterkünften in Systembauweise (Systembauten) zur Schaffung von 2.238 weiteren Unterkunftsplätzen wird zugestimmt:
- Bad Cannstatt:Quellenstraße
243 Unterkunftsplätze
- Degerloch:Helene-Pfleiderer-Str.
156 Unterkunftsplätze
- Feuerbach:Wiener Straße
243 Unterkunftsplätze
- Mitte:Rothmannblock
156 Unterkunftsplätze
- Möhringen:Kurt-Schumacher-Straße
243 Unterkunftsplätze
- Mühlhausen:Sturmvogelweg
156 Unterkunftsplätze
- Plieningen:Mittlere Filderstraße
156 Unterkunftsplätze
- Stammheim:Ottmarsheimer Straße
243 Unterkunftsplätze
- Untertürkheim:Württembergstraße
243 Unterkunftsplätze
- Vaihingen:Möhringer Landstraße
243 Unterkunftsplätze
- Zuffenhausen:Schwieberdinger Straße
156 Unterkunftsplätze

1.2 Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG) wird bevollmächtigt, die Systembauten entsprechend der bestehenden Vereinbarung im Namen und auf Rechnung der Landeshauptstadt zu errichten.

1.3 Die Nutzung ist auf einen Zeitraum von 5 Jahren befristet.

1.4 Auf einen gesonderten Vorprojekt-, Projekt- und Baubeschluss wird verzichtet.

2. Finanzierung

2.1 Für die Errichtung der unter Beschlussantrag Ziffer 1 aufgeführten Systembauten (insgesamt 28 Einzelgebäude) inklusive Vergütung der SWSG, Planungsmittel und Erschließung entsteht ein Gesamtaufwand von rd. 51,676 Mio. €. Hinzu kommen Ausstattungskosten in Höhe von insgesamt ca.
2.2 In Höhe der im Jahr 2016 benötigten Mittel von 38,756 Mio. € wird eine Verpflichtungsermächtigung, die im Rahmen des noch aufzustellenden Nachtragshaushaltsplans 2015 veranschlagt wird, in Anspruch genommen.

2.3 Die Ausstattungskosten in Höhe von
20162,8 Mio. €

2.4 Der Betrieb der neuen Systembauten verursacht ab 2016 Kosten in Höhe von 728.000 € (Bauunterhaltung), 196.000 € (Wartung) sowie 1.134.000 € (Betriebskosten), somit insgesamt 2.058.000 €.

Seine Fraktion werde der Vorlage inklusive der Unterkunft in Untertürkheim zustimmen, erklärt StR Fuhrmann (CDU). Sie danke OB Kuhn, dass er ihr Ansinnen unterstützt habe, das Land dazu zu bewegen, die gesetzliche Regelung über die Erhöhung der zugewiesenen Fläche von 4,5 auf 7 m² pro Flüchtling auszusetzen. Auch die weiteren Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels am 27.07.2015 würden von seiner Fraktion begrüßt.

Das Land Baden-Württemberg sollte sich nun rasch zum Standort Rothmannblock äußern, immerhin gehe es um 156 Plätze. Der überraschend im Bürgerhospital vorgesehenen Erstaufnahmeeinrichtung könne seine Fraktion zustimmen, wenn die dort aufgenommenen Flüchtlinge zum einen angerechnet würden und zum anderen das Land der Stadt bei der Zuweisung im Hinblick auf den Bestand der in Stuttgart vorhandenen Plätze entgegenkomme. Er bittet OB Kuhn, die Fraktionen frühzeitig in diese möglichen Verhandlungen einzubinden.

Letzterem schließt sich StRin Deparnay-Grunenberg (90/GRÜNE) an. Auch ihre Fraktion stimme der Vorlage inklusive dem Standort Untertürkheim gerne zu. Die Stadtgesellschaft - und damit meine sie die Ämter, die politisch Aktiven aller Ebenen und die Freundeskreise und Bürger vor Ort - meistere zur Zeit eine große Herausforderung. Und die gute Stimmung in der Bürgerversammlung Untertürkheim habe gezeigt, dass man Lösungen finde, wenn man in den Dialog trete.

