Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz: JB
GRDrs 983/2016
Stuttgart,
05/23/2017



Auswirkungen der geplanten Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG)



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
31.05.2017
01.06.2017



Beschlußantrag:

1. Von der aufgezeigten Sachlage und vom zusätzlichen Personalbedarf beim Jugendamt zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) wird Kenntnis genommen.

2. Das Jugendamt wird ermächtigt, vom 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017, zusätzliches Personal bis zu einem Umfang von 3,5 Vollzeitkräften in Entgeltgruppe 9c außerhalb des Stellenplans zu beschäftigen. Die Einstellung des Personals erfolgt entsprechend des Fallzuwachses. Über die dauerhaften Stellenbedarfe ist im regulären Stellenplanverfahren 2018/2019 zu entscheiden.

3. Der Stellenbedarf wird nach Vorliegen der tatsächlichen Auswirkungen der Reform des UVG überprüft. In diesem Zusammenhang ist ein Stellenbemessungsverfahren ergänzt durch einen Städtevergleich unter Federführung des Haupt- und Personalamtes bis Ende 2019 durchzuführen.

4. Der vorgeschlagenen Neuorganisation der Dienststelle Unterhaltsvorschusskasse/ Kindertagespflege (51-00-83) wird zugestimmt, sofern diese haushalts- und stellenneutral umgesetzt werden kann.

5. Dem überplanmäßigen Aufwand im Jahr 2017 im Teilhaushalt 500 – Jugendamt, Amtsbereich 5103690 – Unterhaltsvorschussleistungen, wird wie folgt zugestimmt:

Begründung:


I Sachlage

Die Regierungschefinnen und die Regierungschefs von Bund und Ländern haben sich im Rahmen der Verhandlungen zu den Bund-/Länderfinanzen darauf geeinigt, dass das Unterhaltsvorschussgesetz zum 01.07.2017 geändert werden soll.

Folgende Änderungen sollen ab dem 01.07.2017 in Kraft treten:
Finanzierung:

Folgen für die Kommunen:

II Kalkulation der Anzahl der zu bearbeitenden Fälle der Unterhalts-
vorschusskasse ab dem 01.07.2017

Mit der Reform des UVG werden beim Jobcenter ab Inkrafttreten des geänderten UVG im Altersbereich 0 bis unter 12 Jahre ca. 1.475 Alleinerziehende (siehe Anlage 1 Spalte garantierte Neufälle) aufgefordert, Unterhaltsvorschussleistungen zu beantragen.

Gleichzeitig werden ca. 500 Alleinerziehende mit Kindern von 12 bis unter 18 Jahren (siehe Anlage 1 Spalte garantierte Neufälle), deren Einkommen über 600 € liegt, vom Jobcenter zur Unterhaltsvorschusskasse übergehen. Das Jobcenter rechnet durch die Anrechnung der Unterhaltsvorschussleistungen ab Juli 2017 mit monatlichen Einsparungen in Höhe von ca. 403.904 €, die dann zu Ausgaben bzw. Unterhaltsvorschussleistungen des Jugendamtes werden. Insgesamt sind dies 1.975 garantierte Neufälle für die Unterhaltsvorschusskasse.

Wie viele zusätzliche Anträge von Alleinerziehenden darüber hinaus gestellt werden, kann nur geschätzt werden:

Der Städtetag geht nach einer bundesweiten Umfrage bei den Jugendämtern mindestens von einer Verdoppelung der Fallzahlen aus.

Nach einer Bertelsmann-Studie aus dem Jahr 2016 bekommt die Hälfte der Alleinerziehenden überhaupt keinen Unterhalt vom pflichtigen Elternteil für ihre Kinder. Weitere
25 % erhalten nur unregelmäßig Unterhalt oder weniger als den Mindestanspruch.

Die Anspruchserweiterung im UVG im Jahr 1993 von der Vollendung des 6. auf das 12. Lebensjahr und der Bezugsdauer von 36 auf 72 Monate brachte eine Verdreifachung der Fallzahlen. Die geplante Änderung zum 01.07.2017 sieht eine Verdreifachung der Bezugsdauer von 72 auf 216 Monate vor.

Eine Auswertung des Statistischen Amts in Stuttgart zählt 16.583 Kinder und Jugendliche von Alleinerziehenden unter 18 Jahren. Davon erhalten 5.036 Kinder und Jugendliche Leistungen vom Jobcenter, 8.455 Kinder und Jugendliche Alleinerziehender von 6 bis unter 18 Jahren leben ohne Jobcenterleistungen (siehe Anlage 1).

Es erscheint daher als absolut vertretbar, zu den bereits vom Jobcenter bekannten 1.975 Fällen mit weiteren 2.000 Neuanträgen zu planen. Bezogen auf die 8.455 Kinder und Jugendliche Alleinerziehender zwischen 6 bis unter 18 Jahren ohne Jobcenterleistungen (siehe Anlage 1) entsprächen diese 2.000 Neufälle 23,65 %.

