Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
91
1
VerhandlungDrucksache:
393/2017
GZ:
OB
Sitzungstermin: 29.06.2017
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Westhaus-Gloël fr
Betreff: Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung
Grundsatzbeschluss

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 28.06.2017, öffentlich, Nr. 216

Ergebnis: einmütige bzw. mehrheitliche Zustimmung mit Ergänzung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 20.06.2017, GRDrs 393/2017, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Den nachstehenden Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität und Luftreinhaltung in Stuttgart wird grundsätzlich zugestimmt:

Lfd.Nr.
Maßnahme
Gesamtkosten
1
Machbarkeitsstudie für eine Seilbahn als Teil des ÖPNV im Bereich Vaihingen
200.000 EUR
2
Machbarkeitsstudie für einen "Ostheimer Tunnel" und einen "Zero-Emission-Tunnel" parallel zum Wagenburgtunnel
300.000 EUR
3
Städtebaulicher Wettbewerb für den "neuen Cityring" einschließlich verkehrsberuhigter Schillerstraße
260.000 EUR
4
Weiterentwicklung der IVLZ: Paket 6 - Zuffenhausen
600.000 EUR
5
Erneuerung der Netzbeeinflussungsanlage Nord
750.000 EUR
6
Versuchsprojekt "e-carsharing im Haus" in fünf Quartieren/größeren Wohnobjekten von SWSG oder Baugenossenschaften mit Investition in Fuhrpark (e-Bike, Auto, Transporter), Bau der Ladeinfrastruktur, Bau einer Photovoltaikanlage
750.000 EUR
7
Pilot-Bus-Linie "P" mit "ZERO-EMISSION" in der Innenstadt und Verbindung nach Bad Cannstatt
7.500.000 EUR
8
Verbesserung des Angebotes der Buslinien und einer attraktiveren Taktverdichtung
2.000.000 EUR
9
Fahrradstation / Fahrradparkhaus im Bereich Paulinenbrücke mit Ladestation für E-Bikes
200.000 EUR
10
Imagekampagne "Stuttgart aufs Rad" einschließlich besserer Beschilderung der Radwege
50.000 EUR
11
3-jähriges Förderprogramm für die Erneuerung von Heizungsanlage in Wohn- und Gewerbegebäude, um die Verbrennung von Öl und Festbrennstoffen zu reduzieren
4.000.000 EUR
12
Bau des Kreisverkehrs Solitude- / Engelbergstraße Weilimdorf
1.161.000 EUR
13
Abriss des Auffahrtsbauwerks an der Friedrichswahl in Zuffenhausen und Neubau einer direkten Straßenverbindung (1. Tranche)
10.000.000 EUR

2. Die Verwaltung wird beauftragt, soweit erforderlich die notwendigen Einzelbeschlüsse zeitnah herbeizuführen, im Übrigen die Maßnahmen umzusetzen.

3. Allen im Haushaltsjahr 2017 entstehenden Mehraufwendungen in den Ergebnishaushalten und Mehrauszahlungen in den Teilfinanzhaushalten/Investitionsprojek-ten für die in Ziffer 1 dargestellten Maßnahmen wird bis zur Höhe der ausgewiesenen Gesamtkosten zugestimmt.

Die Deckung der Mehraufwendungen 2017 für die Maßnahmen 1, 2, 3 und 10 in Höhe von insgesamt 810.000 EUR erfolgt durch Inanspruchnahme der im Teilergebnishaushalt 900, Amtsbereich 9006120, Sonstige allgemeine Finanzwirtschaft, veranschlagten Deckungsreserve.

Die Maßnahmen 4, 5, 6, 7, 9, 11, 12 und 13 werden aus vorhandener freier Liquidität durch Bildung einer Davon-Position innerhalb der Ergebnisrücklage im Jahresabschluss 2016 in Höhe von 25 Mio. EUR finanziert. Die Deckung erfolgt aus dieser neu geschaffenen Investitionspauschale zur Verbesserung der Mobilität und Luftreinhaltung im Teilfinanzhaushalt 200 Stadtkämmerei, aus der die erforderlichen Mittel maßnahmenbezogen in die betreffenden Teilhaushalte der Ämter umgesetzt werden.

4. Die für die Haushaltsjahre 2018 und 2019 zu erwartenden Mittelabflüsse aus der Investitionspauschale werden in den Entwurf des Doppelhaushaltsplans 2018/2019 und in das Investitionsprogramm aufgenommen.

