Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
GZ:
Sitzungstermin: 12.07.2018
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:
Protokollführung: Frau Faßnacht
Betreff: Bewerbervorstellung und Wahl der/des Beigeordneten für Jugend und Bildung

OB Kuhn schickt voraus, die Stelle der/des Beigeordneten für den Geschäftskreis IV, Referat Jugend und Bildung, sei nach Ablauf der Amtszeit der bisherigen Beigeordneten Frau Isabel Fezer zum 01.09.2018 neu zu besetzen. Die Stelle sei nach Beschluss des Verwaltungsausschusses vom 07.03.2018 am 15.03.2018 im Amtsblatt und am 1603.2018 im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg öffentlich ausgeschrieben worden. Drei Bewerbungen seien eingegangen, von denen nur eine Kandidatin die in der Ausschreibung aufgeführten Voraussetzungen, die da sind umfassende Kenntnisse und vielseitige kommunalpolitische Voraussetzungen, bzw. die Wählbarkeitsvoraussetzungen, erfüllt habe. Nach der sich daran orientierenden und beim Gemeinderat abgefragten Vorauswahl stelle sich heute eine Kandidatin - die bisherige Amtsinhaberin Frau Isabel Fezer - vor.

StR Klingler (BZS23) moniert, nach seinen Informationen erfülle ein weiterer Kandidat, Herr Raisch, die Voraussetzungen. Daher habe man im Vorfeld schriftlich darum gebeten, auch Herrn Raisch die Möglichkeit zur Vorstellung zu geben. BM Dr. Mayer antwortet, gegenüber dem Haupt- und Personalamt sei signalisiert worden, dass dieser Wunsch nicht aufrechterhalten wird.

OB Kuhn unterbricht die Sitzung für kurze Zeit, um den Sachverhalt klären zu lassen. Nach Rücksprache mit den Zuständigen teilt er mit, wenn der Bewerber Raisch heute kandidieren möchte, so könne er dies tun. Dieser möge sich zu erkennen geben und explizit mitteilen, ob er heute kandidieren möchte. Herr Ulrich Raisch, der auf der Zuhörertribüne sitzt, teilt mit, er nehme die Gelegenheit zur heutigen Kandidatur gerne wahr. Folglich werden sich dem Gremium zwei Bewerber vorstellen, danach finde die Wahl statt, so der Vorsitzende.

Für StR Dr. Fiechtner (BZS23) zeigt der Vorgang "eine unausgegorene Situation und offensichtliche Beeinflussung des Gemeinderats durch die Verwaltung, indem man vorgibt, es stünde nur eine Bewerberin zur Wahl, obwohl es tatsächlich einen zweiten Bewerber gibt". Er unterstellt der Ratsverwaltung "Schlampigkeit in einem so wichtigen Prozess".

OB Kuhn hält fest, da es nun zwei Bewerber gebe, werde man ordnungsgemäß beide Bewerbungsreden in alphabetischer Reihenfolge hören. Er übergibt das Wort zunächst an Frau Fezer. Ihre Rede ist wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren Stadträtinnen und Stadträte, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, als Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Stuttgart habe ich heute die Gelegenheit, mich um eine weitere Amtszeit hier in Stuttgart zu bewerben. Ich habe eine Amtszeit hier bereits erlebt mit 8 Jahren und mit zwei Dezernaten. Das war eine spannende Zeit, in der ich Sozialbürgermeisterin und nun Jugend- und Bildungsbürgermeisterin bin. Es ist schön, in Stuttgart Bürgermeisterin zu sein, insbesondere für Themen wie Soziales und Bildung, weil wir in Stuttgart die Möglichkeit haben, Gutes und Hilfreiches für die Menschen in unserer Stadt zu tun. Und das haben wir gemeinsam getan in den letzten 8 Jahren - Sie, die Stadträtinnen und die Stadträte, und auch die Mitglieder der Verwaltung hier unten und da oben. Und ich bin froh, dass ich mit dazu beitragen konnte, dass wir eine gut ausgestattete, ausdifferenzierte und breit gefächerte soziale Landschaft und Bildungslandschaft in Stuttgart haben. Eine soziale Landschaft, die auch ganz erheblich dafür verantwortlich ist, dass wir einen großen sozialen Frieden in unserer Stadt haben. Und darauf bin ich stolz, in einer solchen Stadt zu leben, darauf meine ich, können wir alle stolz sein.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich auch bei Ihnen, bei den Stadträtinnen und bei den Stadträten, und bei Ihnen, Herr Oberbürgermeister, bedanken dafür, dass Sie vor zwei Jahren sich entschlossen haben, die Referate umzuorganisieren, denn das führte dazu, dass die Bereiche Jugend und Bildung in einem Referat angesiedelt worden sind. Und die Synergien, von denen profitieren wir jetzt - die Synergien, die im Referat sind, des Jugendamts, des Schulverwaltungsamts und auch der Abteilung Bildungspartnerschaft. Diese Synergien erweisen sich in der täglichen Arbeit als sinnvoll und nützlich, und ich freue mich darüber hinaus, dass die Verbindung und die Netzwerke auf allen Ebenen der Zusammenarbeit und der Verwaltung nach wie vor auch mit dem Sozialamt, mit dem Gesundheitsamt und mit dem Eigenbetrieb Leben und Wohnen funktionieren.

Meine Damen und Herren, was hat meine Arbeit in den vergangenen 8 Jahren geprägt und motiviert, was sind meine Ziele, was sind meine Ansprüche? Dazu möchte ich heute etwas sagen. Und ich will es untergliedern unter die Überschriften, dass es mir in meiner Arbeit darum geht, nah bei den Menschen zu sein, zuzuhören, meine Arbeit gut zu machen und gerecht zu sein. Was bedeutet das im Einzelnen, und auf welche beispielhaften Erfahrungen kann ich zurückgreifen? Nah bei den Menschen zu sein, das bedeutet in Stuttgart Sozialräumlichkeit. Und damit haben wir über viele Jahre schon sehr gute Erfahrungen gemacht und auch sehr gute Erfolge erreichen können. Ich will ein Beispiel herausgreifen neben den vielen Beispielen, auf die wir verweisen können, und das sind die Kinder- und Familienzentren. In den Kinder- und Familienzentren geben wir den Kindern die Möglichkeit, gefördert zu werden, gebildet zu werden, aber wir haben auch gute Anlaufstellen, Treffpunkte und Bildungsorte für die Eltern dort geschaffen. Und ich möchte mich dafür einsetzen, dieses Erfolgsmodell weiter auszubauen. Ich weiß, ich bin mir sehr sicher, dass Sie hier hinter uns stehen. Wir haben derzeit 19 Kinder- und Familienzentren in der Vollförderung, es sind 7 in der Stadtförderung. Das Ziel ist es, am Ende auf mindestens 35 Kinder- und Familienzentren in unserer Stadt zu kommen, und das wäre ein echter Fortschritt, auch im Hinblick auf den weiteren Ausbau der Sozialräumlichkeit in unserer Stadt.

