Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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13a
VerhandlungDrucksache:
-
GZ:
Sitzungstermin: 20.10.2016
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Kuhn
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Sabbagh
Betreff: Entwicklung "Garden Campus Vaihingen"
Umsetzung der Ergebnisse aus guten Gründen
- Antrag Nr. 320/2016 vom 17.10.2016 (CDU, FW, FDP,
StR Dr. Schertlen (STd))

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 27.09.2016, öffentlich, Nr. 437
Ergebnis: Berichterstattung und Verständigung über das weitere Vorgehen

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 11.10.2016, öffentlich, Nr. 470
Ergebnis: Vertagung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 18.10.2016, öffentlich, Nr. 487
Ergebnis: Abstimmung über Antrag im GR am 20.10.2016

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Der Antrag Nr. 322/2016 vom 19.10.2016 (90/GRÜNE, SPD, SÖS-LINKE-PluS) sowie der Antrag Nr. 323/2016 vom 20.10.2016 (CDU, FW, FDP, STd) sind dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ebenfalls beigefügt.


Vorab stellt StR Klingler (AfD) den mündlichen Antrag, den Tagesordnungspunkt wegen der Bedeutung des Themas und der sehr kurzfristig eingegangenen Anträge auf die nächste Sitzung des Gemeinderats zu vertagen. Hierzu merkt OB Kuhn an, formal wäre eine Beratung möglich. StR Kotz (CDU) hätte gegen eine Vertagung nichts einzuwenden, sofern es keine Fristprobleme gebe.

OB Kuhn weist darauf hin, dass der Wettbewerb vom Investor ausgelobt worden sei und weiterlaufe. Wer diesen gestalten wolle, müsse möglichst rasch entscheiden, wie es weitergehen solle. Eine Verschiebung würde bei den Büros zu Irritationen führen. Auch StR Winter (90/GRÜNE) plädiert für eine Beratung.

OB Kuhn lässt über den mündlichen Antrag abstimmen und stellt fest:

Der Gemeinderat lehnt den Antrag mit 28 Nein- und 24 Ja-Stimmen mehrheitlich ab.

StR Dr. Vetter (CDU) dankt dem Investor dafür, dass er den formalen Architektenwettbewerb mit informeller Bürgerbeteiligung verbinde. Das Ergebnis sowie die vier weiter-zuplanenden Entwürfe habe seine Fraktion ausführlich diskutiert. Grundlage für die Auslobung des städtebaulichen Wettbewerbs seien die Überlegungen aus dem Eiermann-Kolloquium unter der Leitung von OB Kuhn gewesen, einen Nutzungsmix von ca. 75 % Gewerbe und ca. 25 % Wohnen zu realisieren.

Während die Nachfrage nach Gewerbeimmobilien im 1. Halbjahr 2016 um 10 % gegenüber dem Vorjahr angestiegen sei, sei der Vorrat an Gewerbeflächen in der Region Stuttgart seit 2000 von 650 ha auf 93 ha gesunken. Jede dritte Anfrage komme aus dem Ausland. Das bestehende Gewerbegebiet müsse deshalb weitgehend erhalten bleiben. Hier sollten sich Büros, wissenschaftliche Arbeitsplätze, Forschungseinrichtungen, Dienstleister oder Startup-Unternehmen nach dem Vorbild des STEP ansiedeln. Eine solche Entwicklung des Areals könne sich natürlich mehrere Jahre oder noch länger hinziehen. Doch begrüße seine Fraktion eine gewerbliche Bodenbevorratungspolitik wie auch einen 25%igen Wohnanteil für hybrides und studentisches Wohnen. Die in der Zeitstufenliste Wohnen für dieses Areal vorgesehenen 500 Wohneinheiten (WE) seien richtig.

Angesichts der Wohnungsknappheit in Stuttgart habe seine Fraktion die Umwandlung von Gewerbeflächen in Wohngebiete mitgetragen, z. B. das Neoplan-Areal mit 495 WE, das Auto Staiger-Areal mit 500 WE, das Schoch-Areal mit 125 WE und das Hansa-Areal mit 160 bis 180 WE. Vor diesem Hintergrund sollten an diesem Standort an der Autobahn keine größeren Wohnflächen geschaffen werden.