5. Von der Absicht zur Umsetzung von Maßnahme 8 (Angebotsverbesserungen im Busverkehr der SSB) in der Wirtschafts- und Finanzplanung der SSB ab 2018 jährlich zusätzlich 1 Mio. EUR zur Verfügung zu stellen, wird zustimmend Kenntnis genommen.


OB Kuhn verweist auf die Vorberatung im Verwaltungsausschuss. Im Ältestenrat sei eine kurze Aussprache zum Thema vereinbart worden.

StR Kotz (CDU) äußert seine Freude darüber, dass am heutigen Tag ein Grundsatzbeschluss gefasst werde zu einem Bündnis, das die CDU-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat angeregt und gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion
Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der SPD-Gemeinderatsfraktion auf den Weg gebracht habe. Das Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung bringe zum Ausdruck, wie intensiv der Gemeinderat an diesen Themen arbeite. Große finanzielle Mittel - 28 Mio. € - sollten außerhalb der klassischen Doppelhaushaltsplanberatungen investiert werden.


Nahezu alle Mobilitätsarten würden einbezogen. Es gehe um Ausbau des Fahrradverkehrs und des ÖPNV, es gehe um eine Seilbahn und auch um den Individualverkehr. Auch langfristige Maßnahmen spielten eine Rolle, wie man z. B. an der Machbarkeitsstudie für den Ostheimer Tunnel sehe. Aber vor allem seien mit dem Bündnis auch Maßnahmen verbunden, die sehr schnell, bereits im Jahr 2018, wirken würden, wie die Verstärkung der Taktdichte bei den Innenstadtbuslinien, das Heizungserneuerungsprogramm und der Ausbau der Integrierten Verkehrsleitzentrale, die den Verkehr besser am Fließen halte und damit Schadstoffe vermeiden helfe. Die Bündnispartner hätten auch dazu beigetragen, dass es eine Tarifreform mit nur 1 Zone im VVS-Gebiet auf Stuttgarter Gemarkung und das Luftreinhalteticket als Tagesticket geben werde. Dadurch werde der ÖPNV günstiger, gerechter, einfacher, und damit in Summe attraktiver. Dass in der Vorberatung auch noch beschlossen sei, die notwendige Personalstelle zu schaffen, damit diese Dinge schnell in die Umsetzung gehen könnten, sei nur konsequent. Insgesamt sei das Bündnis ein deutliches Zeichen, dass der Stuttgarter Gemeinderat die Maßnahmen anpackt, die Stuttgart in Sachen Mobilität und bessere Luft voranbringen.

StR Winter (90/GRÜNE) betont, er sei froh, dass das Bündnis zustande gekommen sei. Jeder habe seine Schwerpunkte gehabt, zu einigen Punkten werde man sicher noch kontrovers diskutieren. Trotzdem habe man sich angesichts der Problemlage geeinigt, unterjährig zwischen den Haushalten 28 Mio. € auf den Weg zu bringen, für kurz- und langfristige Maßnahmen. Der Dank gelte auch dem Stadtkämmerer, der eine sehr gute Vorlage erarbeitet habe, damit das Geld "in geordneter Bahn" ausgegeben werden könne, insbesondere für eine starke ÖPNV-Offensive. Die neue Expressbuslinie werde als emissionsarme, nach Möglichkeit emissionsfreie, Linie nicht nur im 5-Minuten-Takt den Cityring umkreisen, sondern auch die Stadtbahnlinie U1 ergänzen, bis die 80 m-Züge verkehren könnten. Ein Novum sei auch, dass Planungsmittel bzw. Machbarkeitsstudien für eine Seilbahn im ÖPNV bereitgestellt würden. Der Zero-Emission-Tunnel solle im Vergleich zu herkömmlichen Tunneln geprüft werden. Es gelte dann auch abzuwägen, um zu Ergebnissen miteinander zu kommen.

Der Gemeinderat sei nachhaltig bereit, zusätzliche Mittel in den Ausbau des ÖPNV zu investieren. Das sei die wichtige Botschaft. 1 Tarifzone für Stuttgart werde noch nicht bis zum 01.01.2018 einzuführen sein, aber für die weiteren Jahre werde sie den ÖPNV für die Nutzer preiswerter und attraktiver machen. Dazu gehörten auch weitere Maßnahmen wie die Taktverdichtungen, insgesamt ein ganzes Bündel.