Auch StR Pfeifer (SPD) dankt den Freundeskreisen und Betreuungsorganisationen. Die Stadt sei angewiesen auf Solidarität und Kooperationsbereitschaft insbesondere in der Nachbarschaft. Seine Fraktion hoffe sehr, dass die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels für alle Beteiligten etwas Erleichterung brächten - in der Organisation, der Unterbringung und der Geschwindigkeit.

Gerade Stuttgart brauche vom Regierungssprecher keine Nachhilfe zum Umgang mit Flüchtlingen. Die Stadt - und die Verwaltung an erster Stelle - habe in den letzten Monaten viel geleistet. Bezüglich der Landeserstaufnahmestelle seien in vertraulichen Verhandlungen zunächst einige Fragen zu klären. Seine Fraktion stimme der Vorlage zu.

Zustimmung seiner Fraktionsgemeinschaft signalisiert auch StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS). Was die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels anbelange, so komme es für seine Fraktionsgemeinschaft nicht infrage, das Menschenrecht auf Asyl durch die Definition sicherer Herkunftsländer zu beschneiden. Auch eine konsequente Abschiebepraxis löse die in der Welt real existierenden Probleme nicht und habe nichts mit Menschlichkeit zu tun.

Bezüglich der Erstaufnahmestelle habe seine Fraktionsgemeinschaft einige Ideen. Im Bürgerhospital sollte ein ebenfalls notwendiges Konzept verwirklicht werden, z. B. ein intelligenter Mix aus studentischem und normalem Wohnen. Denn anerkannte Flüchtlinge bräuchten dann ja auch bezahlbaren Wohnraum.

StR Zeeb (FW) erklärt, seine Fraktion werde der Vorlage natürlich ebenfalls zustimmen. Sie werde bei weiteren Tranchen wie bisher konfliktbeladene Standorte hinterfragen und Alternativen, die sie aufgrund von Ortskenntnissen sehe, zur Prüfung vorschlagen. Er vertraue auf ehrliche Prüfergebnisse. Humanitäre Gedanken müssten weiterhin im Vordergrund stehen.

Das Thema Bürgerhospital sei noch nicht offiziell. Hier müsse man frühzeitig die Verantwortung der Landesregierung einfordern, solche Erstaufnahmestellen nach Stuttgarter Standard zu betreiben und nicht unnötige Konflikte durch Unterlassen notwendiger Dinge in die Stadt hinein zu tragen.

Auf die hohen Kosten für den Stuttgarter Steuerzahler weist StR Klingler (AfD) hin. Man dürfe diesem nicht die Probleme der ganzen Welt aufbürden. Es habe ihn betrübt, wie in Tranche 4 mit den Interessen der Menschen vor Ort umgegangen worden sei. Man habe in Feuerbach Alternativangebote gemacht, die definitiv keine seien. Mit Erstaunen habe er zur Kenntnis genommen, dass in der letzten Gemeinderatssitzung, als seine Fraktion das Bürgerhospital vorgeschlagen habe, niemand gefolgt sei, jetzt aber, nachdem die Landesregierung dort 650 Flüchtlingsplätze schaffen wolle, dies allgemein befürwortet werde.

Seine Fraktion habe immer schon die beste Unterbringung für "wirklich Verfolgte" gefordert und deshalb auch für eine Optimierung des Betreuungsschlüssels gestimmt. Systembauten, die nach 10 Jahren für teures Geld wieder abgebaut werden müssten, seien keine Alternative. Hätte man gemäß dem Vorschlag seiner Fraktion 650 Flüchtlinge im Bürgerhospital untergebracht, bräuchte man acht Systembauten weniger und könnte deshalb auch auf den Standort in Untertürkheim verzichten. Seine Fraktion werde die Vorlage ablehnen.