III Zusätzlicher Stellenbedarf bei der Unterhaltsvorschusskasse ab dem 1.07.2017

Für Stuttgart wurde im Jahr 2004 ein Fallzahlenschlüssel von 1:600 festgelegt. Von Seiten des Jugendamtes wird nach Umsetzung des UVG von 8.101 Fällen ausgegangen (Bestandsfälle: 4.126 und geschätzte Neufälle: 3.975). Daraus errechnet sich für die UVG-Sachbearbeitung bei Anwendung des Fallzahlenschlüssels 1:600 ein Personalbedarf in Höhe von 13,54 Stellen. Unter Berücksichtigung des Personalbestands von 10,07 Stellen entspricht dies einem Stellenmehrbedarf von rd. 3,5 Vollzeitstellen in Entgeltgruppe 9c.


IV Ausblick

Durch die Reform des UVK ist damit zu rechnen, dass am 1.07.2017 eine Flut von Anträgen beim Jugendamt eingehen wird. Diese müssen fristgerecht bearbeitet werden, damit den Antragsstellerinnen und Antragsstellern keine Nachteile erwachsen, da das UVG nur unter bestimmten Umständen eine begrenzte Rückwirkung des Antrags von einem Monat vorsieht.

Es ist davon auszugehen, dass die erwarteten 3.975 neuen Anträge direkt im Juli 2017 gestellt werden (bisher liegt das Antragsvolumen über das ganze Jahr verteilt bei 1.000 Neufällen).

Außerdem müssen die betroffenen alleinerziehenden Elternteile beim Jobcenter die Unterhaltsvorschussanträge innerhalb einer gesetzten Frist stellen, anderenfalls riskieren sie eine mögliche fiktive Anrechnung der Unterhaltsvorschussleistungen bei den SGB II-Leistungen wegen fehlender Mitwirkung bei einer vorrangigen Leistung.

Durch die geplanten Änderungen in der Gruppe der 12- bis 17-jährigen Kinder entsteht eine Schnittstelle zwischen SGB II und UVK, die einen erheblichen neuen Verwaltungsaufwand bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen auslöst. Durch die zu erwartenden Fallabgaben und dauerhaften Einkommensprüfungen wird sich die Zusammenarbeit schwieriger gestalten und auch zu zeitlichen Verzögerungen führen.

Die Prüfung von eigenem Einkommen der Kinder wird die zeitlichen Abläufe der Leistungsbewilligung erschweren, der Unterhaltsrückgriff dieser Fälle wird komplizierter als bisher.

Die bisherigen Standards zur Bearbeitung der Fälle einschließlich Rückgriffmaßnahmen können daher sicher nicht eingehalten werden. Folge wird sein, dass die derzeitige Rückgriffquote von 30 % sinken wird. Trotzdem soll eine Rückgriffquote von 25 % angestrebt werden.

Aus diesem Grund ist die Angemessenheit des Fallzahlenschlüssels im Rahmen eines Stellenbemessungsverfahrens unter Federführung des Haupt- und Personalamtes abschließend bis Ende 2019 zu überprüfen. Hierbei ist die tatsächliche Fallzahlenentwicklung zu berücksichtigen und ein Städtevergleich (Aktualisierung des Benchmarks) einzubeziehen.


V Notwendige Organisatorische Veränderungen

Die Dienststelle Unterhaltsvorschusskasse, Kindertagespflege (51-00-83) muss organisatorisch neu strukturiert werden. Bislang sind die Mitarbeiter/-innen alle direkt der Dienststellenleitung unterstellt. Das bevorstehende qualitative und quantitative Anwachsen der Unterhaltsvorschusskasse – sowohl vom Aufgabenvolumen als auch vom Personalkörper – bedingt, dass zwei Sachgebiete mit Sachgebietsleitungen (in A 11) benötigt werden.

Neben den Stellen für Sachbearbeitung-UVK sollte auch eine 1,0 Stelle in A 11 für die Bearbeitung von Unterhaltsverfahren/Prozessführung vorhanden sein.

Hieraus ergibt sich folgende neue haushalts- und stellenneutral umzusetzende Organisationsstruktur:



Finanzielle Auswirkungen


Durch die Schaffung von 3,5 Stellen in EG 9c für die Sachbearbeitung der UVK entstehen zusätzliche Personalkosten in Höhe von rund 210.000 €/Jahr, anteilig für 2017 maximal in Höhe von 70.000 €.

Die zusätzlichen Ausgaben für die Unterhaltsvorschussleistungen bezogen auf

die Fälle, die vom Jobcenter kommen, liegen bei 403.904 €
die zusätzlichen 2.000 Neuanträge 470.000 €
(235 €/Fall als rechnerisches Mitte der 2. und 3. Altersstufe)

Zusätzliche Kosten pro Monat 873.904 €

Zusätzliche Kosten pro Jahr 10.486.848 €

Bei einer Rückgriffsquote von 25 % ergibt sich ein zu berücksichtigender Nettoaufwand von 7.865.136 €, von dem ein Drittel, also 2.621.712 Mio. EUR jährlich von der Landeshauptstadt Stuttgart zu tragen sind. Für das zweite Halbjahr 2017 wären Transfermehraufwendungen von 1.310.856 Mio. € zu erwarten.





Beteiligte Stellen

Referat AKR und Referat WFB haben die Vorlage mitgezeichnet.




Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen

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