Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 547/2016
Stuttgart,
07/11/2016



Anlagerichtlinien der Landeshauptstadt Stuttgart und
der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH
Umsetzung des Grundsatzes der Nachhaltigkeit




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
20.07.2016
27.07.2016



Beschlußantrag:



1. Der in Ziffer III.2 der Anlagerichtlinien der Landeshauptstadt Stuttgart und der Stuttgarter Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH als Anlageziel genannte Grundsatz der Nachhaltigkeit wird wie in der Anlage aufgeführt konkretisiert.
2. Die Kriterien sind ab dem 1. September 2016 beim Erwerb neuer Papiere zu beachten. Im Portfolio enthaltene Papiere, die die Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllen, sind interessewahrend zu veräußern.



Begründung:


Anlass

Der Gemeinderat hat mit GRDrs 496/2015 am 16.07.2015 die derzeit geltenden Anlagerichtlinien der Landeshauptstadt Stuttgart für die Geldanlage in Investmentfonds gemäß § 22 der Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) beschlossen. Als zusätzliches Anlageziel wurde dabei der Grundsatz der Nachhaltigkeit mit aufgenommen, wonach insbesondere in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden sollen. Die Verwaltung hat zugesagt, dem Gemeinderat über die konkrete Ausgestaltung und die praktische Umsetzung der Nachhaltigkeit zu berichten.

Umsetzung

Die Verwaltung hat sich in zahlreichen Gesprächen mit den Investmentgesellschaften und mit spezialisierten Research-/Ratingagenturen für Nachhaltigkeit informiert, wie die allgemeinen Vorgaben sinnvoll und praktikabel umgesetzt werden können. Als zweckmäßig erweist sich dabei, in einem ersten Schritt aus den verschiedenen Bereichen konkrete und geeignete Ausschlusskriterien zu formulieren, die einerseits für die Landeshauptstadt Stuttgart im Sinne einer glaubhaften Nachhaltigkeit zielführend und ausgewogen, andererseits jedoch die Performance nicht unangemessen beeinträchtigen.

Unter Berücksichtigung des Antrags und der Anfrage der SPD-Gemeinderatsfraktion vom 18.04.2016 (Nr. 120/2016) und des gemeinsamen Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion und der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS vom 26.04.2016 (Nr. 133/2016) hat sich die Verwaltung mit den Anlagerichtlinien der Stadt Münster, mit den Forderungen von „Divest Stuttgart“, mit dem Norwegischen Pensionsfonds sowie mit der Orientierungshilfe der Katholischen Kirche und dem Leitfaden der Evangelischen Kirche zur Nachhaltigkeit auseinandergesetzt.

Als Ergebnis empfiehlt die Verwaltung, den Grundsatz der Nachhaltigkeit mittels der nachstehenden, gut umsetzbaren Ausschlusskriterien zu konkretisieren; aus Gründen der Transparenz soll dabei auf Geringfügigkeitsgrenzen verzichtet werden:

Aus der Vermögensanlage werden Unternehmen ausgeschlossen,


· die in den Rohstoffabbau von Kohle und Öl investieren,
· deren Geschäftsfeld (auch) die Energieerzeugung mit Kohle und Öl ist,
· die Atomenergie erzeugen,
·die Kinder- oder Zwangsarbeit zulassen,
·die Produkte herstellen, die die Menschenwürde durch verunglimpfende und erniedrigende Darstellungen von Personen verletzen,
·die Militärwaffen und/oder Militärmunition herstellen oder vertreiben (im Sinne der Anlage zum Kriegswaffenkontrollgesetz),
·die Pflanzen oder Saatgut gentechnisch verändern,
·die gesetzlich nicht vorgeschriebene Tierversuche für die Herstellung von Kosmetika durchführen,
·die einen unangemessenen Umgang mit Korruptions- und Bestechungsvorfällen pflegen.