StR Körner (SPD) betont, seine Fraktion habe sehr gerne bei dem Bündnis mitgemacht. Vor einem Jahr, bei der Beschlussfassung zum Jahresabschluss 2015, habe die SPD-Gemeinderatsfraktion eine zweckgebundene Rücklage für den Abriss der Friedrichswahl vorgeschlagen. Diese habe damals noch keine Mehrheit finden können, jetzt sei sie im Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung enthalten. Vor einem Jahr habe die SPD-Gemeinderatsfraktion der Tariferhöhung bei den Fahrpreisen für den öffentlichen Nahverkehr nicht zugestimmt, weil sie der Meinung sei, dass der Nahverkehr momentan nicht gerecht finanziert werde. Schon damals habe sie gesagt, dass 1 Zone für Stuttgart, steuerfinanziert, ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sei. Dies sei jetzt ein gemeinsamer Vorschlag von CDU, GRÜNEN und SPD.

Im April 2016 habe die SPD-Gemeinderatsfraktion die Taktverbesserung bei den Innenstadtbuslinien beantragt, damals aber keine Mehrheit finden können. Jetzt sei das erreicht worden. Das gesamte Paket sei ein selbstbewusster Beitrag der Stadträtinnen und Stadträte für eine lebenswerte und gute Mobilität und für eine bessere Luft in Stuttgart.

StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) kritisiert, das Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung trete als selbstbewusster Beitrag auf, dabei sei es eher ein teurer Beitrag. Es gehe am eigentlichen Problem in Stuttgart und der Frage "Wie schützen wir unsere Bürgerinnen und Bürger vor den schädlichen Emissionen des motorisierten Autoverkehrs?" vorbei. Im Grunde werde eher ein Bündnis für Lebensqualität gebraucht. Wenn man die mit dem Auto verbundenen Gefährdungen und Probleme in den Griff bekommen wolle, müsse man das autobestimmte Verhalten in der Stadt grundsätzlich ändern. Das gehe nur, wenn man auch bereit sei, Sanktionen für den Autoverkehr zu schaffen.

Das Bündnis enthalte durchaus gute Einzelmaßnahmen. Viele davon hätten aber bereits in den letzten Haushaltsplanberatungen und spätestens zum Nahverkehrsplan beschlossen werden können. Es zeige sich aber auch, "welch alter Geist da noch drin weht", zum Beispiel mit der Machbarkeitsstudie für einen Ostheimer Tunnel. Dabei müsse der Autoverkehr in Stuttgart grundsätzlich reduziert, entschleunigt und durch ein flächendeckendes Parkraummanagement auch teurer gemacht werden. Wenn man ernsthaft etwas bei den Fahrpreisen im ÖPNV erreichen wolle, müsse man darüber reden, wie der Nahverkehr auf eine neue, solidarische Finanzierungsbasis gestellt werden könne, zum Beispiel über die Einführung einer Nahverkehrsabgabe für Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft, die Fahrscheine überflüssig mache.

Um die Bürgerinnen und Bürger vor den Luftschadstoffen zu schützen, müssten Pförtnerampeln an Feinstaubtagen den Autoverkehr in der Stadt reduzieren. Anstelle Geld für neue Tunnelplanungen auszugeben, das gelte auch für einen Zero-Emission-Tunnel, müsse in den Ausbau verkehrsberuhigter Bereiche und des Rad- und Fußverkehrs investiert werden. Die Stadtplanung müsse Konzepte zu entwickeln, die grundsätzlich vermeiden, dass Verkehrsmagnete wie Milaneo, Gerber, Dorotheenquartier und Kongresszentren mitten im Herzen der Stadt entstehen.

Für unnötig halte er die Kompromisse, die SPD und GRÜNE im Bündnis eingegangen seien. Er lade die beiden Fraktionen ein, zusammen mit der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS das Verkehrsproblem in der Stadt grundsätzlich anzugehen. Obwohl die Fraktionsgemeinschaft Einzelmaßnahmen für sinnvoll halte, werde sie das Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung ablehnen.