Ich möchte einen weiteren Aspekt nennen, neben den Stadtteil- und Familienzentren, den Mehrgenerationenhäusern und den Begegnungsstätten für Ältere. Wir haben nun vor, die Stadtteil- und Familienzentren zu öffnen, zu öffnen für ältere Menschen. Wir gehen davon aus, dass die generationenübergreifende Arbeit, das voneinander, das miteinander, das übereinander Lernen in unterschiedlichen Alters- und Lebensphasen sinnvoll ist. Und deswegen haben sich die Referate SI und JB, also die Altenhilfe und die Jugendhilfe, auf den gemeinsamen Weg gemacht und sind dabei, den sogenannten - das ist noch ein Arbeitstitel - 'Generationentreff' zu konzipieren. Der Generationentreff soll ein Ort sein, an dem bislang getrennte Angebote für Ältere und für Junge zusammengeführt werden an einem Ort, unter einem Träger, soweit das möglich ist, mit einem klaren intergenerativen Profil, um Begegnungsmöglichkeiten für Menschen unterschiedlicher Generationen, Kulturen und aus unterschiedlichen familiären und gesundheitlichen Situationen zu schaffen. Und weil wir das nicht nur an unserem Schreibtisch erledigen wollen, diese Konzeption, darf ich Sie bereits heute einladen zu einem Fachtag am 26. Juli, denn da werden wir diesen Generationentreff, dieses Projekt weiter diskutieren.

Was erhoffe ich mir von dem Generationentreff? Neben dem intergenerativen Austausch erhoffe ich mir auch, dass wir die Angebote dort weiterentwickeln können. Aber hier und auch bei der Weiterentwicklung anderer Angebote in unserer Stadt wollen wir darauf achten, dass Synergieeffekte ausgelotet werden und wenn möglich auch Einsparungen erzielt werden können. Einsparungen, die niemals auf Kosten der Qualität gehen dürfen, das steht außer Frage. Aber wir müssen natürlich auch sehen, dass der Fachkräftemangel und die Raumnot Aspekte sind, die zu berücksichtigen sind und auf die wir uns einstellen müssen. Am Ende kommt das den Menschen im Quartier zugute.

Mein zweiter Punkt heißt Zuhören. Zuhören bedeutet Kommunikation, bedeutet umfassend kommunizieren, bedeutet Partizipation. Und das sind unabdingbare Voraussetzungen, um in den sozialen und in den Bildungsbereichen voranzukommen, zu Ergebnissen zu kommen und vor allen Dingen auch Akzeptanz zu bekommen für die Vorschläge und die Entscheidungen, die vorbereitet werden. In kaum einem anderen Verwaltungsbereich wie in den sozialen und Bildungsbereichen gibt es ja so viele Beteiligte. Ich mag sie gar nicht alle aufzählen, Sie wissen es auch. Es ist die Verwaltung, es sind Eltern, es sind Lehrer, es sind Sozialpädagogen, es sind Verbände, Schulleiter und viele andere und natürlich auch verschiedene Ebenen der Verwaltung und nicht zuletzt Sie, meine Damen und Herren, die Stadträtinnen und Stadträte, die hier eine Rolle spielen. All diese Menschen und Organisationen müssen beteiligt werden, damit wir am Ende zu einem guten Ergebnis kommen. Und das macht Beteiligungen kompliziert, aber auch lohnend.

Beteiligung ist auch ein Ausdruck des Respekts. Das habe ich erfahren, als wir den Beirat für Menschen mit Behinderungen gegründet haben. Und das war eine für mich persönlich sehr lohnende Erfahrung, auch zu erleben, wie viel eingebracht werden kann, wie viel Fach- und Sachverstand hier eingebracht werden kann von Menschen, die in ihren eigenen Angelegenheiten eben Experten sind. Und der Fokusaktionsplan hat gezeigt, dass Gutes dabei herauskommen kann, dass wir zu echten, guten Ergebnissen kommen können.

Transparenz und Kommunikation, das sind natürlich auch ganz wesentliche Aspekte, wenn es um die Themen der Schulentwicklung geht. Neun umfangreiche Planbereichskonferenzen, viele Schulbesuche, Runde Tische - diverse Runde Tische - und vor allen Dingen, das ist mir auch wichtig, eine intensivere Zusammenarbeit mit Ihnen, den Stadträtinnen und Stadträten, das war mein Kommunikationspensum in Sachen Schulverwaltung in den ersten zwei Jahren. Und ich meine, es hat auch zu guten Erfolgen geführt. Es hat dazu geführt, dass ich mich rasch einarbeiten konnte. Aber wir haben auch Gutes erreicht. Und jetzt die jüngsten Weichenstellungen in Sachen Hedelfingen oder in Sillenbuch, die sind Beispiele dafür.

Die Schulentwicklungsprozesse funktionieren nur im ständigen fachlichen Austausch. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen, das sind die SBBZs. Sie wissen, es sind immer mehr Kinder, die inklusiv beschult werden. Und das ist eine sehr gute Nachricht. Auf der anderen Seite führt das natürlich dazu, dass weniger Kinder in den sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren beschult werden, was zu Problemen bei diesen Zentren führt. Das bedeutet, dass wir hier neue Lösungen finden müssen, Lösungen, die Kompetenzen bündeln, Lösungen, die auch räumlich Bündelungen herbeiführen können. Und so etwas funktioniert natürlich nur im Dialog mit den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Deswegen haben wir einen Masterplanprozess aufgelegt, mit dem wir dieses Ziel erreichen wollen. Und wir haben jetzt auch vorgestern nochmals im Schulbeirat gehört, wie sehr von den Beteiligten dieser Prozess, auch gerade weil wir uns Zeit dafür nehmen, auch als positiv angesehen wird und begrüßt wird.

