Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OBM
GRDrs 597/2017
Stuttgart,
07/03/2017



Stuttgart 21
Verjährungsverzichtsvereinbarung zwischen dem Land Baden-Württemberg, der Landeshauptstadt Stuttgart, dem Verband Region Stuttgart und der Flughafen Stuttgart GmbH




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
12.07.2017
13.07.2017



Beschlußantrag:

1. Die Verwaltung wird ermächtigt, mit dem Land Baden-Württemberg, dem Verband Region Stuttgart und der Flughafen Stuttgart GmbH eine Verjährungsverzichtsvereinbarung abzuschließen. Mit dieser Vereinbarung verzichten die Vertragspartner auf die Einrede der Verjährung bezüglich eventueller wechselseitiger Ansprüche für den Fall, dass die DB mit ihrer am 23.12.2016 eingereichten Klage auf Beteiligung an den Mehrkosten für S 21 Erfolg hat. Der Verzicht erfolgt ohne jede Anerkennung von Ansprüchen und ist zeitlich auf drei Jahre befristet.

2. Der Vertreter der Landeshauptstadt Stuttgart wird ermächtigt, in der Gesellschafterversammlung der Flughafen Stuttgart GmbH einer entsprechenden Verjährungsverzichtsvereinbarung zuzustimmen.



Begründung:


1. Sachstand

Die Bahn hat – wie zuvor angekündigt (GRDrs 959/2016) – am 23.12.2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gegen das Land Baden-Württemberg („Land“), den Verband Region Stuttgart („VRS“), die Flughafen Stuttgart GmbH („FSG“) sowie die Landeshauptstadt Stuttgart („LHS“, alle gemeinsam: Projektpartner) erhoben. Ihr Ziel ist es, die Projektpartner an den weiteren Mehrkosten für S 21 zu beteiligen. Die Bahn beruft sich dabei in erster Linie auf die sogenannte „Sprechklausel“ in der Finanzie-rungsvereinbarung vom 02.04.2009. Aus dieser ergebe sich die Verpflichtung primär des Landes, eine Ergänzungsvereinbarung abzuschließen und sich zur Übernahme weiterer Mehrkosten zu verpflichten. Die gerichtliche Geltendmachung gegenüber den übrigen Projektpartnern erfolge vorsorglich.

Alle Projektpartner werden sich gegen die Klage verteidigen. Sie halten die von der Bahn geltend gemachten Ansprüche für unbegründet und haben eine Beteiligung an den weiteren Mehrkosten bereits im Vorfeld abgelehnt. Derzeit wird die Klagebegründung der Bahn analysiert, die entsprechenden Klageerwiderungen werden vorbereitet. Die Frist zur Einreichung der Klageerwiderungen läuft am 15.10.2017 ab.

Für den Fall, dass die Klage der Bahn (gleichwohl) erfolgreich ist und das Land zur Übernahme weiterer Mehrkosten verurteilt wird, hat das Land bereits Ende 2016 Rückgriffsansprüche gegen die übrigen Projektpartner geltend gemacht (vgl. GRDrs 1007/2016). Auch die übrigen Projektpartner können für diesen Fall nicht ausschließen, dass sie Regressansprüche gegen das Land oder aber auch jeweils andere Projektpartner haben. Es sind daher zwischen allen Projektpartnern wechselseitige Ansprüche denkbar. Diese drohten allerdings zum 31.12.2016 zu verjähren.

Um eine solche Verjährung zu verhindern haben die Projektpartner Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB aufgenommen (vgl. GRDrs 1007/2016). Die Gespräche haben am 23.12.2016, am 14.02.2017 und am 02.05.2017 stattgefunden. Die LHS hat hierbei die Ansprüche des Landes abgelehnt und ihrerseits Rückgriffsansprüche gegen die übrigen Projektpartner geltend gemacht. Sämtliche Projektpartner haben vorsorglich untereinander Gegenansprüche erhoben. Aufgrund dieser Verhandlungen ist die Verjährung der wechselseitigen Ansprüche der Projektpartner derzeit gehemmt.

Gegenstand dieser Verhandlungen war darüber hinaus eine Vereinbarung, mit der alle vier Projektpartner für einen gewissen Zeitraum wechselseitig auf die Einrede der Verjährung verzichten, um sich zunächst auf die gemeinsame Verteidigung gegen die Klage der Bahn zu konzentrieren. Der Entwurf einer entsprechenden Vereinbarung ist als Anlage beigefügt.
2. Haltung der Verwaltung

Die LHS hat in den GRDrs 956/2016 und 1007/2016 bereits sehr deutlich gemacht, dass sie nicht nur die Ansprüche der Bahn, sondern auch die des Landes für unbegründet hält. Daher scheint auf den ersten Blick kein Anlass für den Abschluss einer Verjährungsverzichtserklärung mit dem Land und den weiteren Projektpartnern zu bestehen.

Die Verwaltung empfiehlt gleichwohl, aus folgenden Gründen eine entsprechende Verjährungsverzichtsvereinbarung mit den Projektpartnern Land, VRS und FSG abzuschließen.