Dass die Mehrheit für das Bündnis stehe, so StRin von Stein (FW), erleichtere es den kleinen Fraktionen, davon abzuweichen. Ihre Fraktion werde sicherlich in den später konkret zu beschließenden Maßnahmen dem einen oder anderen zustimmen, sich heute jedoch enthalten, um die Freiheit zu haben, bei einzelnen Maßnahmen nein sagen zu können. Erfreulich sei aber, dass nun z. B. tatsächlich der Kreisverkehr in der Solitude-/
Engelbergstraße in Weilimdorf kommen solle, ein altes Projekt der Freien Wähler, das schon längst hätte beschlossen werden können. Insofern werde man bei Einzelbeschlüssen mit hoher Wahrscheinlichkeit zustimmen können, auch wenn man sich heute beim Grundsatzbeschluss enthalte.


StR Prof. Dr. Maier (AfD) teilt mit, seine Fraktion halte die unter Ziffer 1 aufgelisteten Maßnahmen für "einigermaßen ausgewogen", sei aber der Auffassung, dass die Beschlussvorlage insgesamt eine tragfähige Grundlage darstelle und werde daher zustimmen.

StR Dr. Oechsner (FDP) erläutert sein Abstimmungsverhalten im gestrigen Verwaltungsausschuss: Für ihn stelle es sich so dar, dass im Ausschuss nicht über den Grundsatzbeschluss, sondern nur über die einzelnen Punkte und Maßnahmen abgestimmt worden sei. Da habe es dann Enthaltungen, Zustimmungen und auch Ablehnungen gegeben. Das Bündnis enthalte zwar teilweise gute Maßnahmen, es sei aber nicht vernünftig, zum jetzigen Zeitpunkt den Grundsatzbeschluss zu fassen und Gelder aus Überschüssen in eine Rücklage zu packen. Das Thema gehöre in die Haushaltsplanberatungen. Daher werde die FDP die Vorlage ablehnen.

StR Dr. Schertlen (STd) macht deutlich, dass er das Bündnis für Mobilität und Luftreinhaltung ablehnt, weil er es für notwendig hält, im Rahmen der Haushaltsplanberatungen ein Gesamtpaket zu schnüren. Weiter beantragt er, unter der Ziffer 1 die Maßnahme 1 um den Zusatz "und/oder Mono-Rail" zu ergänzen, und bei der Maßnahme 9 zu ergänzen, dass das Fahrradparkhaus um öffentlich zugängliche, bei der Nutzung zu bezahlende, Duschkabinen erweitert werden soll.

OB Kuhn weist darauf hin, dass in Zukunft kurzfristige Änderungsanträge schriftlich formuliert und zur Bürgermeisterbank vorgebracht werden sollten, weil er sie ja vorlesen können müsse. Er erinnert daran, dass die auf der Tagesordnung erwähnte Ergänzung 1 Vollzeitstelle betreffe, die für die Maßnahmen 4, 5 und 7 schon heute beschlossen und in den Stellenplan eingestellt werden solle.




OB Kuhn stellt die Änderungsanträge von StR Dr. Schertlen (STd) zur Abstimmung und stellt fest:

- Die zu Beschlussantragsziffer 1, Maßnahme lfd. Nr. 1 beantragte Ergänzung „Machbarkeitsstudie für eine Seilbahn und/oder Mono-Rail als Teil des ÖPNV im Bereich Vaihingen" wird mit großer Mehrheit abgelehnt.

- Die zu Beschlussantragsziffer 1, Maßnahme lfd. Nr. 9 beantragte Ergänzung „Fahrradstation/Fahrradparkhaus einschließlich Duschkabinen im Bereich Paulinenbrücke mit Ladestation für E-Bikes" wird bei 7 Ja-Stimmen und 4 Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.

OB Kuhn verweist auf die im Verwaltungsausschuss einmütig beschlossene Ergänzung einer Beschlussantragsziffer 3a:

- Die Verwaltung wird ermächtigt, zur Umsetzung der Maßnahmen 4, 5 und 7 ab sofort 1,0 Vollzeitkraft (Elektroingenieur) in EG 13 zunächst außerhalb des Stellenplans einzustellen. Über die Stellenschaffung wird im Rahmen der Stellenplanberatungen 2018/2019 entschieden.

Der Vorsitzende stellt die GRDrs 393/2017 mit Ergänzung zur Abstimmung und stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 39 Ja-Stimmen, 11 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen wie beantragt.

zum Seitenanfang