Wir werden aber in Sachen Inklusion nicht nur weiterkommen, wenn wir die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren betrachten. Wir kommen auch nur dann weiter, wenn wir auch die Regelschulen betrachten. Und hier gibt es auch Möglichkeiten, um weiterzukommen. Eine Möglichkeit ist das Thema Schulcampus. Schulcampus ist eine wunderbare Sache, weil wir hier Schülerinnen und Schüler von verschiedenen Schularten beieinander haben, die miteinander an einem Ort, an einem Schulstandort, beschult werden. Wir haben die Möglichkeit, auch hier Synergien auszuloten, indem wir Schulräume, Unterrichtsräume gemeinsam nutzen können bzw. eine Mensa für viele Schüler zur Verfügung gestellt werden kann. Aber wir haben auch Möglichkeiten, hier etwas für die Inklusion zu tun. Denn gerade ein Schulcampus bietet die Möglichkeit, auch ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum unterzubringen oder eben überhaupt Kinder mit und ohne Behinderungen an einem Schulstandort zu beschulen. Und dafür haben wir in Stuttgart schon gute Beispiele. Und die wollen wir auch weiterentwickeln und weiter ausbauen.

Ich möchte noch auf ein Thema, wenn wir beim Thema Schulentwicklung sind, zu sprechen kommen, das liegt mir auch am Herzen, da möchten wir in den nächsten Jahren auch weiterkommen, das ist das Thema Werkrealschulen. Sie wissen, wir waren mal - ich glaube, bei 35 Werkrealschulen, jetzt haben wir noch 7 Standorte. Die Schülerzahl nimmt ab, und die Standorte sind gefährdet. Und wir haben jetzt weitere Entwicklungen: Bei den Realschulen wird der Hauptschulabschluss künftig angeboten werden. Das heißt, es werden noch mehr Kinder sich entscheiden, lieber auf die Realschule zu gehen als in eine Werkrealschule. Es ist die Wahl der Eltern, es ist die Wahl der Kinder, solche Schulentscheidungen zu treffen, welchen Weg sie gehen wollen, wenn sie auf eine weiterführende Schule gehen. Fakt ist aber, uns fehlen dann Plätze für weiterführende Beschulung. Standorte fallen weg, und die muss man dann wiederaufbauen, an den Realschulen beispielsweise, aber das ist eine mühsame Entwicklung.

Wir haben uns jetzt Folgendes überlegt, dass wir verstärkt auf das Modell der Schulverbünde setzen wollen. Das heißt, an Orten, wo eine Realschule mit einer Werkrealschule nahe beieinander ist, können wir Schulverbünde schaffen, Schulverbünde, die eben nicht nur von der Nähe profitieren, sondern auch von einem Schulleiter und auch von der Möglichkeit, je nach Entwicklung von Schülern Schülerströme zu steuern zwischen den beiden Schularten. Also da gibt es neue Möglichkeiten. Und wir müssen dann auf die Kapazitäten, die die Werkrealschulen von den Schulplätzen her bieten, nicht verzichten. Hier gibt es mehrere Ansätze und mehrere Möglichkeiten in Stuttgart, auf die wir dann noch zu sprechen kommen in den Fachausschüssen.

Ich darf auf den dritten Anspruch, der mich leitet, zu sprechen kommen, und das ist mein Anspruch, die Arbeit gut zu machen. Was ich damit meine, heißt, auf Qualität zu setzen. Und das ist selbstverständlich. Das können Sie erwarten. Und das liefern wir auch. Unsere Ämter arbeiten auf einem sehr hohen fachlichen Niveau und auf der Basis exzellenter Daten. Mit dem Sozialmonitoring und dem Alterssurvey, um mal zwei Beispiele aus den Jahren 2011, 2012 zu nennen, oder eben auch wenn ich an die regelmäßigen Elternbefragungen des Jugendamtes denke, die Eltern- und Kinderforen, die umfassende Gesundheitsberichterstattung, dann auch die Bedarfs- und Qualitätsanalyse zur Ganztagsschule. Und es gibt noch unzählige weitere Datenerhebungen, die wir gemacht haben und die wir auch systematisch dann anschließend ausgewertet haben. All das sind Daten, exzellente Datenbasen, die zum Teil auch, das können wir ganz selbstbewusst sagen, vorbildlich sind in Deutschland. So was hat es zum Teil auch noch nicht gegeben in Deutschland. Da sind wir Vorreiter. Und diese Daten sind Planungsgrundlage für uns, und sie sind auch dann eine Möglichkeit, um die Evaluation und eben auch die Weiterentwicklung von Angeboten und Leistungen zu organisieren.

Das Thema Qualität wird eines der zentralen Themen sein - für den Fall, dass Sie mich wiederwählen sollten - in meiner nächsten Amtszeit. Qualitätsmanagement, ich habe mich bereits in der Vergangenheit dem intensiv gewidmet, aber Qualitätsmanagement bietet jetzt in dem Zuschnitt des neuen Referats noch deutlich mehr Möglichkeiten. Möglichkeiten, die wir jetzt auch schon beginnen zu begreifen, z. B. in der Form des neuen Bildungsberichtes, den wir erstellt haben, wo wir uns schon verständigt haben auf ein gemeinsames Bildungsverständnis. Aber hier bedarf es auch noch weiterer Entwicklungen, die wir uns intensiv vornehmen wollen. Ich sehe hier z. B. vor allen Dingen das Thema Schulkindbetreuung. Im Bereich der Schulkindbetreuung müssen wir ein gemeinsames Verständnis entwickeln, das hat die Bedarfs- und Qualitätsanalyse, die wir unternommen haben, ganz deutlich gezeigt. Es geht um ein gemeinsames Verständnis der Ämter, es geht auch um ein gemeinsames Verständnis zwischen Trägern und Verwaltung. Es geht auch um ein gemeinsames Verständnis, was wir hier auch gemeinsam mit den Eltern entwickeln müssen, die auch mit ins Boot kommen müssen, wenn es darum geht, Qualitätsmaßstäbe zu entwickeln.