Er bitte deshalb, den gemeinsamen Antrag Nr. 320/2016 zur Abstimmung aufzurufen. Sollte dieser keine Mehrheit erhalten, müsse vorab das oft zitierte funktionierende Wohnen definiert werden. Ein funktionierender Stadtteil brauche soziale Durchmischung, Themen wie Eigentümerstrukturen - u. a. Baugemeinschaften - und Infrastruktur, z. B. Kitas, Grundschule, Lebensmittelversorgung, ÖPNV. Zu berücksichtigen sei auch die Lage an einem Autobahnkreuz. Aufgrund der Insellage des Baugebiets müsse dieses an das Vaihinger Wohngebiet angebunden werden oder 5.000 bis 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner haben. Dies übersteige aber selbst den maximalen Ansatz aus dem Wettbewerb mit 1.118 WE, in denen ca. 2.500 Menschen wohnen würden.

Vor einer Weiterplanung beantrage seine Fraktion deshalb gemäß Antrag Nr. 323/2016, dass der Gemeinderat über die Definition eines funktionierenden Stadtteils diskutiert und die Rahmenbedingungen festlegt. Ein externer Gutachter solle die hierfür notwendigen Zahlen von Wohneinheiten und Einwohnern, sozialer Durchmischung, Erschließung etc. erarbeiten. Auf dieser Grundlage sollten dann die Architekturbüros im Wettbewerb weiterarbeiten. Bis dahin sei der Wettbewerb auszusetzen. Ein Schnellschuss helfe weder dem Investor noch der Stadt.

Um einen Schnellschuss handle es sich mitnichten, erklärt StRin Schiener (90/GRÜNE), schließlich beschäftige man sich schon lange mit diesem Gebiet und wisse seit Jahren, dass rund 100.000 Autos täglich dort vorbei fahren. Baurechtlich sei es als Verwaltungsfläche ausgewiesen, mit dem Zielbeschluss solle es nun als Büro- und Gewerbefläche genutzt werden. Sie schildert nochmals die Vorgeschichte des Areals und den Wettbewerb, an dem 14 Büros teilgenommen hätten. Bis auf eines hätten alle einen deutlich höheren Wohnanteil als die ursprünglich angedachten 25 % vorgesehen. Bei den vier ausgewählten Büros liege der Wohnanteil zwischen 40 und 70 %. Das Preisgericht und die Fachöffentlichkeit seien sich einig, dass für ein lebendiges Stadtquartier eine kritische Masse an Wohnbevölkerung nicht unterschritten werden dürfe. Das habe man vielfach in verschiedenen Ausschüssen diskutiert, eine externe Vergabe erübrige sich deshalb. Außerdem solle der Uni-Campus in Vaihingen stark nachverdichtet werden. Einrichtungen der Universität hätten deshalb kein Interesse am Standort Garden Campus.

Es gehe um einen ausgewogenen Mix von Arbeitsstätten, Wohnungen, Kultur, Erholung und guter neuer Architektur. Ein denkmalgeschütztes Juwel sei ja bereits vorhanden.
I-Tüpfelchen könnte eine urbane Seilbahn in dieses Gebiet sein.


Zu Antrag Nr. 323/2016 merkt sie an, ihre Fraktion stimme Ziffer 1 zu und lehne die beiden übrigen ab. Niemand könne zusichern, dass das Quartier funktioniere. Grundvoraussetzung dafür sei, dass die Lärm- und Luftproblematik und die Verkehrsanbindung gelöst würden. Hier erinnert sie an die Entwicklung des STEP. Die einmalige Chance auf Entwicklung des Garden Campus sollte man nicht blockieren, indem man auf einer 25 %igen Wohnnutzung beharre. Im UTA habe man am 18.10.2016 einstimmig über den Lärmschutz, Waldeingriff und das Mobilitätskonzept - ergänzt durch eine Prüfung Seilbahn, Stadtbahn und Monorail - beschlossen. Arbeitsplätze bedingten auch Wohnungen und Infrastruktur. Um ein lebendiges Quartier zu ermöglichen, müsse man den Büros nun Teil 2 des Verwaltungspapiers mit entsprechender Berücksichtigung der Infrastruktur an die Hand geben. Das Wettbewerbsverfahren dürfe nicht weiter verzögert werden.