Uneingeschränkte Zustimmung zur Vorlage signalisiert dagegen StR Dr. Oechsner (FDP). Er betont, dass bei einer Erstaufnahmestelle andere Regeln gelten. Bei den Flüchtlingsunterkünften achte man in Stuttgart auf kleine Einheiten, bei einer Erstaufnahmestelle seien 650 Plätze möglich.

Zum Bürgerhospital merkt EBM Föll an, das Land habe bei der Stadt angefragt, ob die Stadt eine Erstaufnahmestelle dort befürworte und das Gebäude zur Verfügung stehe. Darüber würden in den nächsten Wochen Gespräche geführt, um die Rahmenbedingungen zu klären, und dann müsse die Stadt das Ergebnis abwägen. In diesem Zusammenhang erinnert er daran, dass die Kommunen in den vergangenen Wochen eine deutliche Erhöhung der Erstaufnahmestellen gefordert hätten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Menschen, deren Asylantrag voraussichtlich nicht anerkannt werde, den Kommunen erst gar nicht zugewiesen würden. Und wenn das Land nun die Kapazitäten in den Erstaufnahmestellen bis 2016 auf 20.000 Plätze erhöhe, könne sich auch die Landeshauptstadt der Diskussion nicht entziehen, ob man in Stuttgart eine Erstaufnahmestelle einrichte. Der Gemeinderat werde hier natürlich einbezogen.

Gegenüber StR Klingler stellt er klar, auch Kommunen mit einer Erstaufnahmeeinrichtung bekämen mittlerweile Flüchtlinge zugewiesen. Die Stadt müsse bis Ende 2016 rund 4.000 zusätzliche Unterkunftsplätze schaffen. Mit der Tranche 4 einschließlich des Standorts Untertürkheim schaffe man gut 2.200 Plätze, es fehlten also noch 1.800, die in den kommenden Monaten beschlossen und umgesetzt werden müssten. Man habe also nicht die Alternative, die Standorte der Tranche 4 oder eine Erstaufnahmeeinrichtung im Bürgerhospital zu realisieren. Er gehe davon aus, dass eine Erstaufnahmeeinrichtung auf die Quote angerechnet werde, doch selbst wenn eine solche Einrichtung käme, müsse man im Herbst über weitere Standorte für Unterkünfte entscheiden.

StR Klingler sieht sich falsch verstanden und erklärt, wenn man vor zwei Wochen dem Vorschlag seiner Fraktion gefolgt wäre und das Bürgerhospital als Unterkunft für 650 Flüchtlinge beschlossen hätte, wäre das Land nicht auf die Idee gekommen, hier eine Erstaufnahmestelle einzurichten. Und dann hätte man auf die Standorte Untertürkheim und Feuerbach, die im Landschaftsschutzgebiet lägen, verzichten können.


An dieser Stelle schaltet sich OB Kuhn als Diskussionsleiter und Vorsitzender des Gemeinderats mit dem Hinweis ein, jeder könne seine Meinung haben und äußern. Fest stehe, dass weitere Tranchen erforderlich würden, weil man bis zum Ende des übernächsten Jahres noch sehr viele Plätze benötige. Die Zahlen habe EBM Föll genannt. Wenn das Bürgerhospital nicht mehr frei gewesen wäre, wäre das Land eben auf eine andere Idee gekommen, denn es müsse in den nächsten zwei Jahren über 10.000 Erstaufnahmeplätze bereitstellen. Angesichts wachsender Flüchtlingszahlen bittet er, den Konsens, dort, wo es nach sorgfältiger Prüfung möglich sei, Plätze zu schaffen, nicht aus den Augen zu verlieren.

Im Übrigen habe bei der Bürgerversammlung die Mehrheit - wenn auch nicht mit Begeisterung - eingesehen, wie die Abwägung stattgefunden habe und dass es richtig sei, die Flüchtlinge in Stuttgart willkommen zu heißen.


Er stellt abschließend fest:

zum Seitenanfang