Wir werden nicht alle Themen allein lösen können vonseiten der Landeshauptstadt. Wir werden für manche Fragestellungen auch die Landesbehörden brauchen, unter Umständen eben auch normative Regelungen seitens des Landes. Aber die inhaltlichen Herausforderungen sind groß. Und ich halte es für unbedingt notwendig, hier zu strukturellen Veränderungen in meinem Referat zu kommen, um die ämterübergreifenden Fragestellungen zum Thema Qualität, insbesondere im Bereich der Schulkindbetreuung, aufzugreifen.

Ich möchte im Zusammenhang mit dem Thema Qualität eines betonen: Qualität gibt es nicht zum Nulltarif. Gute Arbeit setzt eine angemessene Personalausstattung voraus. Ich erinnere an die Diskussion, die wir im Zusammenhang mit dem Haushalt über die Investitionsvorhaben der Schulverwaltung diskutiert haben. Und da ist deutlich geworden, wir können die Qualitätsansprüche, die wir alle gemeinsam haben, hier in dem Fall im Bereich Schulausbau und Schulweiterentwicklung, nur dann erfüllen, wenn wir auch gutes Personal in den Ämtern haben. Und ich bin Ihnen, meine Damen und Herren, sehr dankbar, dass Sie da mitgemacht haben, und zwar, wie ich den Eindruck hatte, auch mit ganzem Herzen, dass wir allein im Hochbauamt 19 weitere Stellen für den Ausbau der Schulen bekommen haben. Wir werden da mit weiteren Vorschlägen künftig auf Sie zukommen.

Personalgewinnung, wie könnte es anders sein, ist natürlich auch eine der ganz großen Herausforderungen im Bereich der Jugendhilfe. Bundesweit fehlen bis 2025 300.000 Erzieherinnen und Erzieher. Wenn wir in Stuttgart die Warteliste kalkulieren und dann noch so eine Teilzeitbeschäftigungsquote von 55 % in Rechnung stellen, dann kommen wir auf einen Fehlbedarf von 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, also Köpfe, nicht Stellen. Und dabei habe ich noch nicht mal die 200 offenen Stellen, die wir im Jugendamt haben, mitgerechnet. Und ich habe auch nicht mitgerechnet die Ausbauvorhaben und die Stadtquartiersentwicklungen in unserer Stadt.

Wir haben viel geleistet in den vergangenen acht Jahren. Es sind 81 neue Einrichtungen geschaffen worden, Kita-Einrichtungen. Es sind 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt worden. Es sind 5.100 neue Plätze geschaffen worden. Und das ist eine große Leistung, für die wir viel - in jeder Hinsicht - investiert haben. Aber das reicht natürlich nicht. Die Warteliste ist nach wie vor groß. Und am Ende geht es darum, den Erzieherinnenberuf attraktiver zu gestalten. Da gibt es viele Möglichkeiten. Wir haben sie zusammengestellt, und ich bin sehr dankbar, dass wir anfangen auch - nicht anfangen, wir haben ja in der Vergangenheit bereits viel geleistet, das will ich auch betonen, mit Tarif+, da hat der Gemeinderat einen großen Schritt gemacht, hat auch eine Ausnahmeregelung geschaffen. Aber wir wollen weitermachen auf diesem Weg, und wir haben uns in der Verwaltung bereits verständigt, und die Vorlage kriegen Sie stündlich, auf eine Vorlage, die beinhaltet, dass wir die Ausbildungskapazitäten auch bei den freien Trägern jetzt noch deutlich erhöhen können. Das werden Sie noch vor, wenn Sie einverstanden sind damit, noch vor der Sommerpause beschließen können. Davon gehe ich fest aus.

Ich will abschließend auf meinen letzten Anspruch kommen, und das ist mein Anspruch, gerecht zu sein. Und natürlich geht es hier um Begriffe wie Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Gerecht zu sein bedeutet für mich, jedes Kind als Menschen zu begreifen, der Neigungen, Fähigkeiten und Stärken hat und diese entfalten möchte, um ein gutes Leben zu führen. Und deswegen verdient jedes Kind Unterstützung und Förderung, um diese individuellen Potenziale entwickeln zu können. Und was nicht dagegenstehen darf, das sind sozioökonomische oder kulturelle oder auch gesundheitliche Hintergründe, sei es in der Familie, sei es beim Kind selbst. Es geht um Chancengleichheit. Und mit der Familiencard und der Bonuscard haben wir hier schon eine Teilhabe ermöglicht, die viel dazu beiträgt, das Phänomen der Kinderarmut, dieses schwierige und schreckliche Phänomen der Kinderarmut bei uns, in unserer Stadt, mit guten Ansätzen auch in den Griff zu bekommen. Wir können hier mehr tun, aber wir haben hier schon sehr viel geleistet. Kinder in unserer Stadt können mit der Familiencard, können mit der Bonuscard, über Teilhabepakete sehr viel teilhaben an dem, was wir ihnen an Angeboten und Leistungen anbieten in unserer Stadt.

Mit unseren Angeboten des Kinderschutzes, mit der Gesundheitsvorsorge, der Inklusion, der Schulsozialarbeit, dem Stuttgarter Arbeitsbündnis Jugend und Beruf tun wir ein Weiteres, um Ungleichheiten und Nachteile zu überwinden beim einzelnen Kind, beim einzelnen Jugendlichen. Und natürlich auch die Schulkind- und Kita-Betreuung, auch da arbeiten wir mit den Angeboten, die wir in diesen Formaten anbieten, intensiv daran. Ein Punkt ist mir sehr wichtig daran: Wir dürfen die Eltern nicht aus der Verantwortung entlassen. Und die Eltern wollen das auch nicht. Die Eltern haben die Verantwortung für ihr Kind und wollen sie auch weiter tragen. Alle Eltern wollen ihr Kind bestmöglich unterstützen und fördern. Und wir möchten die Eltern auch dabei unterstützen und tun das auch intensiv mit Weiterbildungsangeboten beispielsweise in den Kinder- und Familienzentren.