StRin Kletzin (SPD) begrüßt das transparente Verfahren, bei dem mit der Diskussion nicht nur in den Ausschüssen, sondern auch im Gemeinderat der Öffentlichkeit die Beweggründe für die Entscheidungen dargelegt würden. Aus der ersten Stufe des Wettbewerbsverfahrens hätten sich vier Beiträge herauskristallisiert. Der Gemeinderat müsse nun für die zweite Phase Hinweise für die endgültige Entscheidung geben: Nutzung im Denkmal, Waldabstand, Verkehrskonzept mit Anbindung an die Mobilitätspunkte, einheitliche Kenngröße für die Einwohnerzahl pro Wohnung, Präzisierung notwendiger Infrastruktureinrichtungen vonseiten der Verwaltung.

Der Wettbewerb sei ausgelobt worden, um zu wissen, was denkbar und machbar sei. In der zweiten Phase sollten Vorschläge für Dichte und Nutzung präzisiert werden. Die Wettbewerbsteilnehmer müssten ihre Ideen konkretisieren. In der dritten Phase müsse man die Ergebnisse diskutieren und entscheiden, was erforderlich und gewünscht sei und ob man ein innovatives Vorhaben auf den Weg bringen wolle.

Die aktuelle Diskussion im Gemeinderat hätte man nach Ansicht von StR Pantisano (SÖS-LINKE-PluS) im Vorfeld der Auslobung führen müssen. Das Eiermann-Areal sei nur auf den ersten Blick eine abgelegene Insel, schon auf den zweiten Blick werde deutlich, dass es mit vielen Themen der Stadtentwicklung in Vaihingen verknüpft sei. Fragen zu Verkehr, Wohnen und Infrastruktur hätten im Vorfeld geklärt werden müssen. Man hätte unter Mitwirkung der Bürgerschaft und des Bezirksbeirats vor Ort einen Rahmenplan mit verschiedenen Varianten entwickeln müssen, die dann z. B. der Städtebauausschuss diskutiert hätte, um zu klären, ob dort ein funktionierendes Quartier möglich sei, und wenn ja, in welcher Form.

Das im Antrag Nr. 323/2016 geforderte externe Gutachten halte seine Fraktionsgemeinschaft für den falschen Weg. Ebenso sei auch das Kolloquium kein geeignetes Verfahren, um zu einer Entscheidung zu kommen. Insbesondere auch deshalb, weil es sich dabei lediglich um eine Machbarkeitsstudie gehandelt habe, die nichts über das Funktionieren des Quartiers aussage. Nach einem gemeinsam von Bürgerschaft, Verwaltung und Politik gestalteten Prozess hätte man entscheiden können, ob die Stadt die Fläche kaufen solle, um sie zu entwickeln, statt sie einem Investor zu überlassen. Und es habe sich schon gezeigt, dass es eine große Herausforderung sein werde, auf diesem Areal ein funktionsfähiges und lebenswertes Quartier zu entwickeln.

In der ersten Jurysitzung habe man sich klar dafür ausgesprochen, dass der Wohnanteil sehr hoch sein müsse, um eine kritische Masse von Bewohnern zu erreichen, damit das Quartier überhaupt funktionieren könne. Der in Antrag Nr. 320/2016 geforderte Wohnanteil von 25 % erfülle dies nicht. Forschung und Wissenschaft hätten kein Interesse an diesem Areal, da sie bis 2030 auf ihrem eigenen Gelände an der Universität erweitern wollten.

Die Fragen des Verkehrs und der sozialen Infrastruktur blieben ungeklärt. Seine Fraktionsgemeinschaft stimme den von der Verwaltung formulierten Vorgaben für die zweite Wettbewerbsphase nur unter dem Vorbehalt zu, dass die festgelegten Empfehlungen umsetzbar seien und überprüft würden. Es beinhalte einen respektvollen Umgang mit dem Denkmal, die Minimierung des Waldeingriffs, Schaffung eines qualitätvollen öffentlichen Raums, Ausarbeitung eines funktionierenden Mobilitätskonzepts für ganz Vaihingen, ein Lärmschutzkonzept, die Schaffung einer sozialen Infrastruktur und die Klärung der Finanzierung. Wenn das Wettbewerbsergebnis dann vorliege, könne man das Bebauungsplanverfahren aussetzen und diese Punkte in einem neuen Prozess klären, um zu entscheiden, ob es sinnvoll sei, dort zu bauen.