Die Stadt Münster hat in ihren aktuellen Anlagerichtlinien die folgenden Ausschlusskriterien für Unternehmen festgelegt: Kinderarbeit, Herstellung/Vertrieb von Militärwaffen, Erzeugung Atomenergie, Betreiben von „Fracking“. Die für die Landeshauptstadt Stuttgart vorgeschlagenen Kriterien gehen über diesen Vorschlag hinaus.



Ergänzend ist anzumerken, dass die Anlagerichtlinien der Landeshauptstadt Stuttgart „strenger“ sind im Hinblick auf das erforderliche Rating für Unternehmensanleihen (A-; Münster: BBB-), den zulässigen Anteil von Aktien und Unternehmensanleihen (max. 30%; Münster: max. 35%) sowie die zum Erwerb zugelassenen Aktien (Stoxx-Europe-600-Index; Münster: Europa/auf EUR lautend).

Die vom Norwegischen Pensionsfonds ausgeschlossenen Investments betreffen Unternehmen, die Anti-Personen-Minen, nukleare Waffen oder Tabakprodukte verkaufen, die Mitarbeiterrechte nicht beachten sowie Bergbaukonzerne, die die Umwelt zerstören. Seit Anfang dieses Jahres soll nicht mehr in Unternehmen investiert werden, die mehr als 30% ihrer Geschäfte oder Einnahmen mit Kohle machen. Hier ist anzumerken, dass sich das Anlageuniversum des Norwegischen Pensionsfonds ebenfalls deutlich von demjenigen der Stadt unterscheidet (Aktienanteil 60%, vorwiegend in Aktien in Europa, USA und Asien).

Nach Einschätzung der Verwaltung decken die für die Landeshauptstadt Stuttgart vorgeschlagenen Ausschlusskriterien ein sehr breites Spektrum von Nachhaltigkeitskriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung ab.


Auswirkungen

Bei Umsetzung der genannten Ausschlusskriterien verkleinert sich im Bereich der Aktien die Zahl der künftig aus dem Stoxx-Europe-600-Index (Anlageuniversum entsprechend III. Nr. 3.1 Anlagerichtlinien) investierbaren Titel nach aktuellem Stand um bis zu 20%. Im Bereich der Unternehmensanleihen ist die Anzahl der investierbaren Titel aufgrund des geforderten Ratings von A- (s. III. Nr. 3.2.3 Anlagerichtlinien) sehr beschränkt. Bei Umsetzung der Ausschlusskriterien würden im Bereich der Unternehmensanleihen von rd. 190 möglichen Titeln (Rating A- und besser) rd. 30 Titel bei Umsetzung der Ausschlusskriterien entfallen.

Investierte Papiere, welche die Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllen, sollen interessewahrend veräußert werden. Welchen konkreten Einfluss die Ausrichtung der Portfolios unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten auf die Performance hat, kann nicht genau beziffert werden.


Zusammenarbeit mit einer Research-/Ratingagentur für Nachhaltigkeit

Die Manager der Spezialfonds und der Vermögensverwaltungen können auf Basis der vom Anleger vorgegebenen Kriterien eine entsprechende Negativliste, die alle nicht investierbaren Unternehmen enthält, nicht selbst erstellen. Hinzu kommt, dass auch sicher gestellt werden muss, dass die Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien für alle unter die Anlagerichtlinien der Stadt fallenden Investments gleichermaßen und einheitlich erfolgt. Daher soll mit einer Research-/Ratingagentur für Nachhaltigkeit zusammengearbeitet werden. Diese wird aufgrund der vorgegebenen Ausschlusskriterien eine Negativliste erstellen, die dann allen Spezialfonds/Vermögensverwaltungen gleichermaßen zur Verfügung gestellt und vierteljährlich aktualisiert wird.
Für diese Leistung fallen zusätzliche jährliche Kosten im unteren fünfstelligen Bereich an.






Michael Föll
Erster Bürgermeister




Finanzielle Auswirkungen

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Beteiligte Stellen








Anlagen



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