Wenn wir beim Thema Elternverantwortung bleiben, dann will ich noch einen letzten Blick auf das Thema Schulkindbetreuung werfen. Jenseits der Schulpflicht haben die Eltern die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie ihre Kinder im Rahmen des Ganztags über die Unterrichtsstunden hinaus bilden lassen wollen. Sie wissen es, künftig wird der Bund einen Anspruch auf Schulkindbetreuung schaffen. Und das Land wird Betreuungsangebote jenseits der Schule fördern. Wir werden in Stuttgart darüber diskutieren, aber wir werden uns auf diese veränderten Rahmenbedingungen einstellen müssen. Und zwar unter Beachtung unserer finanziellen, personellen und räumlichen Möglichkeiten. Und mein Anspruch ist, dass wir weiter versuchen, klare Betreuungsstrukturen zu schaffen und gleichzeitig den Wunsch vieler Eltern nach Flexibilität zu respektieren.

Mein Ziel ist dabei, weiter auf Qualität zu setzen. Das heißt, Eltern sollten nicht gezwungen werden, sich gegen den Ganztag und rhythmisierten Unterricht zu entscheiden, damit ihr Kind musische oder sportliche Förderung erfährt oder auch einmal aus der Schule herauskommt, um im Stadtteil unterwegs zu sein oder auch Natur zu erleben. Das alles sind Angebote, die wir auch in einer guten Ganztagsschule leisten können und von denen jedes einzelne Kind, gleich welcher Herkunft, profitieren kann.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich als Bürgermeisterin für Jugend und Bildung weiter für Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit für unsere Stuttgarter Kinder und Jugendlichen einsetzen. Und dafür brauche ich Ihr Vertrauen, meine Damen und Herren. Ich danke Ihnen."

Auf Nachfrage von OB Kuhn an die Mitglieder des Gemeinderats, ob es Fragen an die Bewerberin gibt, spricht zunächst StR Klingler den Beirat für Menschen mit Behinderung an. Ihn interessiert, wie Frau Fezer es schaffen will, etwas im Beirat für Menschen mit Behinderung zu bewegen. BMin Fezer antwortet, da der Beirat für Menschen mit Behinderung nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegt, werde sie dort nicht aktiv sein.

StR Brett (AfD) macht Einlassungen zum früheren Zuständigkeitsbereich und zur universitären Ausbildung der Kandidatin und möchte wissen, woher Frau Fezer die Fachkenntnisse nimmt, um als Schulbürgermeisterin tätig zu sein: "Welchen fachlichen Input können Sie geben? Was für eine wissenschaftliche Ausbildung haben Sie in Pädagogik? Was möchten Sie in der jetzigen Situation tun, um die schwierige Situation in den Schulen zu beheben? Welche pädagogischen Konzepte, welche Methoden haben Sie dafür?"

OB Kuhn erinnert an die "in unserem Kulturkreis gültige Regel", wonach Fragen mit dem nötigen Respekt vor den Bewerberinnen und Bewerbern vorgetragen werden.

BMin Fezer lädt StR Brett herzlich in die Fachausschüsse ein, um dort am fachlichen Austausch teilzuhaben und um sich selbst ein Bild zu machen von ihrer fachlichen Eignung.

Nach Auffassung von StR Dr. Fiechtner misst sich die Frage des Respekts auch daran, wie die Person, die sich wiederbewirbt, ihrerseits dem Rat gegenüber Respekt gezeigt und erwiesen hat. Der Oberbürgermeister sei maßgeblich verantwortlich für die Schieflage bei der Bewerbung, da er einseitig die Beigeordnete Fezer bevorzugt habe. Frau Fezer spreche in ihrer Rede u. a. von Zuhören, von Respekt und von Gerechtigkeit. Es hätten jedoch unter ihrer Leitung Sitzungen stattgefunden, wo sie genau dies habe vermissen lassen. Hierfür gibt der Stadtrat Beispiele.

OB Kuhn weist den Redner darauf hin, dass die Redezeit von 3 Minuten überschritten ist und dass es üblich sei, Fragen an die Bewerber oder Bewerberin zu stellen. Er bittet den Stadtrat darum, zum Schluss seiner Wortmeldung zu kommen. StR Dr. Fiechtner will dies nicht akzeptieren, weshalb OB Kuhn ihm das Wort entzieht und das Mikrofon ausschaltet.

StR Winter (90/GRÜNE) beantragt das Ende von Befragungen in dieser Form, da sie dazu genutzt werden, Personen zu diffamieren und zu beschimpfen. Hierüber bittet er abstimmen zu lassen. OB Kuhn fragt, ob zu diesem Geschäftsordnungsantrag eine Gegenrede gewünscht wird. Nach Meinung von StR Dr. Fiechtner kann laut Gemeindeordnung während einer noch laufenden Rede kein Geschäftsordnungsantrag gestellt werden. Dem widerspricht der Vorsitzende, der darauf hinweist, dass der Stadtrat die Redezeit von 3 Minuten zuvor bereits überschritten hatte. Er fragt StR Dr. Fiechtner, ob er die Gegenrede zu dem Geschäftsordnungsantrag halten will.

StR Dr. Fiechtner fährt mit seinem Redebeitrag fort und fragt BMin Fezer abschließend: "Glauben Sie wirklich, dass Sie für dieses Amt kompetent sind, oder wollen Sie einfach nur Ihre Zeit verlängern, um eine möglichst hohe Pension dann zum Schluss zu erlangen?"

BMin Fezer beantwortet den ersten Teil der letzten Frage mit "Ja". Die Frage die Sitzungsleitung betreffend erklärt sie: "Gerade weil ich Ihnen zugehört habe und den anderen Stadträtinnen und Stadträten, habe ich die Sitzung exakt so geleitet, wie ich sie geleitet habe, und würde das jedes Mal wieder tun."

OB Kuhn lässt anschließend über den Geschäftsordnungsantrag auf Abbruch der Fragerunde bei BMin Fezer abstimmen. Die Gegenrede ist seines Erachtens erfolgt. Er stellt fest, dass der Antrag auf Abbruch dieser Fragerunde bei 3 Enthaltungen mehrheitlich angenommen ist. BMin Fezer verlässt anschließend den Sitzungssaal.

OB Kuhn bittet anschließend Herrn Ulrich Raisch seine Bewerbungsrede zu halten. Auf dessen Nachfrage teilt er mit, es stünden hierfür maximal 25 Minuten Zeit zur Verfügung, was der Redezeit der konkurrierenden Bewerberin entspreche.