An dieser Stelle weist OB Kuhn darauf hin, dass man einem Antrag entweder zustimme oder nicht. Unter Bedingungen zuzustimmen, sehe die Gemeindeordnung nicht vor.

StRin von Stein (FW) erklärt, bei der vorhandenen Bebauung handle es sich um eine maßgeschneiderte Anlage für einen bestimmten Nutzer. Dieser habe das Areal aufgegeben. Die Sanierung der nicht mehr zeitgemäßen Eiermann-Gebäude werde sehr teuer und sei deshalb ein Hemmschuh für Investoren gewesen. Das Areal außerhalb der Bebauung des Stadtbezirks Vaihingen liege fernab von ÖPNV, Kitas, Schulen und Nahversorgung, dafür aber direkt an vielbefahrenen Straßen mit sehr guter Anbindung an das übergeordnete Straßennetz in Region und Land. Das von OB Kuhn einberufene Kolloquium habe im Gemeinderat den Vorschlag unterbreitet, am Standort in erster Linie Gewerbe anzusiedeln. Trotz der notwendigen Schaffung von Wohnraum sei fraglich, ob die Ergebnisse der ersten Runde des Architektenwettbewerbs den quantitativen und qualitativen Anforderungen der Stuttgarter Kommunalpolitik an gutes Wohnen entsprächen. Es habe auch Architekten gegeben, die die Bebauung von Neugereut, Mönchfeld oder Freiberg seinerzeit gut gefunden hätten. Und 40 bis 50 Jahre später habe man dort aufgrund der Dichte, der schlechten Infrastruktur und der fehlenden oder nicht angenommenen Mitte große Probleme, die man mit viel Geld und Aufwand reparieren müsse.

Wenn Rot-Rot-Grün die Wohnbebauung so am Herzen liege, könne ihre Fraktion den langjährigen Widerstand gegen die Wohngebiete Langenäcker-Wiesert oder Schafhaus nicht nachvollziehen. Beim Schwanenplatz habe man die Wohnbebauung um 30 %, was 40 WE entspreche, reduziert. Die für den Neckarpark vorgesehene GFZ sei immer noch höher und mit Gewerbeanteil als das, was auf dem Schwanenplatz ursprünglich geplant gewesen sei. An vielen Stellen im Stadtgebiet seien ein oder zwei Wohnungen mehr möglich.

Da mit der Bebauung der Restfläche des IBM-Areals die 100 Mio. € teure Sanierung der denkmalgeschützten Eiermann-Gebäude finanziert werden müsse, müsse sie sehr dicht sein, was zulasten der Wohnqualität gehe. Aus diesem Grund sei auch der Name Garden Campus schlecht gewählt. Die Aussagen aus dem Städtebauausschuss seien widersprüchlich. Einerseits wolle man attraktive Wohnformen, andererseits brächten es die Wettbewerbsbeiträge auf 2.000 Einwohner in einem hoch verdichteten Gebiet.

Ein lebendiger Stadtteil brauche Kita und Schule, aber auch einen Sportplatz, Lokale, Läden, Handwerksbetriebe, Einrichtungen für Stadtverwaltung und Kirchen. Ein Laden, der die Nahversorgung abdecke, benötige 5.000 bis 6.000 Einwohner.

Zum Denkmalschutz zitiert sie den Architekten Egon Eiermann, der sich als "Liebhaber des Stahls" bezeichnet habe, weil diesem "der freche Anspruch auf Dauerhaftigkeit" fehle. Er habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass Gebäude nicht für die Ewigkeit gedacht seien. Insofern würde es also auch völlig ausreichen, nur eines der drei Eiermann-Gebäude stehen zu lassen und denkmalgerecht zu sanieren. Aufgrund der immensen Kosten für die Sanierung der Bestandsgebäude werde eine sinnvolle und nachhaltige Entwicklung des IBM-Areals blockiert. Der Gewerbestandort könnte revitalisiert und den aktuellen Anforderungen angepasst werden. Deshalb sollte man den Denkmalschutz nochmals überdenken, an den Ergebnissen des Kolloquiums von 2013 festhalten und an dieser Stelle kein absehbar problematisches Wohngebiet schaffen. Ihre Fraktion unterstütze den gemeinsamen Antrag Nr. 323/2016.