Aus haushaltsrechtlichen Gründen kann das Land die zwar unwahrscheinlichen, aber angesichts der Komplexität der Rechtslage auch nicht sicher ausschließbaren Ansprüche gegen die Projektpartner nicht verjähren lassen. Ohne Einredeverzicht – so hat es das Land mitgeteilt - wäre es daher gezwungen, die Verjährung der Ansprüche auf andere Weise zu vermeiden. Konkret müsste das Land Feststellungsklage gegen die übrigen Projektpartner, insbesondere auch die LHS, erheben. Diese Klage hängt inhaltlich

von dem „Hauptprozess“, also der Klage der Bahn gegen die Projektpartner, ab: Nur wenn die Klage der DB gegen das Land erfolgreich ist und dieses zur Beteiligung an den Mehrkosten verurteilt wird, kann das Land Regressansprüche gegen die übrigen Projektpartner haben und geltend machen.

Das Land wäre damit zu widersprüchlichem Verhalten gezwungen: Einerseits muss es im „Hauptprozess“ der Argumentation der Bahn entgegentreten, andererseits sich aber im Prozess gegen die Projektpartner genau diese Argumentation zu eigen machen, um einen Regressanspruch gegen die Projektpartner an den Mehrkosten zu begründen.

Wenn die Verjährungsverzichtsvereinbarung nicht zustande kommt, wäre die LHS – wie auch der VRS und die FSG - ebenfalls gezwungen, vorsorglich eine Feststellungsklage gegen das Land und die übrigen Projektpartner zu erheben, um mögliche Regressansprüche gegen die Verjährung zu sichern. In der Klagebegründung müssten die möglichen Regressansprüche näher dargelegt werden. Dabei müsste auch die LHS unterstellen, dass die Bahn im Hauptprozess erfolgreich ist. Weiter müssten dann hypothetisch die möglichen Regressansprüche näher dargelegt werden.

Diese Prozesse zwischen den Projektpartnern führen zu einer Verschlechterung der Chancen der LHS bei der Verteidigung im Hauptprozess. Die Bahn wird versuchen, die Argumentation des Landes und der Projektpartner sowie ggfs. eine Beendigung der Feststellungsprozesse vor dem Hauptprozess zu ihren Gunsten zu nutzen. Die Feststellungsklagen der Projektpartner untereinander können sich daher auf den Hauptprozess sehr negativ auswirken. Auch in der Außenwirkung scheint es wenig glaubwürdig, wenn die Projektpartner im Hauptprozess die Klage der Bahn für vollständig unbegründet halten, parallel aber im Innenverhältnis Rechtsstreitigkeiten führen, die nur im Fall eines Klageerfolgs der Bahn relevant werden. Eine Verjährungsverzichtsvereinbarung ist daher prozesstaktisch sinnvoll, um zunächst eine erfolgreiche und schlagkräftige gemeinsame Verteidigung aller Projektpartner gegen die Klage der Bahn sicherzustellen.

Mit der Verjährungsverzichtsvereinbarung ist kein Anerkenntnis von Ansprüchen des Landes oder der anderen Projektpartner verbunden ist. Dies wird in der Vereinbarung auch ausdrücklich geregelt. Sie stellt auch kein Indiz für das Bestehen solcher Ansprüche dar, sondern führt lediglich zu einer vorläufigen Befriedung des Innenverhältnisses der Projektpartner.

Auf diese Weise können teure und derzeit unnötige Klageverfahren vermieden werden. Die Gerichts- und Anwaltskosten einer Instanz der entsprechenden Feststellungsklage der LHS belaufen sich auf annähernd 1 Mio. €. Das gleiche gilt für die Feststellungsklagen des Landes gegen die übrigen Projektpartner und die weiteren möglichen Feststellungsklagen des VRS und der FSG gegen die Projektpartner. Diese erheblichen Kosten können vermieden werden, wenn die Klage der Bahn keinen Erfolg hat und sich die Frage von Regressansprüchen zwischen den Projektpartnern erst gar nicht stellt.

Die – längerfristige - Hemmung der Verjährung kann beim vorliegenden Verwaltungsrechtsstreit übrigens auch nur durch eine entsprechende Verjährungsverzichtsvereinbarung erreicht werden. Eine Streitverkündung, die im Zivilprozess verjährungshemmende Wirkung haben kann, gibt es im hier vorliegenden Verwaltungsprozess nicht.

Es wird daher empfohlen, mit den Projektpartnern eine Verjährungsverzichtsvereinbarung abzuschließen. Diese soll zunächst auf drei Jahre befristet werden. Voraussichtlich wird in diesem Zeitraum eine erstinstanzliche Entscheidung ergehen, auf deren Basis die Rechtslage besser beurteilt und über die dann erforderlichen weiteren Schritte entschieden werden kann.

Der VRS hat den Abschluss einer auf drei Jahre befristeten Verjährungsverzichtsvereinbarung in der Sitzung des Verkehrsausschusses am 31.05.2017 zugestimmt.

3. Gesellschafterbeschluss Flughafen

Die Geschäftsführung der FSG benötigt für den Abschluss der Verjährungsverzichtsvereinbarung eine ausdrückliche Weisung der Gesellschafterversammlung. Mit dem Finanzministerium als Vertreter des Mehrheitsgesellschafters wurde ein entsprechender Beschlussvorschlag abgestimmt.

Die FSG vertritt wie die Stadt die Auffassung, dass weder Ansprüche der Bahn noch solche des Landes oder anderer Projektpartner auf Ausgleich im Innenverhältnis bestehen. Aus den oben dargelegten Gründen ist es jedoch auch für die FSG sinnvoll, eine entsprechende Verjährungsverzichtsvereinbarung abzuschließen.

Die Verwaltung schlägt daher vor, den Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung der FSG zu ermächtigen, dem Abschluss dieser Vereinbarung zuzustimmen.







Fritz Kuhn








Finanzielle Auswirkungen

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Anlagen

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