Die Rede von Herrn Ulrich Raisch ist anschließend wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kuhn, sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte der Landeshauptstadt Stuttgart, sehr geehrte Vertreter hier von der Verwaltung und natürlich auch sehr verehrtes Publikum, es ist einigermaßen unerwartet gekommen, diese Gelegenheit, hier reden zu dürfen. Und das veranlasst mich natürlich auch, Ihnen, Herr Oberbürgermeister, ausdrücklich dafür zu danken. Denn obwohl schon früher vergleichbare Bewerbungen von mir vorlagen hier, war das unter einem CDU-Oberbürgermeister nicht möglich. Also da hat sich offensichtlich was geändert. Vielen Dank. Ich sage das auch, weil ich selber CDU-Mitglied bin, wie sicherlich bekannt ist. Das spricht für eine positive politische Kultur, wie ich meine.

Ich möchte Sie auch nicht lange mit irgendeiner vorbereiteten, abgelesenen Rede hier langweilen. Sie sehen ja, ich stehe hier nur persönlich am Mikrofon. Ich möchte Sie auch nicht mit irgendwelchen bekannten Sachen langweilen. Ich habe im Wesentlichen zwei Botschaften, die ich hier betonen und vermitteln und vielleicht auch dokumentieren möchte. Das eine ist das Thema Musikkindergarten. Das andere ist der § 41a Gemeindeordnung. Dass er hinten ein kleines "a" hat, hat schon seine Bedeutung, weil, das ist noch nicht so lange her, dass der in der Gemeindeordnung drin ist. Er besagt aber, Kinder sollen und Jugendliche müssen beteiligt werden in allen für sie bedeutsamen Fragen. Das ist genau das Thema hier in diesem Geschäftskreis, in diesem Dezernat, das neu zu besetzen ist. Das ist kein Thema mehr für Sonntagsreden, sondern das ist Pflichtaufgabe, gesetzliche Pflichtaufgabe für jede Kommune. Und ich meine, für eine Landeshauptstadt Stuttgart, natürlich die immer auch irgendwo Vorbild ist, erst recht.

Aber kurz zu meiner Person, soweit man mich hier jetzt noch nicht kennen würde. Ich bin gebürtiger Stuttgarter. Ich bin am 23.12.1960 in Degerloch, in der Waldklinik, die gibt es heute nicht mehr, eine Privatklinik, geboren worden. Und deswegen ist es mir natürlich eine besondere Ehre, aber auch ein Herzensanliegen, hier für meine eigentliche Heimatstadt, in der ich geboren wurde, hier heute durch diese Rede auch einen Beitrag vielleicht zu einer noch positiveren Entwicklung leisten zu können.

Ich bin allerdings nicht hier in Stuttgart aufgewachsen, sondern in Fellbach, weil dort das väterliche Haus steht. Ich bin da zur Schule gegangen, Friedrich-Schiller-Gymna-sium, habe dort mein Abitur gemacht. Bin noch zur Bundeswehr gegangen, immerhin für 15 Monate, war dort beim Stabsmusikkorps der Bundeswehr. Manche wissen das vielleicht, immer wenn die hohen Staatsgäste, auch hohen Militärs kommen, dann kommen die im Fernsehen. Ich erinnere mich noch lebhaft an das 25-jährige Jubiläum der Bundeswehr auf dem Bonner Münsterplatz, als wir unter klingendem Spiel da einmarschiert sind zum großen Zapfenstreich. Und Sie wissen es, gleichzeitig auch in Zeiten von RAF, da war keineswegs sicher, ob man da lebendig wieder rauskommt, aus diesem Kessel. Das hat einen jungen Menschen wie mich sehr geprägt und in ein anderes Verhältnis zu diesem Gemeinwesen gebracht, als es vielleicht so in unserer heutigen Wohlstands- und Wohlfühlgesellschaft der Fall sein mag.

Ich habe hier in Stuttgart auch studiert. Ich habe drei pädagogische Hochschulabschlüsse - Magister Artium für Pädagogik, Berufspädagogik und ein Erstes Staatsexamen für Erziehungswissenschaft, das sich überwiegend mit dem Schulbereich, mit der Schulpädagogik befasst. Freilich habe ich Musik studiert, aber auch ein Erstes Staatsexamen für Politikwissenschaft, Gemeinschaftskunde am Gymnasium. Und ich hatte auch erst kürzlich -, obwohl ich jetzt schon, Sie können es ja nachrechnen, Jahrgang 1960, ich gehe jetzt auf 58 zu - noch Gelegenheit gehabt, am Solitude-Gymnasium in Stuttgart-Weilimdorf oben, das in der Schulrealität erleben, erfahren zu können, was das bedeutet, die Fächer Musik und Gemeinschaftskunde immerhin an unsere Kinder und Jugendlichen, die damit in Berührung zu bringen. Weil, mit den Erfahrungen ist es nicht so weit her, darauf komme ich noch zu sprechen.

Falls noch weitere Fragen zu meiner Biografie sein sollten, ich bin übrigens freiberuflicher Musikpädagoge, genau wie Andreas Winter hier auch, war mal eine ganze Zeit lang da oben in Feuerbach am Freien Musikzentrum, gell? Ja. Auch das darf man bei der Gelegenheit vielleicht sagen, wir sind Kollegen, ja, kennen uns gut. Aber ich beantworte selbstverständlich auch noch Fragen zu meiner Person. Aber jetzt vielleicht doch in medias res. Ich hatte gesagt, Musikkindergarten, zum einen. Sie kennen sicherlich diese Filme 'Rhythm is it', Berliner Philharmoniker, Royston Maldoom, dieser Ballettpädagoge, der mit Berliner Grund- und Hauptschulkindern Strawinskys 'Sacre du Printemps' auf die Bühne bringt. Die hätten das von sich aus niemals gemacht, aber mit diesem genialen Pädagogen war das möglich. Das ist auch im Film, wie gesagt, dokumentiert. 'Wir haben das geschafft', rufen die Jugendlichen zum Schluss. 'Wir haben das geschafft', nicht 'Wir schaffen das', wie unsere Bundeskanzlerin immer wieder verspricht. Die haben das geschafft.