StR Klingler bezieht sich zunächst nochmals auf seinen mündlichen Antrag. Zudem verweist er auf das Flugfeld in Böblingen, das nur zehn Kilometer entfernt und weit hinter den Erwartungen geblieben sei, obwohl es mit einem Bahnhof perfekt erschlossen sei und bessere Rahmenbedingungen biete. Der Garden Campus sei weder für Wohnen noch für Gewerbe attraktiv, auf jeden Fall sei ein Wohnanteil von 25 % zu gering, um in Zukunft als Wohngebiet funktionieren zu können.

Auch die Verkehrsthematik müsse ergebnisoffen diskutiert werden. Die Seilbahn und die Monorail-Bahn kämen frühestens mittelfristig. Dann müsste man auch überlegen, ob man die S-Bahn von Rohr nach Sindelfingen nicht diese Schleife fahren lasse. Seine Fraktion werde dem Antrag Nr. 323/2016 zustimmen.

In seiner Begründung des gemeinsamen Antrags Nr. 323/2016 erklärt StR Conz (FDP), für seine Gruppierung seien auf dem Gebiet auch ein Hotel, große Gewerbeflächen, Wohnen - auch eingestreutes - vorstellbar. Ob man allerdings ein sich selbst tragendes Wohngebiet realisieren könne, stelle er infrage. Ein Gebiet mit 6.000 Einwohnern sei auch schon als nicht tragfähig bezeichnet worden. Und die hier entstehenden verkehrlichen Probleme seien enorm. Deshalb plädiere er für ein Gewerbegebiet mit eingestreutem Wohnen, wie es ursprünglich angedacht gewesen sei.

StR Dr. Schertlen (STd) vermisst eine nachhaltige, ganzheitliche und vorwärtsgewandte Politik im Rathaus. Das Thema Eiermann-Areal hätte von der Abfolge her ganz anders diskutiert werden müssen. Die Vermarktung habe ohne Einfluss durch die Stadt stattgefunden, da es sich um ein Privatgeschäft gehandelt habe. Verkehr und Nutzung seien diskutiert worden. Für ihn spiele der Wohnanteil - ob nun 80, 50, 25 oder 0 % - keine große Rolle, doch frage er sich ernsthaft, wer daran glaube, dass ein Wohngebiet direkt an einem der meistbefahrenen Autobahnkreuze der Republik funktioniere, egal mit abschirmender Gewerbebebauung oder Lärmschutzwänden. Er könne sich dort ein reines Gewerbegebiet, aber auch bis zu 25 % Wohnen in einem durch ein Gewerbe abgeschirmten ruhigen Bereich vorstellen.

Mit einigen Projekten in Vaihingen werde seiner Ansicht nach das Schlagwort der Innenentwicklung ausgehöhlt. Die Erweiterung der Bebauung auf dem Eiermann-Areal fordere einen nicht adäquat ausgleichbaren Eingriff in den Waldbestand. Wenn der höhere Wohnanteil erschlossen werde, hoffe er aber, dass durch die dort hinziehende Bevölkerung bezahlbarer Wohnraum im Stadtgebiet frei werde. Er gibt zu bedenken, dass 5.000 bis 8.000 auf dem Areal wohnende bzw. arbeitende Menschen mehr Verkehr produzierten. Das Thema Eiermann-Areal müsse der Reihe nach abgearbeitet werden, darunter auch die Frage des Verkehrs - Straßenanbindung, Seilbahn, Monorail, U-Bahn-Verlängerung, Radwege.

OB Kuhn erinnert an die Grundaussage des Kolloquiums, dass die Eiermann-Gebäude nur dann im Sinne des Denkmalschutzes erhalten werden könnten, wenn sich ein Investor finde, der aus dem Rest der Fläche die Sanierung finanzieren könne. Weiter habe man hybride Nutzungen - eine Verbindung von Wohnen und Wirtschaft - festgeschrieben. Auf diese Weise habe man vermieden, dass die Gebäude keinen Eigentümer mehr gehabt hätten, vielmehr habe man einen Investor gefunden, der nun auch den Wettbewerb ausgelobt habe. Die meisten Fraktionen hätten das Kolloquium denn auch sehr positiv - als Rettungsanker - beurteilt.