Der andere Film, den Sie vielleicht auch kennen, 'Die Kinder des Monsieur Matthieu' zeigt dasselbe. Auch dort schafft es ein Musikpädagoge, die Herzen von schwererziehbaren Jungs zu ergreifen. Mit Musik. Das zeigt, welche Möglichkeiten in Musik liegen, aber auch hier in Stuttgart werden die keineswegs so genützt, wie das eigentlich der Fall sein müsste und so wie ich das eigentlich auch schon lange erwarte, wenn schon ein Kollege hier im Gemeinderat in verantwortlicher Position sitzt. Aber vielleicht schaffen wir das ja gemeinsam, Andreas Winter? Mit dem entsprechenden Dezernenten auf der Bürgermeisterbank.

Musikkindergarten, das Modell ist in Berlin, einen Ableger gibt es in Hamburg, Landeshauptstadt Düsseldorf hat sich 11 dieser Kindergärten auf die Fahnen geschrieben und sind jetzt beim sechsten Musikkindergarten. Landeshauptstadt Stuttgart: Fehlanzeige bis jetzt. Sogar in Baden-Württemberg gibt es bis jetzt keinen einzigen Musikkindergarten. Gerade dass wir mal ein Musikgymnasium geschafft haben, Karlsruhe, ich weiß nicht, wie weit die sind mittlerweile. Aber der Unterbau fehlt doch völlig. Und wir wissen ja die ganze Problematik mit Ganztagesschulen und Betreuungseinrichtungen usw., wenn Kinder in dem Bereich begabt sind, aber um die geht es ja nicht mal, wann sollen die denn überhaupt Zeit haben, sich mit der Sache zu beschäftigen?

Ja, dann gibt es nur die Konsequenz, das zum Fundament zu machen. Und genau das ist der Kern dieses Musikkindergartens in Berlin, eine Kooperation mit der Staatsoper Unter den Linden, mit der Berliner Staatskapelle. Dort kommen Musiker in diesen Kindergarten, und zwar nach dem Wohnstubenprinzip von Pestalozzi. Die leben dort mit, die kommen nicht mit der Gießkanne und machen dort Veranstaltungen, Instrumentendemo, so wie wir das kennen - gell, Andreas? Das führt zu nichts. Nein, ich denke, wir verstehen uns da, ja? Also, mit der Gießkanne geht heute überhaupt nichts mehr. Die arbeiten mit dem Neugier-Prinzip. Wenn Menschen da sind und das verkörpern und nicht nur reden, sondern das tun. Ich gehe auf jede Bühne, wenn da ein Instrument mit 88 Tasten - Sie wissen, das ist der Flügel - steht. Ich kann stundenlang - auswendig. Das macht Eindruck. Nicht, ob ich geschliffen über irgendwas daherschwätzen kann. Ob das jetzt Musikgeschichte oder sonst irgendwas ist. Das bringt nichts. Die Kinder wollen sehen, was wir können. Nur das, was wir tun, zählt. Das ist maßgebend. Und das ist eines der wesentlichen Geheimnisse auch dieses Musikkindergartens. In diesem Musikkindergarten leben über 23 Nationalitäten unter einem Dach. Ich weiß, hier in Stuttgart ist es vielfach auch schon Realität in den Kitas. Aber dann ist doch die Frage, wie schafft man das, dass die alle hier gut ins Leben kommen und natürlich auch in dieses Gemeinwesen hineinkommen? Integration heißt das mit dem Fremdwort oder Fachbegriff, ja. Sie kennen alle den Spruch: Mit Musik geht alles besser. Das tut es tatsächlich.

Und wie das geht, können Sie sich selber kundig machen, wenn Sie einmal auf die Homepage dieses Musikkindergartens gehen. Da ist es sehr anschaulich mit vielen Bildern und Geschichten beschrieben. Ein guter Tipp von mir. Nehmen Sie sich einmal die Zeit, schauen Sie sich das an. Und es wäre meines Erachtens der entscheidende Schritt, und zwar wirklich nachhaltig, für die Erziehung und Bildung unserer Jüngsten gerade hier in Stuttgart, für eine Landeshauptstadt mit Vorbildfunktion. Ich sage es nochmals.

Das zweite Thema, § 41 a Gemeindeordnung. Ich kann mich kurzfassen: Es zählt nicht das, was wir reden, es zählt nur das, was wir tun und was wir sind. Und dass wir etwas sind, und dass wir wer sind, das haben wir heute gerade in dem politischen Bereich gezeigt. Demokratie heißt ja, dass es eine Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, hier konkret Personen oder Kandidaten, mindestens geben muss, sonst ist es ja gar keine Wahl. Welches Kind, welchen Jugendlichen wollen Sie noch hinter dem Ofenrohr für eine Wahl hervorlocken, wo von vornherein das Ergebnis feststeht? Deswegen war das genau die Gelegenheit, dass ich hier heute auch zu Ihnen sprechen konnte, nochmals vielen herzlichen Dank, Herr Kuhn, das lebendige Beispiel, das wir noch viel öfters zeigen und demonstrieren müssen. Nur das überzeugt und führt in eine gute Zukunft.

Sie wissen das geflügelte Wort: Eine Gemeinde ohne Kinder ist eine Gemeinde ohne Zukunft. Denken Sie dran. Nicht mal mehr in zwanzig Prozent aller Haushalte hier in Stuttgart gibt es überhaupt noch Kinder. Aber das Stadtsäckel ist voll. Jetzt müssen wir die Grundsteuer senken. Für wen? Vergessen Sie unsere Kinder und Jugendlichen nicht! Mit dem Appell möchte ich schließen. Vielen herzlichen Dank."

OB Kuhn fragt die Mitglieder des Gemeinderates, ob sie Fragen an den Kandidaten haben, und übergibt zunächst das Wort an StR Klingler. Dieser erkundigt sich nach den politischen Erfahrungen von Herrn Raisch und danach, ob er Mitglied in einer Partei ist. Die Antwort von Herrn Raisch ist ebenfalls wiedergegeben im leicht überarbeiteten Wortlaut:

"Ich bin CDU-Mitglied seit 2008, hier bei der CDU Stuttgart-Mitte. Ich engagiere mich da auch wirklich. Meine Themen sind genau die Themen hier dieses Dezernats: Kinder, Familien - logisch, ohne Familien gibt es keine Kinder -, Bildung. Und was hier eigentlich in dieses Dezernat sachlich mit hineingehört, ich habe den Musikkindergarten angedeutet, natürlich die Kultur.