Offensichtlich sei, dass es der Stadt Stuttgart an zukunftsfähigen Gewerbeflächen mangele. Im Grundsatzbeschluss habe der Gemeinderat ein Gewerbegebiet vorgesehen, das den Anforderungen von Industrie 4.0 genüge. Hinzu komme ein eklatanter Wohnungsmangel, es fehle vor allem an bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit mittlerem und kleinerem Einkommen, Familien und Studierenden. Deshalb müsse man froh sein, wenn man eine Fläche habe, auf der man beide Interessen vernünftig kombinieren könne. Denn zu ihm kämen viele Unternehmer, die natürlich Gewerbeflächen benötigten, zugleich aber auch Arbeitskräfte, vor allem qualifizierte, die jedoch nicht nach Stuttgart kämen, weil sie hier keine Wohnung fänden. Würde man auf dem Gebiet Wohnen und Arbeiten zusammenbringen, wäre dies auch aus verkehrspolitischen Gründen hervorragend, da die Menschen zu Fuß zur Arbeit gehen könnten.

Die Antragslage bereite ihm Sorgen, da er einen Grundsatzstreit entlang der beiden Pole sehe. Er wolle aber daran erinnern, dass der Wettbewerb ausgelobt sei und renommierte Architekturbüros daran arbeiteten, die Klarheit brauchten. Das Preisgericht sei hochrangig besetzt gewesen, und hier stehe nun einiges an Ansehen der Stadt Stuttgart auf dem Spiel, wenngleich ein Aussetzen des Verfahrens rechtlich möglich wäre. Mit Blick auf den Antrag Nr. 323/2016 schlage er nun vor, das Verfahren nicht auszusetzen, da die Entscheidung erst mit dem Bebauungsplan falle und man bis dahin noch genügend Zeit habe. Auf der Basis der drei Anträge schlage er nun ergänzend zu den Empfehlungen aus dem UTA vom 18.10.2016 vor, die vier verbleibenden Büros aus dem Wettbewerb in der zweiten Phase des städtebaulichen Gutachterverfahrens aufzufordern, in ihren Entwürfen - in Szenarien oder in einem Kontinuum - einen Korridor von 30 bis 60 % Wohnnutzung darzustellen. Darüber hinaus solle während des laufenden Wettbewerbs in einer Sondersitzung des Gemeinderats eine fachlich begleitete Diskussion zum Thema funktionierendes Stadtquartier geführt werden. Dann könne auch über ein Gutachten entschieden werden. Mit diesem Vorschlag wolle er noch größeren Imageschaden von der Stadt abwenden.

StR Kotz dankt für die Ausführungen und bestätigt, dass die Definition eines funktionierenden Wohn- bzw. Gewerbegebiets noch ausstehe. Er rekapituliert nochmals die Vorgeschichte des gesamten Prozesses und merkt an, man habe sich am Ende des Kolloquiums für eine Variante mit 25 % Wohnen und 75 % Gewerbe entschieden, und auf dieser Basis habe sich relativ schnell ein Investor gefunden. Parallel dazu hätten die Stadtverwaltung und der Gemeinderat intensivst diskutiert, das Gebiet selbst zu erwerben, logischerweise zu einem den damaligen Beschlüssen angemessenen Kaufpreis. In Anbetracht der niedrigen Zinsen hätte man städtisches Geld ohne Weiteres für ein paar Jahre in Grundstücken anlegen können. Dann habe aber ein Investor auf der Grundlage der Vorgaben einen überhöhten Preis bezahlt. Dieser bemühe sich nun um einen erfolgreichen Geschäftsabschluss. Er sei schon überrascht, wenn der Gemeinderat nun - vielleicht aus Angst davor, dass der Investor abspringe - sage, das interessiere ihn nicht mehr.