Es gab hier in Stuttgart allein drei Bildungskonferenzen, gell, Herr Kotz? Bildungsrepublik Deutschland hieß das Thema. Der Abschnitt über kulturelle Bildung stammt aus meiner Feder. Also, auf der Schiene mache ich weiter. Das ging unmittelbar mit Annette Schavan, als sie noch Bundesbildungsministerin in Berlin war. Aber wodurch ich natürlich vor allem bekannt bin, sind meine Kandidaturen eben für solche Ämter, auch Beigeordnetenstellen. Übrigens auch in Esslingen und in Waiblingen durfte ich an dieser Stelle schon sprechen, der Herr Hesky und der Herr Dr. Ziegler hatten mir auch die Möglichkeit gegeben, Stuttgart ist keineswegs die erste Großstadt. Wie gesagt, ich bin mit dieser Position hier durchaus vertraut, aber die Bürgermeisterkandidaturen in Gemeinden unter 20.000, im Landkreis Ludwigsburg waren auch ein paar Gemeinden außerhalb dabei wie Renningen, oder kürzlich auch Sigmaringen, haben mich mit mittlerweile über 40 Gemeinden in Berührung gebracht, und damit auch mit den Verwaltungen.

Und es gehört zu meinem Handwerkszeug, mich mit Haushaltsplänen intensivst zu beschäftigen, weil nur das, was der Haushalt hergibt, erlaubt, Politik zu gestalten. Und ich nehme immer noch zur Kenntnis, dass da in dem Bereich dieses Geschäftskreises viel zu wenig gemacht wird. Aber wenn da etwas gemacht wird, dann wird es mordsteuer, gell Herr Föll? Was ist der Sanierungsstau hier in Stuttgart in den Schulen und in den Kitas? Damit ist das, was an Rücklagen im Moment in der Landeshauptstadt Stuttgart ist, bereits verbraten. Also jeder, der über die Zahlen orientiert ist, wird mir nicht widersprechen. Das sagt alles. Das wird mordsteuer. Es geht sofort in den sechs-, siebenstelligen Bereich, allein wenn man eine Kinderkrippe bauen will."

StR Walter (SÖS-LINKE-PluS) verweist auf § 50 Abs. 2 der Gemeindeordnung, wonach Beigeordnete im Verhältnis der Zusammensetzung des Gemeinderats besetzt werden sollen. Er möchte wissen, ob die Bewerbung von Herrn Raisch als offizielle Kandidatur eines CDU-Mitglieds zu verstehen ist. Herr Raisch verneint diese Frage nachdrücklich. Seines Erachtens lasse sich eine Regelung finden, sollte dies ein Problem darstellen. Er betont, hier für die Sache zu stehen, nicht für eine Partei, wobei er Wert auf das
"hohe C" lege, welches insbesondere mit Familie - zu der Vater, Mutter und Kinder gehören - und mit der christlichen Soziallehre zusammenhänge. "Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl sind die vier Säulen der christlichen Soziallehre, für die ich mit dem "C" stehe."


StR Brett fragt Herrn Raisch nach der fachlichen oder wissenschaftlichen Qualifikation, die ihn befähigen, das Amt des Bildungsbürgermeisters zu übernehmen. Herr Raisch verweist auf drei einschlägige Hochschulabschlüsse in Pädagogik, Berufspädagogik und Erziehungswissenschaften sowie auf die Abschlüsse in Politikwissenschaft und Musik.

StR Dr. Fiechtner interessiert sich für den Familienstand des Kandidaten. Herr Raisch erklärt, er sei im Beruf selbstständig "und brauche keine Putzfrau".

Nachdem es keine weiteren Fragen an den Bewerber gibt, bittet OB Kuhn Herrn Raisch darum, den Sitzungssaal zu verlassen. Nachdem dieser der Bitte nachgekommen ist, meldet sich StR Dr. Fiechtner zu Wort, der darauf hinweist, dass der zweite Bewerber nicht im Bewerberverzeichnis aufgeführt wurde. Er stellt infrage, ob der heute avisierte Wahlvorgang überhaupt rechtmäßig erfolgen kann. Gleichzeitig kündigt er an, "wenn es irgendwelche Fragen geben sollte, würden wir diese Wahl anfechten". BM Dr. Mayer schlägt vor, die Sitzung für kurze Zeit zu unterbrechen, um einen Auszug aus dem Bewerberspiegel für Herrn Raisch nachreichen zu können.

OB Kuhn folgt diesem Vorschlag und unterbricht die Sitzung, um der Verwaltung zu ermöglichen, das Bewerberverzeichnis für die Stelle Beigeordnete/r Geschäftskreis Jugend und Bildung zu ergänzen und an die Mitglieder des Gemeinderats auszuteilen. Er nimmt anschließend die Sitzung wieder auf und fragt, ob alle die Ergänzung zum Bewerberverzeichnis erhalten haben und ob alle Gelegenheit hatten, diese zu lesen. Dazu erhebt sich jeweils kein Widerspruch.

Danach werden die Stimmzettel mit den Namen der Bewerberin/des Bewerbers nach Aufruf einzeln an OB Kuhn sowie an die Stadträtinnen und Stadträte ausgegeben. Sie nehmen die geheime Wahl in der im Sitzungssaal aufgestellten Wahlkabine vor und werfen ihren Stimmzettel anschließend in die Wahlurne.

Nachdem OB Kuhn festgestellt hat, dass der Wahlgang ordnungsgemäß durchgeführt und abgeschlossen worden ist, werden die Stimmen gezählt von

StR Sauer (CDU)
StRin Fischer (90/GRÜNE)
Herrn Steinmetz (HauptPersA)
Frau Sabbagh (HauptPersA).

Der Vorsitzende gibt folgendes Wahlergebnis bekannt:

Von 59 stimmberechtigten Anwesenden wurden 59 Stimmen abgegeben,
davon gültig: 56, davon ungültig: 3.


Auf Frau Fezer entfielen 43 Stimmen, auf Herrn Raisch entfielen 3 Stimmen.
Enthaltungen: 10.

Damit ist BMin Fezer zur Beigeordneten für den Geschäftskreis Jugend und Bildung gewählt.

BMin Fezer nimmt die Wahl an und dankt für das in sie gesetzte Vertrauen. Der Gratulation des Vorsitzenden schließen sich die Bürgermeister sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen und der Gruppierung FDP sowie der Vertreter des Gesamtpersonalrats an.

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