OB Kuhn sei einmal mit dem Spruch angetreten, "für Stuttgart bauen, nicht für Investoren". Davon spüre er nicht mehr viel. OB Kuhn rücke von seinem hochgelobten Kolloquiumsergebnis ab und baue Zeitdruck auf. Der Stadtrat sieht keinen Imageschaden, wenn sich der Gemeinderat in einem zweistufigen Verfahren zwischen den beiden Stufen Zeit zur Überarbeitung und Weiterentwicklung nehme. Darin liege doch gerade der Reiz eines zweistufigen Verfahrens. Und wenn es nach einem Leerstand von neun Jahren drei Monate länger dauere, sei das doch nicht schlimm.

Seine Fraktion halte den Standort hervorragend geeignet für Gewerbe, auch Forschungseinrichtungen und Startup-Unternehmen. Als Ausgleich sollte man an der Kriegsbergstraße auf dem ehemaligen EnBW-Areal Wohnungsbau oder Umnutzung in Wohnungen ermöglichen. Dafür sei dieser Standort ideal. Wenn die Ratsmehrheit nun zur Einschätzung komme, dass der Garden Campus aufgrund des hohen Bedarfs als größeres Wohnquartier unverzichtbar sei, sollte man sich die drei Monate für die Beratung nehmen. Denn dies habe Auswirkungen auf die weitere Bearbeitung der städtebaulichen Entwürfe.

StR Winter (90/GRÜNE) regt an, die Frage, was ein funktionierender Stadtteil sei, in einem Unterausschuss oder einer Arbeitsgruppe zu klären. Seine Fraktion wolle das laufende Verfahren weder aufhalten noch stoppen und halte ein externes Gutachten angesichts des hochkarätig besetzten Preisgerichts, des Ideenwettbewerbs, dem dann noch ein Bebauungsplanverfahren folge, für entbehrlich. Ein starrer Wohnanteil von 25 % wäre für seine Fraktion nicht infrage gekommen, die nun erforderliche Diskussion müsse ergebnisoffen sein. Seine Fraktion könne dem weiteren Verfahren und, wie im Antrag Nr. 323/2016 dargelegt, den Verwaltungsempfehlungen (2) zustimmen.

StRin Kletzin spricht sich dafür aus, über den Antrag Nr. 322/2016, der ja die Höhe des Wohnanteils offenlasse, wodurch kein Korridor erforderlich sei, abzustimmen.

Zum Verständnis erläutert OB Kuhn, er habe mit seinem Vorschlag versucht, die Fraktionen zusammenzubringen. Und an StR Kotz gewandt betont er, am Ende des Tages gehe es um Stuttgart, nicht um Investoren.

StR Pantisano (SÖS-LINKE-PluS) sieht noch eine Menge Gesprächsbedarf, wie die Stadt grundsätzlich entwickelt werden solle, z. B. auch im Zusammenhang mit der IBA 2027. Er erinnert daran, dass seine Fraktionsgemeinschaft immer daran interessiert gewesen sei, die Fläche zu kaufen. Er greift den Vorschlag von OB Kuhn auf, im Nachgang zum Wettbewerb oder parallel dazu die Diskussion zu führen, allerdings nicht über den Wohnanteil, sondern darüber, welche Dichte man in der Stadt wolle. Hierzu könne man den Städtebauausschuss und weitere Experten einladen. Im Namen seiner Fraktionsgemeinschaft plädiert er dafür, gemäß dem Antrag Nr. 322/2016 weiter zu verfahren.


OB Kuhn schließt die Debatte und stellt fest:

Der Gemeinderat lehnt den Antrag Nr. 320/2016 mit 31 Nein- und 23 Ja-Stimmen mehrheitlich ab.

Der Gemeinderat beschließt Ziffer 1 des Antrags Nr. 323/2016 bei 1 Gegenstimme und zahlreichen Enthaltungen mehrheitlich.

Ziffer 2 des Antrags Nr. 323/2016 wird mit 29 zu 25 Stimmen mehrheitlich abgelehnt.

Ziffer 3 des Antrags Nr. 323/2016 wird ebenfalls mit 29 zu 25 Stimmen mehrheitlich abgelehnt.

Der Antrag Nr. 322/2016 wird vom Gemeinderat mit 29 Ja- und 25 Nein-Stimmen mehrheitlich beschlossen.

Abschließend kündigt er an, die Frage "Was ist ein funktionierender Stadtteil?" im Gemeinderat rasch zu diskutieren. Er werde in Bälde auf die Fraktionen zukommen.

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2_160927_GCV_Präsentation UTA und BB.pdf